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Wie gegen den Krieg kämpfen?

von Jürgen Roth

Millionen fragen sich "Wie kann dieser Krieg gestoppt werden?". Die Massen spüren, daß der Angriff der NATO auf Serbien und Montenegro nicht ihr Krieg ist. Daß es der Bundesregierung bisher dennoch gelungen ist, in den Meinungsumfragen große Zustimmung zum Krieg zu erhalten, hat zwei Gründe: Erstens sind bislang keine deutschen Soldaten gefallen. Zweitens haben es Regierung und NATO verstanden, ihre Kriegsoperationen so darzustellen, als würden sie die Albaner und Albanerinnen im Kosovo verteidigen.

Kriegspropaganda

Der Krieg, so wird fast täglich verkündet, würde nur gegen das Regime und den Repressionsapparat Serbiens und Montenegros geführt. Diese Lügen werden täglich selbst durch die westliche Kriegspropaganda widerlegt. Täglich sterben dutzende Zivilisten in Serbien und Montenegro, weil sich Bomben und Raketen "verirren". Im Krieg gegen Serbien und Montenegro ist jede öffentliche Einrichtung, jeder Transport- und Kommunikationsweg potentielles "Kriegsgerät". Der Krieg gegen Serbien und Montenegro ist ein Krieg gegen die Bevölkerung, zur Demoralisierung der Arbeiter und Bauern in Serbien und im Kosovo. Daher auch die Bombardements von Fabriken, Spitälern und anderen zivilen Einrichtungen wie in Novi Sad.

Die ungeheuerlichste Lüge besteht wohl darin, daß der Krieg Freiheit und Unabhängigkeit für die Kosovaren bringen soll. Seit Kriegsbeginn ist die Masse der Flüchtlinge dramatisch angestiegen. Natürlich geht die ethnische Vertreibungspolitik des reaktionären serbischen Regimes im Kosovo auf die Kappe von Milosevic. Aber es ist reine Verlogenheit, wenn Scharping, Schröder und Fischer nun behaupten, sie hätten das nicht vorausgesehen.

In Wirklichkeit hat die NATO die Vertreibung der Flüchtlinge billigend in ihren strategischen Pläne vorgesehen, da eine entwurzelte, vertriebene, von Hunger, Elend, serbischen Paramilitärs und imperialistischer Abschiebepolitik zermürbte Bevölkerung allemal leichter zu kontrollieren und in eine zukünftige "Friedensordnung" "einzubeziehen" ist als Massen, die sich mit der Waffe in der Hand nationaler Unterdrückung erwehren!

Der Bundeswehr-/NATO-Einsatz ist aber nicht nur ein Krieg nach außen. Er ist auch ein Angriff auf die arbeitende Bevölkerung in der BRD selbst. Die Angriffe auf Löhne und Arbeitsbedingungen, auf Sozialleistungen, Renten und Erziehung wurden in den letzten Jahren mit dem Argument begründet, daß es gelte, den "Standort Deutschland" zu sichern. In den nächsten Monaten und Jahren werden die Regierung und das Kapital versuchen, die Kosten für Militärinventionen, Aufrüstung, Reorganisation der Bundeswehr und Militarisierung der Gesellschaft auf uns abzuwälzen. Nicht die Herrschenden, sondern die Arbeitenden sollen für den Krieg des deutschen Imperialismus zahlen – heute vorwiegend mit Geld, morgen mit dem Leben.

Für die Niederlage des Imperialismus!

Daher müssen wir die Kriegsanstrengungen des deutschen Imperialismus mit allen Kräften zu verhindern. Die Niederlage der NATO und der Bundeswehr gegen Serbien und Montenegro würden nicht nur die bürgerliche Regierung und die herrschende Kapitalistenklasse auch in der BRD schwächen.

Niederlage kann dabei zweierlei bedeuten: Entweder werden den NATO-Truppen durch die serbische Armee so schwere Verluste beigebracht, daß sie zum Rückzug gezwungen werden – ein angesichts der militärischen Kräfteverhältnisse unwahrscheinlicher Fall.

Oder den NATO-Staaten wird die Fortführung des Krieges durch den Widerstand in den imperialistischen Ländern verunmöglicht.

Sicherlich sind wir heute davon in der BRD und anderen NATO-Staaten weit entfernt. Unmöglich ist das aber keinesfalls, wie die Geschichte wiederholt gezeigt hat. So wurde die Intervention der imperialistischen Truppen gegen die frühe Sowjetunion nicht nur durch die Rote Armee zurückgeschlagen, sondern auch durch die Aktionen der Arbeiterbewegung im Westen erheblich geschwächt, die die Verschiffung von Nachschub und Kriegsmaterial durch Streiks und Sabotageakte verhindert. So wurde der Krieg gegen Vietnam vom US-Imperialismus auch wegen der massiven Antikriegsbewegung und der Zersetzung des US-Militärs verloren.

Anders als das serbische Regime kämpften die frühe Sowjetunion und die vietnamesische Befreiungsbewegung für klare fortschrittliche Zielsetzungen. Zweifellos ist hier eine enormer Unterschied zum serbischen Regime gegeben, dessen Kriegsziele im Kosovo – die Festigung der nationalen Unterdrückung und ethnischen Säuberung – durch und durch reaktionär sind. Dieser Umstand ist es, der die Entstehung einer Bewegung gegen den Angriffskrieg der NATO auf Serbien und Montenegro erschwert.

Das drückt sich auch in der relativ geringen Teilnehmerzahl an den Demonstrationen gegen den Krieg aus. Ende April zählten die größten Aktionen gerade 15.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Die Träger der Aktionen gegen den Krieg waren bislang vor allem die PDS, serbische Immigranten und die Linke. Die große Masse der Jugend und der Arbeiterbewegung war nur zum geringen Teil in Aktionen involviert.

Doppelcharakter des Krieges

Der Krieg hat einen doppelten Charakter: einerseits ist er ein reaktionärer Angriffskrieg des Imperialismus auf Serbien und Montenegro, wo wir auf Seiten Serbiens stehen, andererseits hat er den Charakter eines gerechtfertigten nationalen Befreiungskampfes auf Seiten der Albanerinnen und Albaner.

Dem muß auch in der Bewegung gegen den Krieg Rechnung getragen werden. Wir treten daher dafür ein, daß eine solche Bewegung entlang folgender Forderungen aufgebaut wird:

1. Stopp der NATO-Angriffe! Abzug der Bundeswehr und aller NATO-Truppen aus dem Balkan! Sofortige Aufhebung aller UN-Sanktionen gegen Yugoslawien (v.a. des Wirtschaftsembargos)! Keinen Groschen, keinen Mann für diesen Krieg!

2. Selbstbestimmungsrecht für den Kosovo! Die Kosovaren müssen selbst über ihr Schicksal entscheiden können!

3. Offene Grenzen und unbefristetes Asylrecht für alle Flüchtlinge, gegen alle Abschiebungen von Immigranten!

Solche Losungen wären auch geeignet, über den bisherigen Kreis von Aktiven hinaus Gewerkschafter, betriebliche Aktivisten, Schüler und Schülerinnen zu aktivieren. Eine solche Plattform wendet sich gegen die NATO-Angriffe, ohne gleichzeitig die Vertreibung der Albanerinnen im Kosovo zu verschweigen.

Schwächen der Anti-Kriegsbewegung

Die bisherige Anti-Kriegsbewegung krankt nämlich inhaltlich an zwei Fehlern, die es zu überwinden gilt: Zum einen verhält sie sich stumm zur Frage der Unterdrückung der Kosovaren oder sympathisiert verdeckt mit dem serbischen Nationalismus. Viele Aktivisten begründen diese Haltung damit, daß man durch die Verteidigung des Selbstbestimmungsrechts der Kosovaren die imperialistischen Kriegstreiber unterstützen würde.

Diese Position ist aus zwei Gründen kurzsichtig und damit falsch. Erstens wird damit unterstellt, daß die NATO doch "irgendwie" das Selbstbestimmungsrecht der Albaner herstellen würde. Zweitens überläßt man damit den Kriegstreibern in der Regierung, in SPD, Gewerkschaften und Grünen das Argument, daß die Kriegsgegner zynisch bereit wären, einen Völkermord in Kauf zu nehmen oder zumindest "auch keine Lösung" für den Konflikt hätten.

Zum anderen hängt die Anti-Kriegsbewegung selbst vielfach illusorischen und proimperialistischen Lösungen für den Konflikt an: Weiterverhandeln, Einbeziehung Rußlands, UNO-Vermittlung, OSZE-Beobachter, Wirtschaftssanktionen, ...

All diese "Lösungsvorschläge" billigen den Verantwortlichen für die NATO-Intervention und für die ethnischen Säuberungen im Kosovo zu, weiter über die zukünftige Ordnung am Balkan zu bestimmen. Eine UN-Vermittlung bedeutet natürlich ebenso wie das Rambouillet-Diktat, daß die großen kapitalistischen Mächte unter Einbeziehung Rußlands und des serbischen Regimes die zukünftigen Einflußsphären am Balkan festlegen. Auch OSZE-Truppen sind imperialistische Truppen und dienen, wenn auch mit anderer Kräfteverteilung unter den Großmächten, zur Kontrolle des Balkans in der brüchig gewordenen "neuen Weltordnung". Und natürlich richten sich auch Wirtschaftssanktionen in erster Linie gegen die Bevölkerung und nicht gegen ein Regime.

Eine solche Änderung der Ziele würde der Anti-Kriegsbewegung erst wirklich internationalistischen und unzweideutig antiimperialistischen Charakter verleihen.

Die Arbeiterklasse muß die führende Rolle im Kampf gegen NATO und Milosevic spielen

Bekanntlich helfen die besten Ziele und Absichten nichts, wenn nicht klar ist, wie sie durchzusetzen sind. Bislang ist die Bewegung sehr stark auf die politische Linke und die PDS beschränkt. In den Gewerkschaften gibt es zwar eine Reihe von Initiativen gegen den Krieg und Protest gegen die Unterstützung der Kriegspolitik der Regierung, die DGB-Chef Schulte versprach, doch sind das bisher nur erste Schritte. Diese Demonstrationen sollen dahin gerichtet werden, wo die Kriegsmaschinerie oder die politischen Unterstützer der Krieges sitzen – vor Kasernen und andere militärische und nachrichtendienstliche Einrichtungen, vor die Parteibüros der Regierungsparteien.

Wir fordern daher alle Gewerkschaften auf, nicht nur gegen Schulte Stellung zu nehmen und seinen Abgang zu erwirken, sondern vor allem die Demonstrationen und Aktionen gegen den Krieg aktiv zu unterstützen und in den Unternehmen dafür zu mobilisieren.

Im Parlament müssen alle Gewerkschafter dazu verpflichtet werden, gegen den Krieg zu stimmen und das Bundeswehrbudget und allen anderen verdeckten und offenen Kriegsausgaben zu verweigern. Keine Unterordnung der Gewerkschaften unter die rot-grüne Staatsräson! An alle Kriegsgegner bei SPD und Grünen: Schluß mit der Parteiräson mit dem deutschen Imperialismus! Keine Unterstützung für Schröder, Scharping, Fischer! Für die sofortige Beendigung des Kriegseinsatzes ohne Wenn und Aber!

Der Kampf gegen den Krieg ist die zentrale Aufgabe der Arbeiterbewegung. Sie ist die einzige gesellschaftliche Kraft, die über die Machtmittel verfügt, den Einsatz der Bundeswehr zu stoppen, indem sie Transportwege und -mittel lahmgelegt, die Auslieferung von Rüstungsgütern verhindert und streikt. Massenstreik bis zum Stopp der Angriffe und dem Abzug aller Bundeswehrtruppen!

Dieser Kampf muß mit Agitation gegenüber den Rekruten und einfachen Soldaten in der Bundeswehr verbunden werden. Nein zum Einsatz gegen Serbien/Montenegro! Verweigerung der Einsatzbefehle, Be- und Verhinderung der Kriegsanstrengung mit allen Mitteln einschließlich der Sabotage!

Der Krieg ist nicht nur eine Angelegenheit von Regierung und Armee. Hinter beiden stehen das Kapital und seine Profitinteressen. Entschädigungslose Enteignung der Rüstungsindustrie und Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle!

So kann der Krieg der Bundeswehr gegen Serbien und Montenegro in einen Krieg gegen Militarismus und bürgerliche Herrschaft umgewandelt werden.