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Klassenkampf in Tschechien

Streik bei Skoda

Martin Mikula, SOP, Neue Internationale 120, Mai 2007

Nach mehreren Wochen Arbeitskampf und Streiks haben sich das Management von Skoda und die Gewerkschaften auf eine Lohnerhöhung von 12,7 Prozent geeinigt.

Der Streik bei Skoda Mlada Boleslav, das zur VW-Gruppe gehört, wird ohne Zweifel einen großen Einfluss auf die kommenden Forderungen und Verhandlungen nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen haben.

Ursachen und Hintergrund

Die Gewerkschaften bei Skoda sind eine der wenigen in Tschechien, die schon in den letzten Jahren erfolgreiche Streiks für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen geführt haben.

Die Prosperität des Unternehmens, der Anstieg des Profits und der verkauften Fahrzeuge haben die Skoda-ArbeiterInnen motiviert, für eine bessere Bezahlung zu kämpfen - nicht allein die Aktieninhaber sollen davon profitieren, auch die Belegschaft muss beteiligt werden, so Gewerkschaften und Beschäftigte.

Die Gewerkschaften akzeptierten zwar die nach einigen Verhandlungsrunden offerierte Gehaltserhöhung von insgesamt 13% (10 Prozent tarifliche Leistungen plus drei Prozent Einmalzahlungen) - aber die Verhandlungen scheiterten an der Frage das  Inflationsausgleichs. Während die Gewerkschaften einen solchen ab einer Inflationsrate von 1 Prozent forderten, wollte das Management einen solchen bei mehr als drei Prozent Inflation zugestehen.

Nach dieser Ablehnung kehrte der Verhandlungsführer des Unternehmens und ehemalige stellvertretenden Regierungschef der sozialdemokratischen Regierung Jahn zum alten Angebot zurück: 7,5% in diesem Jahr und 3% im nächsten. Aus Sicht der Beschäftigten war die Ablehnung durch die Gewerkschaften voll berechtigt, das Unternehmen Skoda verkaufte im ersten Quartal 2007 15,5% mehr Fahrzeuge als im Vorjahreszeitraum und der März 2007 geht als der erfolgreichste Monat der Firmengeschichte in die Geschichte ein. Dieser allgemeine Trend besteht seit mehr als einem Jahr.

Das ist auch der Grund, warum die überwältigende Mehrheit der 27.000 Beschäftigten bereit zum Streik war - wenn auch ohne Demonstrationen und Blockaden, aber mit relativ effektiver Einstellung der Arbeit in der Produktion. Dies kostet Skoda 2 Millionen am Tag. Lohnerhöhungen im zweistelligen Bereich würden dem Unternehmen mehr kosten - der Durchschnittslohn bei Skoda liegt bei 785 Euro, dies sind 10% mehr als das nationale Durchschnittseinkommen (nicht der Durchschnittslohn der ArbeiterInnen, der deutlich geringer ist).

Die Unternehmensführung konnte kaum mit den üblichen Argumenten gegen höhere Lohnforderungen taktieren, es gäbe „ökonomische“ Gründe gegen eine Lohnerhöhung. Der Vorstand versuchte, die Solidarität der Bevölkerung mit den Skoda-ArbeiterInnen zu untergraben, indem auf die höheren Löhne im Vergleich zu anderen Teilen der Arbeiterklasse verwiesen wurde. Obwohl die Löhne bei Skoda insgesamt höher liegen als in anderen Produktionszweigen, gibt es auch bei Skoda ein Lohngefälle innerhalb der Belegschaft.

Bedeutung des Konflikts

Die Bedeutung dieses Tarifkonflikts für die Republik Tschechien wurde an der öffentlichen Diskussion der „Finanzexperten“ und der Stellungnahme des Präsidenten Vaclav Klaus deutlich. Dieser warnte vor zu hohen Abschlüssen bei Skoda, denn „diese hätten enorme Auswirkungen auf die gesamte tschechische Industrie“. Raiffeisenbank-Analyst Michl war der Meinung, dass „irrationaler Druck“ (gemeint waren Streik und zu hohe Lohnforderungen) „der Gewerkschaften in Tschechien zu einer Lohninflation und dies zu höheren Zinsen und einem Ende des tschechischen Wirtschaftswachstums führen“ würde. Daniel Münich vom Wirtschaftsinstitut CERGE warnte „dass ein möglicher Präzedenzfall bei Skoda zu einer Lawine führen könnte, die anderen Gewerkschaftsführungen müssten sich dann an dem Ergebnis von Skoda messen lassen - die Forderungen würden höher ausfallen.

Präsident Klaus weiß um die Macht der Gewerkschaftsbosse. Als er Premierminister war, stürzten die Gewerkschaften sein Sparprogramm und seine Regierung. Gleichzeitig repräsentiert Klaus die Bourgeoisie, deren Profite als Aktionäre würden von hohen Lohnforderungen und Streik bedroht. Ein weiterer Arbeitskampf hätte massive Auswirkungen, dafür müssen die Beschäftigten in anderen Produktionszweigen, genau wie die Bevölkerung vor Ort gewonnen werden - eine Niederlage würde sich fatal auf die nächsten Aktionen der Gewerkschaften auswirken.

Aus der Erfahrung der letzten Verhandlungen fordern wir, dass die Verhandlungen öffentlich sind, denn in der Vergangenheit haben die Unternehmensvorstände wie Skoda-Personalchef Schuster die Gewerkschaftsbosse korrumpiert. Dieser Gefahr muss begegnet werden. Die Unternehmensführung drohte schon mit Produktionsverlagerung ins billigere Ausland. Dieser versuchten Standortpolitik müssen die Arbeiter von Skoda/VW den gemeinsamen internationalen Arbeitskampf entgegen setzen!

Was bringt der Abschluss?

Nach zweieinhalb Monaten Tarifverhandlungen steht das Ergebnis fest: mit 12,7 Prozent ist den Gewerkschaften auf den ersten Blick ein gutes Ergebnis gelungen, der Streik und der Abbruch der Verhandlungen haben das Unternehmen zu einem höheren Abschluss genötigt. Diese Lohnerhöhung geht aber einher mit einer verminderten Zuzahlung bei den Sozialkosten und schlechteren Arbeitsbedingungen. Weitere Rationalisierung und Mehrarbeit sind die Folgen für die Beschäftigten (auch wenn das vom Management - wie immer in solchen Fällen - bestritten wird).Die Gewerkschaftsbosse waren auf „gute Zahlen“ aus, nicht auf einen politischen Protest gegen den neoliberalen Kurs der Regierung. Trotzdem kann dieser Tarifkampf auch als gutes Zeichen für die tschechische Arbeiterbewegung gesehen werden: in einem Kernbereich der Industrie konnte eine hohe Streikbereitschaft erzielt werden. Dieser Wille und die Fähigkeit zum Kampf werden auch bei den nächsten Kürzungsprogrammen der Regierung gebraucht.

Entgegen der neoliberalen Hetze haben sogar die reformistischen Gewerkschaftsführungen den Kampf um ein relativ hohes Ergebnis geführt. Ein entscheidender Faktor dafür war sicher auch der Druck der Belegschaft, die günstige konjunkturelle Lage und den starken Organisationsgrad zu nutzen.

Allerdings muss die Kampftaktik der Gewerkschaftsbürokratie kritisch betrachtet werden.

Sie verließ nie den Boden der „Tarifpartnerschaft“ mit dem Kapital, was sich u.a. darin ausdrückte, dass vor Beginn des Arbeitskampfes Mehrarbeit vereinbart worden war, um etwaigen Lieferengpässen durch den Streik zuvorzukommen (eine Methode, die auch in Deutschland nur allzu gut bekannt ist). Viele ArbeiterInnen kritisierten den Streik daher auch als „Farce“, einige gar als „Fiasko“. Sicherlich ist diese Empörung verständlich und in vielerlei Hinsicht berechtigt, zumal das Ergebnis nicht viel besser ausfiel als die Unternehmensofferte vor Abbruch der Verhandlungen.

Das darf er nicht blind dafür machen, dass der Ausgang des Kampfes bei aller Begrenztheit auch ein Schritt vorwärts war. Aber er verdeutlicht, dass es weiter gilt, in den Gewerkschaften gegen die Sozialpartner in der Bürokratie den Kampf aufzunehmen.

Eine klassenkämpferische Basisbewegung, eine Opposition gegen die Bürokratie ist notwendig, um die Kampfkraft in Betrieben wie Skoda mit dem Kampf gegen die Offensive der Regierung, mit den Anliegen der Arbeitslosen und der schlecht organisierten und bezahlten großen Mehrheit der Klasse zu verknüpfen und die Gewerkschaften zu Instrumenten des Klassenkampfes zu machen.

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Nr. 120, Mai 2007
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