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DGB-Demos am 21. Oktober

Startschuss oder Rohrkrepierer?

Helga Müller, Neue Internationale 114, Oktober 2006

Seit Jahren läuten Regierung und Kapitalisten zum Sturm auf Alles, was sich „sozial“ nennt. Seit Jahren gibt es auch Protest und Widerstand dagegen - Hunderttausende waren in den letzten Jahren bei Demos oder Streiks. Doch all diese Aktionen haben wenig genützt - die Angriffswelle rollt weiter. Nun ruft der DGB für den 21.10. erneut zu Demonstrationen und Kundgebungen bundesweit in fünf Städten auf -  in Berlin, Dortmund, Frankfurt, Stuttgart und München.

Wird das der Startschuss zu einem neuen Aufschwung von Widerstand oder wird das wieder nur ein Rohrkrepierer, der den Gegner kurz aufschreckt, aber vor allem die eigenen Reihen irritiert?

Am 4. April 2004 fand die letzte Demonstration statt, zu welcher der DGB gegen den permanenten Sozialkahlschlag aufgerufen hatte. Auf dieser Demonstration hatten 500.000 KollegInnen ihren Protest gegen die Politik der damals noch regierenden rot-grünen Regierung zum Ausdruck gebracht. 2 _ Jahre lang fanden dann keine zentralen Aktionen des DGB gegen diesen Generalangriff von Staat und Kapital mehr statt. Die Folge davon ist, dass die jetzige Große Koalition nahtlos an die Politik der sozialen und politischen Demontage der rot-grünen Regierung anknüpfen konnte.

In dieser Situation wäre es dringend notwendig, einen offensiven politischen Kampf gegen die noch schärferen Angriffe der Regierung zu führen.

Die Unruhe bei den KollegInnen in den Betrieben, bei den Arbeitslosen, bei den Jugendlichen wächst, das zeigen nicht nur die vielen Kämpfe in zahllosen Betrieben im Kampf gegen ständigen Arbeitsplatzabbau, wie bei AEG in Nürnberg, CNH in Berlin, Gate Gourmet in Düsseldorf - um nur einige zu nennen -, sondern auch der mehrmonatige Streik der Länderbeschäftigten im Öffentlichen Dienst, die verschiedenen Demonstrationen von StudentInnen gegen die Studiengebühren, der jüngste Schülerstreik in Berlin oder auch die zahlreichen kleineren Aktionen von Arbeitslosen gegen die Verschärfung der Hartz-IV-Gesetze.

Um diesen Kämpfen eine Perspektive zu geben und die Zersplitterung zu überwinden, wäre es notwendig, den Kampf darum zu führen, dass Schluss sein muss mit den ständigen Angriffen auf die Lebensbedingungen breitester Bevölkerungsschichten.

Stattdessen stellt DGB-Chef Sommer in einer Presseerklärung Anfang September zum Auftakt der Mobilisierung für den 21. Oktober fest: “Es gibt Gerüchte, wir wollten mit den Kundgebungen der Regierung schaden oder gar eine andere Koalition herbeiführen. Genau das ist nicht unsere Absicht. (Hervorheb. durch die Verf.) Wir verhandeln mit der Bundesregierung und den Fraktionen der Großen Koalition hart in der Sache. (...) Der 21. Oktober ist nur ein Meilenstein von vielen, mit denen wir die Regierung zu besseren Reformen bewegen wollen.”

Nach wie vor will die DGB-Führung lediglich ihre Verhandlungsposition gegenüber der Regierung verbessern. Sie weigert sich zu erklären, dass es sich bei den Reformen um einen Generalangriff von Seiten des Kapitals auf die arbeitende und arbeitslose Bevölkerung, die Jugend und die MigrantenInnen handelt, „um die deutsche Wirtschaft im internationalen Konkurrenzkampf wettbewerbsfähiger zu machen“ - wie es in der Koalitionsvereinbarung der Großen Koalition heißt. Von daher beschränkt sich das Motto des DGB-Aufrufs auch darauf, sich den Verhandlungsspielraum vor der nächsten Gesetzgebungsrunde der Großen Koalition offen zu halten. Das offizielle Motto lautet dementsprechend: “Das geht besser. Aber nicht von allein! Für die soziale Erneuerung Deutschlands.”

Defensive als Strategie

Verweigert wird so auch der Kampf für die Durchsetzung des Rechts auf politischen Streik gegen die Regierung und ihre Politik im Auftrag der großen Unternehmerverbände - wie es ihn immerhin in allen anderen EU-Ländern gibt. Damit würden u.a. auch die Bedingungen dafür geschaffen, die Zersplitterung der Kämpfe aufzuheben und den Kampf gegen die Regierungspolitik in die Betriebe zu tragen und mit dem Kampf um die Aushebelung der Flächentarifverträge zu verbinden. Stattdessen verweist die DGB-Führung immer wieder auf das Betriebsverfassungsgesetz, das den Betriebsräten keinerlei Kampfmaßnahmen an die Hand gibt und zementiert damit die unsägliche Trennung zwischen den “legalen” Möglichkeiten der Betriebsräte und den Möglichkeiten der Gewerkschaften, zu Streiks aufzurufen - aber auch nur dann, wenn es um die Durchsetzung von Tarifverträgen geht und diese sind dann auch noch zusätzlich an entsprechende Laufzeiten gebunden.

Das erklärt auch die sehr defensive Haltung der DGB-Führung bei der Vorbereitung: Soweit die Vorbereitungen bisher stehen, sind nicht in allen Städten Demonstrationen beabsichtigt, sondern nur Kundgebungen. Die Zusammenarbeit mit Organisationen der sozialen Bewegungen, die durchaus beabsichtigt ist, beschränkt sich auf Organisationen, die nicht gerade dafür bekannt sind, einen offensiven politischen Kampf zu führen: christliche Arbeitnehmerverbände oder der VdK.

Dahinter steckt die alte Grundangst, dass der Apparat die Kontrolle über die Bewegung verlieren könnte, die ja nach Willen der DGB-Verantwortlichen nur dazu dienen soll, sich eine bessere Verhandlungsposition gegenüber der Großen Koalition zu verschaffen.

Doch auch innerhalb der Gewerkschaften rührt sich ein wenig Widerstand gegen diese defensive Art der Mobilisierung, so werden z.B. im ver.di-Bezirk München die Betriebsfunktionäre dazu aufgerufen, dass es nicht ausreicht, “wenn nur die Vertrauensleute sowie die Betriebs- und Personalräte an der Kundgebung teilnehmen. In jedem Betrieb, in jeder Dienststelle, in jedem Krankenhaus muss dafür mobilisiert werden.”

Trotz all dieser Kritik an der Vorgehensweise der DGB-Verantwortlichen, ist damit für die GewerkschafterInnen, Vertrauensleute, Betriebsräte, Arbeitslosen, Jugendlichen und MigrantInnen, die den Kampf gegen die zahlreichen Angriffe führen wollen, die Möglichkeit gegeben, selbst unter eigenen Forderungen für diesen Aktionstag zu mobilisieren.

Dafür müssen in den Betrieben, in den Stadtvierteln, in Schulen, Unis usw. Kampf- und Aktionsstrukturen aufgebaut werden, die über den 21.10. hinausreichen.

Wichtig beim Aufbau dieser Strukturen ist, dass

die verschiedenen Bereiche, die nacheinander angegriffen werden, miteinander verbunden werden;

versucht wird, soweit wie möglich, die Betroffenen selbst einzubeziehen;

ein eigenes Aktionsprogramm aufgestellt wird;

versucht wird, von Protesten zu wirksamen Klassenkampfaktionen zu kommen wie Massenstreiks, Blockaden, Besetzungen;

eine politische Kampfperspektive, die über den 21.10. hinausgeht, entwickelt wird.

Alle KollegInnen, Jugendlichen usw., die bisher schon gekämpft haben, wissen eigentlich, dass vereinzelte Proteste und Aktionen nicht ausreichen, um die Offensive der Regierung und der Unternehmerverbände zu stoppen.

Sie müssen beginnen, sich damit auseinanderzusetzen, dass ein rein betrieblicher und ökonomischer Kampf allein nicht ausreichen wird, um diese Politik zu verhindern; sie müssen verstehen, dass es notwendig ist, eine neue politische Organisation - eine klassenkämpferische Arbeiterpartei - aufzubauen, die in der Lage ist, eine gesamtgesellschaftliche Alternative zu bieten und die Perspektive hat, die verschiedenen Kämpfe national und international zusammenzuführen.

Dazu wird es auch notwendig sein, dass oppositionelle und klassenkämpferische GewerkschafterInnen, Erwerbsloseninitiativen, Jugend- und MitgrantInnenorganisationen, die WASG, linke Gruppierungen und Organisationen, die sozialen Bewegungen eigenständig und sichtbar auftreten.

Sie müsseneinen Bruch mit der klassenversöhnlerischen und abwieglerischen Politik des DGB und der Einzelgewerkschaften fordern und zugleich daran gehen, lokale und bundesweite Mobilisierungsstrukturen aufzubauen und zu koordinieren, um den Kampf notfalls auch gegen die Gewerkschaftsbosse in Gang zu bringen.

Kampfprogramm

Zum Kampf gegen Massenentlassungen, Arbeitslosigkeit, Sozialraub schlagen wir folgende Ausrichtung für die Gewerkschaftslinke und die sozialen Bewegungen vor:

Nein zu Lohnverzicht und Arbeitszeitverlängerung: Für die Verkürzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Für eine europaweite Kampagne zur Einführung der 35-Stunden-Woche! Gesetzlicher Mindestlohn von 10 Euro/Stunde!

Rücknahme der Hartz- und Agendagesetze! Nein zu Billigjobs und Leiharbeit! Mindestunterstützung von 1000 Euro netto für Arbeitslose und RentnerInnen!

Kampf gegen alle Entlassungen! Für die entschädigungslose Enteignung aller Unternehmen, die Entlassungen oder Schließungen durchführen wollen - unter Kontrolle der Beschäftigten! Gegen alle Privatisierungen!

Freier und kostenloser Zugang zu Bildung und Ausbildung für alle! Umlagefinanzierung zur Sicherung eines betrieblichen Ausbildungsplatzes für alle Jugendlichen!

Diese Forderungen können nur durch gemeinsame Aktionen in den Betrieben und auf der Straße erreicht werden - durch politische Massenstreiks, Besetzungen, Großdemos, Blockaden. Sie können nur durchgesetzt werden, wenn wir die Isolierung der Abwehrkämpfe auf einzelne Betriebe, Unis oder Sektoren überwinden, wenn der Abwehrkampf politisch, mit einer gesamtgesellschaftlichen und internationalen Ausrichtung geführt wird. Das bedeutet, dass obige Forderungen je nach Situation ergänzt und die AktivistInnen eines solchen Kampfes auch gegen rassistische Angriffe und imperialistische Politik des deutschen und europäischen Kapitals kämpfen müssen.

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Nr. 114, Oktober 2006

*  DGB-Demos am 21. Oktober: Startschuss oder Rohrkrepierer
*  Nach den Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern: Rot/Rot schmiert ab
*  Kassel II: Wohin geht die WASG-Opposition?
*  CDU-Familienpolitik in Thüringen: 15 Packungen Pampers
*  NPD nach den Wahlen: Aufstieg der Ratten
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*  Castros Krankheit: Kuba im Kreuzfeuer
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