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WASG/PDS

WASG-Linke muss sich organisieren!

Markus Lehner, Neue Internationale 107, Februar 2006

Ohne Zweifel ist der schnelle Durchmarsch, den sich PDS- und WASG-Führung nach der Bundestagswahl erwartet haben derzeit ins Stocken geraten. Das Projekt einer raschen Fusion zu einer bürokratisch kontrollierten, auf „linke“ Regierungsbeteiligungen orientierten Partei, die den „anti-neoliberalen“ Protest von der Straße auf die geordneten parlamentarischen Bahnen zurückführt, wird derzeit gebremst aufgrund der Auseinandersetzungen um die Berliner Landesverbände von WASG und PDS.

Die Berliner WASG hatte auf ihrem Landesparteitag Ende November sowohl den bundesweiten Fahrplan zur Fusion (das sogenannte „Kooperationsabkommen 3“) als auch ein Zusammengehen mit der Senats-PDS abgelehnt.

PDS

Umgekehrt hatte die Berliner Linkspartei.PDS auf ihrem Parteitag jegliches Abgehen von ihrer Beteiligung an Privatisierungen, Personalabbau im öffentlichen Dienst, Tarifvertragsbruch, Kürzungen im Sozialbereich, Mitgestaltung von Hartz-IV etc. zurückgewiesen. Die Ablehnung der Regierungsbeteiligung in Berlin unter solchen Umständen durch den WASG-Landesparteitag wurde von den PDS-Sprechern als „weltfremdes Sektierertum“ und Gefährdung des „historischen Projekts einer starken vereinigten Linkspartei“ gebranntmarkt. Sowohl von PDS-Führung als auch von den maßgebenden Sprechern der WASG-Führung wurde die Mehrheit des Berliner Landesverbandes mit mehr oder weniger offenen Drohungen bedacht und versucht, sie bundesweit zu isolieren.

Die schon vereinbarten gemeinsamen Foren von PDS und WASG in Berlin wurden von der PDS-Frührung abgesagt. Dies gegenüber Vertretern der WASG-Minderheit, da man das Gespräch mit den „unzurechnungsfähigen Elementen“ des gewählten WASG-Landesvorstands ablehnte. Lederer & Co. fühlten sich überlegen genug, um sich nicht in Foren mit „Provokateuren“ – also etwa Beschäftigte der Charite-Uni-Klinik, die von den Erpressungen des PDS-Senators Flierl betroffen sind – herumschlagen zu müssen.

Die Minderheit in der Berliner WASG war auch nicht müde, den „Amoklauf“ und die „unrealistische“ Orientierung der neuen Landesführung systematisch zu bekriegen. Die Bezirksverbände Charlottenburg-Wilmersdorf und Neukölln werden praktisch als eigenständige Verbände mit strammen Fusionskurs geführt – organisiert durch eigene fraktionelle Verbände (das sogenannte „Lipanet“ (Linkspartei-Netzwerk)) und den „Rixdorfer Kreis“.

Letzterer ist im Wesentlichen ein Bündnis von „linksruck“ (!) und ex-SEW-Funktionären. Im Unterschied zum Lipanet, das zwar „Korrekturen“ von der Senatspolitik verlangt (aber natürlich nur „finanzierbare“), behaupten die „Rixdorfer“ durch ein Eingehen auf den Fusionsprozess die Berliner PDS zu einer Richtungskorrektur bewegen zu können.

Hier offenbart sich der grundlegend opportunistische Charakter der „linksruck“-Strömung wohl in bisher nicht gekanntem Ausmaß. Eine Strömung, die sich in bestimmten Jugendmilieus gerne ein „radikales“ und „kämpferisches“ Outfit verpasst, wird hier zum willigen Steigbügelhalter für die neoliberale Senatspolitik. Dafür fallen dann auch schon ein paar nette Pöstchen in Fraktion und Partei ab.

Mit Beginn dieses Jahres wurde gegen all diesen Gegenwind klar, dass die Berliner WASG-Mehrheit in der Bundespartei alles andere als isoliert dasteht. Viele Landes- und Bezirksorganisationen solidarisierten sich mit „den Berlinern“. Es hagelte Rücktrittsforderungen und auch entsprechende Anträge gegenüber den besagten Führungspersonen.

Manöver

Der Bundesführung wurde mehr und mehr klar, dass ihr am Bundesparteitag, der für Anfang März geplant war, ihr Projekt und ihr Führungsanspruch um die Ohren fliegen könnte. Das Gegenprojekt des Berliner Landesverband, sich auf die Proteste der Betroffenen der Senatspolitik zu konzentrieren und diesen zu unterstützen, erwies sich als nicht so „unrealistisch“ wie verkündet – gerade auch z.B. wegen der bundesweiten Mobilisierungen in den Uni-Kliniken.

Schließlich wurde eine taktische Wende der WASG-Führung deutlich durch die Rede von Oskar Lafontaine auf dem Luxemburg-Kongress Anfang Januar in Berlin.

Auch wenn diese Rede nichts weiter als die übliche links-reformistische Illusion formulierte, dass die pointierte Kritik der kapitalistischen Scheußlichkeiten schon die äußerste Form des anti-kapitalistischen „Kampfes“ darstellt, so stellte sie doch die bisherige Linie der WASG/PDS-Führung in einem Punkt in Frage.

Die PDS-Regierungsbeteiligungen wurden nicht mehr wie noch im Dezember als Beispiel für die notwendige Kräfteverschiebung gegen den Neoliberalismus beschönigt: Mit den Privatisierungen im Wohnungswesen und bei Wasserbetrieben seien dagegen eindeutig „rote Linien“ überschritten worden, und die kritisierte neoliberale Politik mit betrieben worden.

Wie üblich sind auf und nach dem Kongress viele „Linke“ hier dem geschickten Demagogen Lafontaine auf den Leim gegangen, haben gar einen „Linksschwenk“ bejubelt (wenn sich mal ein linker Polit-Promi traut, die Politik der Bundesregierung als „Staatsterrorismus“ zu bezeichnen, fallen viele einsame linke Herzen ja schon vor Dankbarkeit auf die Knie).

Tatsächlich hat Lafontaine natürlich nichts davon gesagt, dass diese Angriffe auf den Lebensstandard und die Lebensbedingungen der Massen letztlich auch durch entsprechende Mobilisierungen der Massen zu stoppen sind. Er hat lediglich für einen Parlamentarismus plädiert, der sich an solchen Maßnahmen die Hände nicht schmutzig macht. D.h. er – und offenbar die Mehrheit der Bundestagsfraktion der Linken – haben etwas restriktivere Bedingungen für die Beteiligung an Sozialabbau-Regierungen gestellt: Privatisierungen sind pfui, aber ein paar Stellenstreichungen hier und da können vielleicht nicht verhindert werden.

Die Regierungsbeteiligungen der PDS werden nun der Unerfahrenheit und Eingeschüchtertheit der „armen“ PDS-Funktionäre zugeschrieben, die aufgrund der „unmenschlichen“ Ausgrenzungspolitik der anderen Parlamentarier „halt mal passiert sind“.

Da man den gutbürgerlichen Biskys und Co. die wohlverdienten Pöstchen nicht gönnen wollte, waren sie wohl nicht so geschickte links-reformistische Verhandler wie Lafontaine, der halt ein insgesamt verräterisches Regierungsprogramm durch ein paar „Verhandlungserfolge“ und aufmunternde linke Reden den Leuten noch als Erfolg verkaufen kann.

Schwenk

Selbst dieser leichte Schwenk der WASG-Führung und ihre leichte Distanzierung von der Berliner Senats-PDS wurden nur dem innerparteilichen Druck geschuldet. Dieser war offenbar stark genug, um auch den Bundesparteitag auf Ende April zu verschieben. Auch wenn Satzungsprobleme (aufgrund der Probleme der Neuwahl von Delegierten) in den Vordergrund geschoben werden, ist insbesondere die Absage einer vorherigen Urabstimmung zum Kooperationsabkommen ein deutliches Zeichen, dass der Bundesvorstand den Fusionsgegnern in der WASG entgegenkommen muss. Auch der Berliner Landesverband wurde nun zumindest gezwungen mit dem „wahnsinnigen“ WASG-Landesvorstand zu sprechen und wohl auch gar sich der „Zumutung“ der Foren zu stellen.

Für die Linke in der WASG ist diese Entwicklung eine wichtige Chance – aber auch mit wesentlichen Gefahren verbunden. Einerseits hat sich die Konfrontationslinie des Berliner Verbandes ausgezahlt und eine bisher in der Tiefe noch nicht da gewesene Debatte um Programm und Ausrichtung der WASG in der Partei ausgelöst.

Dies ermöglicht ein weitaus größeres Gehör in der Partei für tatsächliche Alternativen des Kampfes gegen den Generalangriff des Kapitals. Es ermöglicht auch, eine weitaus stärkere Orientierung der WASG-Basis-Organisationen auf Beteiligung und Koordinierung von sozialen Kämpfen. Nur die Verbindungen mit Streiks, Massenprotesten und den Aktivistenstrukturen solcher Kämpfe wird es auch ermöglichen, dass aus solchen WASG-Basisorganisationen Ansätze für eine neue, klassenkämpferische Arbeiterpartei erwachsen.

Andererseits bedeutet das „Entgegenkommen“ der Bundesführung, dass das sehr heterogene Bündnis der Fusionsgegner in der WASG schnell zerbrechen kann. Dieses Bündnis wird auf der Linken von SAV, ISL und vielen einzelnen aktiven Gewerkschaftern oder SozialprotestaktivistInnen geführt, während es aber auch viele rechte, im Grunde anti-kommunistische Strömungen umfasst.

Die Linke

Es ist kein Wunder, dass mit dem „Linksschwenk“ gleichzeitig ein schärferer ideologischer Kampf gegen die SAV eröffnet wurde. Offensichtlich wird versucht, die Opposition zu spalten und einen „vernünftigen“ Teil in ein etwas linker aufgestelltes Gesamtprojekt zu integrieren.

Andererseits hat es die Linke in der Opposition bisher versäumt, sich bundesweit als Alternative zu konstituieren, die auch tatsächlich um die Führung der Partei kämpft. Insbesondere die SAV tut alles, um sich programmatisch bloß defensiv zu verteidigen, als brave Parteisoldaten darzustellen und sich darauf zu beschränken, auf einem linksreformistischen Programm die Regierungsbeteiligungsgegner zu sammeln.

Insofern tut die SAV auch nichts für den Aufbau einer über sich selbst hinaus gehenden bundesweiten linken Opposition in der WASG. Stattdessen wird im Berliner Landesverband die Kandidatur zur Abgeordnetenhauswahl auf einem Programm der „gerechten Verteilung des genug vorhandenen Geldes“ vorbereitet. Diese Zurückhaltung wird die SAV letztlich nicht davor bewahren, früher oder später zum Zweck der Fusion aus der „Linkspartei“ gesäubert zu werden.

GenossInnen der Gruppe Arbeitermacht beteiligen sich an mehreren Basisorganisationen der WASG, um den Kampf um ein klassenkämpferisches Programm in der Partei und den Kampf um die Koordinierung/Initierung durch WASG-Gliederungen von Massenkämpfen gegen die Kapitaloffensive voranzubringen. Wer uns dabei unterstützen will, und insbesondere die bundesweite Vernetzung der Linken in der WASG auf der Grundlage eines klassenkämpferischen, revolutionären Programms voranbringen will, den/die fordern wir dazu auf, sich mit uns in Verbindung zu setzen und den Kampf gemeinsam auf zu nehmen!

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Nr. 107, Februar 2006

*  Bolkestein, Port Package: Wider die Freiheit des Kapitals!
*  Berlin: Charité ade?
*  AEG-Streik: Solidarität!
*  IG Metall: Tarifrunde in Zeiten des Lohnverzichts
*  Heile Welt
*  WASG/PDS: WASG-Linke muss sich organisieren!
*  Bolivien: Morales - Präsident der Massen?
*  Klimawandel: Der Katastrofe entgegen
*  EU-Imperialismus: Globale Ambitionen
*  NATO-Sicherheitskonferenz: Stoppt die Kriegstreiber!