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Iran/Irak

Im Fadenkreuz des Imperialismus

Martin Suchanek, Neue Internationale 108, März 2006

„Religiöse Extremisten und laizistische Militante, Sunniten und Schiiten, Kommunisten und Faschisten - im Nahen Osten verschmelzen diese Kategorien miteinander. Sie alle strömen aus demselben enormen Reservoir an leicht entflammbarer Leidenschaft.“ So äußert sich der US-amerikanische neokonservative Vordenker Richard Perle Anfang 2004 in seinem Buch „Wie man den Krieg gegen den Terror gewinnt“.

Nach der Besetzung des Irak steht heute ein Militärschlag gegen den Iran unmittelbar bevor. Auch das „Drehbuch“ der Kriegsvorbereitung ist ähnlich. Gezielte Lügen und Desinformationen werden gestreut und von US-amerikanischen und anderen imperialistischen Geheimdiensten fabrizierte falsche „Beweise“ von „unabhängigen“ Medien enthüllt. Vorgeblich neutrale, tatsächlich aber vom Imperialismus kontrollierte Institutionen wie die Atomenergiebehörde werden vorgeschickt. Ein Bündnissystem wird geschmiedet.

Iran

Zahlreiche Kommentatoren, VertreterInnen der Anti-Kriegsbewegung bis hin zu bürgerlichen WissenschafterInnen haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die Vorwürfe gegen den Iran, internationale Abkommen ständig zu brechen oder kurz vor dem Bau von Nuklearwaffen zu stehen, an den Haaren herbeigezogen sind.

Im Gegenteil: Es gibt kein Land der Welt, das internationalen Kontrollbehörden seit 2002 so offenen Zugang erlaubt hat. Die Entscheidung, den Iran im Frühjahr 2006 anzugreifen, ist wahrscheinlich wohl schon länger getroffen worden.Schon 2004 drangen US-amerikanische Spähtrupps von Pakistan aus im Iran ein, um Ziele auszukundschaften. Die Mittel für einen Luftangriff auf Militär- und Atomanlagen stehen ohnehin bereit. Weitere Truppenansammlungen sind für die USA nicht nötig, da gegenwärtig keine Bodeninvasion und Besetzung des Landes ansteht, sondern „nur“ Präventivschläge gegen Industrien und Verteidigungsstellungen des Landes.

Die USA bereiten mit ihren Verbündeten den Schlag in einer Zeit vor, da eine vom Imperialismus kontrollierte Befriedung und Stabilisierung des Irak in weite Ferne gerückt ist.

Pulverfass Irak

Trotz der pseudo-demokratischen Wahlen und dem Durchpeitschen der Verfassung im Irak sind die imperialistischen Besatzer und ihre Alliierten dort nach wie vor - und auch mittelfristig - mit riesigen Truppenkontingenten präsent. Im Land sehen sie sich mit einer Verschärfung der ethnischen Konflikte, zunehmendem bewaffneten Widerstand wie auch mit Arbeiterwiderstand (v.a. im Süden des Landes konfrontiert). Gleichzeitig ist vom „Wiederaufbau“ des Landes nichts zu sehen. Selbst die irakische Ölförderung bleibt weit hinter den Hoffnungen der Herrschenden zurück. Ende 2005 lag die Tagesproduktion bei nur 1,9 Mill. Fass - 20% weniger als vor dem Krieg (als die Produktion trotz Embargo bei 2,5 Mill. Fass täglich lag).

Es gibt drei Hauptgründe dafür: Erstens reichen die bisher investierten Mittel (rund 1,3 Mrd. Dollar) zum Wiederaufbau und zur Erneuerung der Förderanlagen und Leitungen bei weitem nicht aus.

Zweitens greift der irakische Widerstand die Besatzer hier an einem sehr wunden Punkt an. Seit Ende des Krieges Ende Mai 2003 wird offiziell von 282 Attacken auf Ölanlagen gesprochen.

Drittens versickern viele Mittel in der Korruption.

Nach den Anschlägen auf die den Schiiten heilige Goldene Moschee in Samarra am 22. Februar, den darauf folgenden Vergeltungsschlägen auf sunnitische Einrichtungen und nach dem Tod von über 100 Menschen bei religiösen Zusammenstößen droht nun die vom Imperialismus selbst verfolgte Politik einer ethnischen Spaltung und des Teile und Herrsche vollends aus dem Ruder zu laufen.

Die bürgerliche Presse im Westen und die Besatzer verdrehen auch hier die Sache. Seit der imperialistischen Aufteilung des Nahen Ostens war die Spaltung entlang nationaler und religiöser Linien immer ein Kernelement der Beherrschung durch die Großmächte. Die irakische Verfassung und das vom Imperialismus oktroyierte Regierungssystem basieren auf einer solchen Spaltung.

Dass diese Gegensätze nun zu explodieren drohen, ist eben nicht nur Resultat reaktionärer Anschläge religiöser Fanatiker, wie es die westlichen Medien hinstellen, sondern in erster Linie Produkt der Politik des Imperialismus selbst. Das hindert natürlich die Medien und imperialistischen Ideologen jedoch nicht, daraus eine zusätzliche Legitimation für die Fortdauer der Besatzung - die Verhinderung des ethnischen Bürgerkriegs - abzuleiten.

Warum der Angriff?

In dieser Situation erscheint liberalen Kommentatoren, ja selbst Teilen der Demokraten in den USA ein Angriff auf den Iran als „Irrsinn.“ In Europa rechnen Teile der Soziademokratie, GewerkschafterInnen, die Linksparteien und die Friedensbewegung vor, dass die USA die Probleme, die sie zu bekämpfen vorgeben, erst schaffen würden, dass es also gerade im Interesse einer Stabilisierung der Weltordnung wäre, vom Kriegskurs abzulassen.

Diese Argumentationslinie, die weit von einer antiimperialistischen oder gar antikapitalistischen entfernt ist, verkennt oder ignoriert die ökonomischen und politischen Wurzeln, die Triebkräfte, die hinter der angeblich „irrationalen“ Politik der US-Administration und Bush und der Neokonservativen stecken.

Seit dem Ende des Kalten Krieges sind die USA die einzige „Supermacht“. Schon zu Beginn der 1990er Jahre wurde die US-Strategie darauf ausgerichtet, den nach dem Sieg im Kalten Krieg etablierten Zustand dauerhaft zu sichern und das Aufkommen regionaler oder gar globaler Rivalen zu verhindern.

Diese Doktrin der „no rivals“ stammt schon aus der Ära Clinton. Sie wurde allerdings auf andere Weise als unter Bush verfolgt - durch Einbindung potentieller Rivalen.

Der ökonomische Unterbau dieser Politik war ein relativ langer Konjunkturaufschwung der US-Ökonomie in den 1990ern (der schon damals mit der Stagnation Japans bzw. geringem Wachstum in der EU einherging). Die Politik Clintons hatte dazu beigetragen, durch die weltweite Durchsetzung neoliberaler Angriffe, die Öffnung der Märkte der „Dritten Welt“ und der ehemaligen bürokratischen Planwirtschaften dem Kapital größere Spielräume zu verschaffen, um der zunehmenden Überakkumulation von Kapital und dem Fall der Profitraten entgegenzuwirken.

Der Boom an den Börsen und später auf dem Immobilienmarkt führten zur Stabilisierung des Konsums und der Nachfrage durch billige Kredite - wenn auch um den Preis einer schon in den 1990er Jahren stark ansteigenden Verschuldung der US-Privathaushalte und Unternehmen.

Das Grundproblem, dass „zu große“ Kapitalmengen in Fixkapital vergegenständlicht sind, haben diese neoliberalen Maßnahmen allerdings nicht lösen können. Noch vor der Jahrhundertwende zeigte der Crash der „Tigerökonomien“ in Ostasien, dass das „Wirtschaftswunder“ rasch in sich zusammenbrechen könnte.

In den USA kam es Anfang des Jahrhunderts zu einer ernsten Rezession. Die internationalen Aktienmärkte erlebten enorme Kurseinbrüche. Die Krise wirkte in den USA tiefer als in Europa und Japan, d.h. es wurden relativ größere industrielle Kapazitäten stillgelegt.

Ökonomisch konnten in den USA (und Britannien) Faktoren wie der Immobilienboom den Niedergang der Börse kompensieren. Vor allem aber konnte der Crash durch staatliche Intervention abgemildert und die Grundlage für einen neuen Aufschwung in den USA gelegt werden.

Dieser ist eng mit der politisch-militärischen Vormacht der USA verwoben. Sie müssen als imperialistische Macht durch ihre Politik verdeutlichen, dass die US-Finanzmärkte nach wie vor die lukrativsten der Welt sind.

Im Inneren hat das weitere drastische Sozialkürzungen und die bewusste Hinnahme der Erosion oder gar Zerstörung sozialer Sicherungssysteme zur Folge. Die Katastrophe von New Orleans hat das vor Augen geführt.

Diese Politik zielt zugleich auf Konjunkturförderung, v.a. für die Rüstungsindustrie und die Öl-Industrie. Zugleich präsentiert sich der US-Imperialismus trotz Rekord-Staatsverschuldung auch als vertrauenswürdiger Gläubiger.

Was ist entscheidend für das Verständnis der Doktrin präventiver Kriege? Sie müssen im Kontext verschärfter Konkurrenz am Weltmarkt und verschärfter innerimperialistischer Gegensätze gesehen werden!

Die Lissabonner Erklärung der EU, ihre weitere Formierung als militärische und politische Macht, wie sie von Deutschland und Frankreich vorangetrieben wird; die Tatsache, dass der EURO die erste und einzige Währung seit dem Zweiten Weltkrieg ist, die den Dollar als Weltgeld ernsthaft herausfordert, zeigt, dass die USA und die EU die globalen Hauptkonkurrenten sind.

Gleichwohl ist die EU noch weit davon entfernt, eine ähnlich geschlossene und globale Rolle wie die USA spielen zu können. Dazu muss sie v.a. im Inneren mit Widerständen aufräumen. Neben der EU sieht sich die USA Japan als zweitgrößter Ökonomie, der Nuklearmacht Russland und Ländern wie China gegenüber. Dass Länder wie Russland oder China zu imperialistischen Mächten werden, die den USA ihre Position ernsthaft streitig machen können, darf jedoch bezweifelt werden.

Noch viel weniger ist natürlich der „Islam“ oder sind die „arabischen Staaten“ Konkurrenten, die dem US-Imperialismus die Führung streitig machen könnten.

Bedeutung des „eurasischen Raums“

„Schurkenstaaten“ wie Afghanistan, Irak oder Iran usw. befinden sich nicht zufällig alle im Nahen Osten oder im zentralasiatischen Raum. Dort und in Ostasien - darin sind sich US-amerikanische wie europäische imperialistische Strategen einig - werden die Weichenstellungen für die künftige Beherrschung zentraler Rohstoffvorkommen und die Etablierung globaler Vorherrschaft gelegt. Es geht also keineswegs „nur“ um Öl, sondern auch um die Etablierung und Festigung des Zugriffs auf geostrategisch zentrale Positionen.

Im „Cheney Report“ aus dem Jahr 2000 werden diese künftigen strategischen Räume benannt: der Mittlere Osten, Zentralasien und die Westküste Afrikas sollen bis zum Jahr 2015 unter amerikanischer Kontrolle stehen, dadurch soll die USA ihre Vorherrschaft sichern – auf der einen Seite über die Ressourcen, auf der anderen über die „Einkreisung“ potentiell gefährlicher Regionalmächte wie China, Russland und Indien.

Daher kann es sich auch keine Macht der Welt leisten, im Kampf um diese Regionen außen vor zu bleiben.

Für die USA geht es darum, ihre überlegene Stellung dafür zu nutzen, den Nahen und Mittleren Osten „umzukrempeln“. Das steckt hinter dem Ziel des „regime change“ (Regimewechsel). Ehemals zuverlässige imperialistische Büttel wie Saddam Hussein oder gedungene Schergen wie die Taliban können dabei durchaus zu Untersicherheitsfaktoren werden.

Seit dem Sturz des Schahs ist mit dem Iran ein bis dahin zuverlässiger imperialistischer Verbündeter weg gebrochen, der bis heute nicht ersetzt werden konnte. Zugleich hat sich der Iran aufgrund des US-Embargos mehr und mehr anderen Ländern, vor allem der EU, genähert. Die EU hat enge Bindungen zu den „Reformern“ um Rafsandschani aufgebaut. Bei den Wahlen im Sommer 2005 scheiterten die „Reformer“ jedoch und Ahmedinedschad wurde Präsident und Regierungschef.

Deutschland ist zum größten Exporteur in den Iran geworden (12,5 % aller iranischen Importe). Diese Importe haben auch für den Iran große ökonomische Bedeutung, weil sie v.a. dem Anlagenbau und der Modernisierung der Ölindustrie dienen. Hinzu kommt, dass die Teheraner Ölbörse im März auf Euro-Basis eröffnet werden soll – eine Entwicklung, die die USA unabhängig vom aktuellen Regierungspersonal mit wachsender Sorge beobachten. China ist der größte Abnehmer iranischer Exporte (v.a. Öl) und daher an engen und zuverlässigen Beziehungen zum Iran interessiert.

Die Wahl Ahmedinedschads verdeutlichte zugleich eine wachsende politische Unzufriedenheit der iranischen Bevölkerung mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Einerseits gab es in den letzten Jahren massive Zuwächse des BIP (2005 plus 6,8 %) und eine Ausweitung der Industrieproduktion über den Öl-Sektor hinaus, v.a. im Konsumgüterbereich für die Ober- und Mittelschichten des Landes (z.B. VW-Werk in Bam, Produktion von Peugeot).

Dieses Wachstum ging mit wachsender sozialer Ungleichheit einher. Rund 40 % der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Die offizielle Arbeitslosigkeit liegt bei 11,5 Prozent. Zunehmend kommt es auch zu Kämpfen der ArbeiterInnen und Studierenden gegen die empörenden Lebens- und Arbeitsbedingungen - und zwar schon lange vor Ahmedinedschads Wahlsieg.

Zweifellos dienen seine rhetorischen Attacken auf den Imperialismus heute auch als Mittel, eine unzufriedene Bevölkerung gegen den äußeren Feind zu richten - einen Feind, der freilich sehr real ist. Die USA und ihre engsten Verbündeten nahmen den Wahlsieg Ahmedinedschads und die angeblichen Atomwaffenpläne des Irans zum Vorwand, den von ihnen ohnehin geplanten Angriff vorzubereiten und so auch ihre NATO-Verbündeten und Rivalen ins Boot zu holen. So erklärten sich in London die EU und die UN-Sicherheitsratsmitglieder bereit, den Iran gemeinsam unter Druck zu setzen.

Doch bei aller Freude der US-Administration über Merkels „neue Töne“ oder über russische und chinesische Zustimmung - ihre grundlegenden Gegensätze sind keineswegs verflogen.

Die USA sind ihrerseits aufgrund der Probleme in Irak gezwungen, auch einstmals „Unwillige“ wie Deutschland und Frankreich ins Boot zu holen, um ihrer Politik mehr Legitimität zu verleihen. Zweifellos ist jedem „Partner“ auch klar, dass die USA dabei natürlich vor allem ihre eigenen Interessen im Auge haben. Andererseits hoffen sie, den USA entweder Zugeständnisse abringen zu können oder im Gegenzug für eine Zustimmung zum Krieg, selbst einen Fuß in der Region zu haben.

Kriegshetze im Inneren

Mit dem drohenden Angriff auf den Iran geht eine massive, anti-moslemische rassistische Hetze in den imperialistischen Staaten einher. Diese wurde mit dem „Karikaturenstreit“ angeheizt. Im Grunde geht sie aber schon auf die Zeit nach dem 11. September zurück. Ideologien, welche die Neokonservativen in den USA schon in den 1990ern verbreiteten, wurden zu wichtigen „Popularisierungen“ imperialistischer Politik, wie z.B. Huntington’s „Clash of Zivilizations“.

Der „Krieg gegen den Terror“ und die Doktrin der Präventivkriege entsprechen den imperialistischen Erfordernissen der gegenwärtigen Periode. Sie entsprechen einerseits der Notwendigkeit, „neue“, stabilere Statthalter mit einem größeren Schuss permanenter militärischer und diplomatischer Präsenz zu schaffen, weil wichtige Träger pro-imperialistischer Herrschaft, d.h. große Teile der Mittelschichten, in den vom Imperialismus beherrschten Ländern selbst von den neoliberalen Maßnahmen von IWF und Co. in ihrer bisherigen Existenz bedroht sind oder deklassiert werden.

Mit deren sozialer Sicherheit schwindet natürlich auch die politische Bindekraft und Verlässlichkeit dieser Schichten. An ihre Stelle muss daher oft die direkte Präsenz treten.

Zweitens geht es allen imperialistischen Mächten - den USA wie der EU - auch darum, abzusichern, dass sie möglichst viel Kontrolle und Einfluss haben. Deshalb ist der Aufbau bzw. Ausbau militärischer Strukturen zur permanenten Interventionsfähigkeit eine reale Notwendigkeit.

Die Doktrin der Präventivkriege hat sich nicht zufällig einen solch amorphen Gegner wie „den Terror“, und die „Schurkenstaaten“ zum Kriegsziel auserkoren.

Mit dieser Doktrin lassen sich Kriege rund um den Globus problemlos rechtfertigen. Auch wenn jeder weiß, dass weder vom Iran oder Irak, noch von irgendeinem anderen halb-kolonialen Land ein realer militärischer Angriff ausgehen kann, so ist der Krieg gegen den Terror ein Blankoscheck für jede repressive Prävention.

Konstruktion

Sie bietet überdies den Vorteil, dass sie jederzeit aus sich selbst heraus begründet werden kann. Je ungeheuerlicher die Konstruktion der Gefahr, je „erfinderischer“ der Vorwurf, desto drückender wird die mediale und staatliche Hetze gegen alle, die dem „Gefahrenpotential“ nicht zustimmen.

Kaum ein Muslim, der nicht unter Generalverdacht steht, der zu jeder Aktion auf der Welt, die irgendwie im Geruch „islamistischen Terrors“ steht, nicht als potentieller Mitläufer oder Nachahmer in Frage kommt.

Doch die Aufdeckung der Lügen für den Krieg gegen den Terror bringt auch die demagogischen Hetzer selbst unter Druck. So hat Bush in den USA zweifellos an Rückhalt verloren. Die Anti-Kriegsbewegung erstarkt wieder.

Ein Ende oder gar eine Abmilderung der US-Politik ist davon jedoch nicht zu erwarten, solange die Neo-Kons dran sind. Im Gegenteil: Ihr Argumentationsmuster braucht keinen wirklichen Beweis. Es verlangt nach Glauben. Institutionen wie die Heritage Foundation oder der CFR (Council of Foreign Relations)brauchen keine realen Bedrohungen, diese „Think Tanks“ wollen die amerikanische Vorherrschaft des nächsten Jahrhundert sichern.

Ein Schlag gegen den Iran ist in ihrem Argumentationsmuster ganz unabhängig davon gerechtfertigt, ob es wirkliche Nuklearpläne gibt oder nicht. Ist der Iran einmal als „Terrorstaat“ identifiziert, wird ganz zweitrangig, ob wirkliche „ Beweise“ existieren. Findet man welche, so werden sie als Grund herangezogen, wie drohend die Gefahr war; findet man keine, so verdeutlichen sie erst recht die Entschlossenheit im Kampf gegen die Terroristen, die schon niedergemacht wurden, bevor sie ihre Pläne umsetzen konnten.

Und die EU?

Ein weiteres Merkmal des „Kriegs gegen den Terror“ ist seine beliebig erweiterbare Dauer. Die US-Administration geht daher auch von einem jahrlangen, wenn nicht Jahrzehnte dauernden Krieg aus.

In der EU ist das ähnlich: So warb Michael Rühle, Leiter des Planungsreferats der Politischen Abteilung der NATO in Brüssel, am 1. Februar in der FAZ um mehr Verständnis für die Notwendigkeit künftiger “Präventivkriege.”

Seine Schlussfolgerung: Die Regierungen „brauchen von den Bürgern das Einverständnis, Waffengewalt frühzeitiger und umfassender einzusetzen, als dies überkommene Vorstellungen von Selbstverteidigung nahe legen. Die massiven Probleme, die eine solche, letztlich auf Verdachtsmomente gründende Strategie der Prävention mit sich bringt, sind am Irak-Krieg eindringlich deutlich geworden. An der Logik der Prävention ändern sie gleichwohl nichts. Angesichts des internationalen Terrorismus könne „der Staat seiner Schutzverpflichtung gegenüber seinen Bürgern nur noch durch präventives Handeln nachkommen.“

Dass dem „Krieg gegen den Terror“ eine so zentrale Rolle zukommt, dass seine Kriegs- und Katastrophenszenarien auf Jahrzehnte berechnet sind, hat seinen Grund. Die realen Bedingungen, die diese imperialistische Doktrin hervorbringen - Krise und verschärfte Konkurrenz - werden sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen.

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Nr. 108, März 2006

*  18. März: Gegen Besatzung, Ausbeutung und Krieg!
*  Iran/Irak: Im Fadenkreuz des Imperialismus
*  Hände weg vom Nahen Osten! Antimperialismus und Befreiungskampf
*  Zur Politik der PDS: Ankommen ist alles
*  Gesundheitswesen und Altenpflege: Klerikal und neoliberal
*  Rente mit 67: Alt und arm
*  Jugend und Hartz IV: Pension Mama statt eigene Wohnung
*  Heile Welt
*  Streik im Öffentlichen Dienst: Ver.di am Scheideweg