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Klimakonferenz Kopenhagen

Sozialismus oder Klimakatastrophe!

Markus Lehner, Neue Internationale 145, Dezember 2009/Januar 2010

Beim Thema Klimawandel ist der Widerspruch zwischen dem Zwang zum globalen Handeln für das Überleben der Menschheit und der Blockade eben dieses Handelns durch den herrschenden Kapitalismus besonders krass. Dies umsomehr, als sogar der durch Lobbyinteressen jahrelang beeinflusste Weltklimarat, der noch  in seinem 4. Sachstandsbericht zum Klimawandel aus dem Jahr 2007 in seinen Analysen, Prognosen und Aufzeigen von minimalen Gegenmaßnahmen ausging, diesmal die Dramatik der Situation nicht mehr verschleiern konnte. Nachdem die 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll-Phase so gut wie keine Trendwende bewirkt haben wird, wäre es von entscheidender Bedeutung, bis 2020 zu einschneidenden Veränderungen bei den globalen Treibhausgasemissionen zu kommen. Doch an dieser Aufgabe ist die Konferenz in Kopenhagen schon im Vorfeld kläglich gescheitert.

n diesem Jahr erreicht die Konzentration von CO2 den Rekordwert von 386 ppm (ppm = ein Millionstel Liter pro Kubikmeter). Während der letzten 10.000 Jahre bis etwa um 1850 stieg die CO2 -Konzentration selten wesentlich über 280 ppm. Innerhalb von etwa 100 Jahren war dieser Wert dann um mehr als 35% gestiegen. Nicht die Höhe des Wertes (die erdgeschichtlich nicht einmalig ist), sondern die Geschwindigkeit des Anstiegs ist klimahistorisch einmalig. Das lässt sich weder durch dramatische geologische Ereignisse noch durch Veränderungen der Sonnenaktivität erklären. Die Korrelation von klimatischen Veränderungen, dem Anstieg der Treibhausgasemissionen und den menschengemachten Ursachen davon ist klar.

Diese Ursachen sind eindeutig mit dem unstillbaren Hunger des Kapitals nach Mehrwert verbunden: Industrielle Akkumulation im Kapitalismus ist von Anfang an bis heute eng verknüpft mit der scheinbar schrankenlos verfügbaren fossilen Energie, die erst die für die Aneignung von relativem Mehrwert notwendigen Produktivitätsfortschritte menschlicher Arbeitskraft möglich gemacht hat. Kapitalistische Akkumulation erfordert ebenso eine stets wachsende industrielle (Reserve-)Armee, die sich letztlich nur auf Grundlage einer immer intensiver werdenden Landwirtschaft einerseits und wuchernder Verstädterung andererseits reproduzieren lässt. Schließlich erfordert die chaotische Form der globalen Vergesellschaftung der kapitalistischen Weltwirtschaft explosionsartiges Wachstum von Transport- und Kommunikationsverbindungen.

Alles zusammen führte seit etwa 150 Jahren zu einem enormen Anstieg der Emissionen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Methan, Stickstoffdioxid (Lachgas), Halogenkohlenwasserstoffen und Ozon.

Ein wesentliches Problem ist, dass die durch diese Emissionen bewirkte Klimaveränderung sehr langsam (von unserer kurzlebigen Perspektive ausgesehen) vor sich geht, aber dafür umso langfristigere Nachwirkungen hat. Selbst wenn es gelänge, die heutigen 386 ppm CO2 -Konzentration einzufrieren, würde der dadurch bewirkte „Strahlungsantrieb“ mitsamt seinen Rückkopplungseffekten zu einem bis ins nächste Jahrhundert reichenden Anstieg der Durchschnittstemperatur um ein halbes Grad Celsius führen. Bis heute ist die Temperatur seit 1850 um fast 0,8 Grad gestiegen. Der Weltklimarat hat 2007 die Verhinderung der Steigerung um zwei Grad gegenüber 1850 als Minimalziel ausgegeben - es blieben also nur noch etwa 0,7 Grad Spielraum.

Würde die Temperatur über diese zwei Grad steigen, so droht das heutige Klima aus dem Gleichgewicht zu kippen. Bis zu einem Drittel der Arten würde aussterben, was enorme Konsequenzen für die Nahrungskette hätte; ein Anstieg der Ozeane etwa um 40 Zentimeter wäre wahrscheinlich und mit dem Wegfall des Lebensraums für 200 Millionen Menschen verbunden; die Dürregebiete Westafrikas würden sich enorm ausweiten; die El Nino-Phänomene im Pazifischen und Indischen Ozean würden zu verheerenden Wetterkatastrophen für Ost-Afrika und Lateinamerika führen; die weitgehende Austrocknung des Amazonas droht ebenso, wie das Abschmelzen des Grönlandeisschildes; beides könnte zu einem Zusammenbruch der Wärmezirkulation in den Ozeanen (z.B. Golfstrom) führen; durch das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien würden weitere riesige Mengen von Methan freigesetzt etc. etc.

Zwei-Grad-Ziel

Man könnte also annehmen, dass zumindest für dieses Zwei-Grad-Ziel alles Mögliche versucht wird.  Der Weltklimarat hat einen möglichen Pfad für die Erreichung dieses Ziels berechnet: Danach muss etwa die CO2 -Konzentration unterhalb von 450 ppm gehalten werden. Dieses Ziel wiederum erfordert einen Stop des weiteren Anwachsens der CO2 -Emissionen bis 2020 und eine Reduktion bis 2050 auf ein Niveau, dass der Aufnahmefähigkeit von CO2 -Senken entspricht (so dass ab dann die 450 ppm nicht weiter anwachsen würden).

Um die nachholende Entwicklung außerhalb der „alten“ Industrieländer zu berücksichtigen, wurde vom Weltklimarat eine Reduktion der Emissionen in den alten Industrieländern um 25-40% (gegenüber 1990) bis 2020 verlangt, während für die anderen Staaten eine Reduktion um 15-20% gegenüber der von heute bis 2020 verlängerten Steigerungslinie vorgeschlagen wurde, was etwa dem heutigen Niveau entspäche. Zur Finanzierung der energiesparenden Maßnahmen, Förderung neuer Technologien (z.B. Ausweitung erneuerbarer Energien, CO2 -Sequestierung ...) zum Erreichen dieser Ziele wurden vom Weltklimarat Kosten von 3% des Weltbruttosozialprodukts errechnet (heute etwa 1,6 Billionen Dollar - die Bankenrettungsaktionen des letzten Jahres kosteten zum Vergleich etwa 6 Billionen). Zusätzlich wurde der Förderungsbedarf von Entwicklungsländern (Technologien und Klimafolgenbewältigung) auf 100 Milliarden geschätzt.

Schon das Kyoto-Abkommen hat gezeigt, dass solche einfach klingenden Maßnahmenkataloge in der Realität der kapitalistischen Ökonomie und des imperialistischen Weltsystems nicht umsetzbar sind. Letztlich waren nur Europa und die russische Föderation bereit, auf die Reduktionsziele von Kyoto einzugehen - aus dem einfachen Grund, weil der Zusammenbruch der degenerierten Arbeiterstaaten in der Region zu einem enormen Sinken der dortigen Treibhausgasemissionen um 1990 geführt hatte. Unter dieser Voraussetzung war insbesondere der viel gerühmte Emissionshandel mit Russland ein praktisches Geschäft zum Frisieren der Klimabilanzen der EU-Staaten. Nicht nur mit dem Emissionshandel erwiesen sich die „marktwirtschaftlichen Regulationen“ des Klimawandels als reine Farce, auch die „Clean Development Mechanisms“ (CDMs) des Kyoto-Protokolls, mit denen in Entwicklungsländern umweltfreundliche Technologien zugunsten von Emissionsgutschriften gefördert werden sollten, erwiesen sich als Subventionen für Staudammprojekte (mit verheerenden Folgen für den Silikat-Kreislauf) und den Biotreibstoff-Wahnsinn (mit der Folge massiver Vernichtung langlebiger Biomasse).

In der Folge sind seit Kyoto die Treibausgasemissionen nicht nur nicht gesunken, sondern gestiegen! Lag der Jahresdurchschnitt des CO2 -Anstiegs in den 1990ern noch bei etwa 1,5 ppm, kletterte er seit 2000 auf über 2,2 ppm! Die Verhandlungen zum Kyoto-Nachfolgeprotokoll im Vorfeld von Kopenhagen haben gezeigt, dass die oben genannten Ziele des Weltklimarates ebenso wie in Kyoto in einem kleinlichen Gefeilsche untergegangen sind. Die EU-Staaten haben „großzügig“ 20% Emissionseinsparung bis 2020 zugestanden - wenn auch die anderen ihre Ziele erhöhen sogar etwas mehr.

USA, Japan und China verlangen aber, das Bezugsjahr von 1990 auf 2005 zu ändern, weil das dann nicht mehr so günstig für die EU ist. Die Ziele für 2005 klingen dann zwar gut, sind aber immer noch meilenweit vom eigentlichen Ziel entfernt. Natürlich ist von den 3% BSP nur ein Bruchteil im Gespräch und die EU war für den „Entwicklungstransfer“ gerade mal für 5 Milliarden zu haben. Trotzdem behaupten alle, dass das Zwei-Grad-Ziel mit Kopenhagen erfolgreich in Angriff genommen und alles gut werden wird.

Tatsache ist, dass mit den angekündigten Maßnahmen die Trendumkehr bis 2020 in keiner Weise geschafft werden kann. Alle diese Maßnahmen bewegen sich dagegen weiterhin im Worst-Case-Szenario der Klima-Prognosen (wo selbst das Drei-Grad-Ziel schwer zu halten sein wird). Trotz großer Worte, Konferenz-Gigantismus und immer lukrativerem Klima-Business färbt Kopenhagen den Weg in die Klimakatastrophe nur grün an.

Klimagipfel

Das Theater um den „Weltklimagipfel“ ist letztlich nur ein unwürdiges Stühlerücken auf der Titanic. Radikaler Protest gegen diese menschheitsgeschichtliche Farce ist deshalb nur allzu gerechtfertigt. Von daher ist der Versuch des Bündnisses „Climate Justice Action“ (CJA), solche Gipfel wie in Kopenhagen zu stürmen und die Farce zu beenden, durchaus angemessen. Das ist auch gegen die „konstruktive“ Anpassung a la attac/greenpeace/NGOs, unterstützt auch von Linkspartei und Co., die irgendein Ergebnis von Kopenhagen für besser als nichts erklären und sich auf „Druck machen“ beschränken, voll in Ordnung.

Solange der Protest des CJA jedoch über die moralische Empörung nicht hinaus kommt, ist er auch in der radikalen Pose nicht viel besser als das unsinnige Klima-Lobbying von attac und Germanwatch.

Der herrschenden Klasse muss die Kontrolle über die Produktionsmittel, die in ihren Händen immer mehr zu Destruktionsmitteln werden, entzogen werden, um wirklich eine Alternative durchsetzen zu können. Selbst das Zwei-Grad-Ziel, mit dem Einsatz von 3% des Weltsozialprodukts, wird sich nur durch eine systematische Enteignung der globalen Energiekonzerne sowie der sie kontrollierenden Finanzkonzerne verwirklichen lassen. Nur auf dieser Grundlage wird sich auch ein Klimanotplan auf weltweiter Ebene erzwingen lassen. Wer dies für utopisch hält, sollte erklären, wie mit Emissionshandel und Klimagipfeln a la Kopenhagen das Zwei-Grad-Ziel erreicht werden soll?!

Erst wenn wir die klimagefährdenden Konzerne, ob im Energiebereich, der Industrie (z.B. Autoindustrie) oder der Landwirtschaft direkt zum Ziel der Auseinandersetzung machen, wird auch das Subjekt klar, dass hier dem Kapital tatsächlich die Lunte vom Pulverfass reißen kann: ein Bündnis von Arbeiterklasse und Bauern, dass um die Kontrolle der Produktionsmittel kämpft und einem Programm der klimagerechten Konversion ihrer Arbeitsbedingungen verpflichtet ist.

Der Kapitalismus erweist sich nicht erst seit der Krise als unfähig, ein vernünftiges und nachhaltiges Verhältnis von Mensch und Natur herzustellen. Diese Produktionsweise geht vielmehr mit einer zunehmenden Verelendung der ArbeiterInnen und der Zerstörung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen einher. Es ist ein System, das die Menschheit an den Abgrund rückt, ja rücken muss. Es muss nicht „grün“ getüncht werden, sondern rot überwunden werden – durch den Kampf der Arbeiterklasse im Bündnis mit Bauernschaft, städtischer und ländlicher Armut, durch eine sozialistische Revolution, die allein die Grundlagen schaffen kann für die Ersetzung der kapitalistischen Marktwirtschaft durch eine demokratische, globale Planwirtschaft, die sowohl den Bedürfnissen der Menschheit, wie der Erhaltung ihre natürlichen Lebensgrundlagen dient.

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Nr. 145, Dez./Jan. 2009/10
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