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EU-Wahlen

Keine Stimme für Schröders SPD!

Martin Suchanek, Neue Internationale 91, Juni 2004

Wenn Wahlen von Regierungsparteien totgeschwiegen werden könnten, würde das wohl mit der Wahl zum Europäischen Parlament passieren.

Allem offiziellen Wehklagen über geringe Beteiligungen zum Trotz - die meisten Regierungsparteien in der EU sind über die vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit, die der laufende Wahlkampf erfährt, nicht unglücklich. Wenn man die Wahlen schon (wieder) verliert, so soll das wenigstens möglichst niemand merken.

Kein Wunder also, dass der Wahlkampf der SPD sparsam ausfällt. Das verhindert zwar keine Pannen. Auf schlecht sichtbaren Plakate, die vor allem für die "Friedensmacht" deutscher Imperialismus werben, lässt sich das SPD-Logo wohlweislich kaum erkennen.

Das schwache Interesse für die Europa-Wahlen wird durch die relative Machtlosigkeit des europäischen Parlaments noch begünstigt. Die EU ist eben kein imperialistischer Großstaat. Sie ist noch nicht vollständig unter deutscher und französischer Hegemonie geeinigt - dementsprechend machtlos ist auch das europäischer Parlament. In den EU-Gremien haben der Rat der Minister und die Kommission das Sagen - und in diesen wiederum die großen imperialistischen Mächte.

Bruch mit der SPD!

Dass die EU-Wahlen von der SPD möglichst aus der Öffentlichkeit verbannt werden, hat aber vor allem einen Grund: eine weitere, allzu auffällige Wahlniederlage, die als Abstimmung gegen die Agenda des Kanzlers ausgelegt wird, möchte sich die SPD ersparen. Wenn schon verlieren, so möglichst unbemerkt.

Die SPD, die Partei, die praktisch seit dem Zweiten Weltkrieg ein politisches Monopol über die organisierte (west)deutsche Arbeiterbewegung innehatte (und dieses v.a. über die Gewerkschaftsbürokratie exekutierte), führt als Regierungspartei einen einschneidenden Generalangriff auf die Klasse durch, wie er vorher von Kohl nicht bewerkstelligt wurde.

Kein Stein des Sozialstaatsgebäudes soll auf dem anderen bleiben. Jahrzehntelang erkämpfte Errungenschaften der Klasse, ihr zugestandene soziale Sicherungsleistungen sollen zerschlagen werden oder künftig nur noch den "leistungswilligen" Armen zugestanden werden.

Jeden Monat startet eine neue Angriffswelle: Hartz-Gesetze I-IV, Rürup, Agenda 2010, drohende Massenentlassungen, drastische Lohnsenkungen, weitere Privatisierungen, Arbeitszeitverlängerung ...

Dem Kapital geht es heute ums Ganze. Der Generalangriff auf die Arbeiterklasse wird nicht, wie noch in der Kohl-Ära oder in der ersten Legislaturperiode Schröders vorbereitet - er läuft. Dass er unter einer CDU/CSU/FPD-Regierung noch heftiger ausfallen würde, ist kein Trost, sondern vor allem Resultat der Politik der Gewerkschaftsführungen, die bestenfalls halbherzigen "Widerstand" proklamierten und zudem vorher noch in diversen "Reformkommissionen" an den Angriffen sozialpartnerschaftlich mitwirkten.

Nur die Politik der Gewerkschaftsführungen ersparte der SPD noch größeren Unmut der Basis und vor allem eine kämpferische Massenbewegung gegen die Agenda. Sie bremste und zögerte, wo sie konnte - unter dem nimmermüden Verweis auf die noch "größeren" Übel Stoiber, Koch, Merz und Merkel. So sorgten sie dafür, dass das vorgeblich kleinere Übel Schröder bislang doch irgendwie geschluckt wurde.

Trotzdem ist ein Trend unverkennbar: Millionen wenden sich von der SPD ab! Das drückt sich nicht nur in massiven Mitgliederverlusten und in einer Reihe von Wahldebakeln aus - das zeigt sich nicht zuletzt im Bruch eines Teils der Gewerkschaften, geführt von einen links-reformistischen Flügel der Bürokratie zur Formierung einer "Wahlalternative" und einer neuen politischen Partei.

In der Abwendung von Millionen drücken sich zwar auch eine gewisse Unklarheit und Perspektivlosigkeit und auch Resignation aus. Es zeigt sich darin aber auch der Wille zum Widerstand gegen die Agenda 2010, gegen den Generalangriff von Regierung und Kapital.

Wahltaktik

Die EU-Wahl ist zweifellos ein untergeordnetes Moment, wenn es um die Entwicklung von Widerstand geht. Trotzdem ist es korrekt und notwendig, die Ablehnung der Agenda, die Ablehnung der neuen Aufrüstungspolitik auch bei dieser Wahl zum Ausdruck zu bringen. Deshalb: Keine Stimme für die SPD bei den Europawahlen!

Dass die offenen Parteien des Kapitals - von CDU/CSU, FPD bis zu den Grünen und selbstredend die Rechtsextremen sowie diverse klassen"neutrale" populistische Formationen wie "Die Grauen" nicht wählbar sind, ist klar.

Etwas anders verhält es sich mit der PDS. In Wahlkreisen, wo sie trotz ihrer Politik nach wie vor Massenanhang unter den Lohnabhängigen hat und die Lohnabhängigen so ihre Ablehnung der SPD-Politik zum Ausdruck bringen wollen, geben wir ihr kritische Unterstützung.

Wie das Beispiel Berliner Senat oder die Mecklenburger Landesregierung aber zeigen, ist die Politik der PDS nicht grundsätzlich besser - aber eine Stimme für die PDS ist im Kontext der Europawahlen eine Stimme gegen die Agenda. Immerhin war die PDS bei den großen Mobilisierungen gegen die Agenda beteiligt, auch wenn sie dabei nicht die Rolle einer politischen Vorhut der Bewegung gespielt hat.

Die Wahl der PDS muss damit verbunden werden, Forderungen an sie und ihre Gliederungen wie SOLID zu stellen: Raus der aus den Landesregierungen! Unterstützung des Widerstandes gegen Agenda 2010 und Militarisierung!

Eine Stimmabgabe für die PDS zur Europawahl wäre ein deutliches Signal gegen die SPD und den von ihr forcierten Sozialabbau. Ein erfolgreicher Kampf jedoch braucht mehr als eine Wahl, und er braucht eine andere Partei als die PDS.

Mobilisierung für den Abwehrkampf

Entscheidend ist freilich nicht die Wahl dieser oder jener Partei. Entscheidend ist die Mobilisierung gegen die Agenda des Kapitals, ist der Aufbau einer politischen Alternative zu Rot-Grün. Die EU-Wahlen verdeutlichen, dass es derzeit nicht nur um einen Angriff in Deutschland, sondern um ganz ähnlich gelagerte Generalangriffe in praktisch allen europäischen Ländern geht.

Um diese Attacke abwehren zu können, brauchen wir in den Gewerkschaften, in den Betrieben, in der Bewegung gegen Sozialabbau einen Strategiewechsel. Gegen den Generalangriff hilft nur verallgemeinerte Gegenwehr: ein Generalstreik. Im Grunde ist allen klar, dass die Agenda und die anderen Attacken nicht "wegdemonstriert" werden können.

Die Angriffe auf den Öffentlichen Dienst oder in der Großindustrie müssen durch unbefristete Streiks bekämpft werden. Sie müssen der Ausgangspunkt für eine Verallgemeinerung dieser Kämpfe sein.

Diese Verallgemeinerung ist gerade deshalb so wichtig, weil Unternehmer und Staat sektoralen Widerstand mit allen Mittel bekämpfen werden - um ein Exempel zu statuieren und den anderen Teilen der Arbeiterklasse und dem Millionenheer der Erwerbslosen zu signalisieren, dass Widerstand zwecklos ist. Ohne Solidarisierung durch andere Sektoren der Klasse besteht die Gefahr, dass dadurch die kämpfenden Schichten Mürbe gemacht, der Repression durch Polizei und Gerichte ausgesetzt und von der bürgerlichen Presse isoliert werden.

Ein Generalstreik kann nur als Aktion verschiedener politischer und ideologischer Kräfte, als Einheitsfront zustande kommen. Ohne die reformistischen Arbeitermassen und die reformistischen Funktionäre wird es ihn in der aktuellen Lage nicht geben. Daher ist es unabdingbar, für diese Forderungen und jeden Teilschritt organisiert in den Gewerkschaften zu kämpfen. Wir wollen die Einheit in der Aktion, eine Einheitsfront im Kampf für überprüfbare Ziele - keine nebelhaften Formeln.

Wir dürfen uns nicht darauf beschränken, die Generalstreik-Forderung an die GewerkschaftsführerInnen zu stellen. Sie muss v.a. unter den Massen popularisiert werden. V.a. aber müssen wir verdeutlichen, wie die Avantgarde der Klasse effiziente Kampfstrukturen aufbauen oder existierende nutzen kann, um einen solchen Kampf vorzubereiten, zu erzwingen und im Verlauf des Kampfes kontrollieren kann - notfalls gegen die Bürokratie oder Teile davon.

Das erfordert zuerst, dass in den gewerkschaftlichen Gremien, in der Gewerkschaftslinken, in den Betrieben und Vertrauensleutekörpern diese Forderung erhoben wird. Es bedeutet, dass die Sozialbündnisse, Foren, Aktionsbündnisse usw. organisierten Druck für diese Forderung ausüben, sich mit betrieblichen Strukturen verbinden und lokale Bündnisse initiieren, die z.B. Erwerbslose oder Studierende einbinden.

Der Kampf für den und die Organisierung des Generalstreiks muss einhergehen mit dem Kampf für eine klassenkämpferische Basisbewegung - eine organisierten Opposition gegen die Gewerkschaftsbürokratie.

Ein Generalstreik wirft natürlich die Machtfrage auf. Aber er beantwortet sie nicht. Unsere Losung muss in diesem Fall die einer Arbeiterregierung sein, die sich auf die Organe des Generalstreiks (Streikkomitees, Bündnisse usw.) stützt und diese zu Rätestrukturen ausbaut und verbindet.

Neue Arbeiterpartei

Die Fragen der Organisierung des Abwehrkampfes, des Generalstreiks und die dadurch aufgeworfene Machtfrage sind eng mit der Frage einer neuen Arbeiterpartei verbunden. Sie zeigen, warum wir sie brauchen - aber auch, welche Politik eine solche Partei praktizieren muss, wenn sie den kommenden Aufgaben gerecht werden will.

Nur so kann sie führend im Kampf gegen den Generalangriff, in der Vorbereitung und Organisierung des Generalstreiks eingreifen. Das erfordert nicht nur ihre Verankerung in der Arbeiterklasse, in den Betrieben und Stadtteilen - es erfordert vor allem, dass sie eine Strategie zur revolutionären Machtergreifung haben muss.

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Nr. 91, Juni 2004

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