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Berliner S-Bahn-Krise

Schluss mit der Privatisierung!

Brigitte Falke, Neue Internationale 143, Oktober 2009

Im Sommer brach das Berliner S-Bahn-Netz zusammen. Mit 75% der Fahrzeuge konnte nur noch ein Notfahrplan aufrecht erhalten werden. Auch der mit viel Pomp eingeweihte „Hauptstadtbahnhof“ war mehr oder weniger vom öffentlichen Netz abgehängt.

Als Grund für das Desaster wurden Defekte an der Radaufhängung angegeben, die bei einem kleineren Unfall aufgefallen waren. Inzwischen wurden immer mehr Mängel festgestellt. Nachprüfungen des Eisenbahnbundesamtes ergaben massive Wartungsprobleme auch beim Rest der S-Bahn-Flotte. Der Grund dafür war auch nicht mehr geheim zu halten: Um an den Bahnvorstand satte Gewinne abliefern zu können, hatte das S-Bahn-Management massiv bei der Wartung gespart und entsprechende Reparaturwerkstätten abgebaut. Inzwischen kam sogar heraus, dass S-Bahn-Mitarbeiter regelrecht zur Fälschung von Wartungsprotokollen erpresst worden sind.

Mit dem kaputtgesparten Reparaturwerken ließen sich dann nach dem Einschreiten des Eisenbahnbundesamtes die defekten Züge trotz massiver Überstunden nur über mehrere Monate reparieren.

Zwar wurden die verantwortlichen Manager von ihren Posten entfernt (um anderswo gut versorgt zu werden), doch war der Bahn-Vorstand weder zu einem Ausbau der Reparaturwerkstätten bereit, noch zu einer nennenswerten Entschädigung für die vom Bahn-Chaos betroffenen KundInnen. Immerhin sind viele Berliner ArbeiterInnen und Angestellten, die von oder zu Berliner Außenbezirken fahren müssen, gezwungen, teilweise bis zu einer Stunde mehr Fahrzeit aufzuwenden.

Kaum hatte der neue Bahnvorstand Anfang September verkündet, der S-Bahn-Betrieb würde sich wieder normalisieren, kam der nächste Schlag. Nun wurden bei wiederum fast drei Viertel der Züge Defekte am Bremssystem entdeckt. Diesmal wurde gleich ein mehrmonatiger eingeschränkter Betrieb angekündigt und erneut ein Notfahrplan in Kraft gesetzt.

Inzwischen kursieren viele S-Bahn-Scherze. Man könne sich - so geht einer - die Armee sparen, das S-Bahn-Management erweist sich bei der Zerstörung der Berliner Verkehrsinfrastruktur als weit effektiver als die Rote Armee 1945.

Doch die S-Bahn-Krise zeigt ganz ernsthaft, dass sich die Sparpolitik der Bahn als enorme Belastung für zehntausende ArbeiterInnen aus Berlin und Brandenburg erweist.

Jetzt herrschen also erneut Chaos-Tage im Öffentlichen Nahverkehr. Diese werden noch länger dauern. Nach defekten Rädern und Bremsen dürften Elektronik und Heizung als nächstes dran sein.

Im Zuge des Börsengangs der deutschen Bahn sollte diese für zukünftige Aktionäre möglichst attraktiv gestaltet werden. Daher wurde „gespart“ - beim Personal, beim Service, bei der Wartung. Bezahlen mussten die KundInnen durch höhere Preise und das Personal durch längere Arbeitszeit mit immer weniger Beschäftigten.

Ganz offensichtlich werden den Gewinnerwartungen die Sicherheitsbedürfnisse der Fahrgäste und Beschäftigten geopfert. Gerade jene, die immer über die „Service-Wüste Deutschland“ klagen, sorgen mit ihren Kürzungs- und Privatsierurungsplänen nun dafür, dass nicht mal mehr die S-Bahnen fahren. Dabei konnte seit Jahren beobachtet werden, zu welchem Chaos die Privatisierung der Eisenbahn in Britannien geführt hat.

Einige unentwegte Privatisierungskrieger aus dem Lager von FDP, CDU und Unternehmerverbänden fordern trotzdem weiter eine „rasche Privatisierung“. Diese Bandstifter wollen Feuer mit Öl löschen!

Taten, nicht Worte!

Der SPD/LINKE-Senat tut nun so, als wäre er schon immer für den Öffentlichen Nahverkehr in staatlicher Hand gewesen. Das ist eine glatte Lüge! Die Berliner Landesregierung - 1995 mit SPD -Beteiligung! - hat schließlich den Verkauf der S-Bahn an die Bahn AG zu verantworten - vor allem aber die geplante Privatisierung der S-Bahn. Statt das Haushaltsloch des Landes durch Besteuerung der Reichen und Unternehmen zu finanzieren, statt die Verantwortlichen des Bankenskandals zur Kasse zu bitten, wurde Landeseigentum an Kapitalisten verscherbelt. Jetzt sollen wir die Rechnung dafür zahlen.

Dazu darf es nicht kommen! Die KundInnen und Beschäftigten der S-Bahn sind für die Misere nicht verantwortlich.

Bürgermeister Wowereit kritisiert jetzt die „überzogene Privatisierung“, doch nötig sind Taten , nicht weitere Versprechungen des Senats. Das Berliner Abgeordnetenhaus und der Senat sollen die Privatisierung der S-Bahn rückgängig machen - so wie bundesweit die gesamte Bahnprivatisierung gestoppt werden muss! Wir fordern:

Offenlegung aller Geschäftsbücher, Privatisierungsabsichten, Wartungspläne, Verträge von S-Bahn und Bahn für die Öffentlichkeit und die Beschäftigten!

Stoppt die Privatisierung von S-Bahn und Bahn! Ausbau des Nahverkehrs, finanziert durch Besteuerung von Gewinnen und Vermögen!

Kostenloser Öffentlicher Nahverkehr für alle!

Für ein Verkehrssystem, dass gemäß den Bedürfnissen der NutzerInnen - und das sind nun mal die Fahrgäste - ausgerichtet ist und von Beschäftigten, Gewerkschaften und NutzerInnen kontrolliert wird!

Ein freiwilliges Umschwenken der Berliner Senats-Politik ist freilich nicht zu erwarten. Nur durch den Kampf der Beschäftigen und der Bevölkerung, durch Streiks, Straßenaktionen und den Aufbau einer Bewegung der Bevölkerung können diese Forderungen durchgesetzt werden. Für die Anti-Krisenbewegung in Berlin wäre das allemal ein zentraler Schwerpunkt, ganze Schichten der Lohnabhängigen im Kiez einzubeziehen. Denn: Die Frage eines kostenlosen, sicheren und umfangreichen Nahverkehrs geht alle an!

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Nr. 143, Oktober 2009
*  Bundestagswahl: Historische Katastrophe der SPD ebnet Schwarz/Gelb den Weg
*  Gewerkschaftsspitze und Schwarz-Gelb: Neue Herausforderungen - alte Bürokraten
*  Post: Gelb Post und blaue Briefe
*  Berliner S-Bahnkrise: Schluss mit der Bahnprivatisierung!
*  Schulen und Unis: Bildungsstreik im heißen Herbst!
*  Bericht: REVOLUTION-Konferenz
*  Heile Welt
*  Debatte: War die DDR ein Unrechtsstaat?
*  USA: Obamas gebrochene Versprechen
*  Colombo: Demonstration für Pressefreiheit!
*  Solidarität mit internationalistischen Gewerkschaften!
*  Wahlsieger Atomlobby: Enteignet die Energiemonopole!
*  Sozialforum 2009 in Hitzacker: Abwehrkampf organisieren!