Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Griechenland

Vor einer sozialen Explosion?!

Martin Suchanek, Infomail 605, 14. Februar 2012

In der Nacht vom 12. Februar stimmte das griechische Parlament wieder einmal für ein neues drakonisches Sparprogramm, für ein weiteres Diktat der sog. Troika aus EU, EZB und IWF.

Die Marionettenregierung Papademos hatte zuvor weiteren Massenentlassungen im Öffentlichen Dienst, weiteren Kürzungen von Mindestlohn und Renten zugestimmt.

Wie erwartet, stimmte das Parlament der nächsten Attacke auf die ArbeiterInnen, die Armen, auf Jung und Alt zu. 199 von 278 anwesenden ParlamentarierInnen votierten für die Kürzungen. Und die Hardliner der EU – allen voran die deutschen Imperialisten und ihre engsten Juniorpartner (Österreich, Finnland, Niederlande, Luxemburg) legten gleich mit weiteren Forderungen nach. Jetzt müsse die griechische Regierung „liefern“, also ihre Beschlüsse brutalst möglich umsetzen.

Die Ratten verlassen das sinkende Schiff?

Doch der enorme soziale Druck, der auf der griechischen Gesellschaft lastet, manifestiert sich nicht zur in einer stetigen, weiter wachsenden gesellschaftlichen Mobilisierung. Diesmal stimmten nicht nur die Abgeordneten der Linken (der „kommunistischen“ KKE und der linksreformistischen SYRIZA) gegen die Regierungsvorlagen.

Noch bevor das Paket von der Regierung beschlossen war, verließ die rechte, halb-faschistische LAOS die Koalition, auf die sich Papademos stützt. Ihre Minister traten zurück und die meisten ihrer Abgeordneten stimmten gegen die Regierungsvorlage. Darüber hinaus weigerten sich etliche Abgeordnete der „links“nationalistischen PASOK und der konservativen Nea Dimokratia (ND), der Regierung und ihren Parteiführungen zu folgen. Angesichts dieser Weigerung, für die Angriffe auf die Bevölkerung zu stimmen, zeigten die Führungen von PASOK und ND eine Entschlossenheit, die sie bei den Verhandlungen mit der Troika vermissen lassen und schlossen kurzerhand 22 PASOK- und 21 ND-Abgeordnete aus den jeweiligen Fraktionen aus. Somit reduziert sich die parlamentarische Mehrheit der Regierungskoalition auf 193 von 300 Deputierten.

All das zeigt, dass es der herrschenden Klasse und ihrem geschäftsführenden Ausschuss zunehmend schwerer fällt, ihren Laden zusammenzuhalten. Das zeigt sich auch auf der Ebene des Staatsapparats drastisch. So ließ die Polizeigewerkschaft Ende letzte Woche öffentlich erklären, dass sie „legale Maßnahmen“ gegen IWF-RepräsentantInnen ergreifen und vermeiden wolle, gegen ihre „Brüder und Schwestern im Volk“ zu kämpfen.

Diese zunehmende Schwierigkeit der Herrschenden, wie bisher zu herrschen, ist eine Seite einer reifer werdenden, sich verschärfenden vorrevolutionären Lage im Land.

Fortlaufende Massenmobilisierungen

Die andere Seite sind die anhaltenden Massenmobilisierungen. Der Besuch der Troika, die „Verhandlungen“ wie die Sitzungen von Kabinett und Parlament wurden durch einen Generalstreik der größten Gewerkschaften begleitet. Allein in Athen demonstrierten am 12. Februar mindestens 100.000 Menschen sowie ein Vielfaches in anderen Städten des Landes. Die Zusammenstöße mit der Polizei waren diesmal sowohl in der Hauptstadt als auch in Thessaloniki besonders heftig.

Zur Zeit ist die Masse der Arbeiterklasse, aber auch der Mittelschichten und des Kleinbürgertums auf der Straße. Sie erhoffen eine Lösung durch die Linken – was sich auch in wachsender Zustimmung für diese Parteien, besonders für die KKE bei Meinungsumfragen zeigt.

Aber diese Stimmung wird nicht unbegrenzt anhalten, wenn die Arbeiterklasse nicht über  Widerstand und Protest gegen Kürzungen hinausgeht und für ein proletarisches Programm zur Lösung der Krise kämpft. Andernfalls droht die Gefahr, dass sich größer werdende Schichten der „Mittelklassen“ nach einer rechten Lösung umschauen. Dem Austritt von LAOS aus der Regierung liegt schließlich auch die Absicht zugrunde, sich als „saubere“, extrem nationalistische Lösung der Krise anzubieten. Ebenso signalisiert die Verlautbarung der Polizeigewerkschaft nicht nur eine Schwäche der Regierung – sondern auch die Sehnsucht nach einem starken „ehrlichen Führer“. Und schließlich zeigen auch die rassistischen Angriffe auf MigrantInnen, welche fürchterlichen Konsequenzen ein Versagen der Arbeiterbewegung nach ziehen wird.

Die Massendemonstrationen zeigen, dass große Teile der griechischen Bevölkerung heute kampfbereit sind. In den letzten Monaten gab es nicht nur wichtige Massenstreiks um einzelne Aktionstage. Seit längerem befinden sich wichtige Sektoren der Klasse im Dauerausstand, so z.B. der Stahlarbeiterstreik. Hinzu kommen Besetzungen wie in einigen Krankenhäusern, die nun unter Kontrolle der Beschäftigten die Versorgung der PatientInnen organisieren.

In dieser Situation geht es ums Ganze, geht es um den Kampf um die Macht. Dazu muss die Arbeiterklasse mobilisiert, dazu muss sie vorbereitet werden, so dass sie auch größere Teile der Mittelschichten und des Kleinbürgertums gewinnen und die Risse im Repressionsapparat vertiefen kann.

Aber gerade eine solche Perspektive fehlt den Führungen der griechischen Linken – sei es der KKE, sei es jener von SYRIZA oder gar der Gewerkschaften. Für sie ist eine „Umwälzung“, eine „Veränderung“ im Grunde nur gleichbedeutend mit einem Regierungswechsel auf Grundlage einer anderen Mehrheit im Parlament.

Wie wir in anderen Artikeln - so z.B. in „Die Revolution und ihre Perspektiven” - ausgeführt haben, braucht die griechische Revolution eine grundlegend andere Strategie und Führung. Sie braucht eine revolutionäre Kampfpartei, die die Besten der Linken – von Antarsya, vom linken Flügel von SYRIZA – wie auch alle KämpferInnen der reformistischen Parteien KKE und SYRIZA, aus den Gewerkschaften und von Platzbesetzungen vereint, die mit der Strategie ihre Führungen brechen wollen. Dazu braucht es ein revolutionäres Aktionsprogramm:

Kampf gegen alle Angriffe und Kürzungsmaßnahmen! Streichung der Schulden, Annullierung alle Auflagen der Troika!

Für einen unbegrenzten Generalstreik zum Sturz der Regierung und zur Rücknahme aller Angriffe!

Aufbau von Aktionsräten in Betrieben, im Öffentlichen Dienst, an Schulen und Unis und in den Stadtteilen.

Für Selbstverteidigungsorganisationen gegen die staatliche Repression und Provokateure! Wir fordern von PolizistInnen und SoldatInnen: Kein Unterstützung für die Regierung. Wahl von Soldatenräten, die die Bewegung unterstützen!

Wahl von lokalen, regionalen und eine landesweiten Delegiertentreffen dieser Räte, um die Aktionen gegen die Regierung zu koordinieren und demokratisch zu führen.

Für eine Arbeiterregierung, die sich auf diese Aktionsräte und Selbstverteidigungsorgane stützt, die Konterrevolution entwaffnet und den bürgerlichen Repressionsapparat zerbricht.

Nur eine solche Regierung ist in der Lage, ein Programm der Arbeiterklasse durchzusetzen, das u.a. die Streichung der Schulden bei den imperialistischen Banken, Institutionen und Regierung beinhaltet, die Verstaatlichung der Banken und Großunternehmen unter Arbeiterkontrolle und die Einführung eines demokratischen Plans beinhaltet, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.

Eine solche Regierung kann nur durch den revolutionären Sturz der herrschenden Klasse und ihrer Regierung geschaffen werden. Sie wird eine sozialistische Umwälzung der griechischen Gesellschaft und Ökonomie beginnen. Aber es auch klar, dass sie längerfristig nur dann erfolgreich sein kann, wenn ihr Kampf eng mit jenem der gesamten Arbeiterklasse Europas gegen die Krise verbunden ist und so zum Ausgangspunkt wird für die europäische Revolution, für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa.

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 167, März 2012
*  Griechenland: Vor einer sozialen Explosion?
*  Europa: Die Krise schwelt weiter
*  Heile Welt
*  Internet: ACTA ad acta!
*  IT-Branche: Fachkräftmangel?
*  8. März: Für eine proletarische Frauenbewegung!
*  8. März: Krise und Arbeitsmarkt
*  8. März: Keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus!
*  Tarifrunde: Krise und Arbeitskämpfe
*  Aktionstag 31. März: Auf nach Frankfurt!
*  Brasilien: Neue Gruppe der Liga für die Fünfte Internationale
*  Die syrische Revolution, imperialistische Rivalität und die Linke



Wöchentliche E-News
der Gruppe Arbeitermacht

:: Archiv ::