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Tarifrunde Öffentlicher Dienst

Vollstreik - der einzige Weg zum Sieg!

Helga Müller, Neue Internationale 127, März 2008

Schon bei der Aufstellung der Tarifforderung wurde deutlich, dass die Kampfbereitschaft der KollegInnen nach Jahren des Verzichts sehr hoch ist. Zehntausende beteiligten sich an den Warnstreiks. Die ver.di-Spitze hatte alle Hände voll zu tun, die Forderung auf 8% zu begrenzen.

Der Streik der LokführerInnen hat den KollegInnen den Weg gezeigt: Nur ein konsequenter Kampf kann die Unternehmer (im Falle des Öffentlichen Dienstes die öffentlichen „Arbeitgeber“) in die Knie zwingen!

In den letzten Jahren mussten wir aber oft genug die Erfahrung machen, dass die Kampfbereitschaft der Belegschaften oder in der arbeitenden Bevölkerung nicht ausgebaut und nicht genutzt wurde.

Hunderttausende, die gegen Sozialabbau, Hartz IV oder die Rente mit 67 auf die Straße gegangen waren, wurden von den Gewerkschaftsspitzen wieder nach Hause geschickt - ohne Anleitung, wie der Kampf verschärft, wie die Bewegung verbreitert, wie ein Generalstreik gegen den Generalangriff vorbereitet werden könnte.

Kampfbereite Belegschaften durften zwar Aktionen machen oder sogar streiken, aber - ob bei Opel Bochum oder bei AEG - gab es keine konzernweiten Kampfaktionen, die wirklich das Management unter Druck gesetzt hätten, oder die Streiks wurden mit Geheimverhandlungen just in dem Moment abgebrochen, als sie Wirkung zeigten.

Der Grund für dieses Zögern und Bremsen ist die Angst der Bürokratie, dass die Bewegung aus dem Ruder läuft und die Bürokratie in Frage stellt. Allein schon die Aussicht, dass die Arbeiterklasse, die Arbeitslosen und die Jugendlichen eigene Kampfstrukturen schaffen bzw. die Gewerkschaften unter ihre direkte Kontrolle nehmen, ist den Hubers, Bsirskes und den Konzernbetriebratsfürsten ein Horror!

Wo die Spitzen relativ radikale Kampfformen initiieren, so tun sie dies in der Regel, um den Druck der Basis aufzufangen. So erklärte die Berliner ver.di-Vorsitzende Stumpenhusen in der Berlin Zeitung offen, dass die ver.di-Führung bei der BVG einen langen, fast zwei Tage dauernden Warnstreik beschlossen hatte, um „unkontrollierten, wilden Streiks“ zuvorzukommen!

Die Basis muss den Kampf kontrollieren!

Solcher und ähnlicher Radikalismus zeigt nicht nur, dass Druck vor unten (oder auch die Angst Mitglieder an kämpferischere oder wenigstens kämpferischer erscheinende Gewerkschaften wie die GDL zu verlieren) auch die Bürokratie zu heftigeren Aktionen zwingen kann. Er zeigt auch, dass die Gewerkschaftsspitzen das immer tun, um selbst die Kontrolle über den Kampf, seinen Inhalt, Forderungen, Aktionsformen zu behalten und ihn so zum „vernünftigen Abschluss“ bringen zu können.

Über den Charakter dieses Tarifkampfes darf man sich keinen Illusionen hingeben. Es geht im Kern nicht um die Frage, ob „der Aufschwung bei den Menschen ankommen soll“ oder es sinnvoll wäre, die Massenkaufkraft zu erhöhen. Es geht auch nicht nur um leere Kassen der „Öffentlichen Hand.“

Genau so begründet aber die Gewerkschaftsführung die relative hohe Lohnforderung von 8 Prozent. Die Beschäftigten hätten ihren „Beitrag“ zum Aufschwung (also Lohnverzicht, Personalabbau) geleistet, jetzt sollten sie auch ihren „Anteil“ erhalten.

Damit wird schon die Begründung für das „Maßhalten“ in der nächsten Rezession geliefert. Darin zeigt sich auch, dass der Charakter der kapitalistischen Wirtschaft - zumal in der Periode verschärfter Konkurrenz - verkannt wird.

Den Kampf politisch führen!

Es geht entgegen der Sicht der Bürokratie nach wie vor um den Generalangriff auf die gesamte Arbeiterklasse, den das Kapital führt, damit es sich im internationalen Wettbewerb gegenüber der Konkurrenz besser positionieren kann. Dafür sollen die Reallöhne aller Beschäftigten ebenso gesenkt werden wie die Kosten für Krankheit, Rente und Arbeitslose.

Was ist für einen wirklichen Erfolg nötig? Erstens eine breite Mobilisierung der Arbeiterklasse - auch über die vom Tarif direkt Betroffenen hinaus - und zweitens, dass die Beschäftigten die direkte Kontrolle über den Kampf erlangen müssen. Dazu schlagen wir vor:

Einleitung der Urabstimmung!

Unbefristeter Vollstreik für die Durchsetzung der Forderungen!

Keine Geheimverhandlungen! Kein Abschluss, keine Aussetzung von Aktionen ohne vorherige Diskussion und Beschlussfassung unter den Gewerkschaftsmitgliedern!

Kontrolle und Führung des Kampfes durch von der Basis gewählte Streikkomitees und Streikleitungen, die dieser rechenschaftspflichtig und von dieser jederzeit abwählbar sind!

Für eine bundesweite Konferenz von Vertrauensleuten, StreikaktivistInnen aus dem Öffentlichen Dienst und anderen im Tarifkampf stehenden Bereichen, um eine gemeinsame Vorgehensweise zu beraten und zu beschließen!

Über den von der Bürokratie vorgegebenen rein lohnpolitischen Horizont ist es nötig, die dahinter stehende politische Dimension, d.h. den Klassenkampf aufzuzeigen. Auch jede Haushaltsfrage hat immer auch eine politische Dimension. Die derzeitige Steuerpolitik bedeutet nichts Anderes als eine gigantische Umverteilung des Steueraufkommens zugunsten der Unternehmer.

Zum anderen kann in Zeiten des Generalangriffs des Kapitals keine Gruppe für sich allein gewinnen! Der Generalangriff kann nur durch eine Generalabwehr, durch politische Massenstreiks bis hin zum Generalstreik zurückgeschlagen werden.

Damit alle sehen, dass es in diesem Tarifkampf nicht nur um den Inflationsausgleich für die öffentlich Bediensteten geht, muss gerade die Frage, in wessen Interesse die Steuerpolitik betrieben wird, mit aufgenommen und eine Kampagne darum geführt werden.

Wir schlagen eine Kampagne um folgende Forderungen vor:

Wiedereinführung der Vermögenssteuer! Beschlagnahme aller hinterzogenen Steuern der Kapitalisten und Reichen!

Stopp der Privatisierung des Öffentlichen Nahverkehrs und anderer Unternehmen des Öffentlichen Dienstes! Entschädigungslose Wiederverstaatlichung schon privatisierter Unternehmen unter Arbeiterkontrolle!

Für besseren und kostenlosen Öffentlichen Nahverkehr - bezahlt aus den Profiten der Unternehmen und kontrolliert von Beschäftigten und KundInnen!

Letztere Forderung gilt auch für die Kinder- und Altenbetreuung und das Gesundheitswesen.

Gemeinsam kämpfen – über Branchengrenzen hinweg!

Direkt mit dem Tarifkonflikt im Öffentlichen Dienst können und müssen die Tarifauseinandersetzungen im Einzelhandel und im Kfz-Handwerk verbunden werden. Bisher hat aber die Führung der IG Metall beim zufälligen Zusammentreffen von Tarifrunden mit denen anderer Gewerkschaften gemeinsame Aktivitäten stets boykottiert. Bei einer Führung unter Huber, der auch den EisenbahnerInnen die Solidarität verweigerte, wird von allein keine Änderung kommen.

Einer wirklichen Gegenoffensive der Lohnabhängigen, der Arbeitslosen und aller von Sozialabbau Betroffenen stehen die Spitzen des DGB, der SPD und auch der LINKEN im Wege, weil sie immer wieder den Widerstand gebremst und demobilisiert haben - zugunsten von Standortsicherung und Co-Management oder wie die LINKE im Interesse kleinerer Kapitalisten.

Deshalb ist eine klassenkämpferische, oppositionelle, antibürokratische Basisbewegung in den Gewerkschaften nötig, die nicht nur für selbstständige Initiativen an der Basis und für branchenübergreifende Solidarität kämpft, sondern auch gegen die Klassenzusammenarbeit der Betriebs- und Personalratsfürsten und Gewerkschaftsbonzen.

Basisbewegung

Diese Basisbewegung muss klarmachen, dass die Macht der Unternehmer letztlich gebrochen werden muss, wenn der Weg in Armut und Krise gestoppt werden soll. Diese Bewegung darf nicht auf den nächsten Aufschwung hoffen oder sich beklagen, dass er nicht ankommt. Sie muss gegen den Kapitalismus insgesamt ankämpfen!

Eine Basisbewegung braucht eine starke Verankerung in den Betrieben, in den Gewerkschaften, unter den Arbeitslosen, den ImmigrantInnen und der Jugend. Nur, wenn sie handlungsfähige Strukturen hat und nicht nur ein unverbindlicher linker Diskutierklub ist, kann sie etwas bewirken, kann sie eine wirkliche Konkurrenz zu den reformistischen Apparaten werden.

Hinter den Auseinandersetzungen in den Tarifrunden steckt eine Auseinandersetzung mit dem Kapital. Es geht daher immer auch um die Frage der politischen Konzeption des Abwehrkampfes, der politischen Führung, eine längerfristigen politischen Perspektive und Strategie, kurzum um die Frage des Aufbaus einer neuen, revolutionären Arbeiterpartei.

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Nr. 127, März 2008
*  Vollstreik - der einzige Weg zum Sieg!
*  Streiks im Einzelhandel
*  8. März: Frauenbefreiung und Revolution
*  EU-Reformvertrag: Imperiale Verfassung durch die Hintertür
*  Die Linke: ... und ihre Wasserträger
*  Weltwirtschaft: Bankendämmerung
*  Kosovo/Kosova: Nein zum EU-Protektorat!
*  Faschismus: Ausweg in die Hölle
*  Heile Welt
*  Naher und Mittlerer Osten: Gegen imperialistischen Krieg und Besatzung!