Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Libyen

Intervention und Revolution

Martin Suchanek, Neue Internationale 158, April 2011

Am 17. März beschloss der UN-Sicherheitsrat bei fünf Enthaltungen die Einrichtung einer Flugverbotszone und weitere Sanktionen gegen Libyen. Auch wenn die UN proklamierten, dass das Ziel der Intervention der „Schutz von Zivilisten“ wäre und es darum ginge, das libysche Volk vor Gaddafi und seinen Schergen zu schützen, so war das nur der „humanitäre“ Vorwand für weitergehende Ziele Frankreichs, Britanniens, der USA und ihrer Verbündeten.

Wie es um die „Menschlichkeit“ dieser Mächte bestellt ist, zeigte sich nur wenige Tage davor. Auf Geheiß der bahrainischen Monarchie massakrieren saudische Truppen die dortige Protestbewegung - immerhin gilt es dort, den größten Marinestützpunkt der USA im Persischen Golf zu schützen. Die Dynastie um König Abdullah ist seit Jahrzehnten eines der repressivsten Regime des Globus, aber es ist auch ein strategischer Verbündeter der USA, der ums Verrecken der eigenen Bevölkerung nicht in den Strudel der arabischen Revolution gezogen werden soll.

„Selbstverständlich“ trifft all das erst recht auf den wichtigsten imperialistischen Gendarmen der Region zu, auf Israel. Wenn die Zionisten Gaza bombardieren oder neue Gebiete in der Westbank durch Siedler annektieren, gibt es keine UN-Resolution, die ZivilistInnen vor Vertreibung und Abriegelung schützen sollen. So weit zum „humanitären“ Charakter imperialistischer Interventionen.

Libyen und der Imperialismus

Doch betrachten wir Libyen selbst. Gaddafi steht seit dem von ihm geführten Militärputsch 1969 an der Spitze des Landes und stürzte die reaktionäre Monarchie. Politisch gab sich der „Revolutionsführer“ als „Panarabist“, „islamischer Sozialist“ und wandte sich zeitweilig der „Afrikanischen Einheit“ zu.

Diese buntscheckigen ideologischen Aushängeschilder wie seine „anti-imperialistische“ Ausrichtung bis Ende der 90er Jahre dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass Libyen unter Gaddafi immer eine Diktatur war, die sich auf den staatlichen und halbstaatlichen Repressionsorgansapparat stützte und aufgrund der reichen Rohstoffeinnahmen des Landes einen gewissen sozialen Ausgleich in der Bevölkerung herstellen und traditionelle Eliten des Landes einbinden konnte.

Gaddafi spielte den scheinbar über allen besonderen Interessen stehenden „Landesvater“ und „Revolutionsführer“, eine im Grunde klassisch bonapartistische Führungsrolle, die ihm und seinem Clan neben etlichen Feinden auch geschätzte 80 Milliarden Dollar Vermögen einbrachte.

Vor fast 10 Jahren machte das Gaddafi-Regime eine politische Kehrtwende um 180 Grad. Es schloss sich der „Koalition der Willigen“ im Krieg gegen den Irak an. 2004 wurde Tony Blair als erster westlicher Staatsgast seit Jahrzehnten in Tripolis empfangen, bald gefolgt von Gerhard Schröder.

V.a. französische und italienische Konzerne kauften sich in die libysche Wirtschaft ein, aber auch der britische Konzern BP macht beim Run um Öl-Konzessionen mit. Darüber hinaus wurde Libyen zu einem gern gesehenen Käufer europäischer Waffentechnik und wurde außerdem ausgerüstet zur Sicherung der EU-Außengrenzen vor afrikanischen Flüchtlingen - was Gaddafis Regime auch zuverlässig und ohne große humanitäre Skrupel besorgte.

Libyen und die internationale Arbeitsteilung

Libyen war immer als Rohstofflieferant in die globale kapitalistische Arbeitsteilung eingebunden. Der Rohstoffreichtum und die geringe Bevölkerungszahl von nur 6 Millionen erlaubten jedoch eine relativ bessere soziale Stellung für die kleine einheimische Arbeiterklasse und die Mittelschichten als z.B. in Ägypten. Den Grossteil der harten Arbeit auf den Ölfeldern und im Dienstleistungsbereich verrichten ArbeitsmigrantInnen - v.a. aus Ägypten (rund 1,5 Millionen), die im Land immer entrechtet waren. So durften sie z.B. den vom Regime kontrollierten Gewerkschaften nicht beitreten.

Die enorme Abhängigkeit von Öl und Gas zeigt sich nicht zuletzt darin, dass rund 70% des BIP in diesem Bereich geschaffen werden. Darauf basiert der “soziale Ausgleich” im Land, der jedoch in den letzten Jahren immer ungleicher ausfiel und mit einer erschreckend hohen Arbeitslosigkeit verbunden war: 2004 nach offiziellen Angaben rund 40 (!) Prozent.

Wenn also das „Sozialsystem“ Libyens auch von deutschen Linken gern als „vorbildlich“ hingestellt wird, so darf das nicht über dessen ökonomische Grundlagen hinwegtäuschen. Libyen entwickelte sich auch unter Gaddafi auf wirtschaftlichem Gebiet ähnlich wie die Petro-Monarchien am Golf. Eine relativ kleine einheimische Bevölkerung wird von den Öleinnahmen alimentiert, wobei dem Staat dabei die Grundrente (also die Einnahmen für die Verpachtung von Grund und Boden) bleibt, während der industrielle und kommerzielle Profit aus Föderung Verarbeitung und Handel bei den großen Konzernen bleibt. Im Grund ist Libyen also ein Rentnerstaat, ein Staat, der auf der Grundrente aus dem Öl- und Gasgeschäft beruht.

Die Verteilung dieser Staatseinnahmen organisiert die Gaddafi-Clique - auf Basis von Korruption und Vetternwirtschaft. Die tradierten „Clanstrukturen“ werden auf dieser wirtschaftlichen Grundlage unwillkürlich reproduziert, weil sie über den Zugang zu den staatlich verteilten Außenhandelseinnahmen entscheiden.

Von einer fortschrittlichen Umwälzung der Sozialstruktur des Landes unter Gaddafi kann also keine Rede sein, und sie war auf Grundlage seiner bonapartistischen Herrschaft weder vorgesehen noch möglich.

Wohl aber haben sich über Jahrzehnte die inneren Widersprüche dieses Regimes zugespitzt. Die soziale Verteilung wurde immer ungleicher. Vor allem die Jugend hatte und hat in Gaddafis Libyen höchstens die Perspektive, sich in ein abstoßend korruptes System einzugliedern. Dass dies nur sehr wenigen gelang, beweist die wachsende Armut, die v.a. im Osten des Landes ein Massenphänomen ist.

All das erklärt, warum die Revolution auch in Libyen ausbrach. Es ist eine obskure und reaktionäre Verschwörungstheorie, die Entwicklung des Aufstandes heute - nach den UN-mandatierten Bombardements - so hinzustellen, als wäre das von Beginn an ein US-gesteuertes Manöver gewesen, um Gaddafi zu Fall zu bringen.

Eine Volksrevolution

Die Realität ist gerade umgekehrt. In Libyen fand und findet wie in vielen Staaten eine Volksrevolution, also eine revolutionäre Erhebung gegen teilweise jahrzehntelang unstürzbar erscheinende Despoten statt.

Ihre tieferen Ursachen wurzeln in der globalen Krise des Kapitalismus. In vielen Ländern führte sie zu Inflation, zu massiven Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln, die besonders die unteren Schichten und die Arbeiterklasse, aber auch lohnabhängige Mittelschichten (Staatsbedienstete, mittlere Angestellte) und das Kleinbürgertum treffen.

Diese größer werdenden Not und die grassierende Arbeitslosigkeit führten zur Rebellion. Diese musste aufgrund des diktatorischen und repressiven Charakters dieser Regime unwillkürlich dazu führen, dass die Forderungen nach Demokratie - Demonstrations- und Rederecht, Koalitionsrecht - in den Mittelpunkt praktisch aller Bewegungen rückten und in der Forderung nach Rücktritt oder Sturz der jeweiligen Despoten kulminierten.

Die Revolutionen nahmen also den Charakter von „Volksrevolutionen“, einer breiten Mobilisierung aller politisch unterdrückten Schichten der Nation an, von den ArbeiterInnen, Armen über Mittelschichten und Kleinbürgertum bis hin zu Teilen der Elite.

Wir haben es mit einer demokratischen Revolution zu tun, in der unterschiedliche Klassen unter dem Banner der Demokratie ihre Ziele verfolgen. Während in Tunesien und Ägypten der Ansturm der Bewegung in den wichtigsten Städten des Landes dazu führte, dass die Armee die Präsidenten und ihre Regierungsclique zum Abdanken zwang, um den Staat selbst vor den Massen zu retten und um zu versuchen, mit halbherzigen „demokratischen“ Reformen selbst den Forderungen nach bürgerlicher Demokratie die Spitze zu nehmen, entwickelte sich in Libyen die Situation anders.

Gaddafi war fest entschlossen, nicht Tunesiens Ben Ali ins Exil zu folgen und beantwortete die demokratischen Forderungen der Massen mit Repression. Diese reagierten mit einem Aufstand, der von den Bewegungen in Tunesien und Ägypten inspiriert war und von der Jugend - darunter viele Arbeitslose, untere Schichten des Kleinbürgertum und aus der kleinen libyschen Arbeiterklasse - getragen wurde.

Diese revolutionäre Bewegung litt natürlich immer an mehreren Defiziten: Erstens an einer schwachen Arbeiterklasse, zumal es nicht gelang, die Masse der LohnarbeiterInnen aus Ägypten, sprich die MigrantInnen voll in die Bewegung zu ziehen. Zweitens wurde der Kampf rasch zu einem Bürgerkrieg und die Aufständischen drohten, nach einer ersten Phase rasch brutal und vernichtend geschlagen zu werden. Es war klar, dass sie militärisch unterlegen waren, zumal sich Gaddafi auf seine „Spezialeinheiten“ und weit überlegene Ausrüstung stützen konnte.

Dieses Defizit hätten die Aufständischen nur durch eine Unterstützung durch die Revolution in anderen arabischen und nordafrikanischen Ländern - v.a. durch Waffen und Freiwillige aus Ägypten - sowie die materielle Hilfe der gesamten internationalen Arbeiterbewegung wettmachen können.

Drittens litt die Bewegung an der politischen Schwäche ihrer Führung. Das ist nicht verwunderlich. Jahrzehnte einer reaktionären Diktatur haben es äußerst schwer gemacht, dass sich im Untergrund revolutionäre, proletarische Strömungen entwickeln konnten. Auch diese müssen einen Anschub und Hilfe durch die internationale Arbeiterbewegung und die Revolution in Ländern wie Ägypten erhalten, wo die Arbeiterbewegung - bei allen Schwächen - politisch deutlich weiter entwickelt ist.

All das ändert aber überhaupt nichts am revolutionären und heroischen Charakter der Libyschen Revolution. Es sind aber Schwächen, die sich heute die imperialistischen Mächte zunutze machen, um die Revolution zu enthaupten und Libyen wieder unter ihre Kontrolle zu bekommen.

Gründe für die Intervention der Imperialisten

Die Entwicklung in Libyen war nicht nur weit davon entfernt, von den Imperialisten „ausgelöst“ worden zu sein. Sie waren überaus beunruhigt. Der drohende Sturz eines weiteren Diktators durch revolutionäre Gewalt war ein Horrorszenario, nicht nur, weil solcherart mobilisierte und bewaffnete Massen schwerer zu kontrollieren sind als ein „kontrollierter“ Übergang, wie er in Ägypten angestrebt wird, sondern auch, weil das ein explosives Vorbild für andere arabische Länder gewesen wäre.

Gaddafis Weigerung, dieselbe Rolle des ehemaligen Verbündeten und imperialistischen Büttels wie Mubarak oder Ben Ali zu spielen, bedeutet aber auch, dass er für einen größer werdenden Teil der Herrschenden dieser Welt „untragbar“ geworden war. Untragbar nicht deshalb, weil der ehedem gern gesehene Staatsgast plötzlich ganz anders geworden wäre, sondern weil ihm die Sicherung imperialistischer Interessen in „seinem“ Land und dessen dauerhafte Befriedung nicht mehr zugetraut werden.

Dieses Ziel, die libysche und arabische Revolution wieder in den Griff zu kriegen, eint alle Imperialisten, natürlich auch solche wie Deutschland, das sich im UN-Sicherheitsrat enthalten hat. Frankreich, Britannien und die USA stellen sich jedoch mit ihrem Eingreifen an die vorderste Front. Das hängt v.a. damit zusammen, dass diese imperialistischen Staaten am meisten an politischem Einfluss im Nahen Osten und Nordafrika zu verlieren haben.

Frankreich sieht Nordafrika als traditionelle und eine seiner wenigen verblieben Einflusssphären, wo es tonangebend ist. Die USA und ihr Hauptverbündeter Britannien sind am engsten mit der bestehenden imperialistischen Ordnung der gesamten Region verbunden.

Das erklärt umgekehrt, warum sich China, Russland und Deutschland im Weltsicherheitsrat der Stimme enthielten. Ihre imperialistischen Interessen sind andere. Sie wissen um die enormen Risiken dieser Politik - beginnend mit den militärischen Problemen eines möglichen „zweiten Irak“. Sie wissen, dass die militärischen Probleme keineswegs die Hauptschwierigkeit der Politik der USA, Frankreichs, Britannien darstellen. Das eigentliche Problem ist der wirtschaftliche Niedergang dieser imperialistischen Staaten, v.a. der USA. Ihre Fähigkeit, eine Neuordnung der Welt zu organisieren, steht daher auf tönernen Füßen.

Das zeigt sich schon, wenn die Frage nach dem längerfristigen Ziel der Intervention gestellt wird. Soll ein Waffenstillstand samt eventueller Teilung des Landes erzwungen werden? Soll Gaddafi militärisch gestürzt werden - wenn ja, so wird das einen Angriff auf Tripolis mit Bodentruppen, einen imperialistischen Einmarsch und ein blutiges Massaker erfordern. Wenn nicht, muss ein Kompromiss, eine Neuverteilung der Macht zwischen den FührerInnen des Aufstandes und der Gaddafi-Clique gefunden werden (wenn auch wahrscheinlich ohne Gaddafi selbst).

Das wiederum ist - wie eine Teilung des Landes - nur möglich, wenn die aufständischen Massen in Libyen demobilisiert werden, weil deren politische und soziale Hoffnungen, die an den Kampf gegen das Regime geknüpft sind, für einen solchen Kompromiss notwendigerweise geopfert werden müssten. Oder besteht das Ziel darin, eine militärische Dauerpräsenz in Libyen zu errichten, sobald ein Waffenstillstand und Verhandlungen zwischen den Bürgerkriegsseiten erzwungen wurden?

Gemeinsam ist den USA, Britannien und Frankreich nur eines: das Kriegsziel „Befriedung und Stabilisierung“ der Lage, das Ziel, einen möglichst großen Einfluss auf die Neuordnung des Landes zu erringen - eine gemeinsame Vorstellung, wie eine politische Neuordnung des Landes aussehen soll, gibt es nicht. Eine solche wird es wohl auch nicht geben, in den nächsten Wochen werden sich die unterschiedlichen Interessen der imperialistischen Mächte deutlicher herausschälen.

Die Reaktion der Massen

Die Entscheidung des UN-Sicherheitsrates, eine Flugverbotzone über Libyen einzurichten und Militärschläge gegen das Land zu legitimieren, stößt bei den arabischen Massen heute auf Zustimmung.

Wie die Aufständischen in Bengasi interpretieren sie die UN-Resolution als eine Unterstützung ihres Kampfes. Genau darin liegt aber die tragische Illusion, die noch dadurch genährt wird, dass die Arabische Liga und die UNO dieses Mandat gaben. Dabei ist die Arabische Liga wenig mehr als ein Instrument proimperialistischer, reaktionärer Potentaten, die „bestenfalls“ tönerne Resolutionen verabschieden, seit Jahrzehnten jedoch nichts zuwege bringen, wenn es z.B. um die Befreiung der palästinensischen Volkes geht.

Die UN ist ein Instrument des Imperialismus, das sich mit der Fassade schmückt, die „Weltgemeinschaft“ zu repräsentieren. Mandate und Beschlüsse, die irgendeine praktische Geltung haben, gibt es nur, solange sie den Interessen der Großmächte dienen.

Ein Eingreifen der USA, Frankreichs, Britanniens kann sich also auf ein „humanitäres“ Mandat und ungewöhnlich große Zustimmung durch die arabischen Massen stützen.

Es ist unvermeidlich, dass diese Illusionen an der harten Realität und dem Zynismus der imperialistischen Politik - siehe nur Bahrain oder Palästina - zerbrechen werden.

Auch in Libyen wird eine verstärkte Intervention der Großmächte unvermeidlich dazu führen, dass die sozialen Verhältnisse des Landes - das Monopol der Großkonzerne an den Rohstoffen gegen Brosamen für ihre libyschen Verbündeten, zunehmende soziale Ungleichheit, Perpetuierung reaktionärer gesellschaftlichter Verhältnisse wie die Unterdrückung der Frauen usw. - nicht überwunden, sondern gefestigt werden.

Die entscheidende Frage ist aber: Gelingt es den libyschen und generell den Massen in der arabischen Welt, diese Illusionen zu überwinden, bevor sich diese in einen Strick um ihren Hals verwandelt haben, der mithilft, die imperialistische Herrschaft in der Region zumindest kurzfristig zu stabilisieren.

Perspektive

Daher müssen die ArbeiterInnen und alle Unterdrückten auf der ganzen Welt jede Intervention der USA, Britanniens, Frankreichs und ihrer Verbündeter auch unter US-Mandat strikt ablehnen und bekämpfen! In den kriegführenden und intervenierenden imperialistischen Staaten ist heute die Hauptaufgabe der Arbeiterklasse, „ihrer“ Regierung in die Parade zu fahren und ihre Kriegsanstrengungen zu bekämpfen!

Doch heißt das, dass die Arbeiterbewegung, dass RevolutionärInnen in Libyen nun eine Front mit Gaddafi bilden sollten? Nein! Das Kriegsziel des Regimes in Libyen besteht in der Zerschlagung des Aufstands. Das macht eine „anti-imperialistische Einheitsfront“ mit Gaddafi heute unmöglich (auch wenn Forderungen wie die Durchführung der „Volksbewaffnung“ in Tripolis zur Abwehr der Imperialisten an ihn gestellt werden sollen und streng begrenzte praktische Aktionen zur gemeinsame Abwehr von Schlägen gegen Zivilisten in der Hauptstadt möglich sind).

Eine „Einheitsfront“ mit Gaddafi muss jedoch zurückgewiesen werden, weil die imperialistische Intervention nicht den fortschrittlichen Charakter des Aufstandes gegen Gaddafi beerdigt hat. Die Schlüsselfrage für die Bestimmung jeder Taktik in Libyen ist heute nicht einfach „Gaddafi oder NATO“, sondern: Wie kann die Revolution siegen?

Dazu muss sie aber unterstützt werden, dazu muss innerhalb des Lagers der Revolution gegen eine drohende Einvernahme und Erstickung durch die Imperialisten gekämpft werden.

Der Sieg der libyschen Revolution kann nicht durch die Luftschläge und die politische Neuordnung durch die Imperialisten erreicht werden, die Revolution soll dadurch vielmehr politisch instrumentalisiert und enthauptet werden.

Zur Unterstützung der Aufständischen sind Freiwillige aus den arabischen Staaten, ist personelle und materielle Unterstützung aus diesen Ländern notwendig. Eine imperialistische Intervention bedeutet, dass die USA, Frankreich, Britannien letztlich zum Schiedsrichter im Bürgerkrieg in Libyen werden. Luftschläge könnten der Vorbote zu einer Bodeninvasion, zu einer Besetzung des Landes werden. Hinzu kommt, dass Frankreich und Britannien auch dazu übergehen, „Spezialkräfte“ und Berater zu entsenden, um die Aufständischen zu kontrollieren und die Hoheit über deren militärische Operationen zu erhalten.

Im schlimmsten Fall - von dem wir durchaus noch weit entfernt sind - könnten die Aufständischen zu einer Bodentruppe der Imperialisten degenerieren.

Zur Verhinderung eines solchen Szenarios gibt es nur eine Möglichkeit - Aufklärung über und Entlarvung der wirklichen politischen Ziel der Imperialisten und revolutionärer Kampf gegen das Gaddafi-Regime und die anderen arabischen Despoten von Bahrain bis Riad.

Die Aufständischen dürfen sich nicht zum Spielball der USA, Frankreichs, Britanniens, der UNO oder der NATO machen lassen. Genau diese Politik betreibt jedoch der „Nationale Übergangsrat“ in Bengasi, bei dem mehr und mehr alte Reaktionäre - entweder islamistische oder monarchistische Kräfte - das Sagen haben. Zugleich verdrängen diese Kräfte die RepräsentantInnen der ursprünglichen Aufstandsbewegung.

Das heißt nicht, dass der Volksaufstand und der Kampf zum Sturz Gaddafis ihren fortschrittlichen Charakter verloren hätten. Wohl aber bedeutet es, dass der Kampf zum Sturz Gaddafis einhergehen muss mit dem Kampf um eine neue, von der Masse der Kämpfenden, vor allem von der Jugend getragene Führung. Wenn Waffen für die Rebellen kommen, würde sie natürlich nur ein Narr ablehnen. Die entscheidende Frage ist jedoch, wer bestimmt, wofür sie eingesetzt werden? Wer bestimmt Kampfziele- und Organisation?

Diese müssen von den Massen selbst kontrolliert werden. Sie müssen bewaffnet werden, und alle Entscheidungen müssen von ihnen selbst getroffen werden. Dazu ist die Bildung von demokratischen, räteartigen Strukturen als von den Massen kontrollierte Organe und die Schaffung einer Miliz unter deren Kontrolle dringend notwendig. Diese sind gleichzeitig auch die beste Form, um den Kampf gegen Gaddafis Truppen zu führen und die Führung des Kampfes zu übernehmen.

Entscheidend wird sein, dass die Aufständischen nicht nur räteähnliche Kampf- und Machtorgane schaffen. Aber es gilt zugleich auch, eine politische Alternative zur aktuellen Führung des „Übergangsrats“, eine revolutionäre Arbeiterpartei in enger Bindung mit der ägyptischen und tunesischen Revolution zu schaffen, die für ein alternatives Programm der permanenten Revolution kämpft, das die Interessen der Arbeiterklasse und aller anderen unterdrückten und ausgebeuteten Schichten des Volkes in Libyen zum Ausdruck bringt.

Die Revolution in Libyen ist an einem Wendepunkt angelangt. In den imperialistischen Staaten - v.a. in Frankreich, Britannien und den USA - müssen die Gewerkschaften und die Parteien der Arbeiterklasse die Solidarität mit der arabischen Revolution damit verbinden, Massendemonstrationen gegen die Angriffe zu organisieren und eine Bewegung aufzubauen, die die imperialistische Intervention auf der Straße und durch politische Streiks stoppt.

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 158, April 2011
*  Landtagswahlen: Fiasko für schwarz-gelbe Atomlobby
*  Programm: Arbeiterkontrolle über die Energiewirtschaft
*  Fukushima: Katastrophe mit Ansage
*  Heile Welt
*  Tarifrunde Druckindustrie und Verlage: Für 35 Stundenwoche und gegen Lohnraub
*  Kampf gegen Schließung bei LIEKEN: Ofen aus?
*  GDL-Streik: Alle Räder stehen still ...
*  Wisconsin (USA): Generalstreik gegen arbeiterfeindliche Gesetze!
*  Britannien: 500.000 demonstrieren gegen Kürzungen
*  Revolution in Arabien: Frauen in der ersten Reihe
*  Libyen: Revolution und Intervention