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Koalitionsvertrag

Neuer Vorstoß zur “Tarifeinheit”

Helga Müller, Neue Internationale 185, Dezember 2013/Januar 2014

Schon 2010 hatten der DGB und der Unternehmerverband BDA einen gemeinsamen Vorstoß zur „Tarifeinheit“ unternommen.

Durch sie sollte gesetzlich festgelegt werden, dass in Betrieben, in denen mehrere Tarifverträge existieren, jener Tarifvertrag gelten soll, der von der Mehrheitsgewerkschaft abgeschlossen wurde. D.h. nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft, die in einem Betrieb die meisten Mitglieder hat, sollte gelten. Es sollte dann während der Laufzeit dieses Tarifvertrages für alle in einem Betrieb existierenden Gewerkschaften Friedenspflicht gelten, d.h. auch die anderen Gewerkschaften, die in einem Betrieb existieren, waren an diese Friedenspflicht gebunden und konnten, solange dieser Tarifvertrag gilt, nicht zu Arbeitskampfmaßnahmen wie Streiks aufrufen.

Begründet wurde dies von DGB-Chef Michael Sommer auf einer Pressekonferenz damit, dass sich das bundesdeutsche Tarifmodell als Stabilitätsanker für beide Seiten gerade während der Krise bewährt habe: „Die Gewerkschaften und die Arbeitgebervertreter übernehmen Verantwortung in der Krise. Sie arbeiten zusammen, wo dies möglich und nötig ist.“ (Pressekonferenz Michael Sommer, 4. Juni 2010).

Das erwünschte Ziel für die Spitzen der DGB-Gewerkschaften bestand darin, dass kleinere Gewerkschaften wie z.B. die GdL, cockpit u.a., die oft mit kämpferischeren und höheren Forderungen für ihre Klientel in Tarifkämpfe gingen, in ihrem Streikrecht eingeschränkt werden sollten.

Nachdem dies durch eine Pressekonferenz von Michael Sommer auch an die Gewerkschaftsöffentlichkeit drang, entwickelte sich v.a. innerhalb von ver.di Widerstand dagegen, da gerade sie in verschiedenen Berufsgruppen wie z.B. bei den JournalistInnen dann zur Minderheitsgewerkschaft geworden wäre. Verschiedenste Gremien wandten sich gegen diese Initiative mit dem korrekten Einwand, dass dies ein Angriff auf das Streikrecht im Allgemeinen darstellt. Aber auch außerhalb von Gewerkschaftsgremien ergriffen verschieden Arbeitsrechtler,  kleinere Gewerkschaften und die „Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken“ (IVG) eine gemeinsame Initiative gegen diese Einschränkung des Streikrechts.

Nur verschoben

2011 wurde dann - nachdem sich ver.di-Chef Bsirske aufgrund des Widerstands innerhalb seiner Organisation kurz vor dem ver.di-Gewerkschaftstag aus dieser Initiative zurückgezogen hatte - dieser Vorstoß eingestampft - aber nicht aufgehoben. IG-Metall Chef Huber erklärte dann auch kurz nach dem Ausstieg, dass er diese Initiative nach wie vor für richtig halte.

Dass dies nur ein Aufschub war und auch die Unternehmer weiterhin an dieser Regelung, d.h.an einer Einschränkung des Streikrechts, Interesse haben, zeigen diverse Verlautbarungen des Metallarbeitgeberverbandes zur Tarifeinheit bereits während des Wahlkampfs. Deren Ansicht  schlägt sich nun auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD nieder. Hier heißt es dazu unter der Überschrift: "Tarifeinheit gesetzlich regeln“: „Um den Koalitions- und Tarifpluralismus in geordnete Bahnen zu lenken, wollen wir den Grundsatz der Tarifeinheit nach dem betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip unter Einbindung der Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gesetzlich festschreiben. Durch flankierende Verfahrensregelungen wird verfassungsrechtlich gebotenen Belangen Rechnung getragen."

Allen aktiven GewerkschafterInnen - ob in ver.di, IG-Metall oder IG BCE - muss klar sein, dass dieser erneute Vorstoß kein Zufall ist. Erleben wir nicht Tag für Tag in unseren Betrieben, in den gerade stattfindenden Tarifauseinandersetzungen, dass die Unternehmer versuchen, ihre Krise auf dem Rücken der Belegschaft auszutragen: mit Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, Lohnverzicht und Arbeitsplatzabbau. Nur, wenn eine Belegschaft die Möglichkeit hat, alle Mittel ohne Vorbedingungen - eben auch das Mittel des Streiks, egal in welcher Gewerkschaft organisiert - einzusetzen, kann sie sich gegen diese erneuten Angriffe von Seiten der Unternehmer verteidigen.

Wir rufen alle aktiven Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter auf, diesen erneuten Versuch zur Einschränkung des Streikrechts in den Gewerkschaftsgremien zur Diskussion zu stellen und dafür einzutreten, dass die Gewerkschaftsgremien den Bundesvorstand darauf verpflichten, keine erneuten Verhandlungen mit der Regierung und den Unternehmern zur Regelung der Tarifeinheit aufzunehmen!

Darüber hinaus ist es aber auch notwendig, dass - wie 2011 - über die Grenzen der Gewerkschaften hinweg, eine gemeinsame Initiative gegen diesen Angriff auf das Streikrecht zu ergreifen. In Kassel soll es dazu ein erstes bundesweites Treffen geben.

Bundesweites Vernetzungstreffen „Hände weg vom Streikrecht!“

Sonntag, 26. Januar 2014 in Kassel, Uhrzeit und Ort werden ab Mitte Dezember im Labournet veröffentlicht unter:

www.labournet.de/GewLinke

https://www.facebook.com/HaendeWegvomStreikrecht

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Nr. 185, Dez. 13/Jan. 14
*  Lage nach den Wahlen: Was tun gegen die Große Koalition?
*  Koalitionsvertrag: Neuer Vorstoß zur "Tarifeinheit"
*  Konferenz der Gewerkschaftslinken: Mühsame Schritte
*  Niederlage bei Norgren: Sozialplan vereinbart, Streik ausverkauft
*  Einzelhandelsabschluss in Baden-Württemberg: ver.di rettet den Weihnachtsprofit
*  Blockupy 2014: Blockade und Selbstblockade
*  Neue Anti-kapitalistische Organisation: Jahr der Bewährung
*  China: Reform und Repression
*  Krise in Thailand: Pseudodemokraten greifen nach der Macht
*  Massenproteste in der Bretagne: Vorbote neuer Kämpfe
*  Luxemburg/Liebknecht-Ehrung: In wessen Spuren?