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Macht macht Wissen

Neue Internationale Sonderausgabe Universität, Nr. 1, Mai 2014

Heute schon genug Studienpunkte gesammelt? Schon in einem überfüllten Seminarraum gesessen oder die interessante Veranstaltung sausen lassen, weil du arbeiten musstest?

Und hat dir schon jemand auf die Schulter geklopft und gesagt „Hey, jammer nicht rum, so ist das eben, da müssen wir alle durch.“?

Als wir jünger waren, haben wir uns damit auch nicht abgefunden. Da war es kein Argument, dass manche Dinge einfach so sind - aber irgendwie scheinen das einige von uns in den letzten Jahren verlernt zu haben. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Universität ein listigerer Argumentationsgegner ist, als es unsere Eltern damals waren. Die alltäglichen Probleme, die uns betreffen, werden als Nebeneffekt von etwas ganz Tollem verkauft: dem Zugang zu Bildung, zu einer elitären, privilegierten Schicht, die es geschafft hat, studieren zu dürfen. Da solle man sich doch nicht so anstellen.

In Wahrheit sind wir aber noch lange keine Elite mehr, nur weil wir lange Texte lesen und schreiben können. In Wahrheit hatten wir ziemlich viel Glück, in gesellschaftlichen Verhältnissen aufwachsen zu können, die es uns ermöglichen, 12 oder 13 Jahre in die Schule zu gehen und dann meistens ein Fach studieren zu können, das uns interessiert. Wir haben Glück gehabt, dass unsere familiären Verhältnisse es zugelassen haben, dass die meisten von uns während der Schulzeit nicht arbeiten mussten.

Die Uni in ihrer jetzigen Form erscheint als riesiges, undurchschaubares Konstrukt, das für wenige von uns echte Chancen auf einen gut bezahlten, interessanten und lebenserfüllenden Job bietet. Für viele ist es eine Mühle, die sich unendlich lange dreht und dabei das Interesse und den Spaß an der Entwicklung eigener Ideen zermahlt. Die Bachelor-Master-Studienordnungen lassen kaum noch Platz, um sich auf etwas zu spezialisieren, um mehr als nur eine interessante Vorlesung zu besuchen oder um konkrete Berufsideen zu entwickeln und Erfahrungen zu sammeln.

„Wissenschaft“ bedeutet, viele Fußnoten anzuführen, andere AutorInnen zu zitieren und den aktuellen Diskurs zu kennen. V.a. in den Geisteswissenschaften wird vom Selberdenken abgeraten - weil neue Gedanken etwas Gefährliches in sich bergen?! Vielleicht tun sie das. Aber ist es der richtige Weg, genau diesen Wünschen der AkadamikerInnen zu entsprechen, welche die Uni als einen Ort gestalten wollen, der Wissen nur nach ganz genauen Vorgaben produziert? Wollen wir uns lenken lassen von einem Apparat, der so undemokratisch handelt, dass wir nicht einmal wissen, wer eigentlich für solche Dinge wie die Fakultätsreform verantwortlich ist, unter der wir im Endeffekt leiden müssen?

Wissenschaft als Apparat

Jede/r kann sich erinnern wie es war, neu an der Uni zu sein. So viele Abkürzungen und Zuständigkeitsbereiche, mit denen man auf einmal konfrontiert war, seitenlange Studienordnungen, die eigentlich helfen sollen, aber total verwirrend geschrieben sind. Und  immer ein Gedanke im Hinterkopf: „Oje, ich versteh das alles nicht, ist studieren jetzt schon so kompliziert?“

Kommen wir also zurück zur Anfangsfrage: Warum nehmen wir das alles einfach hin? Wieso beißen wir so oft die Zähne zusammen, obwohl uns das eigentlich ankotzt?

Vielleicht weil wir im Trott gefangen sind. Was wäre die Alternative? Studium schmeißen und MusikerIn werden? Wir brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben, dass wir studieren, dass wir dieses Privileg haben, denn es ist durchaus positiv, dass wir ein paar Jahre Zeit haben in unserem Leben, uns mit Dingen zu beschäftigen, die uns Spaß machen. Wir sollten aber nicht naiv sein und glauben, dass das Studium der Schlüssel zum Glück und zum Erfolg ist. Wir müssen anfangen darüber zu sprechen, was hier alle schief läuft!

Demokratie?

Wieso darf ein einziger Universitäts-präsident über die Köpfe von zehntausenden Studierenden hinweg entscheiden, wie die Uni strukturiert wird? Wieso müssen wir erst eine Vollversammlung einberufen, in einem Raum, in den nicht mal ein Zehntel aller Studierenden reinpasst, um uns selbst darüber zu informieren, was hinter unseren Rücken geschieht? Wieso werden Diplomstudiengänge gestrichen, bevor die Leute fertig sind mit ihrem Studium? Wieso müssen wir Studienpunkte in Modulen sammeln, in denen es nicht genügend Plätze für alle Studierenden gibt? Wieso gibt es nicht für alle Studierenden Bafög? Wieso müssen so viele von uns nebenbei arbeiten und haben nicht genügend Zeit, vernünftig zu studieren?

Die Universität ist ein Ort, an dem einerseits ganz intensiv über die Gesellschaft und ihre Entwicklung geforscht wird und andererseits jeder mit seinen Problemen allein gelassen wird. Aber das, was uns tagtäglich das Leben schwer macht, sind keine Probleme von Individuen, sondern sie betreffen uns alle. Durch akademische Richtlinien und Sprachvorgaben wird die Wissenschaft vom Alltag entfremdet, obwohl sie doch eigentlich dazu dienen sollte, diesen zu verbessern.

Einige Dinge sind viel weniger abstrakt, als sie uns verkauft werden. Aber Wissen ist am Ende immer noch Macht. Nehmen wir uns die Macht, unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen!

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Nr. 1, April/Mai 2014

*  Macht macht Wissen
*  Kapitalismus und Universität
*  Lesekreis: Kapitalismus, Rassismus, Patriarchat abschaffen - war wie?