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Abschiebung der Roma in Frankreich

Alltäglicher Rassismus in der EU

Theo Tiger, Neue Internationale 153, Oktober 2010

Die Abschiebungen von Roma aus Frankreich hat hohe Wellen in der EU geschlagen. EU-Kommissarin Viviane Reding hatte die Deportationen mit Ereignissen aus der NS-Zeit verglichen und damit den französischen Präsidenten Sarkozy in die Ecke gerückt, in die er auch gehört: in die Ecke der Rassisten. Postwendend musste sie sich dafür aber entschuldigen, „Frankreich“ war empört und griff die gesamte EU-Kommission an.

An diesem Vorgang können wir auch sehen, wie „eigenständig“ oder „unabhängig“ die EU-Kommission ist. Wenn sie sich mit einer EU-Zentralmacht anlegt, ist sie machtlos und muss klein beigeben.

Mit der Deportation von ca. 200 Roma im August/September soll aber noch nicht Schluss sein. Lt. Plänen des französischen Innenminister Hortefeux sollen alle Roma mit einem ausländischen Pass abgeschoben werden, dies betrifft in Frankreich etwa 15.000 Roma. Bislang hatte Frankreich den Roma Prämien für eine „Rückkehr“ angeboten, pro Erwachsenen 300 € und pro Kind 100€ bekamen Roma, wenn sie freiwillig Frankreich verließen.

Warum die Räumungen?

Doch jetzt werden „illegale“ Siedlungen geräumt und eine rassistische Kampagne rollt durchs Land. Was war der Auslöser?

Wie auch schon bei anderen gewalttätigen Unruhen in Frankreich in den letzten Jahren war auch jetzt die Polizei der Auslöser. In der mittelfranzösischen Gemeinde Saint-Aignan tötete die Polizei einen jugen Roma. Die Umstände sind noch unklar, wie meist, wenn die Polizei Menschen hinrichtet. Daraufhin entlud sich die Wut von ca. 50 Roma an der örtlichen Polizeistation, das Gebäude wurde demoliert und einige Autos in Brand gesteckt.

Seitdem übertreffen sich Sarkozy und Hortefeux in martialischen Reden gegen Kriminalität und „Illegale“, wobei besonders der Vorwurf der Illegalität absurd ist. Es gehört zu der langen Geschichte der Roma und Sinti, dass viele von ihnen keine feste Staatsbürgerschaft haben, aber meist Tschechien, der Slowakei, Rumänien, Bulgarien oder Ungarn zugeordnet werden. Diese Staaten sind alle EU-Staaten (Bulgarien und Rumänien seit 2007), daher gilt auch für deren Staatsbürger die Reisefreiheit und Freizügigkeit innerhalb der EU.

Diese „Freizügigkeit“ soll aber nun eingeschränkt werden. Lt. EU-Kommissionspräsident Barroso ist „die Behauptung, das Recht auf Freizügigkeit gelte unbegrenzt, (...) falsch.“ Damit wird auch festgehalten, dass die Freizügigkeit natürlich nur für gut verdienende und ausgebildete Arbeitskräfte gilt, aber nicht für Roma und Sinti!

Diese Diskussion ähnelt stark den Beschränkungen, welche Deutschland und Österreich beim EU-Beitritt von Polen, Tschechien und Ungarn aushandelten. Damals wurde die Freizügigkeit für ArbeiterInnen aus diesen Staaten für 7 Jahre eingeschränkt. Gegenüber den Roma und Sinti wird nun eine ähnliche Beschränkung diskutiert. So wird nach rassistischen Maßstäben die „Freizügigkeit“ in der EU neu geregelt.

Die EU, die sich immer gern als Hort von Freiheit und Menschenrechten darstellt, zeigt hier ihr wahres Gesicht - Deportationen, Sammellager und rassistische Hetze: auch das ist die Realität in der EU!

Roma und Sinti - eine Geschichte der Verfolgung

Roma und Sinti gehören, zusammen mit den europäischen Juden, zu denen, die am meisten verfolgt wurden, die immer rassistischer Hetze ausgesetzt waren und stets als Sündenböcke missbraucht wurden. So finden heute Pogrome in Ungarn und der Slowakei statt, werden Roma und Sinti in Italien in Auffanglager gesteckt und in Frankreich deportiert. In Ungarn und der Slowakei sprechen die dortigen Rassisten am deutlichsten aus, was jetzt auch in Westeuropa Regierungspolitik geworden ist: ihrer Meinung nach soll den Roma und Sinti jede Form sozialer Unterstützung gestrichen werden. In der Slowakei gab es schon groß angelegte Sterilisationsmaßnahmen für Frauen.

Die rassistische Meinungsmache behauptet, dass Roma und Sinti nur auf Kosten der Nation leben würden, dass sie nur klauen und zu viele Kinder bekommen würden und dass dies nicht gut wäre für die „einheimische“ Nation.

Tatsächlich werden die Roma vertrieben, leben oft in ghettoartigen Siedlungen, erhalten keine Jobs und sind ständig von Pogromen bedroht. Die rassistischen Kampagnen machen aus Opfern Täter!

Diese Hetze ist klassisch im verwesenden Imperialismus, dessen Zeuge wir derzeit sind. Während den Finanzmärkten und der Bourgeoisie Milliarden und Billionen hinterher geschmissen werden, sind die herrschende Klasse und ihr Staat eifrig dabei, die Unterdrückten zu spalten und gegeneinander aufzuwiegeln. Sei es die Hetze gegen den Islam oder die Politik der Deportationen -  der bürgerliche Staat bedient sich wieder des Rassismus, um die ArbeiterInnenklasse zu spalten.

In mehreren Staaten sitzen Faschisten und Rechtspopulisten in Parlamenten und Regierungen und wenn nicht sie, so sind es eben die „Volksparteien“ konservativer oder reformistischer Coleur, welche die rassistische Politik umsetzen.

In den Niederlanden gewinnt der Rassist Wildes 20% der Stimmen, in Deutschland bringt der Sozialdemokrat Sarrazin seine Hetzschrift gegen den Islam in Millionen-Auflage auf den Markt.

Die Hetze gegen Griechenland, die Hetze gegen Hartz IV-EmpfängerInnen und jetzt die Deportationen in Frankreich - all dieses Spaltungsversuche müssen wir gemeinsam bekämpfen!

Solidarität mit den Roma und Sinti in Europa!

Massendemonstrationen und Solidariätsaktionen gegen die Abschiebungen! Für Verteidigungskomitees gegen die Deportationen! Die Polizei darf unsere Brüder und Schwestern nicht bekommen!

Kämpfen wir gemeinsam mit den Gewerkschaften gegen diese rassistische Politik, zwingen wir die Gewerkschaftsführungen zum gemeinsamen Kampf gegen die soziale Spaltung!

Macht den Kampf gegen den Rassismus zum Kampf gegen den Kapitalismus!

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Nr. 153, Okt. 2010
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