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Von der Antiglobalisierung zum Antikapitalismus

Eine Bewegung, viele Möglichkeiten

Die Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Die Bandbreite und Vielschichtigkeit der neuen Antiglobalisierungsbewegung ist bemerkenswert. Auf dem reformistischen rechten Flügel befinden sich Verbindungen zu NGOs, wie "Fifty years is enough" oder "Drop the Dept", welche die Schuldenlast und die strukturellen Anpassungsprogramme bekämpfen.

Heute gibt es international ungefähr 30.000 NGOs. Der Begriff Nichtregierungsorganisation stammt ursprünglich von den Vereinten Nationen. Die UNO selbst hat etwa 1.500 NGOs offiziell anerkannt. Auf der einen Seite befinden sich Gruppen wie Oxfam, Greenpeace, Mèdicins sans frontiéres, Save the Children, Amnesty international, Christian Aid und der World Wildlife Fund, bei denen es sich um große weltweite Organisationen mit einer großen Anzahl von Angestellten und einem umfangreichen Netzwerk von Ehrenamtlichen, handelt. Am anderen Ende des Spektrums befinden sich kleine Antiglobalisierungsgruppen, die Webseiten pflegen und die Aktivitäten von Großunternehmen, internationalen Finanzorganisationen oder Regierungen überwachen und verfolgen. NGOs - früher nannte man diese Wohltätigkeits-, Freiwilligenvereine oder Kampagnen - sind fast so alt wie der Kapitalismus selbst.

Direkte Vorgänger der heutigen amerikanischen oder europäischen NGOs bekämpften Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts den SklavInnenhandel. In jüngerer Vergangenheit bildeten NGOs die Speerspitze für das Zustandekommen des Abkommens über das Verbot von Landminen von 1998, der Römischen Verträge für die Gründung des internationalen Strafgerichtshofs und sie stellen die Schlüsselfiguren bzgl. der Versorgung des Kosovo mit Hilfsgütern.

Der Begriff Nichtregierungsorganisation stellt im eigentlichen Sinne eine negative Definition dar - diese soll (theoretisch) alle Organisationen beinhalten, die nicht Teil des Staates sind. In der Praxis schließt diese Definition jedoch politische Parteien, Kirchen/religiöse Vereine und Unternehmen aus.

NGOs sehen sich selbst und ihre UnterstützerInnen als die eigentlichen VertreterInnen der "Zivilgesellschaft". Das Konzept der Zivilgesellschaft stammt aus der französischen und englischen Aufklärung. Dieses Konzept sollte den Bereich des sozialen Lebens beschreiben, der von den wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Individuen und der existierenden Klassen bestimmt wurde. Die Zivilgesellschaft wurde also vom Staat abgegrenzt, der, in dieser Vorstellung, die Interessen aller vertritt.

Für Alexis de Toqueville - ein wichtiger früher Ideologe des politischen Liberalismus - beruhte die Demokratie des frühen 19. Jahrhunderts in Amerika auf einem reichen und vielschichtigen Netz von freiwilligen und nicht-staatlichen Organisationen.

In der Periode des zweiten Kalten Krieges in den frühen 80er Jahren des letzen Jahrhunderts griffen Intellektuelle in Ost- und Westeuropa das Konzept der "Zivilgesellschaft", als Kritik und als ideologische Waffe gegen den kommunistischen Totalitarismus auf. Sie erklärten dieses Konzept zu einem zwangsläufigen Produkt der Marktwirtschaft und zur Voraussetzung für die Entwicklung der Demokratie.

Ab Gorbatschows Präsidentschaft in der UdSSR (1985-91) bis zum Restaurationsprozess der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde die Entwicklung der Zivilgesellschaft in all den Ländern, die sich bisher der Ausbreitung des US-Modells widersetzt hatten, als Grundlage für die Angleichung an den Westen und die Einführung der Marktwirtschaft angesehen.

Auch Oppositionelle in der Dritten Welt griffen diesen Begriff und sein Ziel im Kampf gegen diktatorische oder Einparteien-Regimes auf. Die Ideologie der Zivilgesellschaft ist in diesem Sinn eine bürgerlich-liberale Ideologie, erschaffen, um die Spaltung der Gesellschaft in Klassen und vor allem den Klassenkampf selbst zu verschleiern. Populisten und SozialdemokratInnen waren jedoch nur all zu willig, diese Form des Liberalismus aufzugreifen, um damit ihre größere Verbundenheit zur bürgerlichen Ordnung als zur Arbeiterklasse zu zeigen.

Gleichzeitig lobten die neoliberalen Regierungen in Nordamerika und Europa die Leistungen der Freiwilligenorganisationen und ermutigten sie dazu, staatliche Sozialleistungen zu ersetzen, untermauert durch das Argument, dass dies die einzige Möglichkeit sei, eine zivilisierte Gesellschaft zu entwickeln. Die Regierungen der G7 und die vielen großen öffentlichen und privaten Wohltätigkeitsstiftungen finanzieren die wichtigsten NGOs und können so einen beträchtlichen Druck auf sie ausüben.

Manche arbeiten praktisch als Vertragsnehmer westlicher Regierungen. Beispielsweise bezieht der US-amerikanische Wildlife Fund mehr als die Hälfte seines Budgets von USAID, um so die Arbeit der Regierung, die sie selbst tun müsste, zu übernehmen. Viele Regierungen wie auch die Weltbank und der IWF sind quasi "verpflichtet" NGOs anzuhören. Die Weltbank zum Beispiel beteiligt NGOs an etwa der Hälfte ihrer Projekte. Die Ausweitung der Befugnisse der NGOs lief praktisch parallel mit der Kürzung der direkten Hilfe der imperialistischen Staaten und mit dem Druck des IWF, öffentliche Ausgaben in den halb-kolonialen Ländern zu kürzen.

Die großen, gutfinanzierten, westlichen NGOs arbeiteten hart daran, die AktivistInnen, die gegen Armut und Verschuldung der Halbkolonien (der sog. Dritten Welt) kämpfen wollen, zu entpolitisieren. Bewußt oder unbewußt streben sie danach, nationale und internationale politische Organisationen und Klassenbewegungen durch eine amorphe "Zivilgesellschaft" zu ersetzen. Ebenso befürworten sie im Endeffekt die "Verwestlichung" der Empfängerländer und -gemeinden - genauer gesagt treten sie für die liberale Demokratie und den Kapitalismus westlichen Typs ein.

Die am weitesten entwickelten NGOs begannen, nationale Regierungen zu umgehen, insbesondere in Afrika, weil sie diese als korrupt und ineffizient ansahen. Obwohl dies tatsächlich nur all zu oft der Fall ist, fehlte ihnen doch die Einsicht, dass die Ursache dafür oft in der Überausbeutung, der Rolle der westlichen Unternehmen, den Geheimdiensten und so weiter zu suchen ist. Sie sind nicht in der Lage zu erkennen, dass zuerst die ArbeiterInnen, armen Bauern und StudentInnen den Herrschenden in den Halbkolonien die Macht entreißen müssen, um die Fragen der Entwicklung in Angriff nehmen zu können. Sie können nicht zu dieser Einsicht gelangen, da sie die Dinge nicht in ihren Klassenzusammenhängen sehen und nicht von ehrlicher und unmittelbarer politischer Anteilnahme ausgehen.

Dies hat zur Konsequenz, dass sie von Anfang an mit Unternehmen und pro-imperialistischen Regierungen Abmachungen treffen. Tatsächlich ähnelt die Art und Weise ihrer Arbeit mehr der alter "wohlwollender" KolonialverwalterInnen oder der von Almosen verteilenden multinationalen Konzernen (MNK). Viele NGOs begannen als unabhängige oder sogar in scharfer Opposition zu ihren Heimatstaaten stehende Organisationen, aber schließlich wurden sie zu ihren Handlangern. Heute verteilen sie die Sozialleistungen, die der Staat abgeschafft hat, erhalten Gelder von ihm und sind somit Vertragsnehmer für "Sozialarbeit".

In den USA arbeiten sie mit MNKs zusammen, um Verhaltenskodizes und Beschäftigungsstandards aufzustellen und beschäftigen inzwischen mehr ArbeitsinspektorInnen als die Regierung. Obwohl sie Missbräuche bloßstellen und veröffentlichen, schwächt die Einbeziehung der NGOs in die Funktionen des Staates ihre Opposition und die Entfaltung von Kampagnen gegen den Staat. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts breiteten sich die NGOs auf internationaler Ebene sehr stark aus. Die Einbeziehung vieler tausender idealistischer junger Leute, das aktivistische Selbstverständnis der NGOs und vor allem die Tatsache, dass alle imperialistischen westlichen Staaten und ihre MNKs zwangsläufig die Hoffnungen und Illusionen der NGOs enttäuschen würden, bedeutete, dass sich, früher oder später, eine Krise zwischen den NGOs und ihren imperialistischen Herren anbahnen würde.

Der Weltgipfel, der im Juli 1992 in Rio de Janeiro abgehalten wurde, war ein entscheidendes Ereignis für die Herausbildung der Tendenz, sich untereinander verbinden und Koalitionen bilden zu können. VertreterInnen von mehr als 1.000 NGOs, ungefähr ein Drittel von ihnen aus Ländern der sog. Dritten Welt, nahmen an diesem Gipfel teil. Noch mehr besuchten allerdings den NGO-Gipfel, das "Globale Forum", der zur gleichen Zeit mit ungefähr 9.000 Organisationen abgehalten wurde.

Diese Versammlungen beschlossen 39 "alternative Abkommen" zu offiziellen Vereinbarungen, die ein großes Spektrum angefangen von Umwelt-, Entwicklungs- bis hin zu sozialen und Menschenrechtsthemen beinhalteten. Somit bedeutete Rio den Beginn der NGOs als mächtige Teilhaber an internationalen Verhandlungen, der Verwendung der elektronischen Kommunikation als demokratisierendes Medium und es warb für den sogenannten " Aktivismus der Bürger und Bürgerinnen".

Nicht zuletzt wurden viele NGO-AktivistInnen und die Kommunikation im Internet durch die bloße Tatsache radikalisiert, dass die meisten Regierungen der industrialisierten Welt unter Führung der USA eine zynische Hetzkampagne gegen die Entscheidungen und Versprechungen, die in Rio unterzeichnet wurden, starteten. Diese Radikalisierung wurde insbesondere durch die Entwicklung des Internets in diesen Jahren ermöglicht.

Prominente AkademikerInnen, JournalistenInnen, und FührerInnen der NGOs spielten bis dahin eine entscheidende Rolle in der Antiglobalisierungsbewegung. In den USA gehören Lori Wallach (von Ralph Nader's "Global Trade Watch for Public Citizen"), Mark Weisbrot vom "Pre-amble Center" in Washington, und Charles Arden-Clarke vom World Wide Fund for Nature in Genua dazu. Hinter ihnen stehen Tausende von AktivistInnen und FürsprecherInnen, die für die NGOs - manchmal allein, manchmal zusammen mit anderen Organisationen - arbeiten. Diese sind es, die die vielen Verhandlungen überall auf der Welt, die oft im Geheimen stattfinden, unter Beschuss nehmen, welche nur das Ziel haben, Regeln für die globale Wirtschaft im Interesse der großen Unternehmen aufzustellen. Diesen AktivistInnen gelingt es oft, Unternehmen, RegierungsvertreterInnen und neoliberale Denkschulen auszumanövrieren, die bisher die alleinige Entscheidungsgewalt hatten.

Die selbsternannte Rolle dieser NGOs besteht darin, in diese Verhandlungen hineinzuplatzen, und sich als VertreterInnen der Zivilgesellschaft und einer demokratischen Alternative darzustellen. Das Problem ist, dass es sich bei ihnen selbst nicht wirklich um demokratische Organisationen handelt. Sie werden privat finanziert und sind, in letzter Konsequenz, ihren Geldgebern und nicht den Empfängern ihrer Hilfe und Kampagnen verpflichtet.

Ihr größter Erfolg bisher war das Nichtzustandekommen des Multilateralen Abkommens über Investitionen (MAI). 600 NGOs, die eng zusammenarbeiteten, stoppten den Versuch der 29 reichsten Nationen, einschließlich der USA, ein Abkommen über Auslandsinvestitionen zu beschließen. Sie entlarvten, wie das MAI lokale und nationale Gesetze über die Umwelt, die Rechte der Frauen und Minderheiten außer Kraft setzen und die Wirtschaft vieler Länder in der sog. Dritten Welt zerrütten. Die NGOs gewannen und die Gespräche brachen in sich zusammen.

Nach Seattle suchten der IWF und die Weltbank den "Dialog" mit ihren Kritikern - was mehr oder weniger in dem Versuch endete, die bürgerlicheren und angeseheneren NGOs in ein gemeinsames Reformprogramm einzubeziehen, um so die Legitimität dieser zwischenstaatlichen Organisationen, in den Augen derer, die ihren Maßnahmen ausgesetzt sind, noch einmal zu retten.

Argentinien: vier Generalstreiks in einem Jahr

Argentinien erlebte im Verlauf eines Jahres des Widerstandes gegen das Diktat des IWF vier Generalstreiks. Eine Welle von Streiks traf die Regierung von Fernando de la Rua kurz nachdem sie im Dezember 1999 gewählt worden war.

Im März 2000 bot der IWF einen auf drei Jahre befristeten Kredit über 7,2 Milliarden US-Dollar unter der Bedingung an, dass die Regierung mit ihren harten Finanz- und Strukturreformen fortfährt. In dem Übereinkommen wurde insbesondere die Wichtigkeit der "vorgeschlagenen Arbeitsmarktreform und Deregulierung" und "der weiteren Reform des Sozialsystems" hervorgehoben. Kurz gesagt: Angriff auf Arbeiterrechte und noch mehr Sparpolitik.

Das Paket, das die Reformen bzgl. des Arbeitsrechts umfasste, wurde schließlich am 27. April 2000 von einem offensichtlich bestochenen Staat verabschiedet. Aber tausende Demonstranten und Demonstrantinnen versammelten sich, was zu Zusammenstößen mit der Polizei führte. Am 5. Mai 2000 wurde von den Gewerkschaften der erste Generalstreik ausgerufen.

Dieser wurde jedoch von militanten Demonstrationen, Straßenblockaden und Aufmärschen der Arbeitslosen begleitet. Vor allem in Tartagal und Mosconi brach bei ursprünglich friedlichen Blockaden Gewalt aus, nachdem Forderungen der Arbeitslosen nach Unterstützung durch die lokalen Behörden mit dem Argument, sie hätten kein Geld dafür, zurückgewiesen wurden.

Die DemonstrantInnen setzten öffentliche Gebäude in Brand, bevor sie von bewaffneter Polizei beruhigt worden waren, was zu dutzenden Verletzten und vielen Verhaftungen führte. Gemeinden auf dem Land besetzten in einer ähnlichen Situation Straßen und organisierten Proteste. Am 31. Mai 2000 fanden Proteste gegen den IWF-Sparplan statt, die wiederum darin gipfelten, dass 80.000 Menschen die Straßen bevölkerten. Der Auslöser dafür war ein Besuch von IWF- Ökonomen, die die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen durch die Regierung überprüfen sollten.

Die DemonstrantInnen warfen dem IWF vor, eine "Finanzdiktatur" durchsetzen zu wollen und drohten damit, die Zahlung der Steuern zu verweigern, die von 8% auf 22% gestiegen waren.

Am 9. Juni 2000 wurde der zweite 24-stündige Generalstreik von mehr als 7,2 Millionen Arbeitern und Arbeiterinnen befolgt. De la Rua behauptete, dass die Regierung einfach keine andere Wahl hätte als die Ziele des IWF zu verfolgen.

Die argentinische Regierung kürzte entsprechend die geplanten Staatsausgaben drastisch und zwar um 938 Millionen US-Dollar, einsschließlich 590 Millionen US-Dollar für Gehälter im Staatsdienst, um das außer Kontrolle geratene Haushaltsdefizit zu reduzieren. Am 29. August 2000 führten LehrerInnen und WissenschaftlerInnen einen eintägigen Streik durch, um gegen die zwölfprozentige Kürzung ihrer Gehälter zu protestieren.

Vom 23. - 24. November 2000 führten die argentinischen Gewerkschaften einen dritten - diesmal 36-Stunden - Generalstreik gegen das IWF-Paket durch. Die Demonstranten und Demonstrantinnen blockierten Straßen und Brücken in ganz Argentinien und bezogen dabei Arbeitslose und Gemeinden auf dem Land in sehr großem Ausmaß mit ein. In Buenos Aires und anderen Teilen des Landes wurden Straßensperren errichtet, um den Verkehr zu unterbrechen.

Im März 2001 folgte die nächste große Krise. Der Finanzminister Ricardo Lopez Murphy beschloss einen weiteren Sparplan, der vor allem den Bildungs- und den öffentlichen Sektor sowie die Regionalentwicklung betraf, mit Kürzungen des Staatsbudgets in Höhe von 2,2 Milliarden US-Dollar. Diesmal erfolgte der Ausbruch sofort. Am 20. März 2001 besetzten die Studenten und Studentinnen die Universitäten, die Arbeitslosen marschierten auf die Zentren der Städte zu oder errichteten Straßensperren, die Lehrer und Lehrerinnen streikten und am 21. riefen die Gewerkschaften den Generalstreik aus.

Die Krise konnte nur durch den Rücktritt von Lopez Murphy und die vollständige Rücknahme seines Plans entschärft werden.

 

ATTAC und Porto Allegre

Das französische Kürzel ATTAC steht für "Vereinigung für die Besteuerung von finanziellen Transaktionen und die Unterstützung von BürgerInnen". ATTAC wurde im Juni 1998 auf Initiative von Bernard Cassen, dem Direktor von Le monde diplomatique - einer monatlichen Beilage zur bekannten Pariser Abendzeitung - gegründet.

ATTAC besteht aus 70 Organisationen. Diese reichen von Volksbildungsvereinen, Arbeitslosenbewegungen und Bauern/Bäuerinnenbündnissen bis hin zu NGOs und Gewerkschaften. Aber in erster Linie basiert ATTAC auf der individuellen Mitgliedschaft von etwa 35.000 Personen.

ATTAC hat eine nationale Leitung und viele Ortssektionen, die weitestgehend autonom sind. Susan George ist eine der VizepräsidentInnen. Der Führer des Bauernbündnisses, Josˇ Bovˇ, ist ebenfalls ein Vize-Vorsitzender und eine wichtige Figur in ATTAC.

Das selbsterklärte Ziel besteht darin, die Öffentlichkeit über die gefährliche Politik des Neoliberalismus zu unterrichten und "die von der Demokratie an die Finanzwelt verlorenen Räume zurück zu erobern". Die Ortsgruppen selbst treffen sich regelmäßig, um über verschiedene Aspekte der vorgebrachten Vorschläge informiert zu werden. ATTAC mobilisierte ihre Mitglieder auf Demonstrationen wie Millau und Nizza im Juni und Dezember 2000. Demonstrationen auf der Straße gehören aber keineswegs zu den Hauptzielen. In erster Linie ist ATTAC eine Denkfabrik - allerdings eine mit einer ausgedehnten Mitgliedschaft und örtlichen sowie nationalen Foren.

Eine internationale Ausgabe von ATTAC wurde bei einem Treffen im September 1998 in Paris gegründet, sie umfasst Organisationen in Brasilien, Mexiko, Südkorea, den Philippinen, Senegal, Belgien, Italien, der Schweiz, Finnland sowie einige internationale Netzwerke und Koordinierungsgruppen.

Im Mittelpunkt der Arbeit von ATTAC steht, wie der Name schon sagt, die Frage der Besteuerung von Kapital, die Wiederherstellung einer demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte. Das macht einen gewissen Unterschied zu den Vereinigungen aus, die in erster Linie die IWF-Strukturanpassungsprogramme, die Verschuldung der dritten Welt oder den Freihandelsplan der WTO bekämpfen. Weil es schwierig ist, Taktiken für solch ein verschwommenes Ziel zu entwickeln, hat ATTAC sein Aufgabengebiet erweitert und diese Bereiche teilweise aufgenommen.

ATTAC setzt sich selbst folgende Aufgaben: "Das Behindern der internationalen Spekulation; die Besteuerung von Kapitaleinkommen; das Bestrafen von Steuerparadiesen; die Verhinderung der Verallgemeinerung von Rentenfonds; Forderung nach Transparenz von Investitionen in abhängigen Ländern; die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für Bank- und Finanzoperationen, damit nicht noch weitere BürgerInnen und KonsumentInnen bestraft werden; das Erreichen der vollständigen Streichung der Schulden der abhängigen Länder; die Freisetzung von Ressourcen zum Nutzen der Bevölkerung und der nachhaltigen Entwicklung."

Die allgemeineren Ziele sind die Folgenden: "die Rückeroberung von Raum, der von der Demokratie an die internationale Finanzwelt verloren gegangen ist; sich der Verdrängung der nationalen Souveränität im Namen der "Rechte" der Investoren und Händlern zu widersetzen; einen demokratischen Raum auf weltweiter Ebene zu schaffen." Kurz gesagt, ATTAC ist eine radikale Bewegung zur Reform des Kapitalismus.

Die Hauptabsicht von ATTAC ist die Einführung einer "Tobin-Steuer". Benannt nach dem amerikanischen Nobelpreisträger und Ökonomen James Tobin. Von ihrem Erfinder wurde sie als Mittel betrachtet, nach dem Zusammenbruch der fixen Austauschraten im Jahr 1971 Stabilität in die Finanz- und Währungsmärkte zu bringen.

ATTAC schätzt, dass die Steuererhebung in einer Höhe von ungefähr 0,1% auf jede Währungstransaktion eine Summe irgendwo zwischen zehn und einigen 100 Milliarden US-Dollar aufbringen würde. ATTAC will, dass diese Erlöse in die Entwicklung der sog. Zweiten und Dritten Welten investiert werden. Aber sie geben zu, dass dies "nicht genug sein wird, um alle Bedürfnisse des Planeten zu befriedigen". ATTAC stellt ebenso fest, dass kein einziges Land diese Steuer erheben könnte, ohne gleichzeitig die Finanzgesellschaften dazu zu bewegen, ihre Operationen dorthin zu verlegen, wo es diese Steuer nicht gibt. Jedoch besteht das Problem in Wirklichkeit darin, dass sie im Kapitalismus nicht einmal gleichzeitig eingeführt werden könnte. Wer sollte das tun? Die Vereinten Nationen? Wer könnte dies erzwingen? Es gibt kein internationales Gesetz dafür aus dem einfachen Grund, dass es keinen weltweiten Staat gibt, der es durchsetzen würde. Zudem dulden alle Regierungen der G8 Steuerparadiese.

Tatsächlich konzentriert sich ATTAC darauf, die EU, die USA und Japan dazu zu bewegen, diese einzuführen. Das Ergebnis wäre eine G7-"Tobin-Steuerzone". ATTAC gesteht ein, dass nicht einmal die EU eine solche Maßnahme allein ergreifen könnte. Wegen des Risikos einer Massenflucht von Kapital, müssten die USA von Anfang an dabei sein.

Das würde nichts anderes bedeuten, als die neoliberalen Wölfe zu Schafhirten zu machen. Aber wer wird sie davon überzeugen? ATTAC sieht dafür keine andere Möglichkeit, als die SchaumschlägerInnen der "Zivilgesellschaft" - nämlich die Intellektuellen, die NGOs - dazu zu bringen, die Regierungen, Banken und Unternehmen dahingehend zu beeinflussen. Kürzlich hat sich ATTAC auf eine Kampagne gegen die ca. 40 bedeutendsten Steuerparadiese weltweit als ersten Schritt, um das eigentliche Ziel zu erreichen, konzentriert. ATTACs bisher größtes Projekt war die Mitbegründung des Weltsozialforums (WSF) in Porto Alegre, Brasilien.

Fast 5.000 Vertreter aus 117 Ländern kamen, darunter 165 prominente Gäste einschließlich Danielle Miterrand - Gattin des französischen Ex-Präsidenten. Eine Reihe akademischer Lesungen wurden vor großem Publikum in der katholischen Privatuniversität der Stadt abgehalten. PolitikerInnen lateinamerikanischer reformistischer Mitte-Links-Parteien - so z.B. Ignacio Luis da Silva (Lula) von der PT und Cuathemoc Cardenas von der mexikanischen PRD sprachen genau so wie SchriftstellerInnen, AkademikerInnen, WirtschaftswissenschafterInnen und Abgeordnete. Sogar "Reformisten an der Macht" sowie einige französische MinisterInnen, tauchten auf. Das war sicher die angesehenste, reformistischste, sogar die bürgerlichste Versammlung, die jemals im Zuge der Anti-Globalisierungsbewegung stattgefunden hat.

Ignacio Ramonet - ein führender Kopf in ATTAC - erklärte in einem Artikel in Le monde diplomatique vom Januar 2001, dass der Zweck des WSF "nicht wie in Seattle, Washington oder Prag der Protest war, sondern dass dieses Mal versucht werden sollte, in einem konstruktiven Geist, einen Rahmen für Theorie und Praxis vorzuschlagen, der es uns ermöglicht, für eine neue Globalisierung einzutreten und festzustellen, dass eine neue, weniger unmenschliche und mehr auf Solidarität aufbauende Welt möglich sei."

Die Diskussionen konzentrierte sich auf die Fragen, ob die Streichung der Schulden der sog. Dritten Welt teilweise oder vollständig an Bedingungen geknüpft oder bedingungslos erfolgen soll; der technischen Machbarkeit der Tobinsteuer; "gerechter oder ungerechter Handel"; der "ökologischen Schuld", welche die reichen Länder bezahlen sollen, um "die Ungleichheit zu verringern"; und der sogenannten demokratischen Volkserfahrung mit dem "partizipatorischen Budget", das die herrschende PT-Stadtregierung in Porto Alegre praktiziert.

Viele Delegierte waren mit den französischen Intellektuellen, die ständig ihre "konstruktiven Vorschläge" zur Reform der weltweiten wirtschaftlichen Institutionen in den Vordergrund rückten und mit dem Fehlen einer Auseinandersetzung über militante Aktionsformen, unzufrieden.

Während das "offizielle" Porto Alegre ein konzertierter Versuch war, zu beweisen, "dass ein anderer Reformismus möglich ist", erhielten die SprecherInnen, die den Sozialismus und die Notwendigkeit des revolutionären Kampfes verteidigten, donnernden Applaus. Ebenso Josˇ Bovˇ, als bekannt wurde, dass er verhaftet und mit Abschiebung bedroht wurde, weil er während der Konferenz eine Demonstration anführte, die genetisch veränderte Feldfrüchte vernichtet hatte.

Der Kampf für den Aufbau einer militanten internationalen Massenbewegung gegen den globalen Kapitalismus und Imperialismus ist untrennbar verbunden mit einer scharfen Kritik an den NGOs und dem Sao Paulo Forum (der Organisation der lateinamerikanischen Parteien des dritten Weges), das Porto Alegre mitunterstützte. Ihr Ziel ist - wenn man es ungeschminkt betrachtet - ein "menschlicher" globaler Kapitalismus, nicht sein Sturz und seine Ersetzung. Sogar die Kräfte in Porto Alegre, welche die direkte Aktion gegen genetisch veränderte Feldfrüchte durchführten - die FührerInnen von Via Campesina und Josˇ Bovˇ - haben ein reformistisches Programm, auch wenn sie an die Methode der gewaltfreien direkten Aktion gebunden sind. Im Mittelpunkt ihres Programms stehen Sprüche wie "Landwirtschaft ist kein Geschäft" und, dass "Nahrung nicht wie eine Ware behandelt werden sollte, sondern wie ein Menschenrecht". Wie das erreicht werden kann, ohne die Plantagen des Agrarkapitals und die Ländereien der Großgrundbesitzer zu enteignen, ohne die technologischen und wissenschaftlichen Ressourcen den großen Unternehmen zu entreissen, ohne Kooperativen in der bäuerlichen Landwirtschaft zu schaffen, erklären sie uns nicht. Das Positive von Porto Alegre bestand darin, dass es die Möglichkeit zur Versammlung von bestimmten Teilen der antikapitalistischen Bewegung, bot. Aber nur die Lager, die politisch "am Rande" einzuordnen sind, nahmen die militanten Kämpfe während der letzten fünf Jahre gegen die Sparprogramme des IWF in Lateinamerika auf.

Auf der anderen Seite der Stadt kampierten 2.000 Jugendliche und 700 Eingeborene in den Parkanlagen unter weit weniger luxuriösen Bedingungen als französische MinisterInnen wie Chevenement, genossen hatten. Aber man musste schon diese Lager aufsuchen, um irgend eine Art von Radikalität oder aufrichtigem Antikapitalismus zu finden.

Die militante Kritik an den reformistischen WortführerInnen stand in der Erklärung der Jugendgruppen (siehe Kasten).

Es liegt an diesen Jugendlichen, ArbeiterInnen und Armen, die am Geist von Seattle, Nizza, Prag, Göteborg und Genua festhalten, um die Geiselnahme der antikapitalistischen Bewegung und ihr Abgleiten in das reformistische Fahrwasser der "Antiglobalisierung" zu verhindern. ATTAC und PT haben angekündigt, dass sie 2002 eine noch größere Konferenz in Porto Alegre abhalten wollen. Sie haben die Zapatistas und Subcommandante Marcos eingeladen, daran teilzuhaben. Sie sprechen von Porto Alegre als zukünftiger "Rebellen-Internationale". Wenn diese Kräften weiterhin an ihrer Spitze sein werden, wird es weit davon entfernt bleiben.

Selbstverständlich bietet ein Ereignis in der Größe von Porto Alegre - abgehalten in einem "Land des Südens" - enorme Möglichkeiten für den Aufbau von Netzwerken, für die Zusammenkunft von KämpferInnen aus halb-kolonialen Ländern und denen aus den imperialistischen Zentren. Aber ein solches Ereignis wird letztendlich fruchtlos bleiben, bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine organisierte und kämpferische, revolutionäre Alternative zum "offiziellen" Porto Alegre aufgebaut wird.

Die Kräfte des kämpferischen Klassenkampfes - Gewerkschaften, Organisationen der bäuerlichen Armen, die OrganisatorInnen von Massenstreiks und Straßenblockaden - und nicht die von akademischen Seminaren - werden gebraucht, wenn es so etwas wie eine "Rebellen"-Internationale geben soll.

Resolution der anti-kapitalistischen Jugend in Porto Alegre:

Eine andere Welt ist nur durch die Zerstörung des Kapitalismus möglich!

Seit Seattle, Washington, London, Mailand, Melbourne, Seoul, Prag und Nizza haben zehntausende anti-kapitalistisch orientierte Jugendliche durch direkte Aktionen die großen Monopole und internationalen Institutionen wie den IWF, die Weltbank, die WTO und die Europäische Union angeprangert.

Diese Institutionen sind verantwortlich für die Ausbeutung von Millionen von ArbeiterInnen, für die Zerstörung der Umwelt, für die Verdammung von Millionen Menschen zu schlimmster Armut.

Jetzt, hier in Porto Alegre, beim Weltsozialforum verwandeln die NGOs, die GewerkschaftsbürokratInnen und die FührerInnen der institutionalisierten politischen Parteien den Inhalt des Kampfes der jungen AntikapitalistInnen in die reaktionäre Politik der "Vermenschlichung des Kapitals".

Den Kapitalismus menschlicher machen, gemeinsam mit den MinisterInnen der französischen Regierung, die Immigranten verfolgen, die eine Regierung bilden, die zusammen mit der NATO Tausende von Menschen durch die Bombardierung von Jugoslawien getötet hat und in Nizza AntikapitalistInnen unterdrückt hat? Den Kapitalismus menschlicher machen zusammen mit den Bankern und den multinationalen Konzernen? Den Kapitalismus menschlicher machen zusammen mit den Regierungen, die wie die PT (brasilianische Arbeiterpartei), weiterhin die Auslandsschulden bezahlen, welche die streikenden LehrerInnen von Rio Grande du Sul und die Besetzung eines Bundesgebäudes in Porto Alegre unterdrückt haben und die fortfahren, die StraßenhändlerInnen und Obdachlosen auf dem von ihnen besetzten Land zu unterdrücken? Regierungen die fortfahren, ihre Zahlungen an die multinationalen Konzerne zu leisten?

In Wirklichkeit sind diese "Stars", welche die Regierung und das Bürgermeisteramt innehaben und die sich selbst als "demokratisch und volksnah" bezeichnen, nur an den Wahlen 2002 interessiert und daran, einen Testballon für die neue kapitalistische Ordnung zu starten, eine Ordnung, die durch die Sozialdemokratie aufrechterhalten wird und die die Fortsetzung der kapitalistischen Ausbeutung ermöglicht.

Eine Ordnung, die sich anschickt, die Mittelklassen mit demokratischem Kasperletheater, wie dem partizipatorischen Budget, das darauf abzielt, Proteste durch die Vereinnahmung von Volksbewegungen zu unterbinden, zu befriedigen. Ihre Helfershelfer sind die zahlreichen "linken" Parteien, die, obwohl sie diese Politik kritisieren, davor zurückschrecken, sie ernsthaft in Frage zu stellen. Den Kapitalismus menschlicher machen zu wollen, ist utopisch und reaktionär. Deswegen sind wir, die anti-kapitalistische Jugend aus dem Jugendlager, ein Teil der antikapitalistischen Bewegung, und stehen solidarisch Seite an Seite mit den Jugendlichen, die das World Economic Forum in Davos anprangern.

Wir sagen: Das WSF ist ein Trick derjenigen, die versuchen, die anti-kapitalistische Bewegung hin zur Politik der Klassenkollaboration und bürgerlicher Wahlen zu drängen und die die Armut des Kapitalismus weiterhin dulden. Wir hingegen fahren mit unseren Bemühungen für den Aufbau eines internationalen antikapitalistischen Netzwerks fort und zwar unter den Losungen:

• Nieder mit World Economic Forum, IWF, Weltbank und WTO! Das WSF ist keine Alternative!
• Nieder mit dem Plan Colombia!
• Es lebe die palästinensische Intifada!
• Nichtanerkennung der in- und ausländischen Schulden!
• Nein zur Privatisierung!
• Der Kapitalismus tötet - töten wir den Kapitalismus!

 

unterzeichnet von:
Juventude e Luta Revolucionaria, Jornal Espaco Socialista, Comite Marxista Revolucionario, Anarco-Punks, Movimento Che Vive (RJ), Coletive pela Universidade Popular (Porto Alegre), Secretaria Estadual de Casas de Estudantes de Goias, Movimento Nacional de Meninos e Meninas de Rua, Federacao Anarquista Gaucha, Grupo Cultural Semente de Esperanca, Acao Global por Justica Local, Resistencia Popular RJ/PA, Nucleo Zumbi Zapatista - ABC Paulista, Estrategia Revolucionaria, Socialismo Libertario Brasilia, Federacao Anarquista Uruguaia, Acao Revolucionaria Marxista (RJ), Frente de Luta Popular, Juventude Avancarna Luta, Ligua Bolchevique Internacionalista, Espaco Cultural Quilombola-Aracatuba-SP und vielen anderen antikapitalistischen AktivistInnen.

 

Peoples Global Action

Der offen "anti-kapitalistische" Flügel der Bewegung setzt sich aus vielen verschiedenen Teilen zusammen. Auf dem radikalen Flügel der Bewegung finden sich anarcho-ökologische Gruppen wie Earth First (USA), Reclaim the Streets (GB), United Students Against Sweatshops (USA) und Corporate Watch.

Zum ersten Mal wurden diese Strömungen durch die Zapatistas (EZLN) in Mexiko zusammengeführt. Die EZLN wurde Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts gegründet. Sie ging aus den Selbstverteidigungsmilizen der eingeborenen Bauern (Maya) in der Region Chiapas, die gegen die Söldnertruppen der GroßgrundbesitzerInnen gerichtet waren, hervor.

Von Anfang an war sie in erster Linie bäuerlich-populistisch und nicht stalinistisch/maoistisch orientiert. Wie viele Populisten lehnen sie die Bezeichnung "links" oder "marxistisch" ab und entwickelen ein revolutionär-demokratisches Programm für die Lösung der Landfrage und für die Zerschlagung der 60 Jahre andauernden Machtausübung der PRI über den mexikanischen Staat. Dementsprechend waren ihre militärischen Taktiken - ihrem Selbstverständnis nach - den armen ländlichen Gemeinden und einem weitergehenden politischen Massenkampf untergeordnet. Die Besetzung von fünf Städten in Chiapas im Januar 1994, ihre Aufforderungen zu Streiks und Landbesetzungen, ihre demokratische Verankerung in den Massenversammlungen der ländlichen Gemeinden brachte den Zapatistas viele Bewunderer in Nord- und Lateinamerika, die sich an der Dritten Welt orientieren, ein.

Sie griffen die Losung der EZLN "Ya Basta" (Es reicht!) auf. Der geschickte Umgang von 'Subcommandante' Marcos mit den Massenmedien und dem Internet, der Anspruch, nicht für die Eroberung der Staatsmacht, sondern für die Rechte der Menschen zu kämpfen, brachte den 'Economist' dazu, sie als die erste "postmoderne" Guerillabewegung zu bezeichnen. Tatsächlich liegt ein Funken Wahrheit in dieser Bezeichnung.

Der Zapatismus ist aufgrund seiner Weigerung, die Staatsgewalt der mexikanischen Bourgeoisie anzugreifen, weit davon entfernt, eine revolutionäre Bewegung zu sein. Das ist gleichzeitig die Ursache dafür, dass dieser von links-sozialdemokratische ReformistInnen in Euroapa, PopulistInnen in den USA sowie AnarchistInnen bewundert wird - sie alle haben verschiedene Gründe für die Ablehnung "des Kampfes um die Staatsmacht". Sie alle sehen das als großen Fortschritt gegenüber dem "Marxismus-Leninismus" an. Das ist es mit Sicherheit nicht! Die Haltung der EZLN gegenüber dem Staat ist passiv und zur Handlungsunfähigkeit verdammt. Sie begnügt sich damit, vom Aufbau einer Alternative zum Staat von unten her zu reden. Sie ist ein Ausdruck dafür, welch große Rückschritte sogar die radikalsten Massenbewegungen in der halb-kolonialen Welt politisch und ideologisch, als Folge des Triumphs des Imperialismus in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, gemacht haben.

Die Weltsituation, in der die Zapatistas auftauchten, erwies sich als günstig für die Ausweitung ihres Einflusses. Die mexikanische Währungskrise (Pesokrise) Ende 1994 - von manchen als "die erste Krise der Globalisierung" bezeichnet - traf die mexikanischen Bemühungen um die Aufnahme in die OECD und den Eintritt in die NAFTA sehr stark.

Die Entwertung des Pesos stürzte Millionen in die Armut, und die Arbeitslosigkeit stieg an. Sie hatte einen "Tequila-Effekt" auf andere lateinamerikanische Länder wie Argentinien und Brasilien und führte dort bei den Massen zu direktem Widerstand. Auch in den USA und Kanada wurde von verschiedenen Kräften, insbesondere aber von den Gewerkschaften, eine Kampagne gegen die NAFTA in Gang gesetzt. Obwohl sie protektionistisch orientiert war, schaffte sie Aufmerksamkeit für die schlechte Lage der verarmten Massen in Mexiko.

In einer Reihe von Erklärungen, herausgegeben ab Januar 1994, verbanden die Zapatistas ihren Kampf für Land, Sprache, kulturelle Rechte und Autonomie für die eingeborenen BewohnerInnen von Chiapas gegen die herrschende PRI mit einem weltweiten Aufruf, die zahlreichen Bewegungen, die Neoliberalismus und Globalisierung auf dem amerikanischen Kontinent und darüber hinaus bekämpfen, zu verbinden. Die Zapatistas schufen 32 autonome Gemeinden, und förderten - durch eine libertäre Rhetorik über Sexualität - den Kampf für die Frauenbefreiung.

Aber ihr bedeutendster ideologischer Einfluss auf die sich entwickelnde anti-kapitalistische Bewegung ist die Verherrlichung der Vielfalt, die bewusste Weigerung, ein gemeinsames Ziel zu vertreten oder dafür zu kämpfen. "Wir wollen eine Welt, in der es viele Welten gibt, eine Welt, in der unsere Welt und die Welt von anderen, sich zusammenfügen, eine Welt in der wir gehört werden, aber als eine unter vielen Stimmen." Dies ist als Rechtfertigung, um der Sache der Unterdrückten, Gehör zu verschaffen oder für die Förderung der demokratischen Auseinandersetzung selbstverständlich unentschuldbar. Als Aufschrei gegen den kapitalistischen Bonapartismus, das totalitäre Erbe des Stalinismus und die Lügen der bürgerlichen Medien, ist dies aber nur allzu verständlich.

Jedoch ist es für die Arbeiterklasse innerhalb einer Bewegung, die eine Verbindung aus ArbeiterInnen und Kleinbauern darstellt, unverzichtbar, ihre Forderungen klar und deutlich auszusprechen anstatt die Widersprüche durch ein "über den Klassen stehendes" Programm oder eine Ideologie, welche fälschlicherweise vom Interesse "der Menschen" spricht (d.h. Populismus), zu verschleiern.

Der Einfluss des Zapatismus wird durch den Spruch "eine Bewegung mit einem NEIN und sehr vielen JAs" auf den Punkt gebracht. Aber das "Ja" der EZLN - eine Strategie der Rückkehr zum Privateigentum in kleinem Ausmaß, Tauschhandel bzw. zu einem idealisierten Markt, in dem es keine Ausbeutung gibt - ist eine Sackgasse.

Die Zurückweisung des Kampfes um die Staatsmacht - mit der Arbeiterklasse an der Spitze der antikapitalistischen Bewegung - führt letzten Endes in die Niederlage. Die Feinde der Ausgebeuteten und Unterdrückten zögern keine Minute lang, die bewaffnete Staatsgewalt gegen diejenigen, die ihr Widerstand leisten, einzusetzen. Diejenigen, welche die Notwendigkeit, diesen Unterdrückungsapparat zu zerschlagen, zurückweisen, verdammen sich selbst dazu, entweder eine noch härtere Unterdrückung zu ertragen, oder sich mit wenigen Almosen und Reförmchen, welche die Grundlage der Ausbeutung nicht in Frage stellen, zufrieden zu geben.

Die EZLN weist verständlicherweise den Gedanken zurück, eine bürokratische Staatsmacht zu stürzen, nur um diese durch ein anderes autoritäres Monster zu ersetzen. Doch die Antwort darauf liegt darin, für einen Halbstaat zu kämpfen, der auf den Räten der ArbeiterInnen- und Kleinbauern basiert - und damit der Möglichkeit einer demokratischen Vertretung aller Parteien, die von den Massen unterstützt werden und die die Macht der Räte anerkennen. Auf diese Weise können wir das schreckliche Schicksal, das die UdSSR während der Diktatur des Stalinismus ereilte, verhindern.

Ein Schlüsselereignis, welches zur Ausweitung des Einflusses der EZLN führte, stellte die "erste internationale Begegnung gegen Neoliberalismus und für die Menschlichkeit" dar, die im April 1996 3.000 VertreterInnen aus 43 Ländern im Lacondon Waldgebiet in Chiapas im Süden von Mexiko versammelte.

Anwesend waren UmweltschützerInnen, MenschenrechtsaktivistInnen, Bauern, AktivistInnen für die Rechte der UreinwohnerInnen und eingeborenen Völker sowie GewerkschafterInnen - viele aus den USA und Kanada. Diese verbanden sich direkt mit der bereits in Mexiko sowie den USA und Kanada bestehenden Bewegung gegen die NAFTA.

Diese Bewegung hatte bereits ein weitreichendes und gut entwickeltes Netzwerk von radikalen UmweltschützerInnen (Dunkelgrünen), AktivistInnen für die Streichung der Schulden der Dritten Welt und den radikaleren NGOs gebildet.

Diese Kräfte wandten sich immer mehr davon ab, Regierungen zu beraten, oder sich auf die internationalen Institutionen im Umfeld der UNO zu verlassen. Die UNO - den Feindseligkeiten der USA ausgesetzt - wurde zunehmend finanziell ausgetrocknet und dadurch machtlos, genauso wie die Regierungen, die ihre Ohnmacht angesichts der globalen Marktkräfte eingestehen mussten. Das veranlasste NGOs und Grüne ebenso wie GewerkschafterInnen dazu, öffentliche Kampagnen und sogar direkte Aktionen zu veranlassen. In den beiden erstgenannten Bewegungen waren anarcho-libertäre Ideen Ende der 80er und Anfang der 90er Jahren des letzten Jahrhunderts auf dem Vormarsch. Auf dieser Basis wurde People's Global Action im Juli 1997 in Spanien gegründet.

Nach dem zweiten Treffen der Zapatistas, im August 1997, planten ungefähr 50 VertreterInnen von verschiedenen Bewegungen - einschließlich Gruppen Eingeborener aus Nigeria und Mexiko sowie Bauernorganisationen aus Indien, Brasilien, Bolivien und Indonesien einvernehmlich weltweite Proteste gegen die Welthandelsorganisation, dem offensichtlichsten Symbol und Instrument für die Globalisierung durch die Konzerne.

Um die Organisierung dieser Proteste zu erleichtern, schufen sie ein lebendiges Netzwerk, die Peoples Global Action against "Free" Trade and the WTO (gegen "Frei"handel und die WTO), kurz PGA. Der erste der weltweiten Aktionstage der PGA fand Ende Mai 1998, anlässlich der zweiten WTO-Ministerkonferenz in Genf, statt.

Gleichzeitig fanden Aktionen in 28 Ländern statt. 500.000 Menschen versammelten sich in Hyderabad in Indien, um die WTO anzuprangern. In Brasilien brachte ein Anti-WTO-Marsch ungefähr 50.000 Leute, einschließlich Mitglieder der brasilianischen Bewegung der Landlosen "Sem Terra", auf die Straße.

In Genf protestierten am ersten Tag des WTO-Treffens 10.000 AktivistInnen rund um den Tagungsort. Von hier ging die Angewohnheit der militanteren Jugend, Banken und McDonaldsfilialen anzugreifen, aus. Die Polizei attackierte daraufhin die Demo mit Knüppeln und Tränengas. Die Aktionen dauerten drei weitere Tage an.

Die "dritte Begegnung" der EZLN wurde 1999 in Belem in Brasilien mit 3.000 Delegierten abgehalten. Am 18. Juni 1999 veranstaltete die PGA einen "weltweiten Aktionstag gegen Finanzzentren", auch "Karneval gegen den Kapitalismus" genannt, parallel zum G8-Gipfel der wichtigsten Industrienationen in Köln.

Dieser fiel mit einem Aktionstag von Jubilee 2000, der sich für die Schuldenstreichung für die Dritte Welt einsetzte, zusammen. Wenn man die Aktionen von 1998 als groß und über die ganze Welt umspannend bezeichnet, dann war der 18. Juni 1999 riesig. Es gab in weit über 100 Städten in 41 Ländern Aktionen: von Australien bis Simbabwe, von Schweden bis Südkorea, von Chile bis in die Tschechische Republik.

Die beteiligten Gruppen waren sehr unterschiedlich: UmweltschützerInnen in Simbabwe, Polen, Israel und Portugal; Bauerngewerkschaften in Indonesien und im Senegal; Gewerkschaften (einschließlich der 1,5 Millionen Mitglieder starken nationalen TextilarbeiterInnenföderation von Bangladesch und der indische Fischergewerkschaft); Bewegungen von Eingeborenen und Volksgruppen wie die nationale Vereinigung der Volksbewegungen in Indien (NAPM) und Chikoko, das Netzwerk der Eingeborenen-Gruppen im Widerstand gegen die Ölindustrie in Nigeria, ebenso wie Arbeitslosenorganisationen in Frankreich und viele andere.

Die Ereignisse, welche die Schlagzeilen der Weltmedien eroberten, fanden am 18. Juni 1999 im Londoner Finanzzentrum statt - ein Massenprotest, der sich zu dem entwickelte, was die Medien den "anti-kapitalistischen Straßenkampf" nannten, ein Protest, der zum Auslöser für die Ereignisse in Seattle wurde.

Für die USA - wo sich die neue Bewegung etwas langsamer entwickelte - war der 18. Juni 1999 ein wichtiger Auslöser. In acht wichtigen Städten fanden Aktionen statt. Die Anzahl der DemonstrantInnen lag zwar eher bei Hunderten als bei Tausenden, aber der 18. Juni 1999 bedeutete wahrscheinlich trotzdem einen entscheidenden Wendepunkt - die Geburt einer neuen weltweiten Bewegung, die von nun an immer mehr den Namen "antikapitalistische Bewegung" trug - bestehend aus ArbeiterInnen und Jugendlichen, von denen viele stolz auf diese ehrenhafte Bezeichnung waren.

PGA verpflichtet sich selbst "zur klaren Ablehnung aller Institutionen, die von Spekulanten und multinationalen Konzernen mit dem Ziel aufgebaut wurden, den Menschen die Macht zu entreissen" und zu einer "herausfordernden Haltung", die auf einem "Aufruf zum gewaltfreien zivilen Ungehorsam und zum Aufbau von örtlichen Alternativen durch ortsansässige Menschen" basiert. Zusätzlich nahm sie eine "organisatorische Philosophie, die auf Dezentralisierung und Autonomie basiert", an.

Ist Gewalt auf Demonstrationen gerechtfertigt?

Die antikapitalistische Bewegung hatte im Juni auf den Straßen von Göteborg fast ihren ersten Märtyrer in Europa. Die Polizei eröffnete das Feuer auf eine Gruppe von DemonstrantInnen und verletzte drei Menschen. Wenige Wochen danach wurde in Genua Carlo Giuliani von der Polizei getötet. Hunde wurden auf Menschen gehetzt, um die Menge auseinander zu treiben. Was sollen wir angesichts dieser Gewalt von Seiten des Staates tun?

Ein Flügel der Bewegung sagt, "gewaltfreie direkte Aktion" sei die Lösung. Grundsätzlich ist das ein Aufruf zur ungesetzlichen Blockade und Behinderung, der Besetzung von Privateigentum. Seine Verteidiger behaupten, dass alles, was die Polizei gegen uns tut, letztlich wieder auf den Staat zurückfällt, da es die Sympathien der Bevölkerung auf unsere Seite treibt.

Ein anderer Flügel, der anarchistisch beeinflusste Schwarze Block sagt, dass die einzige Antwort darin liegt, bei jeder Demonstration Zusammenstöße mit der Polizei zu suchen.

Beide Methoden führen zu Selbstvernichtung. Zum Unglück des "gewaltfreie direkte Aktion"-Flügels sagten am Tag nach der Schießerei in Göteborg 90 % der EinwohnerInnen - stark beeinflusst vom schwedischen Reformismus, der alles hasst, was sich außerhalb eines "legitimen" Protests befindet -, dass sie die Polizei unterstützen und manche meinen sogar, sie hätten die DemonstrantInnen töten sollen. Was können wir daraus lernen? Die Menschen unterstützen oder dulden die Gewalt derer, mit denen sie auch politisch übereinstimmen.

Am 11. September 2000 wollte die bestimmende Kraft auf der Demonstration in Prag - INPEG - massenhaften zivilen Ungehorsam in der Art, wie er von Gandhi vertreten wurde, der von ihr angeschlossenen Gruppen durchgeführt werden sollte, durchsetzen.

INPEG hoffte, dass die meisten DemonstrantenInnen, die bereits Tage vorher anreisen, individuell in die Bildung der angeschlossenen Gruppen miteinbezogen würden und so rasch ihre "gewaltfreie direkte Aktion"-Taktiken und Ideologie erlernen und Gewaltlosigkeit annehmen würden. Dies stellte sich als Wunschtraum heraus.

Ihre kleinbürgerliche Herangehensweise stach von Anfang an ins Auge. Individualistisch, moralistisch, utopisch. Die meisten DemontrantenInnen - sogar jene, die sich selbst als AnarchistenInnen bezeichneten - kamen in Gruppen, egal ob es sich dabei um Initiativen handelte, die für Prag mobilisiert hatten oder um bereits bestehende politische oder gewerkschaftliche Organisationen.

Das Konzept der gewaltlosen direkten Aktion brach in dem Moment zusammen als klar wurde, dass es möglich oder sogar zwingend war, Polizeilinien zu durchbrechen und dass man sich den brutalen Attacken der Robocops nur durch Gewalt widersetzen kann.

Die Vorbeterei von INPEG über die Gewaltlosigkeit hielt nur die DemonstrantenInnen davon ab, sich entsprechend auf die unausweichliche Gewalt vorzubereiten. Alles, was die ganzen "führerlosen" Strukturen tatsächlich bedeuteten, war, dass die Aktionen schlecht oder gar nicht vorbereitet waren.

Die Strategie des Schwarzen Blocks auf der anderen Seite stellt sicher, dass wir von der Massen der ArbeiterInnen, die kein halb-legales Leben führen wollen, abgeschnitten werden. Der Schwarze Block verzichtet von vornherein auf das Recht auf legalen Protest. Er beachtet die meisten Demonstrationen nicht und hat für nicht völlig zerlumpte Massen oft nur Verachtung übrig.

Das entscheidende Ereignis in Seattle dagegen bestand darin, dass sich die organisierten ArbeiterInnen dem Protest anschlossen. GewerkschaftsaktivistInnen sind sich sehr wohl der Gefahren der Polizeigewalt bewusst, aber sie akzeptieren nicht, dass jede Demo in einem Straßenkampf endet.

Unser Ziel sind friedliche und legale Massendemos. Aber um diese zu ermöglichen, brauchen wir demokratisch kontrollierte Selbstverteidigungseinheiten, die sich gegen Polizeiattacken wehren und gleichzeitig einzelne Idioten davon abhalten können, der Polizei einen Vorwand zu liefern, auf die Demo loszugehen.

Sowohl die gewaltlose direkte Aktion als auch die Straßenschlachten des Schwarzen Blocks sind den Methoden der Einheitsfront, die von der revolutionären Arbeiterbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden, bei weitem unterlegen.

Im Mittelpunkt solcher Überlegungen für gemeinsame Aktionen steht die Notwendigkeit von organisierten Selbstverteidigungseinheiten, die fähig sind, eine Massendemonstration gegen Polizeiattacken zu verteidigen und unter den richtigen Bedingungen, einen Angriff auf die Hindernisse zu führen, die uns von der Staatsgewalt in den Weg gelegt werden.

Nur wenn die revolutionäre Linke das entschieden fordert und in die Praxis umsetzt, kann der störende und desorganisierende Einfluss des Anarchismus (und jener der Polizeiprovokateure) bekämpft werden. Diejenigen "RevolutionärInnen", die das ablehnen, weil es zu fortgeschritten (für das Bewusstsein der Massen) sei, werden die Bewegung nur den AnarchistInnen des Schwarzen Blocks oder den PazifistInnen ausliefern.

Diese Methoden des Kampfes und der Organisation spiegeln klar die Herangehensweise der populistischen, anarchistischen und radikal für Umweltschutz eintretenden BegründerInnen der Bewegung wider, genauso wie den Einfluss der von Gandhi vertretenen Taktik der gewaltlosen direkten Massenaktion.

Trotz all der radikalen Worte bleibt dies eine reformistische Strategie. In der Realität wird die klare Zurückweisung des "Kampfes um die Macht" gefordert, teilweise aus anarchistischen (Hände weg vom Staat: Macht korrumpiert diejenigen, die sie haben!), teilweise aus pazifistischen Vorurteilen heraus.

Trotzdem ist es kein in erster Linie auf Wahlen oder Sitze im Parlament ausgerichteter Reformismus. Anstatt die Staatsgewalt durch eine Revolution zu erobern oder den bürgerlichen Staat zu zerschlagen/abzuschaffen, wie es der revolutionäre Kommunismus aber auch der revolutionäre Anarchismus anstreben, versucht diese Strategie, die Welt, durch die Verteidigung oder den Aufbau von örtlichen Gemeinschaften, durch die Besetzung von Land und Gebäuden, von unten nach oben umzuwandeln, kurz gefasst: den Staat zu ersetzen.

Sie spricht nicht von Arbeiterkontrolle, sondern von "der Kontrolle und Macht der Menschen über sowohl die Erzeugung als auch den Verbrauch". Sie betont, dass "der kapitalistische Missbrauch der Natur beendet werden muss". Sie ruft zur "Wiederbelebung traditioneller Wissenssysteme und traditioneller Techniken, zur Stärkung traditioneller örtlicher Marktsysteme durch den Aufbau enger Verbindungen zwischen Konsumenten und Produzenten und die Gründung von Kooperativen (und der Aufbau ähnlicher Verbindungen auf internationaler Ebene)" auf. Sie erklärt, dass "es die einzig verbliebene Alternative für die Menschen ist, die direkte Demokratie wiederherzustellen", und dass "die Stärkung der Macht der Völker das Manifest dieser neuen weltweiten Verbindung der Volksbewegungen ist".

Diese Vermischung von "Dritteweltverherrlichung" in der ersten Welt, der Romantisierung der Gemeinschaften der UreinwohnerInnen und ihrer traditionellen Produktion und sozialen Systeme, von bäuerlichem und dem für die USA typischen Populismus mit dem Anarchismus (verbunden durch radikale und soziale Ökologie als Katalysator) erfordert ein hohes Ausmaß an ideologischer Verwirrung.

Zusammengefasst kann das als kleinbürgerlicher Populismus bezeichnet werden - feindlich gegenüber jeder Klassenanalyse, der Führungsrolle der Arbeiterklasse im Klassenkampf, gegenüber Parteien oder politischen Vereinigungen, die für diese Ziele kämpfen und völlig im Unklaren darüber, welche Gesellschaft den Kapitalismus ersetzen soll. Im Klartext, ihre Ideale sind unrealistisch: Antikapitalismus ohne Sozialismus und die Abschaffung des Kapitalismus ohne Revolution.

 

Reclaim the Streets

In Europa gibt es zwei Organisationen, die im Mittelpunkt der PGA stehen: Reclaim the Streets (GB) und Ya Basta (Italien). Reclaim the Streets (RTS) erreichte von Anfang an einen beachtlichen Einfluss innerhalb des radikalen Flügels der antikapitalistischen Bewegung und war einer der Mitbegründer der PGA. Der Grund dafür liegt in seiner Pionierleistung bzgl. der Taktik der direkten Aktion (u.a. Straßenpartys, Karneval, Fahrradmassendemos) und die Bereitschaft, Verbindungen mit Kräften in der Dritten Welt und kämpfenden ArbeiterInnen aufzubauen.

RTS hat seinen Ursprung im "harten" Kern der britischen "Earth first"-AktivistInnen, einer Gruppe die sich ihre Anregungen bei einer gleichnamigen Organisation in den USA holte. RTS war auch Hauptveranstalter der Ereignisse im Finanzzentrum von London am 18. Juni 1999.

Die Schlüsselfiguren von RTS sind allesamt "grüne AnarchistInnen". Ihre Taten bestehen darin, symbolisch Autos zu zertrümmern, Fahrradsymbole auf die Straßen von London zu malen, und die Autowerbungen zu sabotieren. Sie spielten eine wichtige Rolle in der Kampagne gegen den Bau der M11-Verbindungsstraße in England.

Hier nun fand eine wichtige Entwicklung statt. Diese Kampagne stellte soziale und politische Inhalte in den Vordergrund: die Verteidigung bestehender städtischer Gemeinschaften und der sozialen, nicht nur der "natürlichen" Umwelt. Zum Teil als Antwort auf diese neue Welle direkter Aktionen rund um die Straßenkampagne peitschten die Torys (britische Konservative) den "Criminal Justice and Public Order Act", ein repressives Gesetz, durch. Die Kampagne gegen dieses Gesetz nahm einen sehr breiten Charakter an und vereinigte eine Reihe von verstreuten AktivistInnen, MitarbeiterInnen der Kampagne, EsoterikerInnen, HausbesetzerInnen, VeranstalterInnen von (illegalen) Raves, JagdsaboteurInnen sowie auch die Linke und die Basis der Gewerkschaften.

Alle sahen gemeinsam ihr Recht auf Protest angegriffen und bildeten eine neue Massenbasis für Widerstand und Gegenkultur. Straßenpartys und Karneval verbanden Spott und Zurschaustellung von Staat und Unternehmen und versammelten ein Milieu, aus dem heraus große gewaltfreie und direkte Aktionen vorbereitet werden konnten. Es verband militante (tatsächlich illegale Aktivitäten) und zivilen massenhaften Ungehorsam mit etwas, das eigentlich ein Musik- und Tanzfest war. Kurz gesagt, es bedeutete viel Spaß für eine rebellische Jugend - und viele wurden dadurch politisiert.

Die letzten Jahre des Tory-Regimes (1996/97) waren durch den über ein Jahr andauernden Streik bzw. die Aussperrung der Liverpooler HafenarbeiterInnen charakterisiert. Dieser Teil der organisierten Arbeiterschaft übte einen Einfluss auf den RTS aus, vor allem durch ihre Methoden der beweglichen Streikposten und Besetzungen und die Nutzung der neuen Technologien, um ihren Kampf rund um die Welt zu verbreiten.

RTS-AktivistInnen beteiligten sich während der Zeit des Justizmordes an Ken Saro-Wiwa an Aktionen gegen Shell in Solidarität mit dem Volk der Ogoni aus dem Nigerdelta. Mit Ausnahme von Workers Power/REVOLUTION und den UnterstützerInnen von Workers Press beachtete die sozialistische extreme Linke diese Entwicklungen überhaupt nicht und überließ damit dem Anarchismus das Feld. RTS unterstützte die U-BahnarbeiterInnen und Workers Power/REVOLUTION beteiligte sich an Solidaritätsaktionen mit dem Kampf der kolumbianischen ÖlarbeiterInnen gegen BP. Der Höhepunkt der Zusammenarbeit von RTS mit der ArbeiterInnenbewegung war der zweite Marsch für soziale Gerechtigkeit im April 1997. Zur gleichen Zeit entbrannte in RTS zwischen verschiedenen anarchistischen Gruppen (der Anarchist Federation, Solidarity Federation und in einem geringeren Ausmaß in Class War) eine Auseinandersetzung über Taktik und Orientierung.

Während dieser Jahre (1997-99) wuchs auch die antikapitalistische Bewegung. Sie erlebte ebenfalls einen Differenzierungsprozess und die Entwicklung eines bedeutenden Flügels, der auf militante direkte Aktionen (im Gegensatz zu Mobilisierungen, wie sie NGOs oder Jubilee 2000 veranstalten, d.h. Mahnwachen, Orientierungsmärsche, Menschenketten usw.) orientierte. Das Programm, die Taktiken und organisatorischen Methoden waren sehr stark vom libertären Anarchismus beeinflusst. Er sah den globalen Kapitalismus und die großen Unternehmen als den Hauptfeind an. Seine Methoden des Kampfes fanden in der Massenmobilisierung junger Leute einen Schwerpunkt - was das Benutzen von Humor und Schauspiel durch AktivistInnengruppen, und darüber hinaus das Element der Überraschung, um die Polizei auszutricksen, mit einschloss.

Ihre Anregungen holten sie sich von den Pariser SituationistInnen der 1960er Jahre (u.a. Guy Debord) oder vom Libertarianismus der Amsterdamer "panic"-Bewegung der frühen 1970er Jahre (u.a. Hakim Bey). Andere AnarchistInnen fühlten sich stärker davon angezogen, Symbole der Macht der Konzerne, der Konsumgesellschaft und selbstverständlich des Staates zu zertrümmern. Diese hatten mehr mit dem "Straßenkampf"-Ansatz des US-amerikanischen schwarzen Blocks oder der deutschen "Autonomen" gemeinsam.

Es folgten Angriffe auf McDonaldsfilialen, die Börse usw. sowie die offene Verteidigung der "Gewalt gegen Eigentum". Während der "Karneval gegen den Kapitalismus" am 18. Juni 1999 im Londoner Finanzzentrum weltweite Schlagzeilen machte, war er für RTS ein Pyrrhussieg. Er markierte die Bruchstelle zwischen den pazifistischen Elementen und dem schwarzen Block.

Eine wilde Auseinandersetzung entbrannte rund um die Rolle der Gewalt. Das nahm den Streit über Taktiken in Seattle, London am 1.Mai 2000 und in Prag (wo die zwei Flügel getrennte Märsche bildeten) vorweg.

Der Eintritt der SWP (Linkswende in Österreich bzw. Linksruck in Deutschland) in die anti-kapitalistische Bewegung nach Seattle forderte ebenso eine Reaktion der stark "anti-autoritären" und "anti-marxistischen" Strömungen heraus, welche die Oberhand in RTS gewonnen hatten.

Einige der GründerInnen wechselten das Lager. Zusätzlich zwangen die Festnahmen und strengen Haftstrafen, die in den 6 Monaten nach dem 18. Juni 1999 über einige AktivistInnen (darunter auch Kuldip Bajwa von Workers Power/REVOLUTION) verhängt wurden, viele der führenden AktivistInnen in den Untergrund. Ebenso machten Anarcho-ÖkologInnen, die ihre Umweltschutzforderungen durch soziale Belange überschattet sahen, wieder ihren Einfluss gegen diejenigen, die sich der ArbeiterInnenbewegung annähern wollten, geltend.

Dieser Schwenk der innersten "Führungskreise" von RTS entspricht der Angst vor Massenbewegungen, für die sie verantwortlich gemacht werden könnten und der Angst, dass "marxistische" Organisationen, mit ihren zentralisierten Organisationsmethoden, sie sehr schnell ausspielen könnten. Aus diesem Grund fing RTS an, den Ausschluss von Workers Power/REVOLUTION und der SWP zu fordern.

Zeitweilig autonome Zonen?

PGA vertritt den Aufbau von "zeitweiligen autonomen Zonen" - Straßenpartys, "guerrilla gardens" (avantgardistische Form der Gartengestaltung) - mit deren Hilfe die Menschen die Möglichkeit erhalten, etwas zu tun oder ihr Geist angeregt werden kann.

Aber sie bleiben uns die Antwort schuldig, wie wir diese dauerhaft machen können. Die einzige Möglichkeit besteht darin, eine neue Macht gegen die Unterdrücker und Ausbeuter aufzubauen. Möglicherweise gelingt es uns, den Feind kurzfristig durch geschickte Beeinflussung anderer Kräfte vom Leib zu halten, aber wenn wir ihm Zeit und Raum geben, um sich neu zu ordnen und moralisch zu stärken, dann wird er unsere Deckung aufbrechen und zum Gegenangriff ansetzen.

Der Kampf der Zapatistas in Chiapas in Südmexiko oder die HausbesetzerInnenbewegung in Westeuropa und Nordamerika kann zu demokratischen Experimenten mit abweichenden Lebensformen und sozialen Bindungen führen. Aber sie können niemals als befreite Inseln im feindseligen Meer des Kapitalismus überleben - insbesondere, wenn sie ihre Ansprüche zurückschrauben und das Erreichte als endgültigen Zustand begreifen.

MarxistInnen weigern sich dagegen, ihre Ansprüche herunterzuschrauben. Wir sind davon überzeugt, dass die persönliche Freiheit ohne die Abschaffung der Klassen unmöglich ist. Die Klassengesellschaft spaltet und verzerrt die Persönlichkeit der Individuen. Sie zwingt uns, als Teil der einen oder anderen Klasse zu leben. Deshalb muss es unser Ziel sein, die ganze Menschheit durch den letztendlichen Sieg im Klassenkampf zu befreien. Um einen zu befreien, müssen wir alle befreien!

Der Anarchismus sieht im Klassenkampf höchstens eine Taktik und nicht die treibende Kraft der Geschichte. Das macht ihn für reformistische Lösungen anfällig. Er zielt nicht darauf ab, in Allianz mit den anderen unterdrückten Klassen einen Arbeiterstaat zu erkämpfen, weil er behauptet, das würde nur zu einer neuen Ausbeutergesellschaft führen. Deshalb ist er dazu gezwungen, sich auf das Erreichen von Autonomie innerhalb der bestehende Ordnung zu beschränken.

Wenn das bedeutet, mit der mexikanischen Regierung Abkommen zu schließen, die den multinationalen Konzernen und bürgerlichen Institutionen die Kontrolle über den Rest des Landes überlassen, so geht er diesen Handel ein. Wenn das bedeutet, in einem selbst verwalteten besetzten Sozialzentrum zu leben, während Berlusconi mitsamt seiner Bande von halben und nicht ganz so halben FaschistInnen in Italien an der Regierung ist, dann muss es so sein.

 

Ya Basta!

Die italienische Ya Basta Bewegung - neben RTS eine der Mitgründerinnen von PGA - hat ihren Ursprung in den "selbstverwalteten Sozialzentren" für junge Leute und sozial Ausgeschlossene. Ihre Mitglieder waren ebenfalls stark an der Hausbesetzerbewegung beteiligt und bauten einen Radiosender (Radio Sherwood) auf. Ya Basta wurde gegründet, nachdem italienische AktivistInnen 1996 am ersten Treffen der Zapatistas in Chiapas teilgenommen hatten. Sie setzt sich gleichzeitig zwei Ziele: die Zapatistas in ihrem Kampf zu unterstützen und die Verbreiterung des Kampfes gegen den Neoliberalismus in Europa. Sie beteiligten sich an der Demo 1998 in Amsterdam, "besetzten" einen Zug und wiederholten diese Taktik von Prag bis Nizza. 1998 gründeten sie die tute bianche (oder weißen Overalls, die ein Symbol für die Unsichtbarkeit der Menschen in den engen Grenzen eines "normalen" Lebens darstellen sollen). Sie verlangen ein "generelles Grundeinkommen und bessere Lebensbedingungen für alle".

Ya Basta und die tute bianche waren an den internationalen INPEG-Treffen, die in Prag abgehalten wurden, an der Demo vom 26. September 2000 in Prag, in Nizza, Davos, Neapel, Göteborg und Genua beteiligt. Sie entsandten eine Delegation nach Mexiko, um den Marsch der Zapatistas nach Mexiko City, Anfang 2001, zu begleiten. Ya Basta ermutigte andere in Spanien, den USA, Belgien, Finnland und Britannien Gruppen aufzubauen.

Das Neue in der Taktik von Ya Basta besteht darin, Demonstrationen mit Reihen oder Blöcken von Militanten in weißen Overalls und Schutzausrüstung (Plexiglasschilder, mit denen sie in römischen "Schildkröten"formationen marschieren, Schaumgummi und Reifenschläuche - "Rüstungen", bewegliche Hindernisse und Gasmasken) anzuführen, um Polizeiknüppel, Tränengas und Pfefferspray abzuwehren.

Diese Ausrüstung dient "nur der Verteidigung" und ihr Zweck besteht darin, aufzuzeigen, "wer mit der Gewalt beginnt" als auch das "Recht auf Selbstverteidigung" zu behaupten. Doch ihre Strategie der gewaltlosen Konfrontation mit der Polizei weist schwere Mängel auf.

Wenn die Absicht der DemonstrantInnen darin besteht, in eine Polizeisperrzone einzudringen, dann bedeutet die Anwesenheit einer Reihe von Ya Basta/tute bianche - wenn ihr gewaltloses Hin-und-Her-Geschiebe die Beseitigung der Sperre nicht erreicht -, dass sie sich, ob sie es wollen oder nicht, in ein Hindernis für die entschlosseneren DemonstrantInnen verwandeln. In der Realität werden sie zu einer zusätzlichen Polizeireihe, die diejenigen, die nicht ihre bornierte Gewaltlosigkeit teilen, davon abhält, die von ihnen gewählten Kampfformen umzusetzen.

Auf ihre Art sind sie deshalb genauso einseitig und gefährlich wie der schwarze Block und die Autonomen, die genauso einen Fetisch - nämlich gewalttätige offensive Methoden - haben, selbst wenn diese zur Provokation genutzt werden können. Tatsächlich ist der den größten Nutzen bringende wohlüberlegte Gebrauch von militanten und offensiven bzw. gewaltlosen und defensiven Taktiken und Methoden bei weitem überlegen. Aber dafür braucht man eine Führung und Befehlsstrukturen, selbst im Rahmen einer Einheitsfront. Deshalb sollte es Ya Basta nicht erlaubt werden, einer anti-kapitalistischen Demonstration ihre Taktik aufzuzwingen, und man muss klar machen, warum diese "neue Taktik" in eine Sackgasse führt. Ya Basta legte bei einem europäischen Treffen in Venedig Positionen - die wie sie behaupteten, denen des Kampfes der Zapatistas entsprechen - fest, deren Grundlage der "Kampf für ein 'soziales Europa', in dem Menschen und nicht Geld zählen" ist. Sie sagen, sie "versuchen der Isolation, der viele radikale Gruppen ausgesetzt sind, zu entkommen und sich mit der 'Zivilgesellschaft' zu verbinden".

Was man ihnen abgesehen davon zugute halten muss, ist, dass sie den Staatsrassismus und die Kriminalisierung von EinwandererInnen, einschließlich der AlbanerInnen, verurteilen. Sie waren maßgeblich an der Gründung von Razzismo Stop - eine Vereinigung für die Verteidigung der Rechte von EinwandererInnenn - beteiligt. Darüber hinaus beanspruchen sie für sich, die ADL (Vereinigung zur Verteidigung von ArbeiterInnen) aufgebaut zu haben, die auf Arbeitsplatzvereinigungen basiert und die mit einem der Cobas verbunden ist. Ya Basta arbeitet auch mit den Abgeordneten von Rifondazione communista zusammen.

Nichtsdestotrotz behaupten sie von sich, "die alten Ideologien abgelegt zu haben" und "die Ketten zum orthodoxen Marxismus" zerbrochen zu haben. Sie sagen, ideologisch seien sie "Zapatistas". Somit haben sie den Klassenbegriff und den Kampf um die Staatsgewalt aufgegeben. Sie berauschen sich eher an der Vielfalt der "Visionen", statt einem bestimmten Programm anzuhängen. Sie haben das "Konsensprinzip" angenommen, welches im Gegensatz zur demokratischen Mehrheitsentscheidung steht. Wie 'Subcommandante' Marcos sprechen sie von der Ermächtigung des Volkes und von der Untergrabung der Staatsgewalt.

 

Die internationale Arbeiterbewegung

Die Globalisierung radikalisiert nicht nur die Jugend, sondern auch GewerkschafterInnen, die begreifen, dass es angesichts weltweit agierender Kapitalisten ganz und gar nicht ausreicht, sich bei politischen Aktionen auf den eigenen Staat zu beschränken. Wichtige Teile der Gewerkschaftsbewegung sowohl in der Dritten als auch in der Ersten Welt - in der Regel BasisaktivistInnen und örtliche Gruppen - haben sich der Bewegung angeschlossen.

Aber sogar die offiziellen Führungen sind ab und zu bereit, auf die Straße zu gehen und stärkere Verbindungen mit ausländischen Gewerkschaften aufzubauen. Die US-amerikanischen United Electrical (ElektroarbeiterInnen), Radio and Machine Workers (KommunikationselektronikarbeiterInnen) verbanden sich mit der unabhängigen mexikanischen Gewerkschaft, der FAT, um ArbeiterInnen in beiden Ländern zu organisieren. Die "United Steel Workers" (StahlarbeiterInnen) bauten internationale Solidaritätsnetzwerke mit Gewerkschaften in Europa auf.

Seit der Wahl von John Sweeney zum Vorsitzenden im Jahr 1995 war sogar der AFL-CIO bereit, zumindest seinen Namen für Mobilisierungen von Prag bis Seattle herzugeben, um Druck auf die internationalen Finanzinstitutionen und die großen Konzerne auszuüben. Er unterstützte auch die Kampagne von Jubilee 2000 für die Schuldenstreichung für die am härtesten betroffenen Länder der Welt.

Natürlich basiert diese Unterstützung zu großen Teilen auf dem Protektionismus. Das ist auch der Grund für die enormen Anstrengungen, welche der AFL-CIO unternommen hat, um China aus der WTO zu halten, angeblich "wegen der Verletzung von Menschenrechten, Sweatshops und der Inhaftierung von GewerkschafterInnen". Um das durchzusetzen, waren sie bereit, sich mit rechten antikommunistischen RepublikanerInnen zusammen zu tun.

LKW-FahrerInnen waren an der Spitze der Anti-WTO-Mobilisierungen, Berühmtheit erlangte die "Teamster-Turtle"-Allianz (Vereinigung von TransportfahrerInnen und SchildkrötenschützerInnen) in Seattle. Eine Umweltschutzorganisation - Earth Island Institute - hatte 500 Meeresschildkrötenkostüme an DemonstrantInnen verteilt, weil die WTO festgestellt hatte, dass das US-Artenschutzgesetz eine Einschränkung für den Freihandel darstellt und deshalb aufgehoben werden muss.

Am ersten Tag der fünftägigen Demonstration schlossen sich Stahl- und HafenarbeiterInnen einer Demo von 2.000 jungen Leuten an. Auf einem Schild, das sie dabei hatten, war zu lesen: "Teamsters and Turtles. Together at last!" - TransportfahrerInnen und Schildkröten, endlich vereint!

Über Seattle wurde der Ausnahmezustand verhängt. Die Polizei griff friedliche DemonstrantInnen mit Tränengas, Pfefferspray, Salven von Gummigeschossen, Blendgranaten und gnadenlosen Knüppeleinsätzen an. Dennoch konnten die StraßenkämpferInnen die Stellung lange genug halten, um die WTO zu zwingen, den ersten Tag zu streichen.

Am nächsten Tag führten die FührerInnen des AFL-CIO eine 30-40.000 TeilnehmerInnen starke Demo vom Kongresszentrum weg, während die militanten DemonstrantInnen die Polizei angriffen. Bis sechs Stunden nachdem die Polizei begonnen hatte äußerste Gewalt gegen unbewaffnete DemonstrantInnen einzusetzen, wurden keine Fenster eingeschlagen. Schließlich brachen einige Kontingente von GewerkschafterInnen - vor allem Stahl-, Elektro- und HafenarbeiterInnen - vom "friedlichen" Marsch weg und schlossen sich den "RandaliererInnen" an. In Wirklichkeit war es natürlich die Polizei, die "randalierte".

Quebec im April 2001

Im April 2001 wurde in Quebec gezeigt, wie es funktionieren kann. Wahrscheinlich nahmen mehr als 80.000 Menschen an den drei Tagen militanter Akion und Demonstration teil. Ungefähr 11.000 nahmen an der direkten Aktion vom 20. April 2001 teil und 70.000 am großen Gewerkschaftsmarsch vom 21., der vom kanadischen Gewerkschaftskongress und einem Zusammenschluss von US-amerikanischen und lateinamerikanischen Gewerkschaften und darüberhinaus von bekannten Organisationen und NGOs auf die Beine gestellt wurde.

Mehrere hundert Meter eines Beton- und Stahl-Maschenzauns - "Schandmauer" genannt - wurden in drei Tagen mehrerer Angriffe niedergerissen. Tausende von Arbeitern und Arbeiterinnen verließen den offiziellen "friedlichen" Marsch, um sich an den Auseinandersetzungen rund um den Zaun, der zur Verteidigung der Konferenz aufgestellt worden war, zu beteiligen. Über 400 Leute wurden verhaftet. Augenzeugen berichteten, dass eine dichte Wolke aus Tränengas und Rauch über der Stadt hing.

Das stellte tatsächlich eine Steigerung von Seatle dar. Hier wurde eine Einheit der Kräfte von jungen anti-kapitalistischen DemonstrantenInnen und dem militantesten Teil der Arbeiterschaft in einem weit größeren Ausmaß als in Seatlle erreicht. Diese Ereignisse gaben der weltweiten Bewegung einen ungeheuren Auftrieb.

Carol Philips, die internationale Vorsitzende der CAW (Automobilarbeitergewerkschaft) sagte: "Bei den nächsten Demonstrationen werden unsere Mitglieder eine weitaus kämpferischere Antwort verlangen als den friedlichen Marsch weg vom Zaun. Wir werden uns die direkte Aktion, die nicht-gewalttätigen Methoden der Jugendbewegung anschauen und unseren Mitgliedern ein entsprechendes Training anbieten."

Quebec hat gezeigt, dass eine Zusammenarbeit von GewerkschafterInnen, der marxistischen "radikalen Linken", den AnarchistInnen des schwarzen Blocks und derjenigen, die auf gewaltfreie direkte Aktionen setzen, gegen den gemeinsamen Feind möglich ist.

Die Schlüsselaufgabe liegt darin, mehr organisierte Arbeiter und Arbeiterinnen miteinzubeziehen - ArbeiterInnen, die nicht wollen, dass die Liberalisierung des Handels dazu benutzt wird, um ihr Lohnniveau, ihre Rechte und ihre gewerkschaftlichen Organisationen zu zerschlagen. Die Antwort lautet internationale Solidarität und nicht protektionistische Abschottung oder Einwanderungsbeschränkungen in der ersten Welt.

Letztendlich fühlte sich der europäische Gewerkschaftsbund trotz der Tatsache, dass es in 12 europäischen Ländern sozialdemokratische Regierungen gibt, genötigt, 80.000 ArbeiterInnen nach Nizza zu mobilisieren, um Druck für soziale und Arbeitsrechte auszuüben. Aber sie veranstalteten die Demo einen Tag vor dem EU-Gipfel und karrten die meisten ArbeiterInnen rechtzeitig wieder aus Nizza raus, bevor am 7. Dezember 2000, dem Tag der Eröffnung, eine militante Demo mit 5.000 TeilnehmerInnen stattfand und erfolglos versuchte, den Gipfel lahm zu legen.

Warum fühlen sich die GewerkschaftsführerInnen genötigt, gewisse Maßnahmen zu ergreifen oder zumindest die zunehmende Macht der Konzerne und die Zerschlagung von Kontrollen zu verurteilen? Sicherlich wollen diese BürokratInnen ihre Mitglieder nicht in eine anti-kapitalistische Bewegung führen. Von Seattle bis Nizza versuchten sie ihr Äußerstes, um sie von der radikaleren Jugend zu trennen, die versucht hatte, die Konferenzen zu stürmen und, wenn möglich, ganz zu verhindern.

Der Grund liegt darin, dass die Globalisierung von ihren Mitgliedern als Gefahr für ihre Löhne und die Arbeitsplatzsicherheit gesehen wird. Die ganze erste Hälfte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts hindurch erklärten die Konzerne sowie ihre Medien und Regierungen, egal ob neoliberal oder sozialdemokratisch, wie aus einem Mund, dass solche Konzepte wie "Vollbeschäftigung", "Arbeitsplatzsicherheit", staatliche Altersvorsorge und "kostenlose" Gesundheitsversorgung nun der Vergangenheit angehören.

Unsicherheit und "Risiko" wurden zum unausweichlichen Wesen des modernen, globalen Kapitalismus erklärt. Der Wettbewerb um Investitionen zwang Unternehmen und den Staat dazu, die bestmöglichen Bedingungen für den Profit zu schaffen. Jegliche Besteuerung des Profits als Grundlage für Sozialleistungen musste gnadenlos gekürzt werden. "Shareholder value", der Gewinn der Anteilseigner - das Maß aller Dinge - machte es unmöglich, den Nachkriegsvertrag zwischen Kapital und Arbeit fortzusetzen. Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde das Schreckgespenst, ganze Fabriken oder Industrien nach Südostasien (oder Osteuropa) zu verlegen, dazu benutzt, die ArbeiterInnen unter Druck zu setzen.

Deshalb sind die heute weit verbreitete Angst vor und der Hass auf die Globalisierung das Ergebnis eines Jahrzehnts (oder längerer) harter Erfahrungen. Das trifft nicht nur in Nordamerika oder Westeuropa, sondern auch in den ehemals stalinistischen Ländern und den Halbkolonien, ja in allen Ländern, die den neoliberalen Anweisungen gefolgt sind und ihre staatlich beherrschten oder geschützten Volkswirtschaften geöffnet und ausverkauft haben, zu.

Kim Moody, Autor des Buches "Workers in a Lean World" kommentiert das so: "In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts reichte es aus, das Wort Globalisierung auszusprechen, um die Unterordnung vieler Gewerkschaften oder sogar ganzer Nationen unter die Bedürfnisse des Kapitals zu erreichen". In den Vereinigten Staaten sank die gewerkschaftliche Organisierung unter den ArbeiterInnen in der Privat-industrie von über 30% in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts auf 10,2% im Jahr 1996 - das entspricht der Höhe von 1930.

Aber im Laufe der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts fingen fortgeschrittenere Gewerkschaften an zu verstehen, dass diese Entwicklung aufgehalten werden muss oder sie würden allesamt von der Bildfläche verschwinden. Sie begannen, Kampagnen ins Leben zu rufen. Wegbereiter auf diesem Gebiet waren die SEIU, die Service Employees International Union und die Communication Workers of America (CAW).

Erstere fing an, mit verschiedenen Vereinigungen, Bündnisverträge über Kampag-nen abzuschließen. Aktionsgruppen, deren Aufgabe es war, Verbindungen zu örtlichen Gemeinden, StudentInnen, Kirchen, Umweltschutzgruppen usw. zu knüpfen, wurden gebildet. Schulungen für die Mitglieder wurden abgehalten und es wurden Debatten zu Fragen, die über rein gewerkschaftliche Belange hinaus gingen, geführt.

Ähnliche Entwicklungen spielten sich bei den TelekommunikationsarbeiterInnen ab. 1998 streikten ArbeiterInnen von Bell Atlantic in New York und den Neuengland-Staaten, gleichzeitig wurde bei Middle Atlantic, ebenfalls ein Teil von Bell Atlantic, und US West gestreikt, um Missstände abzustellen, die sich im Laufe von Fusionen, Neustrukturierungen, der Übernahme neuer Dienstleistungen und Kostenkürzungen eingestellt hatten.

Die Hauptgewerkschaft in diesem Bereich, CAW (400.000 Mitglieder), startete eine Reihe von Mobilisierungen und verstärkte ihre Öffentlichkeitsarbeit bereits ab Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts.

Moody bezeichnet diese Entwicklung als "Sozialbewegungs-Gewerkschaftertum". Eine der Früchte dieser neuen Verbindungen war die Anti-Sweatshop-Kampagne (Sweatshops sind Betriebe, in denen unter extremen Bedingungen der Ausbeutung gearbeitet werden muss, z.B. im Textilbereich in Ländern wie Mexiko oder in Südostasien.), die StudentInnen, GewerkschafterInnen in den USA und in der Dritten Welt, NGOs und Kirchen vereinte.

1998 konnte der AFL-CIO ein gewisses Wachstum verzeichnen - etwas über 100.000; die Gesamtmitgliedschaft wurde damit von 16.1 Millionen auf 16.2 Millionen vergrößert. Allein in Kalifornien konnten 87.000 neue Mitglieder gewonnen werden. Obwohl der gewerkschaftliche Organisierungsgrad im Vergleich mit Europa sehr gering ist, gab es Mitte bis Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts einen spürbaren Aufschwung in der Anzahl der Arbeitskämpfe. 1998 wurden in den USA mehr Arbeitstage durch Streiks verloren (über 2 Millionen) als in irgend einem anderen Jahr seit 1989.

Ein anderer wichtiger Faktor sind die Wellen von EinwandererInnen aus Süd- und Mittelamerika, die das Heer der Lohnabhängigen in den USA vergrößern und sich zunehmend im militanten Flügel der Arbeiterbewegung wiederfinden. Mittlerweile gibt es 10 Millionen lateinamerikanische LohnarbeiterInnen in den USA, die hauptsächlich in den schlecht bezahlten Industrie- und Dienstleistungssektoren tätig sind. Obwohl sie weit von den traditionellen Hochburgen der Arbeit entfernt sind, sollte man daraus nicht schließen, dass sie nicht organisiert werden können, sondern nur, dass sie nicht durch die alten bürokratischen Methoden organisiert werden können.

Die lateinamerikanischen ArbeiterInnen haben Stärken, die viele andere ArbeiterInnen seit langem nicht mehr haben. Sie haben konzentrierte und mobilisierbare Unterstützung in ihren Gemeinden. Sie haben wegen ihrer Sympathien für ihre Heimatländer im Süden ("Antiimperialismus") und ihre eher losen (wenn überhaupt) Verbindungen zu den Demokraten oder Republikanern weit weniger pro-kapitalistische und pro-imperialistische Vorurteile als die meisten ihrer US-amerikanischen KollegInnen.

Im Juni 1996 wurde in den USA schließlich die ArbeiterInnenpartei gegründet. Aber bisher hat sie die Demokraten nicht durch die Aufstellung von "unabhängigen ArbeiterInnenkandidaten" herausgefordert. Höchstwahrscheinlich würde es dafür einen massiven Zustrom von neu politisierten Militanten in den Gewerkschaften und/oder einer schweren Krise in den Beziehungen des AFL-CIO zu den DemokratInnen brauchen.

Wie auch immer, Al Gore's "Niederlage", die herausfordernde gewerkschaftsfeindliche Haltung von Bush und die Bedrohung durch die kommende Wirtschaftskrise schaffen - sollte ihre Verbindung mit dem anti-kapitalistischen Selbstverständnis der neuen Bewegung gelingen - die besten Bedingungen seit Generationen, einen tiefen Bruch zwischen den nationalen Gewerkschaften und den Demokraten zu erreichen. Aber sowohl in den USA als auch in Kanada war die Wiederbelebung der Arbeitskämpfe zu einem nicht kleinen Teil die Folge der Veränderungen durch die Auswirkungen des NAFTA Freihandelsblocks.

In Ontario, dem industriellen Zentrum von Kanada, gab es eine Art von unausgesprochenem Generalstreik - eine Million im Streik und 300.000 auf den Straßen - ein Widerstand gegen die Auswirkungen des Beitritts zur NAFTA (Antigewerkschaftsgesetze, Kürzungen in der Gesundheitsversorgung und anderer öffentlicher Leistungen). Die kanadische PostarbeiterInnengewerkschaft ist eine seit langer Zeit links dominierte Gewerkschaft und hat sich sogar People's Global Action angeschlossen.

Die Bedrohung durch die Globalisierung und die angenommene Schwächung des Nationalstaats hat sogar manche nationale Gewerkschaftsföderationen dazu bewogen, die Notwendigkeit eines neuen Internationalismus in der Gewerkschaftsbewegung zu erklären. Die darin wahrscheinlich am weitesten fortgeschrittene Gewerkschaft ist COSATU.

Diese südafrikanische Gewerkschaftsföderation fordert jetzt mehr Bemühungen für die internationale Zusammenarbeit, sie regt den Aufbau von Weltkonzernausschüssen an, die Stärkung des bereits bestehenden internationalen Handelssekretariats der ICFTU, damit dieses Verhandlungen mit transnationalen Konzerne in Bereichen wie Motoren, Öl, Lebensmittel und Pharmazie führen kann. Sie verlangt auch drittelparitätische Verhandlungen auf Welt- oder regionaler Ebene, um Arbeitsstandards wie die europäische Sozialcharta zu verallgemeinern oder Druck auf repressive Regierungen auszuüben.

All diese Ideen sind reformistisch und basieren auf den althergebrachten Grundsätzen der Klassenzusammenarbeit, aber sie zeigen die Richtung der Entwicklung an, die von militanten GewerkschafterInnen auf klassenkämpferische Art und Weise aufgegriffen werden muss.

Vom AFL-CIO bis zum COSATU halten die Gewerkschaften Konferenzen über Globalisierung ab und überlegen sich, wie sie mit multinationalen Konzernen verhandeln bzw. Druck auf diese ausüben können, um sie davon abzuhalten, die Produktion in gewerkschaftsfreie Billiglohnländer zu verlegen. Die Gewerkschaften des AFL-CIO konzentrieren sich darauf, Verbindungen mit Gewerkschaften in Mexiko, Mittel- und Südamerika aufzubauen. Der Protektionismus verliert langsam an Anziehungskraft für sie. Die Ideen der internationalen Verbindungen und sogar gemeinsames Handeln wurden durch die elektronische Kommunikation, die es einzelnen ArbeiterInnen oder auch Betriebsgruppen ermöglichte, Verbindungen aufzunehmen, ohne gezwungen zu sein, die offiziellen Wege durch die internationalen Abteilungen ihrer eigenen Gewerkschaft zu gehen, vorangetrieben. Ohne den verwirrten halb-reformistischen Ideen des "Sozialbewegungs-Gewerkschaftertums" zu erliegen oder Illusionen in das Internet als Lösung aller Probleme zu schüren - Aktionen in den Fabriken, Büros, Ämtern, Schulen und auf der Straße werden weiterhin im Vordergrund stehen -, stellt diese Veränderung hin zur gemeinsamen Aktion gegen multinationale Arbeitgeber einen immensen Fortschritt dar.

Diese Entwicklung hin zur internationalen Organisierung schafft gute Bedingungen, um die nationalen Arbeiterbewegungen, die geschrumpft sind und schwere Niederlagen hinnehmen mussten, zu erneuern. Es ist die Aufgabe von RevolutionärInnen, dieser Art von Solidarität zwischen ArbeiterInnen in Ländern, die so unterschiedlich sind wie Kolumbien, Deutschland, Russland und Indonesien, einen bewussten und kämpferischen Ausdruck zu geben.

Es kann ein gemeinsames Klasseninteresse zwischen ArbeiterInnen in imperialistischen Ländern, die versuchen, ihre Arbeitsplätze, die sie an Länder mit billiger Arbeitskraft verlieren könnten, zu retten und jenen ArbeiterInnen in Ländern mit Hungerlöhnen, brutaler Unterdrückung von GewerkschaftsaktivistInnen usw. geben. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Gewerkschaften in den imperialistischen Ländern vollständig ihre protektionistischen Losungen (Embargos, hohe Zölle usw.) fallen lassen und den ArbeiterInnen, die in den Halbkolonien und den vormals stalinistischen Ländern für Gewerkschaftsrechte und höhere Löhne kämpfen, bedingungslose finanzielle Hilfe zukommen lassen.

Nur auf dieser aktiv internationalistischen Grundlage können die Bindungen zwischen den ArbeiterInnen von unterschiedlichen Unternehmen des gleichen multinationalen Konzerns oder in ähnlichen Industrien gefestigt werden, wenn sie dazu aufgefordert werden, Streiks zu brechen oder Kämpfe gegenseitig zu behindern. Diese Verbindungen können und müssen auf der Grundlage einer Einheitsfront aufgebaut werden, nicht nur zwischen den offiziellen Gewerkschaften, sondern auch auf Betriebsebene, zwischen einfachen Basismitgliedern.

Aber um damit erfolgreich zu sein, muss diese Politik eine anti-kapitalistische Strategie zur Grundlage haben. Die Methode dafür sind aufeinander abgestimmte internationale Aktionen für Löhne und Arbeitsplätze, aber auch für Arbeiterkontrolle über die bzw. die Vergesellschaftung der multinationalen Konzerne. Das erfordert eine Ausweitung von koordinierten Taktiken, die auf die Produktionsketten und die Vermarktungssysteme der Multis abzielen.

Das erfordert die Entwicklung von Übergangsforderungen, die Forderungen nach Arbeiterkontrolle und -untersuchung sowie nach Planung durch die ArbeiterInnen, um diesen neuen Bedingungen gerecht zu werden. Um all dies zu erreichen, brauchen wir etwas Weitergehendes als Gewerkschaftertum und Basisaktivismus. Wir brauchen eine politische Kraft, die in den Gewerkschaften rund um ein revolutionäres Aktionsprogramm, das den Anforderungen der Globalisierung angepasst wurde, arbeitet und fähig ist, die Gewerkschaftsbürokratie in den Kämpfen, die bevorstehen, zu bekämpfen, zu verdrängen und letztlich zu beseitigen; kurz gefasst - eine revolutionäre internationale Partei.

Die unmittelbare Aufgabe muss sein, die anti-kapitalistische Bewegung für eine Orientierung auf die Arbeiterklasse zu gewinnen und anti-kapitalistische Ideen in die Gewerkschaften zu tragen und diese dementsprechend zu verändern.

Bolivianische ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen kämpfen gegen die Privatisierung

Bolivien befindet sich seit 1985 unter der direkten Kontrolle des IWF. Es wurde dem gesamten Programm des neoliberalen "Experiments" unterworfen, allerdings ohne Erfolg, was die Entwicklung des Landes angeht. Ganz im Gegenteil: weite Teile seiner Industrie wurden ausgelöscht. Im September 1998 erhielt es einen Kredit in Höhe von 138 Millionen US-Dollar. Die Voraussetzung dafür waren "Pläne für die vollständige Privatisierung aller verbleibenden öffentlichen Unternehmen" einschließlich der Wasserversorgung.

Im Februar 2000 genehmigte der IWF einen weiteren Kredit in Höhe von 46,1 Millionen US-Dollar in Verbindung mit einem Schuldenerlass über 1,3 Milliarden US-Dollar im Rahmen der erweiterten HIPEC-Initiative. Diese Maßnahmen sind an die strengen Auflagen gebunden, dass Bolivien "weitere Fortschritte in der Durchführung von Strukturreformen macht."

Im Dezember 1999 führte dieser "Fortschritt" in Cochabamba, der drittgrößten Stadt des Landes, zur Erhöhung der Wasserpreise um 200 %. In einer Stadt, in der das Mindesteinkommen unter 100 US-Dollar im Monat liegt, waren viele Familien von einer Erhöhung ihrer monatlichen Ausgaben um 20 US-Dollar und mehr betroffen.

Cochabambas öffentliches Wassersystem wurde an eine private Gesellschaft verkauft (Aguas del Tunari), deren Eingentümer International Water Limited ist. Es stellte sich heraus, dass der wichtigste Finanzgeber hinter dieser Wassergesellschaft die Bechtel Corporation aus San Francisco ist.

Im Januar führte ein Zusammenschluss von FabrikarbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, StudentInnen und UmweltschützerInnen, bald bekannt als La Coordinadora, massive Proteste dagegen. Nachdem die DemonstrantInnen die Stadt vier Tage lang besetzt hatten, versprach die Regierung, die Preiserhöhungen zurückzunehmen.

La Coordinadora veröffentlichte den Vertrag und die Geldgeber, die hinter dem neuen Eigentümer der Wassergesellschaft standen; sie entdeckten, dass die ausländischen Investoren der Regierung weniger als 20.000 US-Dollar für ein Wassersystem gezahlt hatten, das mehrere Millionen wert ist!

Aber im Februar erklärte die Regierung, dass sie die Versprechungen aufgrund der Bedingungen des IWF nicht einhalten könne. Mehr als 1.000 DemonstrantInnen gingen daraufhin auf die Straße und wurden von einer ähnlichen Anzahl von Bereitschaftspolizei und Soldaten konfrontiert, die sie mit Tränengas und Knüppeleinsätzen auseinandertrieben.

Über 175 Menschen wurden verletzt und zwei verloren ihr Augenlicht. Die Regierung versprach wieder, die Preise bis November einzufrieren und kündigte an, erneut Verhandlungen aufzunehmen.

Dennoch wurden die Wasserpreise nicht gesenkt. Im April gingen die DemonstrantInnen, aufgrund der leeren Versprechungen der Regierung in Wut versetzt, wieder auf die Straße. Aber diesmal wurden sie von mehr als Tausend Bauern und Bäuerinnen begleitet, die sich gegen die Privatisierung der ländlichen Wasserversorgung zur Wehr setzten.

Die DemonstrantInnen blockierten Straßen und es brach Gewalt aus, als die Polizei versuchte, die Massen auseinander zu treiben. Daraufhin wurde das Rathaus von Cochabamba gestürmt. Ein Generalstreik und Straßenblockaden legten Cochabamba - eine Stadt mit 500.000 EinwohnerInnen - lahm.

Der Präsident und ehemalige Diktator der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts erklärte den Ausnahmezustand und schränkte die bürgerlichen Rechte ein. Die AnführerInnen der Proteste wurden verhaftet und die Gummigeschosse durch scharfe Munition ersetzt. Acht Menschen wurden getötet, darunter 5 Bauern/Bäuerinnen, 2 Soldaten und ein Polizeioffizier. Das bolivianische Fernsehen zeigte einen Armeehauptmann, der in eine unbewaffnete Menge schoss. Auch in der Hauptstadt La Paz gab es auch vereinzelte Proteste, bei denen 30 Menschen verletzt und 11 StudentenInnen verhaftet wurden. In Angst und Schrecken vor einem nationalen Aufstand versetzt, entzog die Regierung dem Konzern eilig wieder die Konzession.

Jubelnd verkündeten die FührerInnen von La Coordination tausenden DemonstrantInnen den Sieg. "Wir haben einen wichtigen wirtschaftlichen Sieg erreicht", sagte der Sprecher von La Coordination, Olivera, zur begeisterten Menge. Bolivien ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie die Privatisierung gestoppt werden kann. Die ArbeiterInnen können gemeinsam mit den Massen eine mächtige Kraft aufbauen, um die Übernahmen durch die multinationalen Konzerne zu verhindern.

 

Globalisierung, Antikapitalismus und Krieg