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Papstwahl

In Rom nichts Neues

Gerald Waidhofer, Neue Internationale 100, Mai 2005

Das Sterben des Papstes verwandelte jeden Fernseher in einen Altar. Die Bilder mit seltsam gekleideten Greisen erinnern an das finsterste Mittelalter.

Die eigentliche Leistung, für die er so verehrt wird, ist sein Beitrag als "Verfechter der Freiheit" beim Untergang des Stalinismus in Polen. Es waren es die Mobilisierungen der polnischen ArbeiterInnen, die zur Gewerkschaft Solidarnosc führten und die Erosion der stalinistischen Herrschaft vertieften, die den Kardinal von Krakau zur attraktiven Symbolfigur machten. Nicht religiöse Zeremonien und Gebete erreichten dies, sondern die Kämpfe in den Straßen und Fabriken.Wojtila war eine Symbolfigur für den reaktionären Teil innerhalb dieser Bewegung. Das war seine wahre Mission: Antikommunismus mit Hilfe religiöser Führung rückständiger Massen.

Der Warenfetisch der kapitalistischen Ökonomie ist zwar eine wirksamere ideologische Kraft als der religiöse Fetisch. Wenn der Kapitalismus aber Ungleichheiten noch verstärkt, wenn er ganze Regionen in den wirtschaftlichen Abgrund stürzt und Elend und Unterdrückung zur unmittelbaren Alltagserfahrung werden lässt, dann kann Religiosität zuweilen an Bedeutung gewinnen. Das ist v.a. dann der Fall, wenn eine "irdische", sprich revolutionäre Alternative nicht sichtbar wird. Wo der Warenfetisch als ideologische Kraft zu schwach ist, wird der religiöse Fetisch gestärkt. Angesichts solcher Phänomene sollten die Worte von Marx inspirierend wirken:

"Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elends und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks. Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusion über seinen Zustand aufzugeben, die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist. Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche."

Neuer mit steinalten Ideen

Nun wurde Kardinal Joseph Ratzinger zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt. Der übliche Prunk dabei weist ihn eher als Oberpriester aus denn als "demütigen Diener in Gottes Weinberg", wie er sich selbst sieht.

Mehr als 20 Jahre lang war Ratzinger Vorsitzender der Kurie für die Glaubenslehre - eine Nachfolgeinstitution der Inquisition. Hier führte er einen stetigen Kampf gegen Befreiungstheologie, Feminismus, die Rechte von Homosexuellen, Marxismus und alle Formen von "Relativismus" und "Unmoral".

Die 115 Kardinäle, die ihn gewählt haben, sind sämtlich männlich, berufsmäßig ehelos und vorwiegend in Europa beheimatet - in einer Kirche, deren Mitgliedschaft zu 2/3 aus Nicht-Europäern besteht. Ratzinger wird das reaktionäre Werk seines Vorgänger fortsetzen und festigen: gegen Verhütung, Abtreibung, Gleichgeschlechtlichkeit und Öffnung des Priesterstandes für Frauen und verheiratete Männer.

Die Wahl Ratzingers hat weltweit die reaktionären Kräfte erfreut, allen voran den protestantischen Christen George W. Bush, der eifrig die Agenda des Papstes unter der irreführenden Bezeichnung "Für das Leben" befolgt. Beide sind der Meinung, Frauen seien unfähig, darüber zu entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft austragen wollen oder nicht. Diese Agenda, die entgegen ihrem Namen in Zusammenhang mit Tod und Leid steht, sorgt dafür, dass Millionen v.a. in der "3. Welt" weiter an Aids sterben werden, weil die Kirche die Verwendung von Kondomen verteufelt.

Früher galt Ratzinger in der Kirche noch als "abweichlerisch". Aber 1968 änderte sich angesichts der Studentenunruhen seine Haltung. Er war damals Theologieprofessor an der Uni Tübingen, als protestierende StudentInnen seine Vorlesung sprengten. Das überzeugte ihn davon, dass die politische Linke und die Ideen der Liberalisierung der Sexualmoral, die in den 60er Jahren aufkamen, eine Gefahr für die Kirche darstellen. Er verketzerte sogar die Rockmusik als "antireligiöses Vehikel".

Eine der ersten Kampagnen nach seiner Ernennung zum Vorsitzenden der Glaubenskongreation 1981 wandte sich gegen die "Befreiungstheologie". Ratzinger bezichtigte sie, sich an sozialen Aktionen gegen Armut und Unterdrückung beteiligten, weil das Zugeständnisse an den gottlosen Marxismus seien. 2003 hinderte er Priester und Nonnen daran, Homosexuelle in den USA zu segnen.

Ratzinger hat sich oft gegen "moralischen Relativismus" gekehrt. Damit meint er die Idee, dass menschliche Lebewesen ihr Verhalten danach ausrichten sollten, ob es Menschen glücklich oder unglücklich macht, mehr oder weniger frei. Der Oberhirte der katholischen Glaubensherde will nichts davon wissen. Moralität muss absolut sein - als Befehl von Gott. Natürlich kann die Gottheit nicht ständig mit Nachfragen nach ihren Anweisungen belästigt werden. So muss ein 2000 Jahre altes Buch zu Rate gezogen werden und bei strittigen Fragen oder neuen Regeln müssen diese übermittelt und ausgelegt werden - durch die Priesterschaft und als letzte Instanz den Papst.

Im ausführlichen Buch der Gesetze Moses, d.h. Leviticus in der christlichen Bibel scheinen die Päpste besonders von Folgendem überzeugt zu sein: "Wenn ein Mann dem eigenen Geschlecht beiwohnt wie einem Weibe, haben beide ein verabscheuenswürdiges Verbrechen begangen; sie müssen gewiss zum Tode verurteilt werden; ihr Blut sei verflucht."

Natürlich wird der Papst nicht die Steinigung Homosexueller vorschlagen, aber wenn andere dies tun, dann ist das ihre eigene Schuld. Die Verfechter der Rechte für Homosexuelle haben errechnet, dass in Italien jedes Jahr zwischen 150 und 200 Homosexuelle ermordet werden. Ratzinger schob die Schuld für solche Gewaltakte den KämpferInnen für die Rechte von Homosexuellen zu:

"Wenn eine Zivilgesetzgebung zum Schutz von Verhaltensweisen eingeführt wird, zu denen niemand ein erkennbares Recht hat, kann weder die Kirche noch die Gesellschaft überrascht sein, wenn daraufhin gewaltsame Reaktionen zunehmen."

Mit der Wahl Ratzingers haben die Kardinäle einen offenen Reaktionär zum Papst gemacht. Nicht umsonst trägt er die Beinamen "Panzerkardinal" und "Rottweiler". Wenn die Versuche, seinen Willen durchzusetzen, größere Risse in der Kirche verursachen würden, könnten das nicht nur revolutionäre MarxistInnen, sondern alle BefürworterInnen von menschlicher Freiheit und Fortschritt begrüßen. Es würde die Aufgabe erleichtern, den lustfeindlichen, anti-emanzipatorischen und reaktionären Charakter nicht nur der katholischen Kirche, sondern aller Kirchen und Religionen zu entlarven.

Kirche und Frauen

 

Soweit es die Kirche vermag, beschränkt sie die Rechte von Frauen. Wenn einige Kirchengemeinden hierzu eine aufgeklärtere Position vertreten, dann vor allem, um nicht allzu viele Kirchenmitglieder zu verlieren. Papst Johannes Paul II. zog allerdings eine eher orthodoxe Position hierzu vor und zwang damit alle ihm untergebenen Kirchen dazu, ihren Einfluss geltend zu machen, um die Frauen in ihrer unterdrückten Stellung zu belassen.

Dazu gehört es auch, dass er das Zölibat verteidigte und ein Frauenpriestertum ablehnte, aber viel bedeutender ist, dass er Möglichkeiten zur Verhütung und zur Abtreibung ablehnte. Wenn Regierungen für den kirchlichen Einfluss zugänglich waren, konnte die päpstliche Religiosität durchaus zur materiellen Gewalt für die Frauen werden. Sie waren es, die den größten Preis für nicht erhältliche Verhütungsmittel zahlen und unter abenteuerlichen und unhygienischen Bedingungen heimlich abtreiben mussten.

Was sich hier äußert, ist allerdings nicht auf eine persönliche Vorliebe oder Abneigung eines Papstes reduzierbar. Es ist originäres Christentum! Was soll auch von einer so alten Ideologie anderes zu erwarten sein, als reaktionäre Anschauungen. Die überlieferten Äußerungen von Kirchenvätern sprechen hierzu bereits eine eindeutige Sprache: Tertullian beschrieb die Frau als "Einfallspforte des Teufels" und Hieronymus als "gefährlich’ Ding und Weg der Bosheit".

Was den verstorbenen Papst auszeichnete, war nicht einfach eine besonders frauenfeindliche Positionierung, sondern nur etwas mehr Orthodoxie. Immerhin steht in der Bibel eindeutig, dass es für den Menschen nicht gut sei, eine Frau zu berühren (1. Kor. 7,1). Denn wie der Mann das Ebenbild Gottes ist, ist die Frau - geschaffen nur für den Mann - lediglich ein Abglanz des Mannes (1. Kor. 11,7 und 11,9). In öffentlichen Versammlungen soll sie verschleiert und schweigsam bleiben und gegebenenfalls dann ihren Mann zu Hause befragen (1. Kor. 11, 34 f.).

Zu "starke", selbstbewusste oder "andersartige" Frauen wurden von der Kirche als Hexen verfolgt: "Eine Zauberin sollst du nicht am Leben lassen" (2. Mose 22,18) Bis zum 18. Jahrhundert verbrannte die katholische Kirche etwa 9 Mill. Menschen, die sie der Hexerei bezichtigte. In Danzig, von wo 1980 Solidarnosc ausging, waren 150 Jahre vorher noch immer Hexen ertränkt worden ...

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Nr. 100, Mai 2005

*  Erster-Mai-Aufruf: Klassenkampf statt Kapitulation!
*  DGB Aktuell: Frühling der Bürokratie?
*  Papstwahl: In Rom nichts Neues
*  Heile Welt
*  60 Jahre Befreiung vom Faschismus: Krieg und reaktionäre Weltordnung
*  Frankreich: Aus für EU-Verfassung?
*  WASG-Parteitag: Nein zum Programm!
*  Neue Internationale 100: Revolutionäre Zeitung
*  Rot/Grün und der 8. Mai: Antifaschistische Fassade