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Ist ein neuer Reformismus möglich?

AutorInnen der Antiglobalisierungs-Bewegung

Susan George

George ist seit den 1970ern eine prominente Kritikerin von IWF und Weltbank. Ihre Großtat war "die Verlagerung der Schulden von den Finanzseiten zur politischen Berichterstattung". Sie begann in den 1970ern, Probleme und Ursachen anzusprechen, die später von Tausenden AktivistInnen aufgegriffen wurden.

Sie hat etliche sehr zutreffende Feststellungen in ihrem Werk gemacht, die Allgemeingut der antikapitalistischen Bewegung geworden sind.

• Schulden sind "ein Mechanismus, durch den die Armen in den armen Ländern gezwungen werden können, die Reichen in den reichen Ländern zu finanzieren." Aber sie sind auch ein Mechanismus, durch den eine Handvoll Länder die ökonomische Struktur und Entwicklung der ungeheuren Mehrheit der anderen Länder kontrollieren kann, um diese zu zwingen, Handels- und Produktionsmodelle einzuführen, die den großen transnationalen Firmen dienen.

• Schulden bewirken, dass Ressourcen nicht zur Verringerung der Armut und für Gesundheits- und Erziehungsprogramme verwendet werden können, was zu zusätzlichen sieben Millionen toten Kindern jährlich führt.

• George sieht die Ursachen der Verschuldung in der Bereitschaft privater Banken, an Regierungen in der Dritten Welt Kredite zu geben, um Profite zu machen - entgegen den Entwicklungsbedürfnissen der Armen in diesen Ländern.

• Sie hat ein klares Verständnis von der Rolle, die die herrschende Klasse der Dritten Welt dabei spielt, und davon, dass diese unermesslichen Reichtum für sich abzweigt und die Bevölkerung damit ins Elend stürzt.

• Sie zeigt, wie die Politik von IWF und Weltbank direkt den groflen Banken in den USA geholfen hat. "Der IWF ist ein Trichter zur Kanalisierung öffentlichen Geldes in private Banken", schreibt sie.

• George zeigt, auf welchem Wege die Schulden der Dritten Welt auf den Westen in Form von Drogenkriegen, Mafia-Unterwelt, Gewalt und Flüchtlingsschmuggel zurückschlagen.

Sie ist auch gegen Teillösungen der Schuldenkrise, wie beispielsweise das HIPC-Schuldenentlastungsprogramm, das 1996 in Kraft trat, und sieht darin zu Recht ein Vorhaben, das eher den kommerziellen Banken hilft, uneinbringbare Kredite abzuschreiben, als dass es die Armut verringert.

Vor kurzem wandte sich George einer allgemeineren Kritik der Globalisierung zu. Im "Lugano Report" (1999) ist sie satirisch. George erzählt von einem fiktiven "Bericht", den eine Arbeitsgruppe mit verschiedensten Spezialisten erstellt hat, die von den Weltführern und den multinationalen Firmen ernannt worden sind. Ziel des Berichts ist es, die Probleme anzusprechen, denen der Kapitalismus des 21. Jahrhunderts gegenübersteht.

Diese Spezialisten kommen zu dem Schluss, dass das Bevölkerungswachstum zu massiven Aufständen führen wird, weil der Kapitalismus weder fähig ist, es aufzuhalten, noch die Grundbedürfnisse all dieser Menschen zu befriedigen. Daher gelangen sie zur Einsicht, dass ein Programm zur massiven Reduzierung der Bevölkerung notwendig ist. Glücklicherweise sind gerade die dafür benötigten Methoden und Maßnahmen das Resultat der Globalisierung selbst, wie die steigenden Todesraten in den Ländern, die unter dem Joch der Strukturellen Anpassungsprogramme stehen. Susan George nennt dies "einen Krieg eines Systems gegen die Menschlichkeit".

Am Ende ihres Buches bietet sie ein alternatives Paket von Lösungen an. Dieses ist eine Zusammenfassung des Programms des radikalen Flügels der NGOs, der gleichzeitig der reformistische Flügel der antikapitalistischen Bewegung ist.

George ist keine Antikapitalistin und tut auch nicht so, als ob sie eine Gesellschaft unterstützen würde, in der marktfeindliche sozialistische oder kommunitaristische Methoden vorherrschen. Statt dessen will sie die globalen Finanzinstitutionen reformieren und wiederherstellen.

Darum muss sie in zwei Richtungen appellieren. Sie möchte, dass klassenübergreifende Aktivistenbündnisse von 'BürgerInnen' und NGOs Druck für einen Wandel ausüben:

"Die Antwort - die einzige Antwort - liegt in der Bürgerbewegung, auch bekannt als "social movement", oder NGOs, oder Zivilgesellschaft, die eine schwierige, aber nicht unmögliche Aufgabe hat. Diese Bewegung ist international und breit angelegt. Die verschiedenen nationalen Allianzen, die die Bürgerbewegung ausmachen, bestehen aus ArbeiterInnen und Gewerkschaften, Kleinbauern und -bäuerinnen und ihren Organisationen, KonsumentInnen, UmweltschützerInnen, Studierenden, Frauen, Arbeitslosen, eingeborenen Völkern, aus Gläubigen."

Aber zur selben Zeit wendet sie sich an das Eigeninteresse der Bankengemeinschaft. In den 1980ern hatte sie Illusionen in die Fähigkeit von Führern der Dritten Welt (wie Alan Garcia in Peru), den Kampf gegen die Banken durch die einseitige Streichung von Schulden oder ihre Nichtanerkennung zu führen. Aber das Scheitern Garcias und anderer nahm ihr den Mut, weiterhin auf die einseitige Nichtanerkennung von Schulden durch einzelne Regierungen zu setzen. Seither setzt sie sich für einen Deal zwischen Regierungen und Banken ein.

Sie skizziert ein dreigleisiges Herangehen - "die 3-D-Lösung: " debt, development and democracy", also Schulden, Entwicklung und Demokratie. Bezüglich der Schulden möchte sie eine "kreative Rückzahlung", durch die Zinsen und Tilgung über verlängerte Zeiträume und in örtlicher Währung an die Banken zurückgezahlt werden, sowie an einen Entwicklungsfonds, auf den die örtliche Bevölkerung Einfluss nehmen kann.

Aber George stellt sich keinen wirklichen Systemwechsel vor. Es gibt auch keinen Plan B für den Fall, dass die Milliardäre bei dieser Lösung für die Dritte Welt nicht mitspielen. Da sie den Weg der Reform als offen sieht, sieht sie den Protest als ausreichendes Mittel zur Erreichung dieses Zieles.

Sie meint, dass die Demokratie sich schon darum kümmern muss, wenn nur genug Leute protestieren. Aber wenn die Firmen und großen Banken so mächtig und skrupellos sind, wie George und andere Anti-Globalisierungs-PublizistInnen sie beschreiben, dann wird sich eine heterogene "Volksbewegung" als nicht machtvoll genug für diese Aufgabe herausstellen.

Auch wenn noch so viele mit dem Zeigefinger drohen, damit die Großunternehmen und der IWF zur Vernunft kommen, es wird sie nicht zur Änderung ihres Kurses veranlassen. Sie werden die Welt buchstäblich in den Abgrund reißen, einschließlich sich selbst.

Verschuldung ist von Ausbeutung und Unterdrückung nicht zu trennen. Folglich liegt die Lösung nicht in einer isolierten Strategie zur Lösung der Schuldenkrise allein, sondern muss ein Programm umfassen, das den Multis ihren Besitz an Produktionsanlagen entreißt und die willfährigen und korrupten Herrscher verjagt.

Entgegen ihrer utopischen Vision argumentieren wir, dass gerade die Grundlagen des Systems zerstört werden müssen, um die Struktur der Ausbeutung und Unterdrückung zu zerschlagen. Dazu müssen die ArbeiterInnen in Stadt und Land mobilisiert werden, auf deren systematischer Ausbeutung der globale Kapitalismus beruht.

Susan George wurde in den USA geboren und ist heute französische Staatsbürgerin, Co-Direktorin des Transnationalen Instituts in Amsterdam und Präsidentin des Observatoire de la Mondialisation(etwa Beobachtungsstelle für Globalisierung)in Paris. Sie ist auch Vizepräsidentin von ATTAC Frankreich. Zu ihren neun Büchern gehören: "How the Other Half Dies" (1976), "Ill Fares the Land" (1984), "The Debt Boomerang - Faith and Credit: The World Bank's Secular Empire" (1994), und zuletzt, "The Lugano Report: On Preserving Capitalism in the 21st Century" (1999).

 

David C. Korten

In seinem Buch "When Corporations Rule the World" (Wenn Unternehmen die Welt regieren) beschreibt Korten, wie die Prozesse der Firmenexpansion, Deregulierung und Privatisierung - von Reagan und Thatcher in den 1980ern eingeleitet - zu einem Übergang der Macht von den nationalen Regierungen der Welt zu globalen Finanzinstitutionen und Firmen geführt haben.

Das Ergebnis wird, wie er vorhersagt, eine sich zuspitzende soziale Krise sein, in der eine kleine Minderheit unvorstellbar reich wird, während Milliarden in Armut und Unsicherheit leben und die sozialen Unterstützungssysteme für kritische Lebenssituationen auf dem Planeten zusammenbrechen.

"When Corporations Rule the World" ist in sechs Abschnitte eingeteilt. Der erste Abschnitt, "Cowboys in a Spaceship" (Cowboys im Raumschiff), legt Beweise dafür vor, dass die gegenwärtige Richtung der Weltwirtschaft nicht "nachhaltig" ist. Dies liegt seiner Meinung nach an den festen Grenzen, welche die Umwelt dem Wachstum setzt.

Der zweite Abschnitt, "Contest for Sovereignity" (Herausforderung für die Souveränität), ist eine Chronik des Machtzuwachses der Wirtschaft auf Kosten der Demokratie in den USA. Der dritte Abschnitt, "Corporate Colonialism" (Unternehmer-Kolonialismus), stellt die Auswirkungen dieser Macht auf die Welt dar, mit all der Ausbeutung und Schwächung der Dritten Welt.

Der vierte Abschnitt, "A Rogue Financial System" (Ein Schurkenfinanzsystem), beschreibt die weltweite "Casino-Ökonomie" der Aktien- und Währungsspekulation. Im fünften Abschnitt, "No Place for People" (Kein Platz für Menschen), betrachtet Korten den menschlichen Preis der Unternehmermacht.

Der letzte Abschnitt, "Reclaiming Our Power" (Wir fordern unsere Macht zurück), präsentiert seine Alternative zum gegenwärtigen System. Laut Selbstdefinition konservativ, greift Korten die Zentralisierung ganz allgemein an, sowohl bei den Firmen als auch in den ehemaligen stalinistischen Staaten. Korten glaubt bis zur letzten Konsequenz an den Markt als Koordinator menschlicher Aktivitäten, an seine Moral und Gerechtigkeit - unter einer Voraussetzung: Dass die wirtschaftlichen Einheiten klein und die Märkte grundsätzlich lokal bleiben. Er schlägt vor, die Weltbank, den IWF und die WTO abzuschaffen und sie durch Körperschaften der Vereinten Nationen wie die UNCTAD zu ersetzen.

Korten beschreibt sich selber bewusst als Populisten, was er folgendermaßen definiert: "Ich glaube, dass es wichtig ist, sich darüber klar zu sein, was es bedeutet, ein Populist zu sein. Wirklicher Populismus lehnt - wie uns Ronnie Dugger erinnert - sowohl starke Regierungen wie das große Geld (big business) ab. Er ist weder links noch rechts. Er ist progressiv und konservativ zugleich. Mit anderen Worten, unsere natürliche Anhängerschaft ist der Mainstream der amerikanischen Wähler, die an örtliche Kontrolle und Marktwirtschaft glaubt und argwöhnisch gegenüber dem big business und starker Regierungsgewalt ist."

Kortens Modell der wirtschaftlichen Grundlage der Gesellschaft ist nichts weniger als eine idealisierte Version von Adam Smith (dem ersten großen Publizisten des Wirtschaftsliberalismus)! Er meint, die Wahl bestehe zwischen "der wirklichen Marktwirtschaft, bestehend aus kleinen lokalen Geschäften, wie von Adam Smith vorgestellt, und einer zentral geplanten Wirtschaft, die von weit entfernten, niemandem Rechenschaft schuldigen Mega-Firmen kontrolliert wird."

Er fährt fort: "Teil unserer Aufgabe ist die Wiedererrichtung lokaler Wirtschaftsräume und die Entkoppelung vom zusammenhängenden System aus globaler Finanzherrschaft und aus der Kontrolle durch Konzerne."

Die Methoden, dies zu erreichen, sieht Korten in "örtlichem Bankwesen, örtlichen Währungen, in kommunalen Initiativen für organische Landwirtschaft, ganzheitlichen Gesundheitspraxen, in Kooperativen und Firmen in Arbeitereigentum, bei lokal einkaufenden Geschäftsleuten, in kommunaler Forstwirtschaft, einfachem Leben, in örtlicher Wiederverwertung von Abfall, in der Verwendung erneuerbarer Energieträger und der Förderung der Fortbewegung per Fahrrad und zu Fuß."

Das Buch "The Post-Corporate World: Life After Capitalism" (Die Welt nach den Konzernen: ein Leben nach dem Kapitalismus) ist eine Fortsetzung von "When Corporations Rule the World" und beschreibt diese Vision bis in jedes - und tatsächlich utopisches - Detail. Kortens Populismus bedeutet, dass er keine Zeit für eine Politik findet, die sich auf den Klassenkampf stützt. Die Gewerkschaften, deren Kämpfe er sicherlich unterstützt, haben schlichtweg Teil eines breiten Volksbündnisses zu sein. Für ihn findet der Kampf zwischen "den Firmengiganten " und "dem Volk" oder "der Zivilgesellschaft" statt. Marxismus ist für ihn eine veraltete Erscheinung des 19. und 20. Jahrhunderts.

"Durch die Brille linker Analysen des zwanzigsten Jahrhunderts ist die globale Demokratiebewegung ein klassischer Konflikt zwischen der Arbeiterklasse und den Kapitalistenklassen, der durch einen auf Klassenbewusstsein gegründeten politischen Kampf entschieden wird. Aber die globale Demokratiebewegung ist eher durch gemeinsame Werte und Weltanschauung definiert als durch Klasse."

Wer sind für Korten die Schlüsselfiguren in diesem Konflikt?

"Eine ist die Kraft der Unternehmerglobalisierung, vorangetrieben von einem Bündnis zwischen den weltgrößten Firmen und den mächtigsten Regierungen ... Die zweite Kraft ist die globale Demokratiebewegung, vorangetrieben von einem weltweiten Bündnis der BürgerInnen - bekannt als globale Zivilgesellschaft."

Korten ignoriert völlig die Arbeit von Marx, der die Gesetze des Kapitalismus dargestellt hat, die die Entstehung von Monopolen unumgänglich machen. Alle Versuche, diese Entwicklung bei den großen Produktionsmitteln auf Grundlage von Markt und Privateigentum aufzuhalten oder rückgängig zu machen, haben sich als totaler Fehlschlag erwiesen. Und zwar einschließlich jener Versuche, die die frühen US-PopulistInnen in den 1890ern und 1900ern gefordert haben - Zerbrechen der Kartelle und billige Kredite.

Die Gründe, weshalb "ein Kapitalist viele verschlingt", wurden von Marx in "Das Kapital" erklärt. Sie liegen nicht in Fehlern des Marktes oder im Kreditsystem oder in unfairem Wettbewerb - obwohl es den bankrotten kleinen Geschäftsmännern und -frauen so erscheint.

Der riesige Maßstab und die internationale Reichweite der Industrien, der Handelsunternehmungen und des Bankwesens sind insoweit progressiv, als sie ein Schritt zu einer geplanten Weltwirtschaft sind.

Alle negativen Eigenschaften der kapitalistischen Monopole - von Korten ausführlich beschrieben - sind unabhängig von der reinen Größe oder der globalen Ausbreitung, sondern hängen mit dem Privateigentum zusammen.

Aber Korten will das Privateigentum retten. Er will einen Tiger ohne Zähne und Klauen erschaffen. Sein Konzept ist eine rückwärts gerichtete Utopie. Sein Programm ist im wahrsten Sinne des Wortes kleinbürgerlich.

Korten mag die Kraft der marxistischen Klassenanalyse nicht erkennen, aber diese kann ihn erkennen. Ebenso ist seine "Zivilgesellschaft" durch Klassen gebildet, genau genommen alle Klassen - minus die 474 Milliardäre der Welt. Ein solches Bündnis, das kleine und nicht so kleine Ausbeuter in seine Reihen einschließt, wird sich gegenüber den Mega-Firmen als völlig unfähig herausstellen. Die Finanziers und die Spitzenmanager schweben nicht in der Luft. Sie führen alle anderen kleineren Ausbeuter an und einen großen Teil der privilegierten Mittelklassen dazu.

Die einzige solide Führung eines alternativen Bündnisses der Armen und Ausgebeuteten in Stadt und Land, in allen "drei Welten", das sind die Lohnabhängigen - die Arbeiterklasse.

Sie kann dieses Ziel erreichen. Und sie tut es auch. Die Arbeiterbewegung steht Individuen aus allen Klassen offen, den Massenorganisationen der ländlichen und städtischen Armen, den Kleinbauern- und bäuerinnen. Dieses Bündnis umfasst alle nicht-ausbeutenden Klassen. Aber um effektiv zu sein, muss es die gesamte Bourgeoisie ausschließen.

Wenn es das nicht tut, wenn es ihr die Erhaltung des Privateigentums garantiert (und ohne diese Konzession wäre die Bourgeoisie ohnedies nicht dabei), dann sind die "unteren Klassen" dazu verdammt, betrogen, demoralisiert und geschlagen zu werden.

Das ist die Lehre der Volksfronten - aufgebaut von Stalinismus und linker Sozialdemokratie von 1930 in Spanien bis 1970 in Chile.

Aber es führt auch ständig zu der üblichen Klassenkollaboration, bei der ArbeiterInnen und Kleinbauern/-bäuerinnen ihre Stimme in der Wahlzelle abgeben und bürgerliche Politikerinnen für die großen Firmen regieren.

Das ist der Grund, warum der Populismus in den USA in letzter Konsequenz die Stimmen für die Demokratische Partei beschafft hat.

Kortens populistisches Programm - würde es die anti-kapitalistische Bewegung in den USA dominieren - würde diese Geschichte einfach wiederholen. Was nötig ist, sind eine Klassenanalyse und Klassenunabhängigkeit.

David C. Korten ist Gründer und Präsident von The People-Centered Development Forum (PCDForum) mit Sitz in New York. Das PCD-Forum ist eine Forschungs-, Erziehungs- und Kampagnen-NGO, die eng mit der asiatischen NGO-Koalition zusammenarbeitet. Viele Jahre lang war er akademischer Spezialist für alternative Entwicklungstheorien - er lehrte in Harvard, arbeitete hauptamtlich in der Ford Foundation und war Berater der United States Agency for International Development. Er verbrachte auch 14 Jahre in Südostasien. Dieser Hintergrund befähigt ihn, einer der prominentesten Antiglobalisierungsschreiber der 1990er zu werden - einer, der den Standpunkt der radikaleren NGOs ausdrückt. Sein Buch "When Corporations Rule the World"(1995) war eines der zukunftsträchtigsten Werke der neuen Bewegung. Es erreichte, erst in den Vereinigten Staaten und dann international, ein riesiges Publikum und wurde in 13 Sprachen übersetzt. (Alle Zitate aus "Populists Distrust Corporations" und "Progressive Populist", beide Januar 1996)

 

George Monbiot

Die Private Finanz-Initiative (PFI) war von den britischen Konservativen zu Beginn der 1990er Jahre entwickelt worden. Damit sollten grosse Strassenbauprojekte, Krankenhäuser und Schulgebäude finanziert werden, ohne die Staatsfinanzen zu überlasten oder die Steuererleichterungen für die Reichen und die Mittelschichten zu gefährden. Zugleich lieferte die PFI ganze Bereiche des öffentlichen Dienstes an Unternehmer zum Profitmachen aus.

Der Guaridian-Journalist Monbiot zeigt in seinem Buch "Der Staat als Gefangener" (The captive state) an einer Vielzahl von Beispielen, wie das abläuft. Die Geschichte der Skye-Brücke in Schottland war einer der ersten PFI-Deals und geradezu exemplarisch. Die BewohnerInnen der Insel Skye konnten sich früher auf einen Fährdienst rund um die Uhr zum Festland verlassen. Diese Fähre wurde runtergewirtschaftet, Investitionen wurden verweigert und irgendwann schien eine privatfinanzierte Brücke eine attraktive Lösung zu sein.

Aber kaum waren die Verträge unter Dach und Fach, kam alles anders. Erstens kostete die Brücke 25 Mio Pfund und das private Konsortium erhielt mindestens 16 Mio als Subventionen von der Regierung. Letzlich musste jede private Firma nur 500 000 Pfund eigenes Geld investieren.

Dann wurde die Maut für die einfache Strecke auf 5,60 Pfund(ca 15 DM) hochgesetzt, was die höchste Maut pro Meter auf der ganzen Welt ergab und deutlich teurer als die Fähre ist, die eine Woche nach der Brückenöffnung von der Regierung eingestellt wurde, um der Brücke das Monopol zu sichern. Schliesslich erhielt das Brückenkonsortium seine Mauteinnahmen für 18 Jahre garantiert, was ihm runde 37 Mio Pfund bescheren wird.

Die BewohnerInnen von Coventry verloren ihr gut erreichbares Krankenhaus im Stadtzentrum und erhielten dank PFI ein neues am Stadtrand. Die Bettenzahl wurde um 25%, die Belegschaft um 20% gekürzt. Auf dem Innenstadtgelände wird - natürlich mit fetten Profiten - "Stadtentwicklung" betrieben. Das neue Krankenhaus wird wird viel mehr kosten als die von den EinwohnerInnen bevorzugte Lösung einer Renovierung der zwei alten Krankenhäuser: diese hätte 30 Mio Pfund gekostet; das PFI-Modell wird jährlich 36 Mio Kosten in den nächsten Jahrzehnten verursachen und hat 25 Mio für die Neuausstattung verschlungen.

Bei PFI bleiben viele Verhandlungsdetails und Planungsvorgänge im Dunkeln. Das "Geschäftsgeheimnis" wiegt auf den Waagen des Neuen Britanien schwerer als öffentliche Nachvollziehbarkeit.

Das wird auch sehr gut in der Geschichte von Monsanto und der Invasion der genmanipulierten Organismen dargestellt. Obwohl Millionen VerbraucherInnen sehr besorgt sind, dass möglicherweise hochgradig giftige Stoffe in die Nahrung gelangen könnten und dass die Herstellung von Genfood unabsehbare Folgen für die Umwelt haben könnte, ist die Kennzeichnung von solchen Produkten seitens der Händler strafbar. Aber der echte Skandal bei der Genmanipulation ist die Kollaboration insbesondere der Regierungen der USA und Brittaniens mit Multis wie Monsanto, AgroEvo und Zeneca, um genmanipulierte Produkte der Bevölkerung aufzuzwingen.

Diese Firmen haben heute eine absolute Mehrheit in der Food and Drug Administration der USA und den entsprechenden Institutionen in anderen Ländern, mit dem Ergebnis, dass diese Einrichtungen, die eigentlich dem öffentlichen Interesse verpflichtet sind und öffentliche Gelder zum Wohl der Allgemeinheit verteilen sollen, von genau den Firmen übernommen worden sind, die sie eigentlich kontrollieren sollen.

Monbiot widmet ein ganzes Kapitel seinem "Register der Fetten Katzen", einer Aufstellung all derer, die von New Labour dadurch gemästet wurden, dass der öffentliche Sektor der Profitgier geöffnet worden ist.

Eine starke Seite von "The Captive State" liegt darin, dass Monbiot, bei aller Konzentration auf Britanien, dessen Rolle bei der Globalisierung betrachtet.

Das "neue Britanien" hatte eine Schlüsselrolle innerhalb der EU inne, diese in Richtung der amerikanischen Politik zu schieben, den Freihandel auf Kosten der Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften, auf Kosten der Umweltverträglichkeit und der Gewerkschaftsrechte voranzutreiben.

Britanien war das EU-Mitglied, das am heftigsten das MAI unterstützt hat, ein Vertragswerk, das es den Unternehmern erlaubt hätte, die Gesetzgebung von Regierungen ausser Kraft zu setzen und die Privatisierung von Bildung und Gesundheitswesen zu erzwingen.

Der schwächste Punkt von "The Captive state" ist das Schlusskapitel, in dem Monbiot eine Strategie entwickelt für den Kampf gegen das, was er als schleichenden Statsstreich beschreibt, eben die Gefangennahme des Staates durch die Multis.

Sein Rezept ist die schlichte Zurücknahme von Massnahmen: Schluss mit der PFI, Kappung der Drähte zwischen Regierung und Grosskapital, Grössenbegrenzung bei den Monopolen durch Zerteilen und Einschnitte in die Managergehälter.

Gegen die bösen grossen Monopole setzt Monbiot nicht auf gesellschaftliches Eigentum, sondern auf die guten kleinen kapitalistischen Firmen. Dass das schlicht Unfug ist, kann ihm jeder aktive Gewerkschafter erklären. Kleine Firmen sind oft die schlimmsten Gewerkschaftshasser und haben oft schlimmere Arbeitsbedingungen, auch wenn sie weniger Einfluss auf Regierungen haben als die Multis.

Was die Massnahme der alten US-Populisten betrifft, nämlich die Zerschlagung der Konzerne zu fordern, steht Monbiot vor einem Dilemma. Im neuen High-Tech Sektor war Bill Gates von Microsoft einmal einer von den guten Kleinen. Die Gesetze des Marktes haben ihn heute zu einem Riesen gemacht. Microsoft heute wieder zu zerlegen, wie es seine Konkurrenten ja versuchen, wird nur zu einer Wiederholung des Films führen, der Entstehung eines neuen Mega-Konzerns, vielleicht der eines seiner Konkurrenten.

Wenn es ständige Regierungseingriffe gibt, die die Grösse von Geschäftsvorgängen begrenzen, gibt es auch andere Ergebnisse: Ineffektivität wird festgeschrieben, der Handel mit anderen Ländern muss eingeschränkt oder unterbunden werden, damit kleine Firmen nicht untergehen, Investitionen werden anderswo getätigt. Es ist einfach nicht die Höhe des Umsatzes, sondern die Eigentumsform, die entscheidet! Entweder arbeitet die Wirtschaft für den Profit oder für den Nutzen der Menschheit. Beides zugleich geht nicht!

Ähnliches kann man von Monbiots Vorstellung sagen, dass der Staat mal eine feine Sache war und er also wieder in die Rolle des Richters über die Dinge zurückschlüpfen könnte, als einer, der ohne eigene Interessen über den wirtschaftlichen Angelegenheiten der Bürger tront. Das ignoriert das Wesen und die Geschichte der Entstehung des Staates.

Der Staat: Exekutive und Legislative, der Beamtenapparat, die Gerichte, Polizei, Gefängnisse und Militär - alle sind ein Instrument der herrschenden Klasse. Der Einfluss des Kapitals auf den Staat kommt nicht nur von aussen, von den Multis, sondern genauso von innen, aus seiner durch und durch bürokratisch-hierarchischen Struktur, von den gewählten und ungewählten Dienern des Kapitals, die auf allen Ebenen arbeiten.

Monbiot, wie Klein und George, war gerne bei der Anti-Globalisierungsbewegung, solange diese noch kuschelig war. Aber seit die Gewalttätigkeit des Staates gegen die wachsende Bewegung eine immer gewaltätigere Anwort der DemonstrantInnen provoziert hat, ist Monbiot allzu bereit, die Gewalt "auf allen Seiten" zu verurteilen.

Die Demos und Aktionen am 1. Mai 2001 in Britanien waren schon Wochen vorher von einer Propagandakampagne vorbereitet worden, die Polizei gab den Takt vor für ständige Warnungen vor geplanter Gewalt seitens der DemonstrantInnen. Alles wurde getan, um den politischen Protest zu kriminalisieren und das Publikum auf die Polizeiübergriffe auf die Demonstration vorzubereiten.

Am 1. Mai selbst, noch bevor überhaupt eine Aktion begonnen hatte, fiel Monbiot in den Chor ein, der behauptete, dass " Gewalttätige AktivistInnen den politischen Raum stehlen, den friedliche DemonstrantInnen hart erarbeitet haben. Sie zerstören die Sympathie, die wir aufgebaut haben,ÉWie die Polizei machen sie unseren Protest kaputt.."

Er spricht sich sogar für die Entwaffnung der DemonstrantInnen im Angesicht der Polizei aus. Das drückt am schärfsten die Kluft zwischen den reformistischen Globalisierungsgegnern und der Antikapitalistischen Bewegung aus. Die AnhängerInnen letzterer verstehen, dass der Staat der Bosse die Quelle organisierter Gewalt im Kapitalismus ist.

Die Gewalt, die von DemonstrantInnen ausgeht, ist erstens nie so gross und zweitens nicht vergleichbar. Sie wird meistens vom Staat und seinen Agenten provoziert, um die Opposition zu diskreditieren. Noch öfter ist sie allerdings die berechtigte Anwort auf gezielte und geplante Aggression der Polizei.

Gelegentlich ist diese Gewalt kontraproduktiv und spalterisch, weil diejenigen, die sie ausüben, nicht begreifen, dass der Staat von seiner organisierten Gewattätigkeit nur von der organisierten Gewalt der Arbeiter abgeschreckt werden kann.

Professionelle Schreiber aus den Mittelschichten zeigen nur ihre Illusionen in den Staat, wenn sie über die Gewalt in der Bewegung jammern. Glaubt Monbiot wirklich, dass der Staat - als Gefangener des Grosskapitals - friedlich seine Krallen stutzt?

 

Kevin Danaher

Danaher ist ein antikapitalistischer Aktivist und Autor der Antiglobalisierungsbewegung, der bei allen großen Mobilisierungen dabei gewesen und an der Debatte über alle taktischen und organisatorischen Fragen der Bewegung beteiligt ist.

Kevin Danahers und Roger Burbachs Buch "Globalize this! The Battle against the World Trade Organisation" (Globalisiert das! Die Schlacht gegen die WTO) traf deshalb auch in der Zeit nach Seattle auf ein internationales Publikum. Es ist eine Sammlung von Aufsätzen prominenter AntiglobalisierungsaktivistInnen. Danahers Einleitung zum Buch beginnt mit einer dramatischen Proklamation: "Der 30. November 1999 markiert einen Wendepunkt der Geschichte". Danaher liefert eine ausführliche Beschreibung der Protestes gegen die Welthandelsorganisation im November 1999 in Seattle. Danach folgen Beiträge aus den Debatten innerhalb der Seattle-Bewegung.

So ergibt sich ein ausgezeichnetes Bild eines Teiles der amerikanischen Bewegung, die Seattle hervorgebracht hat. Organisationen wie das Direct Action Network (DAN), eine breite Koalition, die sich auf gewaltfreie direkte Aktion festlegt, planten, die Konferenz durch eine Allianz von UmweltschützerInnen, NGO-UnterstützerInnen, Organisationen von indigenen Völkern, Frauengruppen etc. zu stoppen.

Sie wurden dabei durch den Umstand enorm unterstützt, dass der Dachverband der amerikanischen Gewerkschaften, die AFL-CIO, ebenso für Seattle organisierte, allerdings für eigene Kundgebungen und Demonstrationen. Tausende BasisaktivistInnen aus LKW-Transport, Post, Metallverarbeitung usw. lehnten es ab, ihren FührerInnen zu einer Veranstaltung irgendwo in der Stadt weg von den Konfrontationen zu folgen und nahmen an der Blockade teil.

Innerhalb der Konferenz weigerten sich die Regierungen der Dritten Welt zum ersten Mal, sich Clintons Charmeoffensive oder Drohungen zu beugen, und die Konferenz brach zusammen. Danaher stellt diese Radikalisierung der Gewerkschaften zwar fest, die sich mit ihren Werbe- und Organisierungskampagnen entwickelt hatte und mit ihrer neu entwickelten Taktik, dabei "social movements" oder "wohnviertelgestützte Gewerkschaftsarbeit" zu benützen. Aber das Buch interessiert sich kaum für dieses Bündnis von GewerkschafterInnen und UmweltschützerInnen, die berühmte Teamster-Turtle-Allianz.

Die zentrale Lehre, dass die organisierten ArbeiterInnen, v.a. die BasisaktivistInnen, für die anti-kapitalistische Bewegung gewonnen werden müssen, wird nicht erwähnt. Statt dessen wird das Vorbild der Bezugsgruppen, des Cluster, des Sprecherrates, Beschlüsse mit Konsensentscheidungen und die gewaltfreie direkte Aktion von der Anarcha-Feministin Starhawk angepriesen.

Entscheidungen in den Organisationskomitees wurden durch Konsens getroffen, "Minderheitenmeinungen wurden beachtet und aufgegriffen. Von allen geteilte Grundregeln waren: keine Gewalt, körperlich oder verbal, keine Waffen, keine Drogen, kein Alkohol". Die TeilnehmerInnen waren in sogenannte "Bezugsgruppen" (affinity groups) eingeteilt, die ermächtigt waren, zu entscheiden, wie sie sich an der Blockade beteiligen wollten. Die Bezugsgruppen ihrerseits bestanden aus kleineren "Clustern" zur Ausführung besonderer Aufgaben.

Ihre Koordination erfolgte durch "Treffen des Sprecherrates", wohin die Bezugsgruppen ihre VertreterInnen schickten, "ermächtigt, für sie zu sprechen". In einem der Aufsätze beschreibt Paul Hawken, wie dies während des Tages funktionierte:

"Die Demonstranten teilten die Straßen um das Versammlungszentrum in 13 Sektionen auf und einzelne Gruppen und Cluster waren verantwortlich, diese zu halten. Daneben gab es "fliegende Gruppen", die sich nach Wunsch von Sektion zu Sektion bewegten, um jene Gruppen gegen Angriffe zu unterstützen, die es nötig hatten."

Die Blockade war effektiv, aber die Rache kam schnell. Die Demonstrierenden waren der massiven Gewalt der Polizei ausgesetzt; sie wurden mit Tränengas bekämpft, mit Knüppeln geschlagen, mit Gummikugeln beschossen, mit Pfefferspray besprüht und vom Versammlungszentrum vertrieben. Ein Protestierender beschreibt die Ereignisse nach einem Tränengasangriff:

"Wir setzten uns alle nieder, bückten uns nach vorn und schlossen unsere Arme zu festen Ketten. Zu diesem Zeitpunkt war das Tränengas so stark, dass wir unsere Augen nicht öffnen konnten. Einem nach dem anderen wurde der Kopf nach hinten gezogen und Pfefferspray wurde direkt in jedes Auge gesprüht. Das war sehr professionell. Wie ein Haarspray von einem Stylisten. Sssst. Sssst."

Die Gewaltfrage provozierte an diesem Tag die größte Uneinigkeit in der Allianz von Seattle. Die Medien konzentrierten sich auf die "anarchistische Gewalt", um von der massiven Polizeigewalt gegen die DemonstrantInnen abzulenken oder sie zu rechtfertigen. Die StrategInnen des zivilen Ungehorsams verurteilten den anarchistischen schwarzen Block deswegen.

Glücklicherweise folgten die meisten DemonstrantInnen - zu denen tausende GewerkschafterInnen gehörten, die es gewohnt sind, sich zu verteidigen - weder den PazifistInnen, noch den Scheiben zerschlagenden AnarchistInnen. Brennende Barrikaden behinderten die Polizeieinsätze, und Tränengasdosen wurden so rasch zu den Polizeireihen zurück geschleudert, wie sie abgefeuert wurden.

Für SozialistInnen ist Selbstverteidigung kein Verbrechen und sollte so gut wie möglich im Vorhinein organisiert werden.

Die Schwäche dieses Buches kommt am deutlichsten in seinem letzten Abschnitt über "Wege zur Restrukturierung der globalen Wirtschaft" zum Ausdruck. Es ruft zur Reformierung internationaler Institutionen wie der WTO oder der Weltbank und des internationalen Finanzsystems auf. Schließlich wird für die Tobin Tax (eine Steuer von weniger als einem halben Prozent auf grenzüberschreitende Währungsgeschäfte) als Lösung zur Begrenzung grenzüberschreitender Währungsspekulationen und der internationalen Wirtschaftskrise geworben.

Ein anderer Aufsatz schlägt vor, dass die Krise in der WTO ein Signal für die United Nations' Conference on Trade and Development (UNCTAD) sein sollte, selbstbewusster aufzutreten, und für den "Süden, auf die Schaffung von Institutionen zu drängen, die seinen Interessen wirklich dienen" - ein Vorschlag, der annimmt, dass die ArbeiterInnen und die Bauern und Bäuerinnen des "Südens" die selben Interessen haben wie die Herrschenden und Ausbeuter in diesen Ländern.

Der Abschnitt "Zehn Wege zur Demokratisierung der globalen Wirtschaft" argumentiert, dass Firmen gegenüber dem öffentlichen Bedarf rechenschaftspflichtig sein müssen und schlägt vor, dass "Aktivitäten von Aktieninhabern ein ausgezeichnetes Werkzeug für eine Veränderung des Firmenverhaltens sind". Sind sie aber nicht.

Nationalisierung unter Arbeiterkontrolle, ein Bündnis mit den ländlichen und städtischen Armen und die Schaffung von Räten aus Delegierten zur Anleitung des Massenkampfes, der Kampf für eine Regierung der ArbeiterInnen und armen Bauern und Bäuerinnen, die internationale Ausbreitung der Revolution - DAS ist die Antwort.

N30 in Seattle wird nur dann ein "Wendepunkt der Geschichte" sein, wenn die anti-kapitalistischen ArbeiterInnen und Jugendlichen, die Tränengas, Pfefferspray und Gummigeschossen trotzten, auf ihre radikalen Kampfformen und Organisationsformen aufbauen können.

Dazu müssen sie sich mit einem klaren Verständnis des Wesens des internationalen Kapitalismus und den Waffen zu seiner Zerstörung ausrüsten. Die Waffe dafür ist eine revolutionäre Partei.

Kevin Danaher ist Herausgeber einer Reihe populärer Bücher und Aufsatzsammlungen. Sie beleuchten die Hauptziele der anti-kapitalistischen Bewegung, die zuerst in den Vereinigten Staaten entstand, und ihre taktischen und programmatischen Debatten. Er ist Mitbegründer von Global Exchange. Im Buch "50 Years is Enough: the Case Against the World Bank and the International Monetary Fund" (50 Jahre sind genug: Die Anklage gegen die Weltbank und den IWF, 1994) sowie "Corporations Are Gonna Get Your Mama: Globalisation and the Downsizing of the American Dream" (Die Unternehmen holen deine Mama: Globalisierung und das Zurückstutzen des Amerikanischen Traumes, 1996) erreichten in Nordamerika und dann in der restlichen englischsprachigen Welt eine breite Leserschaft. Kurze Artikel von prominenten AutorInnen und AktivistInnen verdeutlichen die Verbrechen der Firmen und der internationalen Wirtschaftsinstitutionen.

 

Naomi Klein

Naomi Kleins "No Logo" ist eine fesselnde Beschreibung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Textilarbeiterinnen im Fernen Osten, die für Nike, Levi und GAP arbeiten.

Genau jene Firmen, die sich im Westen als die Helden von Individualismus und Freiheit darstellen, zwingen ganze Generationen junger Frauen im Fernen Osten zu schauderhaftem Elend. Dieser Eindruck von Ungerechtigkeit und Unverschämtheit war es, der nordamerikanische StudentInnen ermutigte, in den frühen 1990ern die Anti-Sweatshop-Kampagne zu starten. Ihr unnachgiebiger Aktivismus führte zu einigen greifbaren Reformen, erreichte die Aufmerksamkeit tausender Jugendlicher und verband die anti-kapitalistische Bewegung mit der organisierten Arbeiterklasse. Im weiteren Verlauf entwickelten diese StudentInnen auch eine vernichtende Kritik des Kapitalismus an der Wende zum 21. Jahrhundert.

Trotzdem wurde die Anti-Sweatshop-Kampagne nicht von den StudentInnen begonnen. Die anfängliche Kampagne bezog Menschenrechtsgruppen ein, Gewerkschaften wie die SEIU (Service Employees International Union), Dritte-Welt-NGOs und lokale Organisationen wie die Kirchen.

Sie nahmen die Marken-Giganten der Bekleidungs- und Schuhindustrie wie Nike und GAP ins Visier und brachten die hinter den trendigen Hinweisen und großen Straßengeschäften stehenden Sweatshops der Dritten Welt ans Licht der Öffentlichkeit. Ihre Aktionen waren meistens Demonstrationen und Konsumentenboykotts.

Das gab es nicht nur in den USA, auch in Britannien kritisierten Gruppen wie Oxfam, Christian Aid und die World Development Movement in den 1990ern die Arbeitsbedingungen in Sweatshops, aber ohne Einbeziehung der Gewerkschaften und mit viel weniger Ausstrahlung und Erfolg.

Die Ursache für diesen Unterschied liegt zum Teil in der besonderen Situation in den USA, wo viel mehr eingewanderte ArbeiterInnen aus Lateinamerika und Südostasien die Bedingungen der Sweatshop-Arbeit in das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" bringen. Zum Beispiel machte das Arbeitsministerium 1995 eine Razzia in einem von Stacheldraht umzäunten Lager in El Monte, Kalifornien, wo 72 aus Thailand eingewanderte ArbeiterInnen gefangengehalten und gezwungen wurden, 18 Stunden täglich für $1 pro Stunde zu arbeiten.

Viele spanischsprachige ArbeiterInnen, wie die HausmeisterInnen in Kalifornien, organisieren sich aktiv in den Gewerkschaften. Sie sind sich der Sweatshops in "ihrer Heimat" in El Salvador, Guatemala, Mexiko usw. durchaus bewusst und begierig, die Gewerkschaften zu nutzen, um die Lebensbedingungen für ihre Familien und FreundInnen zu verbessern.

Gleichzeitig sind die US-Gewerkschaften stark daran interessiert, dass ihre eigenen Löhne nicht durch einen direkten Wettbewerb mit diesen sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen gedrückt werden (besonders durch Mexiko, das in der Freihandelszone der NAFTA ist).

In den USA gipfelten diese Kampagnen während der Clinton-Ära in der Bildung der Apparel Industry Partnership (AIP) 1996, zusammengesetzt aus Gewerkschaften, Konsumentengruppen, Menschenrechtsgruppen und den Unternehmen selbst.

Dies war ein Sieg in dem Sinne, als die Industrie nun gezwungen war, die Vorstellung einer Firmenverantwortlichkeit anzuerkennen, der Rechenschaftspflicht der Gesellschaften für die Bedingungen, unter denen ihre Waren hergestellt werden. Zusätzlich war die AIP dazu angelegt, Mechanismen zur Verhütung der schlimmsten Exzesse der Sweatshop-Arbeit zu entwickeln. Was herauskam, war die Fair Labour Association (FLA), die im November 1998 geschaffen wurde, um einen vereinbarten Verhaltenskodex zu überwachen und zu stärken.

Aber dieser Kodex ist sehr schwach. Würde er durchgesetzt, könnte er nur wenig an den Bedingungen der ArbeiterInnen in den Sweatshops verbessern. Er ist freiwillig: Firmen überwachen sich selbst. Schließlich sitzen die Firmengiganten am Tisch und haben ein Veto-Recht. Dafür dürfen sie dann "no sweat"-Etiketten in ihre Kleidung nähen!

Schon bald nachdem die Vereinbarung zustande gekommen, wurde klar, dass die FLA lediglich ein Deckmantel für das übliche Geschäft und ein Geniestreich der PR-Abteilungen der Sweatshop-Giganten war. In der Folge zogen sich die wichtigsten Gewerkschaften und NGO's aus der FLA zurück. UNITE (die Union of Needle, Industrial and Textile Employees) war als Erste für eine Fortsetzung der Kampagne gegen Sweatshops und Verbindung mit der Studentenbewegung.

Bis Herbst 1997 spielten die StudentInnen keine ausgeprägte, organisierende Rolle in der wachsenden Bewegung. Aber in jenem Sommer holten die Gewerkschaften StudentInnen von den Unis, bildeten sie als GewerkschaftsorganisatorInnen aus und schickten sie in die gewerkschaftsfeindlichsten Gebiete, um an den Türen zu klopfen, außerhalb der Fabrikstore zu stehen und bei den Leuten für den Eintritt in die Gewerkschaft zu werben.

Diese AktivistInnen kamen auf das Universitätsgelände zurück und starteten an 20 Fakultäten und Universitäten die Sweat-Free Campus(Universitätsgelände)-Kampagnen. Deshalb waren in den USA die Gewerkschaften die eigentlichen Urheber dieser Studentenbewegung.

In den USA verkaufen die Unis die Rechte zur Herstellung von Kleidern mit ihrem Universitätslogo, womit Umsätze im Wert von 2,5 Milliarden US-$ jährlich gemacht werden. Die StudentInnen verlangten, dass ihre jeweilige Universitätsverwaltung die Verantwortung für die Bedingungen übernimmt, unter denen die Kleidung mit ihrem Logo hergestellt wird.

Sie sollten einen Verhaltenskodex annehmen, zu dessen Einhaltung die Firmen verpflichtet werden, wenn sie eine Erneuerung ihrer Lizenzen wollen.

Die Bewegung begann im Frühling 1998 mit StudentInnen an Dutzenden Universitäten, die Teach-ins, Demos und Sit-ins organisierten. Im Juli 1998 bildeten diese Gruppen die United Students Against Sweatshops (USAS).

USAS hat vier wichtige Forderungen in seinen Kodex aufgenommen: vollständige Offenlegung der Fabrikstandorte, Verstärkung der Rechte der Frauen, unabhängige Überwachung und ein zum Leben ausreichender Lohn. Einige Universitätsgruppen fügten das Recht zur Organisierung von Gewerkschaften hinzu.

Phantasivolle Aktionen zum Aufbau der Kampagne waren unter anderem Parodie-Modeschauen, Knit(Strick)-ins und die Einladung an Sweatshop-ArbeiterInnen, an den Universitäten zu sprechen. Aber es waren die Besetzungen, die tatsächlich Wirkung zeigten.

Solche begannen typischerweise mit einem Marsch von einigen Hundert zum Rektorat, wo die Unterzeichnung des USAS-Kodex verlangt wurde. Wenn dies verweigert wurde, besetzte ein Kern von 20 bis 30 AktivistInnen die Verwaltung oder das Rektorat solange, bis eine Anerkennung und Unterzeichnung erreicht wurde. In der Universität von Arizona endete ein Marsch im Präsidentenbüro, wo die Verpflichtung zum USAS-Kodex verlangt wurde. Nachdem dies verweigert wurde, saßen 35 Studenten acht Tage lang im Verwaltungsgebäude, bis der Präsident endlich aufgab und den Kodex unterzeichnete.

In der Universität von Wisconsin, Madison, gingen vor dem Hintergrund einer Veranstaltung von 250 TeilnehmerInnen 30 AktivistInnen zur Besetzung über. Sie dauerte fünf Tage und wuchs jeden Tag, bis sie zuletzt 300 Beteiligte zählte. Die Gewerkschaften und StudentInnen organisierten außerhalb Veranstaltungen zur Unterstützung. Nach weniger als einer Woche wurden drei von vier Forderungen anerkannt.

Diese erfolgreichen Sit-ins an einigen Universitäten machten USAS zu einer nationalen Bewegung. Nach einem halben Dutzend Sit-ins breitete sie sich auf 150 Universitäten aus. Bis zum Herbst 1999 stimmten 15 Universitäten der vollständigen Offenlegung der Sweatshop-Standorte zu, und 17 waren für einen zum Leben ausreichenden Lohn.

Aber 100 Universitätsverwaltungen unterzeichneten den FLA zum Schutz gegen USAS-Kampagnen, die gegen den Beitritt zur FLA auftraten. Das Arbeitsministerium traf sich im Juli 1999 mit USAS-FührerInnen, um zu versuchen, sie zur Unterstützung der FLA zu bewegen - ohne Erfolg.

Inzwischen hat sich die Bewegung weiterentwickelt und ihre Ziele verallgemeinert, mit Sit-ins und Protesten im Arbeitsministerium. Im Oktober 1999 organisierte USAS einen Aktionstag und forderte, dass alle Universitäten sich aus der FLA zurückziehen. Um ihren Kodex umzusetzen, entwickelte USAS ihre eigene Aufsichtsorganisation - die Workers Rights Comission (WRC) - mit Unterstützung durch Gewerkschaften einschließlich UNITE und Menschenrechtsgruppen aus der Dritten Welt.

An den Unis begann eine Kampagne, um die Verwaltungen zum Ausstieg aus dem FLA und zum Beitritt zum WRC zu zwingen. Die Universität von Pennsylvania war die erste, an der dies - im Februar 2001 - gelang, gefolgt von fünf weiteren im selben Monat.

Die Konzentration auf die schlechte Bezahlung der ArbeiterInnen und auf die Praxis der Sub-Verträge als Weg zur Vermeidung direkter Firmenverantwortung bedeutete, dass die Kämpfe einen Bezug zu den ArbeiterInnen der Universität herstellten - einige Kampagnen fügten Forderungen hinzu, dass allen ArbeiterInnen an der Universität ein zum Leben ausreichender Lohn bezahlt werden muss, einschließlich der durch Sub-Verträge Beschäftigten. Diese Forderungen wurden an der John Hopkins-Universität durchgesetzt.

Das ist wieder ein Schritt weg von einer Einstellung, die in den Menschen der Drittten Welt nur arme Opfer in einer fernenWelt sieht, hin zu einer klaren und internationalistischen Orientierung auf die Arbeiterklasse. Ein weiterer großer Erfolg war die Ausweitung von Anti-Sweatshop-Gruppen auf die örtlichen Highschools.

Der Protest gegen die Welthandelsorganisation in Seattle gab der Bewegung wesentlichen Auftrieb, sowohl dadurch, dass er ihr bisheriges Wirken bekannt machte, als auch dadurch, dass die bereits gewonnenen AktivistInnen radikalisiert wurden. Eines der berühmtesten Fotos von Seattle zeigt eine Gruppe sitzender Jugendlicher, die von einem Robocop mit Pfefferspray besprüht werden - sie kommen aus einer kalifornischen Anti-GAP-Gruppe und sind überwiegend StudentInnen.

Diese Gruppen nahmen in Seattle an den Protesten teil, halfen bei der Organisierung und wurden durch diese Erfahrung noch mehr angespornt; sie brachten diese Energie zurück in die Kampagne mit den Sit-ins und Besetzungen am Universitätsgelände. Am wichtigsten ist aber, dass diese Kampagne und ihre Kampfformen weiter exportiert werden - und zwar durch die weltweite Antiglobalisierungsbewegung.

 

Walden Bello

Walden Bello, leitender Direktor von Focus on the Global South, ist die personifizierte Geißel für IWF, Weltbank und WTO. Er hat ihre Beiträge zur Verschärfung von Armut, Marginalisierung und Ungleichheit nicht nur haarklein dokumentiert, er lehnt außerdem die Idee, dass sie reformiert werden könnten, rundweg ab.

Er spricht sich öffentlich für die Abschaffung von Weltbank und IWF aus, "eine Institution, die aus der Beseitigung der Armut ein Riesengeschäft gemacht hat." Er kämpft gegen das Einbinden von NGO's in den Prozess der Reformierung von IWF, Weltbank und WTO. Er will die Weltwirtschaft entglobalisieren und jegliche wirtschaftliche Regulierung und Herrschaft auf weltweiter Ebene beenden, und schlägt eine Reihe von regionalen Institutionen und Abkommen vor, die eine unterschiedliche nationale und kulturelle Entwicklung ermöglichen würden.

Bello ist ein leidenschaftlicher und scharfer Kritiker der "drei Schwestern" und des Washington-Konsenses (dem Dogma des Neoliberalismus). Er hat die Legitimationskrise nachgezeichnet, in die die Globalisierung geschlittert ist, nachdem sie mit der Gründung der WTO im Jahr 1995 ihren Höhepunkt erreicht hatte. Das war das Jahr des größten Einflusses des Neoliberalismus, des unbestrittenen Gehorsams gegenüber den ungezügelten Gesetzen des freien Handels und der Macht der Konzerne.

Aber dann kam die asiatische Finanzkrise des Jahres 1997, als die 100 Mrd. Dollar, die in den vier Jahren zuvor in diese Region gepumpt worden waren, innerhalb weniger Wochen während des Sommers wieder hinausflossen. Zu seiner Unfähigkeit, die Krise vorherzusehen, kam eine Intervention des IWF, die alles noch verschlimmerte, und zwar durch die Strukturanpassungsprogramme, welche in Südkorea, Thailand und Indonesien einen Liquiditätsengpass verursachten. Die Massen bezahlten teuer, aber damit war auch der Ruf des IWF vollends zerstört.

Bereits in den 1990ern wurde der IWF aufgrund der Ergebnisse seiner Strukturanpassungsprogramme, die er während der 1980er und 1990er über 70 Ländern auferlegt hatte, immer häufiger attackiert.

Bello berichtet: "Nach über 15 Jahren gab es kaum Fälle erfolgreicher Strukturanpassungsprogramme. Was die Strukturanpassung statt dessen, neben einer Erhöhung der absoluten Armut und der Einkommensungleichheit, bewirkt hatte, war die Festschreibung der wirtschaftlichen Stagnation in Afrika und Lateinamerika.

Strukturanpassung und die Politik eines freien Marktes, die vielen Ländern in den frühen 1980ern aufgebürdet worden waren, sind der zentrale Faktor für einen scharfen Anstieg der Ungleichheit auf der Welt. Eine maßgebliche Studie der UCTAD, die 124 Länder abdeckt, zeigt, dass der Einkommensanteil der reichsten 20 % der Weltbevölkerung zwischen 1965 und 1990 von 69 % auf 83 % gestiegen ist."

"Die Strukturanpassung war auch ein zentraler Grund dafür, dass es keinerlei Fortschritt in der Kampagne gegen die Armut gab. Die Anzahl jener Menschen, die weltweit in Armut, das heißt mit weniger als einem Dollar pro Tag leben, stieg von 1,1 Mrd. im Jahr 1985 auf 1,2 Mrd. im Jahr 1998, und soll im Jahr 2000 1,3 Mrd. erreichen."

Die Tätigkeit der WTO in den ersten paar Jahren förderte die Macht der Konzerne massiv, und es dauerte nicht lange, bis die volle Tragweite der Vorgänge Vielen bewusst wurde.

In Bellos Worten: "Mit der Unterzeichnung des Abkommes über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen (TRIMs = trade related investment measures), stellten die Entwicklungsländer fest, dass sie ihr Recht, Handelspolitik als Mittel zur Industrialisierung einzusetzen, verkauft hatten.

Mit der Unterzeichnung des Abkommens über Handelsbezogene Rechte an Geistigem Eigentum (TRIPs = trade related intellectual property rights), stellten diese Länder fest, dass sie transnationalen Hightechkonzernen wie Microsoft und Intel das Recht gegeben hatten, Innovationen in den wissensintensiven Industriezweigen zu monopolisieren.

Mit der Unterzeichnung des Landwirtschaftsabkommens (AOA = agreement on agriculture), mussten die Entwicklungsländer feststellen, dass sie sich verpflichtet hatten, ihre Märkte zu öffnen, während die großen Agrar-Supermächte ihr System der subventionierten Agrarproduktion festigen durften. Sie konnten jetzt ihre Überschüsse auf die Entwicklungsländer abkippen, was zu massivem Preisverfall führte und außerdem die Zerstörung der bäuerlichen Landwirtschaft zur Folge hatte.

Nachdem sie die WTO gegründet hatten, entdeckten die Länder und Regierungen, dass sie ein Rechtssystem errichtet hatten, welches die Priorität des freien Handels vor jedem anderen Gut, vor der Umwelt, der Gleichheit, der Gerechtigkeit und der Gemeinschaft festschreibt.

Nachdem sie der WTO beigetreten waren, realisierten die Entwicklungsländer, dass sie in Wirklichkeit nicht Mitglied einer demokratischen Organisation waren, sondern einer Organisation, wo Entscheidungen nicht in formellen Plenarsitzungen, sondern in Hinterzimmersitzungen getroffen werden, und wo auf Mehrheitsentscheidungen zugunsten eines Konsensprozesses verzichtet wird, der in Wirklichkeit ein Prozess ist, in dem ein paar große Handelsmächte ihren Konsens der Mehrheit der Mitgliedsländer aufzwingen."

All das fokussierte die Wut auf das Ministertreffen in Seattle, im November 1999, das sich als Wendepunkt für die Vereinigung der Anti-Globalisierungsbewegung erwies. 50.000 Demonstranten blockierten es, die europäischen und US-amerikanischen Delegationen konnten sich in wichtigen Fragen nicht einigen und mehr als 100 Entwicklungsländer waren empört über die Statistenrolle, die ihnen in dem ganzen Ablauf zugedacht war. Der brach dann auch zusammen und die WTO als Institution war diskreditiert.

Schlussendlich, im Jahr 2000, kritisierte die Meltzer-Kommission für globale Finanzarchitektur offen die Weltbank. Wie Bello bemerkt: "Die Kommission veröffentlichte die vernichtende Schlussfolgerung, dass die Weltbank, deren Ressourcen überwiegend an die bessergestellten Länder der sich entwickelnden Welt geht, mit ihren Projekten in den ärmsten Ländern eine erstaunliche Misserfolgsquote von 65-70 % aufweist, also irrelevant ist für die Erfüllung ihrer erklärten Mission - der globalen Armutserleichterung. Was sollte nun mit der Bank geschehen?"

Die Kommission forderte, dass der Großteil der Kreditvergabe der Bank auf die regionalen Entwicklungsbanken übergehen sollte. Auf jeden Fall ist es nicht schwer, beim Lesen des Berichtes zu verstehen, dass, wie es eines der Kommissionsmitglieder aufzeigte, er als wesentlichen Punkt IWF und Weltbank abschaffen will.

Bello kommt außerdem der Verdienst zu, erkannt zu haben, dass diese Institutionen, so sehr sie auch in Verruf gebracht worden sind, zu wichtig für das weltweite Großkapital sind, als dass sie einfach verschwinden könnten. Sie gingen zum Gegenangriff über, um ihre Legitimität wieder herzustellen.

Beim WEF-Gipfel in Davos, der Seattle unmittelbar folgte, sagte Klaus Schwab: "Globalisierung lässt die Mehrheit hinter sich zurück. Diese Stimmen sprachen in Seattle. Es ist an der Zeit, die Früchte der Globalisierung und des Freihandels den Vielen zu bringen." Die Davos-Elite entschied, laut Bello, der beste Weg, den Ruf der drei Schwestern zu retten, liege im Dialog, in der Konsultation und in der Bildung von Partnerschaften zwischen transnationalen Konzernen, Regierungen, den Vereinten Nationen und den Organisationen der Zivilgesellschaft.

Der UNO-Generalsekretär Kofi Annan erarbeitete einen globalen Vertrag. Unterzeichnet von 44 multinationalen Firmen, verpflichtet er sie dazu, Menschen-, Arbeits- und Umweltrechte zu respektieren und positive Beispiele für ein solches Verhalten zu liefern. In Wirklichkeit sind unter den Gründungsmitglieder - trotz einer Vertragsbestimmung, dass Wirtschaftseinheiten, die an Menschenrechtsverletzungen Mitschuld haben, die Mitgliedschaft verweigert wird - einige derjenigen Firmen, welche die Menschen-, Arbeits- und Umweltrechte am übelsten missachten: NIKE, Rio Tinto, Shell, Novartis und BP Amoco.

Wie Bello bemerkt: "Der Vertrag wird diesen Konzernen eine vorzügliche Möglichkeit für Öffentlichkeitsarbeit bieten, um ein sauberes Image zu fördern, das mit der Realität nichts zu tun hat, da die Einhaltung des Vertrages von ihnen selbst überwacht wird und es keine Strafen für Vertragsbruch gibt. Die Konzerne werden das UNO-Logo als Siegel ihrer Vertrauenswürdigkeit verwenden können. Auf diese Weise eignen sie sich das Image der Vereinten Nationen als internationalen Bürgerservice nicht nur für kurzfristigen Profit, sondern auch für das langfristige Geschäftsziel eines positiven Markenimages an."

Die erste Taktik, die gegen die NGO's verwendet wurde, bestand darin, sie gegeneinander auszuspielen, indem zwischen "vernünftigen" NGOs, die am Dialog interessiert seien, und "unvernünftigen", nicht dialogbereiten, unterschieden wurde. Ersteren wurde eine Arbeitspartnerschaft für Reformprojekte angeboten.

Bello sagt, das Vorbild für diesen Trick war der NGO-Ausschuss der Weltbank und andere gemeinsame Körperschaften von Weltbank und NGOs - Mitte der 1990er gegründet von Weltbankdirektor Wolfensohn und seinen Gefolgsleuten. Während jene NGOs, die diesen Körperschaften beigetreten waren, dies in der besten Absicht getan haben mögen, wusste Wolfensohn, dass ihre Mitgliedschaft selbst bereits half, die Bank zu legitimieren, und dass mit der Zeit diese NGOs ein Interesse entwickeln würden, die formelle Beziehung mit der Bank aufrecht zu erhalten.

Wolfensohn konnte nicht nur in Washington DC die NGO-Gemeinschaft entzweien, sondern sich auch die Energien einer Reihe von NGOs, ohne dass sie es bemerkten, zunutze machen, um das Bild einer Weltbank zu vermitteln, der es Ernst war, sich zu reformieren und sich in ihrem Ansatz zur Vernichtung der Armut umzuorientieren.

Bis 2001 wurden die NGOs mit Anfragen überschüttet, einem NGO-Beratungskommitee dieses Konzerns oder einer NGO-Konsultationsgruppe jener Firma beizutreten. Im Februar 2001 hielt sogar der IWF seine erste NGO-Konsultation in Singapur ab.

Bello verurteilt die NGOs dafür, dass sie in diese Falle gegangen sind, und ruft statt dessen zur Abschaffung all dieser Partnerschaften auf : " ... worauf die Entwicklungsländer und die internationale Zivilgesellschaft abzielen sollten, ist nicht, die von den transnationalen Konzernen geleiteten Institutionen von Bretton Woods oder die WTO zu reformieren, sondern, mit einer Kombination aus passiven und aktiven Maßnahmen, sie entweder a) aufzulösen, b) zu neutralisieren (z.B. indem der IWF zu einer bloßen wissenschaftlichen Institution umgewandelt wird, welche die Wechselkurse globaler Kapitalflüsse verfolgt) oder c) ihre Macht radikal zu reduzieren und sie zu Akteuren unter anderen Akteuren zu machen, die zusammen mit anderen internationalen Organisationen, Übereinkommen und regionalen Gruppierungen existieren und sich gegenseitig überwachen. Diese Strategie würde eine Stärkung anderer Akteure und Institutionen, wie der UNCTAD, multinationaler Umweltübereinkommen, der internationalen Arbeitsorganisation und sich entwickelnder ökonomischer Blocks wie Mercosur in Lateinamerika, SAARC in Südasien, SADCC in Südafrika und einer wieder belebten ASEAN in Südostasien mit einschließen. Ein Schlüsselaspekt ihrer Stärkung ist natürlich sicherzustellen, dass sich diese Formationen in eine auf Menschen orientierte Richtung entwickeln und aufhören, regionale Eliteprojekte zu bleiben."

Bello weist den Gedanken, ein zentralisiertes globales Regel- und Institutionssystem durch ein anderes zu ersetzen, zurück. Er nennt dies eine techno-optimistische Variante des Marxismus, welche die sozialdemokratische und die leninistische Sichtweise der Welt wieder einführe und produziere, was der indische Autor Arundathi Rog die "Vorliebe für Gigantismus" nennt. Aber bei seiner Zurückweisung des Marxismus zögert Bello nicht, die republikanische Rechte in den USA als Verbündete zu akzeptieren.

Er räumt ein, dass " ... die Motivation der neuen Republikaner für ihre Kritik an IWF und Weltbank in ihrem Glauben an die Lösungen des freien Marktes für Entwicklung und Wachstum liegt. Diese mag zwar nicht mit jener der Fortschrittlichen übereinstimmen, die IWF und die Weltbank als Werkzeuge der US-Hegemonie sehen. Aber diese beiden Seiten können sich in diesem Punkt auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen: die radikale Verkleinerung, wenn nicht gar Demontage, der Zwillinge von Bretton Woods.

Wenn viele Republikaner und Demokraten im Kongress ähnliche Überlegungen anstellen, könnten die internationale Zivilgesellschaft und Gewerkschaften ihr Gewicht hinzufügen, um so eine kritische Masse zu bilden, die die Zukunft dieser Institutionen bestimmen könnte."

Bello hat in beiderlei Hinsicht Unrecht. Für ihn ist die Abschaffung der internationalen ökonomischen Körperschaften, die unter der Herrschaft des US-Imperialismus stehen, ein Weg, es den halb-kolonialen Regimes zu ermöglichen, größere Autonomie auszuüben und UN-Körperschaften, wie UNCTAD, zur Förderung ihrer Entwicklung zu nutzen.

Aber damit würde noch immer eine Handvoll mächtiger imperialistischer Staaten mit einem Monopol auf die Quellen des Kapitals und der technologischen Entwicklung übrigbleiben. Während bei Bello oft seine Kritik an dem feigen Wesen der "Dritte-Welt-Eliten" implizit deutlich wird, ist er bei seiner Strategie der Entglobalisierung trotzdem bereit dazu, die politische Macht in ihren Händen zu belassen, selbst wenn ihnen vom Volk genauer auf die Finger gesehen werden sollte.

Überdies hat er keine weitergehenden Vorschläge, als dem Handel und den Investitionsflüssen eine neue Richtung zu geben. Er heißt die Enteignung der großen Firmen und Banken nicht gut, nicht einmal die Verstaatlichung ausländischer multinationaler Konzerne.

Selbst im besten Fall könnte das nur ein Rezept für eine importsubstituierende Industrialisierung im Stil der 1950er und 1960er sein. Diese in Misskredit gekommene Strategie war selbst in großen Ländern, die genug einheimische private Investitionen mobilisieren konnten, indem der Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung drastisch reduziert wurde, nur ansatzweise erfolgreich. Doch sogar damals waren diese Projekte oft korrupt und ineffizient.

Im schlimmsten Fall würde solch ein Entglobalisierungsprojekt zu einer weiteren Verarmung führen, da kleine Länder gezwungen wären, sich auf die begrenzten und unzureichenden Ressourcen ihres Landes zu beschränken.

Anstelle von Entglobalisierung ist es notwendig, eine weltweite Wirtschaftsstrategie zu entwickeln, die danach strebt, einen hohen Grad globaler Integration zu bewahren, besonders mit den am höchsten entwickelten Nationen. Der Schlüssel liegt nicht im Lockern der Fesseln, welche die Dritte Welt und die imperialistischen Zentren verbinden, sondern im Aufbau einer internationalen Bewegung, die den Besitz und die Kontrolle über Industrie, Handel und die Finanzen, der Ausbeuterklasse entreißt - in den G8 und weltweit.

Dann könnte eine weltweite demokratische Planung die Halbkolonien aus ihrer Verarmung befreien. Wie zentralisiert oder dezentralisiert solche internationalen Planungsmechanismen sein müssen, ist eine offene Frage und hängt weitgehend von der Natur der menschlichen und materiellen Ressourcen ab, um die es geht.

Manche Entscheidungen, z.B. Energieproduktion und -transport, deren Auswirkungen auf die Umwelt immer einen internationalen Aspekt haben, werden am besten auf nationaler und internationaler Ebene getroffen. Anderes wie die Zuteilung von Ressourcen zur Erholung, der Kultur oder des Wohnens werden eindeutig am Besten auf lokaler Ebene getroffen.

Der Marxismus favorisiert nicht den 'Gigantismus' als Prinzip; das war eine schreckliche Verzerrung und Entstellung des Marxismus durch den Stalinismus, dessen fanatische Zentralisierung und Größenwahn nicht aus überlegtem wirtschaftlichen Handeln stammten, sondern aus dem Bedürfnis einer allmächtigen und repressiven Bürokratie, die Kontrolle über alle Aspekte des wirtschaftlichen und sozialen Lebens zu bewahren.

Bello über Entglobalisierung

• Es geht nicht darum, sich aus der internationalen Wirtschaft zurückzuziehen. Wir sprechen von der Reorientierung unsere Ökonomie weg vom Schwerpunkt der Produktion für den Export hin zu einer Produktion für den lokalen Markt.

• Es geht darum, den Grossteil unserer finanziellen Ressourcen für Entwicklung von innen zu bekommen, anstatt von ausländischen Investitionen und Finanzmärkten abhängig zu werden.

• Es geht darum, die lange hinausgezögerten Maßnahmen der Einkommens- und Landumverteilung durchzuführen, um einen lebendigen internen Markt zu schaffen, der die Basis der Wirtschaft wäre.

• Es geht darum, die Bedeutung des Wachstums zu verringern und die der Gleichheit zu erhöhen, um das gestörte Gleichgewicht der Umwelt radikal zu verbessern.

• Es geht darum, strategische wirtschaftliche Entscheidungen nicht dem Markt zu überlassen, sondern sie zum Gegenstand demokratischer Entscheidungen zu machen.

• Es geht darum, den privaten Sektor und den Staat einer kontinuierlichen Überwachung durch die Zivilgesellschaft zu unterstellen.

• Es geht darum, neue Sphären von Produktion und Austausch zu schaffen, die lokale Kooperativen, private und staatliche Firmen ein, transnationale Konzerne aber ausschließt.

• Es geht darum, das Prinzip der Subsidiarität im wirtschaftlichen Leben fest zu schreiben, indem die Produktion von Gütern auf lokaler und nationaler Ebene gefördert wird, wenn sie zu vernünftigen Kosten geschehen kann, um die Basisgemeinschaften zu bewahren.

• Es geht ferner um eine Strategie, welche die Logik des Marktes, die Jagd nach Kosteneffizienz den Werten Sicherheit, Gerechtigkeit und gesellschaftliche Solidarität bewusst unterordnet.

Letztlich ist Bello nicht antikapitalistischer als Susan George. Es ist wahr, er bekennt sich ausdrücklicher zu einem Programm der Umverteilung als George. Ein Teil der "Entglobalisierung" ist es, "lange hinausgezögerte Maßnahmen zur Einkommens- und Landumverteilung durchzuführen, um einen lebendigen internen Markt zu schaffen, der die Basis der Wirtschaft sein würde, ...es geht darum strategische wirtschaftliche Beschlüsse nicht dem Markt zu überlassen, sondern sie einer demokratischen Entscheidung zu unterwerfen."

Aber das ist nicht überzeugend. Bello schafft es nicht, irgendwelche Erklärungen darüber abzugeben, welche Kräfte, mit welchen Methoden, solch eine Umverteilung durchführen könnten. Er gibt nicht zu, dass es gewaltsamen Widerstand der Bourgeoisie der Dritten Welt dagegen geben wird, da sie großteils (anders als in den 1950ern) ihr persönliches und politisches Schicksal mit dem von Neoliberalismus und Globalisierung verbunden hat.

Weil er keine Vorstellung davon hat, wie die Herrschaft des Kapitals sich auf der ganzen Welt verändert hat - vor allem in den imperialistischen Kernländern - und er die Entkoppelung und Reorientierung der Halbkolonien vorzieht, kann er so unbeschwert Allianzen mit einem zutiefst reaktionären Flügel der amerikanischen Wirtschaft und seinen politischen Repräsentanten wie den Republikanern unterstützen.

Jede Strategie zur internationalen Revolution und der internationalen Planung muss die Enteignung des Besitzes und die Kontrolle des Großkapitals und der Finanzen in den USA beinhalten. Diese Aufgabe verlangt andererseits, dass die ArbeiterInnenklasse ihre totale Unabhängigkeit von allen Flügeln der US-Bourgeoisie verwirklicht. Sie muss aufhören, die Macht der Massen zur Unterstützung der politischen Ziele jenes Flügels des US-Großkapitals, der frei von internationalen Verpflichtungen sein will, bereitzustellen, während sie die US-Wirtschaft unbehelligt lässt.

Bellos scharfe Kritik am immensen Schaden, den IWF, Weltbank und WTO angerichtet haben, und seine Vorschläge zu ihrer Abschaffung bringen es ziemlich genau auf den Punkt. Aber seine kleinbürgerlichen Alternativen trennen die Arbeiterklasse zwischen Nord und Süd und lassen die wahre Macht und den Besitz in diesen beiden Teilen der Welt in Händen des Großkapitals und seiner Politiker.

 

Pierre Bourdieu

Der 70 Jahre alte Soziologe Pierre Bourdieu ist an einem Verlagshaus und in einer Vereinigung - raisons d'agir (Gründe zu Handeln) - beteiligt, die eine Reihe von weit verbreiteten Büchern und Pamphleten publiziert haben, die verschiedene Aspekte der Globalisierung speziell im kulturellen Bereich attackieren.

Bourdieu solidarisierte sich öffentlich mit den Arbeiter- und Jugendaufständen von 1995 gegen die Regierung von Alain Juppé. Er war ein unverblümter Kritiker des NATO-Einsatzes am Balkan. Er hat den "Verrat" der französischen intellektuellen Elite verurteilt, die versagt hat, vor dem Neoliberalismus zu warnen oder gegen ihn zu mobilisieren. Obwohl lange ein Unterstützer der französischen Sozialistischen Partei, wandte er sich scharf gegen Premier Lionel Jospin, die KPF und die intellektuellen UnterstützerInnen der gauche plurielle-Regierung. Er beschuldigt sie, vor dem US-Neoliberalismus zu kapitulieren. Er ist außerdem ein Fürsprecher der Entwicklung und der Annäherung der "neuen sozialen Bewegungen" in Frankreich.

Er hat sich selbst nie als Marxisten bezeichnet. In den 1960ern und 1970ern lehnte er sowohl Sartres marxistischen Existenzialismus, wegen dessen Pseudohumanismus und Subjektivität, als auch Althussers marxistischen Strukturalismus, wegen dessen Pseudo-Objektivismus, ab. Bourdieu gibt jedoch zu, dass er von Marx und Weber beeinflusst worden ist - tatsächlich mehr von Weber als von Marx.

Er entwickelte den Begriff der, wie er es nennt, "Logik der Praxis" - wie menschliche Wesen ein Bewusstsein entwickeln, das von sozialen Strukturen geschaffen wird - und wie dieses wiederum ihre "Strategien" für soziale Handlungen bestimmt. Bourdieu war besonders daran interessiert, wie die ideologische Erhaltung des Status quo ziemlich buchstäblich durch die Menschen "verkörpert" wird (Kleidung, Verhaltensweisen, Sprache, Werte). Er beobachtet, dass sie eine Neigung entwickeln, sich nur auf bestimmte Art und Weise zu verhalten, so dass bestimmte Ziele realisierbar erscheinen und andere nicht.

Es ist kaum verwunderlich, dass er in den 1960ern und 1970ern kein aktiver Radikaler war - ganz zu Schweigen von einem revolutionären Marxisten, aber er war ein Kritiker der bürgerlichen intellektuellen und akademischen Gesellschaft und ihrer Ansprüche. In den 1970ern und 1980ern entwickelte er eine Analyse darüber, wie diejenigen, welche die ökonomische und politische Macht (das Kapital) kontrollieren, diese Kontrolle so in soziale Macht (was er soziales Kapital nennt) und Herrschaft umwandeln, dass die Beherrschten es akzeptieren.

Kulturelles Kapital wird in Form akademischer Qualifikationen angesammelt. So werden die wirklichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ungleichheiten an Reichtum und Macht in "symbolische" Ungleichheiten umgewandelt, wodurch Individuen oder Klassen eine vermutete Über/Unterlegenheit des Geschmacks, der Fähigkeiten und der Intelligenz aufweisen.

Diese werden in einem ständigen sozialen Kampf wegen unterschiedlicher materieller Interessen der AkteurInnen hergestellt, abgelegt und erneut hergestellt, aber die Verhaltensweise wird kontinuierlich wieder reproduziert. Das ist sicherlich eine auffallend pessimistische Perspektive mit wenig Platz für Selbstbefreiung.

Bourdieu wies das marxistische Konzept der Ideologie und des "falschen Bewusstseins" als das Rationale überbetonend explizit zurück. Er sah das Bewusstsein menschlicher Wesen vom "gesunden Menschenverstand"(was er "doxa" nennt) dominiert.

Dabei ignorierte er Marx frühe Untersuchung der "Entfremdung" und sein späteres Konzept des Warenfetischismus als Basis des bürgerlichen Bewusstseins der ArbeiterInnen. Den Marxismus als kartesianischen Rationalismus zu verurteilen, wie Bourdieu es tut, ignoriert das ganze Konzept revolutionärer Praxis in Marx Denken, beginnend mit den "Thesen über Feuerbach". Menschliche Wesen lernen und verändern ihre Vorstellungen durch praktische Erfahrungen.

Bourdieus Theorie mag (auf einseitige Weise) das Fortbestehen konservativer Ideen, die Stabilisierung einer ausbeuterischen Gesellschaft durch die Selbsteinkerkerung der Ausgebeuteten erklären. Weder glauben wirkliche MarxistInnen, dass dieses falsche Bewusstsein keine materiellen Wurzeln hat, noch würden sie bestreiten, dass "die Ideen aller vergangenen Generationen wie ein Albtraum auf den Gehirnen der Lebenden lasten". Revolutionäre MarxistInnen glauben, dass es nur durch die Vereinigung von Theorie und Praxis möglich ist, den Würgegriff jener Ideologie zu brechen, welche die kapitalistische Gesellschaft konstant aufwertet und bestärkt.

Bourdieu war schon immer ein Reformist und setzte ganz deutlich enorme Hoffnungen in die Präsidentschaft Mitterands in den frühen 1980ern, wurde aber von deren Konservatismus und Korruption extrem desillusioniert. Als Folge davon wurden seine Gedanken und Aktionen während der 1990er radikaler. In "The Weight of the World" sammelte und analysierte er zahlreiche Interviews mit Menschen, die unter den Auswirkungen der neoliberalen Politik leiden und verurteilte den "Verzicht des Staates", diese anzugreifen.

Da er erst spät in seinem Leben politisch aktiv geworden ist, wird vielleicht auch sein Denken radikaler werden. Allerdings ist in all seinem Denken offensichtlich, dass er es nur für notwendig hält, zum guten alten französischen Etatismus zurückzukehren. Wenn der (wessen?) Staat nur stark genug wäre, dann wären große gesellschaftliche Reformen wieder "möglich".

Wieder bedeutet das Versagen, die Dinge aus einer Klassenanalyse heraus zu betrachten, dass er nicht versteht, warum der bürgerliche französische Staat sich den Bedürfnissen seiner herrschenden Klasse in der Ära der Globalisierung angepasst hat - trotz seiner klar formulierten Abneigung gegen den angelsächsischen Neoliberalismus.

In diesem Sinne passt Bourdieu in das Modell jener, die - wie Susan George oder George Monbiot - angeekelt vom Verrat der alten reformistischen Parteien sind, sich daran machen, eine "neue" Version zu schaffen, wie die alte basierend auf staatliche Eingriffen "von oben".

 

Elmar Altvater

Vor fünf Jahren veröffentlichte Altvater sein Buch über die Globalisierung "Die Grenzen der Globalisierung" zusammen mit Birgit Mahnkopf - ein 700 Seiten starkes Kompendium.

Seine Hauptthese ist, dass, während der Drang des Kapitals, seine eigenen Grenzen zu überwinden, niemals vollendet wird, der globale Kapitalismus eine bedeutende Grenze überschritten hat.

Er hat einen globalen Markt erschaffen, der die vielen Kapitalisten zunehmend dazu zwang, im Weltmaßstab direkt gegeneinander anzutreten. Der Weltmarkt wurde wirklich ein Markt. Für Altvater war der Wettbewerb zwischen - sagen wir - amerikanischen und europäischen Autos (produziert auf dem jeweiligen Kontinent) sehr beschränkt, solange die Transportkosten relativ hoch blieben und andere schützende Barrieren die jeweiligen Märkte dicht machten.

Das hat sich mit der enormen Verringerung von Transaktionskosten, also von Transport und Kommunikation, verändert - eine Entwicklung, die direkte Vergleiche zwischen den Produktionskosten in verschiedenen Ländern zugelassen hat und es außerdem erlaubt, diese zu verwenden, um Produkte zum weltweit billigsten Preis ein- bzw. zu verkaufen, ein Prozess, der als "global sourcing" bekannt ist.

Die Verzerrungen der Wirkung des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt haben abgenommen. Ein Weltmarktpreis wird zur Realität. Angesichts dieser Tatsache wird die Wirtschaft auf Basis direkter Kostenvergleiche entscheiden, wo sie produziert. In diesem Sinn ist die Globalisierung kein Mythos, sondern eine Realität.

Ebenso entwickelt sich ein Weltmarkt für Finanzen, ein direkter Vergleich zwischen internationalen Möglichkeiten zur Spekulation. Schlussendlich gibt es eine Angleichung der Profitrate im Weltmaßstab.

Das bedeutet nicht, dass sich die Investitionen ausgleichen, tatsächlich - wie Altvater betont - werden sie sich mehr auf bereits bestehende produktive Zentren konzentrieren. Aber die Nationalstaaten selbst werden zu "Konkurrenten" in Bezug auf die Bereitstellung des "attraktivsten" (d.h. billigsten) Standorts für Kapitalzuflüsse.

Das ist der Grund, warum der Sozialstaat unter enormen Druck gerät, warum die Sozialsysteme zerfetzt werden. Der Wettbewerb zwischen verschiedenen großen Kapitalen nimmt enorm zu, da sie nun direkt auf dem Weltmarkt konkurrieren.

Der veränderte Weltmarkt und eine internationale Angleichung der Profitrate sind die Basis für die Entwicklung von "Subjekten" der Globalisierung. Es sind dies die multinationalen Großkonzerne, welche die Arbeitsweise des Weltmarktes wirklich bestimmen - die großen multinationalen Firmen und Banken. Dieser Teil des Kapitals ist, laut Altvater, wirklich international.

Wenn sie auch noch in einem Nationalstaat ihren Sitz haben mögen, so ist das doch eine eher zweitrangige Überlegung. Es ist dieser Teil des Kapitals, der die Weltwirtschaft dominiert, der die Sozial- und Arbeitsstandards bestimmt. Institutionen wie IWF, Weltbank und WTO dienen diesem Teil mehr oder weniger direkt.

All das heißt auch, dass der Staat seine Funktion verändern muss. Als Folge der Globalisierung muss der Sozialstaat sich zu einem "Dienstleister" verwandeln, der die besten Bedingungen für die globalen multinationalen Konzerne bereit stellt.

Altvater sieht die Globalisierung als eine fürchterliche Bedrohung für die Gesellschaft und die Natur, kann sie aber nicht einfach zurückweisen, da dies bedeuten würde, gegen den Lauf der Geschichte selbst Einwände zu erheben. Er spricht sich für eine Form des globalen Reformismus oder der Regulierung der Globalisierung aus.

Für Altvater stellt die Globalisierung eine mehrfache Bedrohung dar:

• für die menschliche Gemeinschaft, durch die Zerstörung des Sozialstaates, durch die Verschärfung der Ungleichheit, usw.

• für die Umwelt, durch die ununterbrochene Jagd nach Profit

• für demokratische und bürgerliche Rechte. Globalisierung zerstört nicht nur den Wohlfahrtsstaat, sondern auch die bürgerliche Demokratie.

Also ruft er auf, Formen der internationalen Regulierung und Demokratie zu schaffen, und strebt danach, die internationalen politischen und wirtschaftlichen Institutionen zu demokratisieren - seien es die UNO, der IWF oder die Weltbank. Er verbindet dies mit den beliebten Aufrufen für eine Form internationaler "Zivilgesellschaft".

Wie wir im Kapitel über die Umwelt lesen können, endet Altvater immer in einem Widerspruch zwischen Analyse und Lösung. In diesem Kapitel weist er richtigerweise auf den zerstörerischen Charakter der kapitalistischen Produktionsweise, den widersprüchlichen Charakter des Fortschrittes in ihr und die Tatsache hin, dass dieser Fortschritt immer von der Zerstörung der Quellen des gesellschaftlichen Wohlstandes - Mensch und Natur - begleitet wird.

Aber was ist Altvaters Antwort auf all diese Probleme? Der Kampf zum Sturz des Kapitalismus und zu seiner Ersetzung durch eine neue, auf rationaler Planung entsprechend den Bedürfnissen der Menschen basierende Gesellschaft?

Nein. Da es keine kommunistische Massenbewegung gebe, bestehe die Antwort nicht darin, in der wachsenden antikapitalistischen Bewegung und der Arbeiterklasse für eine revolutionäre Politik zu kämpfen. Die Aufgabe liegt anscheinend darin, ein trockenes reformistisches Programm zu entwerfen, an das er selbst nicht glaubt. Woraus besteht es? Aus der Tobinsteuer, einer massiven Besteuerung des Energieverbrauches und einer drastischen Verringerung der Wochenarbeitszeit.

Die Tobinsteuer soll "den Prozess der Globalisierung verlangsamen" und dadurch den globalen Wettbewerb und seine Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften verringern. Die Besteuerung des Energieverbrauchs (eine Art "ehrliche" Ökosteuer) zielt in die gleiche Richtung. Außerdem würde sie die Transportkosten erhöhen, wodurch der globale Wettbewerb, aber auch die Zerstörung der Umwelt (weniger Verkehr bedeutet weniger Verschmutzung) geringer würden. Schlussendlich würden eine Verringerung der Arbeitszeit und ein garantierter Mindestlohn für alle soziale Sicherheit und Integration garantieren, und zwar durch die Schaffung zusätzlicher Jobs und die Sicherung eines zum Leben ausreichenden Einkommens für Arbeitslose.

An dieser Stelle wird die ganze Utopie zu einer reformistischen Farce. Wie Altvater bemerkt, ist dieses Programm sehr schwer auf Basis des globalen Kapitalismus zu verwirklichen. Tatsächlich ist es sowohl utopisch als auch reaktionär. Es ist ein Versuch, den globalen Kapitalismus zu zähmen, indem die bestehende Entwicklung (ein bisschen) zurück genommen wird, anstatt dafür zu kämpfen, den Kapitalismus zu stürzen.

 

John Zerzan

Jene AnarchistInnen des Schwarzen Blocks, die während der Gipfelproteste Geschäfte zertrümmern, werden von der Presse gerne als "hirnlos" bezeichnet. In Wahrheit sind sie alles andere als das. Viele von ihnen glauben, dass die Zerstörung von Eigentum, welches sie als die wichtigste entfremdende Bedingung für Menschen sehen, das Hauptziel politischen Protests ist. Einige dieser AnarchistInnen haben ihren Stützpunkt in Eugene, Oregon, USA. Viele nahmen an den Protesten in Seattle und Quebec teil. John Zerzan ist der am weitesten publizierte und einflussreichste Schreiber der AnarchistInnen aus Eugene.

Zerzan glaubt, dass die Menschheit Befreiung nur erreichen und der Planet als Ganzes sein Gleichgewicht nur herstellen kann, wenn wir zur frühesten Stufe der menschlichen Entwicklung zurückkehren, dem primitiven Kommunismus. Auch wenn dies einen marxistischen Einfluss zu zeigen scheint, handelt es sich dabei eigentlich um bis zur Absurdität reduzierten, liberalen Individualismus.

In "Future Primitive" (in: Anarchy: a journal of desire armed, Nr. 33, Sommer 1992) behauptet Zerzan, dass die landwirtschaftliche Revolution in der Steinzeit eine natürlichere Gesellschaft, basierend auf Gleichheit, individueller Freiheit und Gesundheit, Wohlbefinden, Muße und Überfluss, alles erreicht durch minimalen Arbeitsaufwand, zerstört habe. Er glaubt, dass es die Entwicklung der Arbeitsteilung innerhalb der Gesellschaft, zwischen Jägern und Sammlern, war, die zuerst Entfremdung erzeugt hat, und dass deswegen jede solche Arbeitsteilung abgeschafft werden sollte.

Zerzan macht jegliche "komplexe" Technologie herunter (vermutlich meint er alles, was über einen Grabstock und eine Keule hinausgeht) und erklärt sich mit dem Una-Bomber solidarisch, der drei Menschen in seinem Ein-Mann-Krieg gegen die Technologie tötete. Er nimmt, ohne mit der Wimper zu zucken, die Tatsache hin, dass die Konsequenz seiner eigenen Theorie eine katastrofale Verringerung der Produktion und somit der Bevölkerung wäre.

Sein Fehler liegt in seiner einseitigen Sichtweise von historischer Entwicklung. Die Arbeitsteilung zerstörte tatsächlich die früheste menschliche Gesellschaft, sie negierte das universelle Potenzial jedes Individuums, indem sie jedeN dazu zwang, entweder Schafe zu hüten oder Wild zu jagen oder irgend etwas aus der unendlichen Anzahl der Spezialisierungen zu tun, die sich seit damals entwickelt haben. Wie auch immer, die menschliche Gesellschaft davor war kein Paradies. Menschliche Entwicklung konnte damals nie mehr als ein Potenzial sein, sie konnte nie realisiert werden, da das Überleben selbst alle Energien der Menschheit beanspruchte.

Zerzans Glaube impliziert, dass in der primitiven Gesellschaft jedes Individuum eine "vollständige Person" sein konnte, verschont von jeglicher Entfremdung, möglicherweise ein natürlicher Adel ohne jede Form der Verwilderung. Das hat mehr Anklänge an die amerikanische Utopie des selbstgenügsamen Siedlers als an ein ausgewogenes Verständnis von historischer Entwicklung.

Entsprach die vorlandwirtschaftliche menschliche Gesellschaft wirklich diesem idyllischen Bild von individueller Freiheit mit vollständigen Persönlichkeiten und intellektuellen Fähigkeiten? Nein, es war ein Leben, in dem eine Tyrannin mit launischer und grausamer Hand geherrscht hat. Diese Tyrannin hieß Natur, und sie nahm die Form von Überflutungen, Hunger, bitterer Kälte und kochender Hitze an. Wenn es wenig zu arbeiten gab, dann deswegen, weil es eigentlich sehr wenig gab, was frühe menschliche Gesellschaften tun konnten, um sich vor der Natur zu schützen.

Es war erzwungener Müßiggang, nicht frei gewählter. Wenn es keine gesellschaftlichen Regeln und Sitten gab, die das Individuum banden, dann deshalb, weil die Natur ihre eigenen Regeln so vollständig durchsetzte, dass menschliche Aktivitäten in einem so engen Rahmen stattfanden, dass die Möglichkeit einer zweiten (menschlichen) Herrschaft ausgeschlossen war.

Warum machten egalitäre Gesellschaften autoritären Platz? Weil diese eine sicherere Zukunft, und mit der Zeit einen höheren Lebensstandard für die große Mehrheit der Gesellschaft bereitstellten. Die Zentralisierung der Ressourcen der Gesellschaft ermöglichte es den PriesterInnen, SchamanInnen, Häuptlingen und KönigInnen, die Produktion zu organisieren, und sich gegen Hunger, Krankheit und benachbarte Völker zu verteidigen. Das fortdauernde Aufblühen neuer, komplexerer und produktiverer Techniken wird von Zerzan verunglimpft, aber er kann diese Tatsache nicht leugnen.

Der Preis für diesen Fortschritt war enorm - Privatisierung gemeinschaftlichen Eigentums, Intensivierung der Arbeit, Ausbeutung, Krieg, Unterdrückung von Frauen und soziale Konflikte, um nur einige der wichtigsten Nebenprodukte zu nennen. Das ist der Grund, warum überall die erste Revolution von Gewalt und Blutvergießen begleitet wurde.

Nicht überraschend - und mit voller Rechtfertigung - reagieren viele Jugendliche in den imperialistischen Nationen mit Wut, wenn Politiker und Unternehmer sich überschwenglich über technologischen Fortschritt auslassen und darüber, wie dieser die gesamte Menschheit befreien kann. In Wirklichkeit endete das 20. Jahrhundert - das technologisch explosivste in der Geschichte der Menschheit - damit, dass mehr Kinder an einfachen Krankheiten sterben als je zuvor, immer mehr und mehr blutige Kriege statt finden, ein immer größerer Anteil der Menschheit in bitterer Armut lebt, und der Unterschied zwischen Arm und Reich größer als jemals in der Geschichte der Menschheit ist.

Aber zu behaupten, dass ein bestimmtes Werkzeug oder ein Bereich der Technologie aus seiner inneren Logik heraus - und zwar unabhängig davon, wer sie kontrolliert und zu welchem Zweck sie eingesetzt werden - schlecht ist, bedeutet, einem Gegenstand menschliche Qualitäten zuzuschreiben. Es bedeutet auch zu negieren, dass die Industrialisierung und die wissenschaftlichen Durchbrüche im 19. Jahrhundert, etwa in der Medizin, tatsächlich zu einer Verbesserung des Lebensstandards geführt haben.

Das Problem der kapitalistischen Produktion heutzutage ist nicht die Technologie als solche, sondern ihre Kontrolle durch eine Klasse, die dazu gezwungen ist, die Profite zu maximieren, selbst auf Kosten der großen Mehrheit der Menschheit und des Überlebens des Planeten als solchem.

Das bedeutet, dass die gesellschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus heute nicht mehr zulassen, dass technologische Durchbrüche der Mehrheit nutzen, ganz zu schweigen der gesamten Gesellschaft: Die Zeit ist reif für die Revolution.

 

Globalisierung, Antikapitalismus und Krieg