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Pakistan Eine neue Kampfperiode Martin Suchanek, Neue Internationale 161, Juli/August 2011 Die politische und gesellschaftliche Krise in Pakistan spitzt sich zu. Die Tötung Osama bin Ladens offenbarte den Charakter der „Partnerschaft“ zwischen den USA und ihrem Marionettenregime in Islamabad. Das US-Kommandounternehmen zeigte erneut, dass die USA sich nicht an Formalien oder die nationale Souveränität halten, wenn es um ihre Interessen geht. Die pakistanische Regierung und das Militär wurden als Befehlsempfänger Washingtons bloßgestellt. Willfährig unterstützt die pakistanische Regierung auch den reaktionären Krieg der USA in Afghanistan und den Grenzgebieten des eigenen Landes. Sie lässt Lufttattacken und die Abschlachtung von ZivilistInnen zu und führt selbst Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Wie die kürzliche Ermordung des Journalisten Salim Shahzad aufdeckt, ist der Geheimdienst entschlossen, die Opposition und die Berichterstattung in den Medien zum Schweigen zu bringen. Spaltungen in der herrschenden Klasse Die korrupte Regierung der Pakistanischen Volkspartei (PPP) von Präsident Asif Ali Sardari verliert immer mehr an Rückhalt. Die Demaskierung ihres dem Imperialismus hörigen Charakters und ihre militärischen Misserfolge Krieg hat auch zu Spaltungen in den pakistanischen Streitkräften geführt. Auch die Beziehungen zwischen Pakistan und den USA werden in der Militärführung ernsthaft überdacht. Die Armee fürchtet, dass sie die Legitimation für ihre Macht und ihre Pfründe in Gesellschaft und Politik einbüßen könnte. Das Oberkommando steht nicht nur unter dem Druck des pakistanischen Volkes, sondern auch dem des höheren und mittleren Offizierskorps. Ein Teil der herrschenden Klasse, angeführt von der parlamentarisch stärksten Opposition, der Pakistanischen Moslemliga - Nawas (PML-N), hat sich nicht nur von der PPP-Regierung, sondern auch vom Militär entfremdet. Ihr Führer Narwas Sharif fordert den Ausschluss des direkten Militäreinflusses auf die Politik und tritt für ein ziviles Regime statt der Militärherrschaft ein. Er drohte sogar mit einer „Jugendrevolution“ und einem „Marsch auf Islamabad“. Die ArbeiterInnen und Bauern sollten allerdings kein Vertrauen in diese Führung setzen, denn die PML-N ist historisch dem Militär und den Kapitalisten und Großgrundbesitzern verbunden. Sharif und seine Partei geben demagogisch „korrupten“ Kapitalisten und dem Militär die Schuld an Pakistans Krise. Sie behaupten, dass die Wurzeln der Krise in der Regentschaft von „feudalen“ Grundbesitzern und der Armee zu suchen seien, aber nicht bei den „modernen“ Kapitalisten und Bankern. Doch Pakistan ist seit langem ein kapitalistisches Land, wenn auch ein stark abhängiges, halbkoloniales - trotz formaler Souveränität, einer riesigen Armee und dem Besitz von Atomwaffen. Doch der Ruf der PML-N nach „Revolution“ spiegelt die sich vertiefenden Spaltungen in der herrschenden Klasse wider. Nach dem Sturz von General Musharraf setzte die PPP auf Populismus und „demokratische“ Glaubwürdigkeit, um den Ärger der Bevölkerung abzulenken. Ebenso versucht nun die PML-N, sich als Kraft darzustellen, die imstande wäre, den Niedergang aufzuhalten und die sich zuspitzende politische Krise zu lösen. Die Risse im herrschenden Lager untergraben die Legitimität aller ihrer Einrichtungen und des Militärs im besonderen. Das Militär gab sich - allerdings völlig unberechtigt - immer als “Retter“ des Volkes während der Flutkatastrophe aus und erhielt dabei Schützenhilfe von den Medien. Doch die offenen Proteste gegen die Regierung, das Militär und den Geheimdienst nehmen zu. Die politische und wirtschaftliche Krise hat den ArbeiterInnenenprotest im ganzen Land ermuntert und vorangebracht. Arbeiterkämpfe Die ArbeiterInnen und Bauern müssen ihre eigenen Organisationen im Kampf gegen die Krise, die Bosse, das Militär und den Imperialismus sowie für demokratische Rechte aufbauen. Pakistan erlebt nicht nur eine politische Krise, sondern gehört auch zu jenen Ländern, welche die weltweite Rezession in einen langen wirtschaftlichen Abstieg gestürzt hat. Die Preise für Nahrungsmittel und Grundversorgungsgüter schnellen empor. Während der Militärapparat Milliarden für den Krieg und den Schutz des Landbesitzes der Reichen erhält, müssen Millionen Flutopfer hungern und ohne Obdach auskommen. Die Regierung erweist sich zunehmend als unfähig, die Versorgung mit Strom für Wirtschaft und Privathaushalte zu gewährleisten. Stromausfälle von bis zu 16 Stunden am Tag treffen die Bevölkerung schwer, besonders auf dem Land und in Klein-, aber auch in Großstädten. Selbst in Riesenstädten wie Lahore kommt es täglich zu Stromsperren von bis zu 8 Stunden. Die Stromabschaltungen haben auch zur Verknappung von Gas und Benzin geführt. Inzwischen ist ein Massenwiderstand gegen die Stromsperren entstanden, v.a. in Karatschi, dem Handels- und Finanzzentrum des Landes. 11.000 ArbeiterInnen der KESC-Elektrizitätsgesellschaft haben in den vergangenen Monaten gestreikt. Verschiedene politische Parteien haben einen Aufruf zu einem stadtweiten Streik in Solidariät mit den KESC-ArbeiterInnen gestartet und die Stadt an einem Tag lahmgelegt. Auch in Belutschistan gibt es eine Protest- und Streikbewegung von ÄrztInnen, vornehmlich von schlecht bezahlten KrankenhausärztInnen. Diese Gruppe hatte sich vorher nie an Streiks beteiligt. Unterstützung erhielten sie von BerufskollegInnen aus dem Pandschab, die einen eintägigen Solidaritätsstreik gegen die Verhaftung und Misshandlung der Streikenden in Belutschistan durchführten. In Lahore fand eine große Arbeiterdemonstration statt, organisiert von 24 verschiedenen Gewerkschaften, der Pakistanischen Labourpartei, die eng verbunden ist mit dem Vereinigten Sekretariat der 4. Internationale, der RSM (Sektion der Liga für die Fünfte Internationale) und linken StudentInnenorganisationen. Es ist offensichtlich: Pakistan ist in einer Lage, in der die herrschende Klasse sich in einer tiefen Krise befindet und die Arbeiterklasse ihren Widerstand verstärkt. Auch andere Schichten der Bevölkerung werden aktiv. Die Arbeiterklasse muss sich nun vereinigen und diese Kämpfe führen! Die Krise verschlimmert sich in Pakistan täglich. Die herrschende Klasse ist entzweit und hat keine Lösung für die Arbeiter- und Bauernmassen; im Gegenteil, sogar die Mittelschichten spüren die Auswirkungen der Krise. Die Arbeiterbewegung im Aufschwung und entschlossen, lange Kämpfe zu führen. All dies sind klare Hinweise darauf, dass sich in Pakistan eine vorrevolutionäre Periode anbahnt. Zunächst muss die Einheit der ArbeiterInnen im Kampf gegen Kürzungen, Inflation und Verarmung hergestellt werden, denn die Mobilisierungen, Streiks und Proteste sind bislang nicht über einen regionalen, sektoralen oder betrieblichen Rahmen hinausgegangen. Die Arbeiterklasse krankt an zersplitterten und schwachen Gewerkschaften, die vereinigt und auf dem Industriegewerkschaftsprinzip und ohne politische Unterordnung unter bürgerliche Parteien oder NGOs neu aufgebaut werden müssen. Darum ruft die RSM zu einer Arbeitereinheitsfront gegen die Krise auf! Eine solche Bewegung würde rasch die Frage aufwerfen, wer für die Krise des Landes aufkommen, wer es führen, wer es gemäß den gesellschaftlichen Bedürfnissen wieder aufbauen kann. Die Antwort muss die Arbeiterklasse mittels eines Aktionsprogramms geben. Dessen Herzstück müsste sein: Eine solche Bewegung darf sich jedoch nicht auf soziale Fragen beschränken, sie muss auch alle politischen Probleme Pakistans anpacken. Nur Arbeiter- und Bauernkomitees, nicht das Militär und der korrupte Staatsapparat, können sicherstellen, dass die Abgeordneten für diese Versammlung auf demokratische Weise gewählt werden, der Kontrolle ihrer WählerInnen unterliegen und von diesen abberufbar sind. Die Versammlung muss sich mit allen grundlegenden Fragen von demokratischen Rechten und sozialer Gerechtigkeit zu befassen wie z.B. der Landrevolution oder der Selbstbestimmung von nationalen Minderheiten. Aber selbst die demokratischste Versammlung kann nicht die eigentliche Lösung der Probleme bedeuten; sie wird nur die Arena sein, in der die konkurrierenden Klassen für ihre Programme streiten. ArbeiterInnen und Bauern können und werden so lernen, dass sie selbst die Staatsmacht übernehmen und eine revolutionäre Arbeiter- und Bauernregierung bilden müssen. Ein solches Programm braucht eine revolutionäre Arbeiterpartei, die ArbeiterInnen, Arme, Jugendliche und Frauen um sich schart. Die pakistanische Arbeiterbewegung besitzt derzeit keine solche politische Kraft. Sie ist zerstreut in hunderten von Gewerkschaften, Kleingruppen und -parteien. Deshalb fordern wir die Gewerkschaften auf - die Führungen wie die Mitglieder -, zu beginnen, eine solche Arbeitermassenpartei zu formieren! Wir rufen auch alle politischen Organisationen der pakistanischen Linken auf, sich diesem entscheidenden Kampf anzuschließen! Wir orientieren uns auf den Aufbau einer solchen Partei und schlagen als politische Grundlage unser Programm vor, ein Aktionsprogramm für die gesamte Arbeiterklasse und für die sozialistische Revolution. |
Nr. 161, Juli/Aug 2011
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