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Fusionsparteitag

Neue Linke, alter Hut

Martin Suchanek, Neue Internationale 121, Juni 2007

Am 15. Juni wird die vereinigte Linke aus PDS und WASG formell gegründet. Von einer „Aufbrauchstimmung“ ist bei der Fusion jedoch wenig bis gar nichts zu spüren. Die „historische“ Chance lässt alle kalt.

Kein Wunder, denn die Vereinigung von PDS und WASG rechtfertigt alles andere als Euphorie. Schon ein Blick in den Tagesordnungsvorschlag für den Vereinigungsparteitag zeigt, was dort nicht diskutiert wird - die politischen Grundlagen der neuen Partei, die längst zwischen den Führungsspitzen beider Parteien ausgekaspert sind. Am 15. Juni geht es einfach nur darum, die Formalien und die Personalien abzuwickeln. Klar, dass ist für manchen reformistischen Funktionär allemal wichtiger als politische Positionen, die er in der Praxis ohnehin zu ignorieren gedenkt.

Reformistisches Programm

Der recht bedenkenlose Umgang mit dem Programm der neuen Linken, der Schacher zwischen WASG und PDS-Führung hat einen guten Grund. Die politische Linie der „Eckpunkte“ entspricht dem, was beide, die Spitzen von WASG und PDS, auch vor der Vereinigung vertraten und durchziehen wollten. Die Ausrichtung der LINKEN als reformistische Partei stand daher auch nicht ernsthaft zur Diskussion und auch die „Linken“ in ihr, ob Linksruck, isl, SAV oder Kommunistische Plattform stellten sie im Grunde, nicht in Frage.

Bei der Urabstimmung ging es nur noch darum, diese plebiszitär zu legitimieren - was ja auch leidlich gelang, auch wenn sich etwa die Hälfte der WASG-Mitglieder daran nicht beteiligte.

So trägt das „vorläufige“ Programm alle Grundzüge eines Reformprogramms des Kapitalismus:

“Die Bundesrepublik Deutschland ist ein reiches Land. Allerdings sind die Beteiligung am gesellschaftlichen Reichtum und die Lebenschancen ungleich verteilt. Dabei gibt es neue und auch wachsende Möglichkeiten für ein Leben in Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden. Doch sie werden von zerstörerischen Prozessen blockiert. Diese sind Folge hoch konzentrierter Kapitalmacht, sie entstehen aus dem Vorrang der internationalen Finanzmärkte und dem  Übergang der Herrschenden von einer Politik des sozialstaatlich regulierten Kapitalismus zu einer marktradikalen, neoliberalen Politik.“ (Eckpunkte)

Nach dieser Einschätzung ergibt sie die politische Schlussfolgerung der neuen Linken fast logisch:

“DIE LINKE tritt für das Primat demokratischer Politik über die Wirtschaft sowie für einen sozialen und ökologischen Wandel in der Europäischen Union ein. Alternative Wirtschaftspolitik ist gestaltende Politik. Sie zielt auf ein starkes Gewicht sozialstaatlicher Politik gegen deren Unterordnung unter Marktzwänge. Sie misst längerfristiger Struktur-, Wissenschafts- und Technologiepolitik erhebliches Gewicht bei. Gewinnorientiertes unternehmerisches Handeln ist wichtig für Innovation und betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit, führt jedoch zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, zunehmender sozialer Ungleichheit und Spaltung, wenn es nicht gesellschaftlichen Schranken und Regeln unterworfen wird.“

Lob der Marktwirtschaft

An dieser Stelle geht das neue Programm noch weiter nach rechts als bisherige PDS- und WASG-Programme, wenn der Wichtigkeit der kapitalistischen Marktwirtschaft für Innovation und Leistungsfähig gehuldigt wird.

Kein Wunder, dass es unter „Eine veränderte Industrie-, Landwirtschafts- und Strukturpolitik“ direkt weitergeht zur Unternehmensförderung. Diese Politik „soll Zukunftsbranchen und -unternehmen fördern und gemeinsam mit Wissenschaftseinrichtungen Zentren regionaler Wirtschaftsentwicklung schaffen, die zur Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe beitragen. Bedingungen dafür sind ausreichende Kreditvergabe durch Landesbanken und Sparkassen an die oft eigenkapitalschwachen ostdeutschen Unternehmen sowie Planungssicherheit für die Verfügung über Mittel aus der EU, dem Bundeshaushalt und dem Solidarpakt. Länder mit besonders großen Struktur- und Haushaltsproblemen sollen statt der Hälfte nur noch einen kleineren Teil der Fördermittel ko-finanzieren müssen.“

Bravo! Die Unternehmen, die in der kapitalistischen Konkurrenz nicht mithalten können, sollen rausgehauen werden!

Überhaupt geht die Vorstellung der neuen LINKEN davon aus, dass eine bürgerliche Regierung (d.h. eine Regierung, die auf dem Boden des Privateigentums an Produktionsmitteln steht) durch „richtige Politik“ die Finanzmärkte in den Griff kriegen und wieder einen „gerechten“ Ausgleich zwischen den Klassen schaffen könne.

Dieses Programm ist schlicht utopisch. Die Zusammenballung von immer größerer ökonomischer Macht in den Händen weniger großer Konzerne, Monopole, verschärfte Konkurrenz, der Angriff auf die Löhne und Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse sind notwendiges Resultat der inneren krisenhaften Entwicklungsdynamik des Kapitalismus. Sie können nicht einfach durch eine bestimmte Regierung auf dem Boden eben dieses Systems „abgeschafft“ werden.

Dass von all diesen Vorstellungen immer reichlich wenig übrig bleibt, sobald die LINKE selbst an die Regierung kommt, wie aktuell in Berlin, ist dann auch kein Zufall. Wir haben den Entwurf schon an anderer Stelle (in Revolutionärer Marxismus Nr. 36) ausführlich kritisiert und wollen uns weitere Ausführungen ersparen.

Wie weit Teile der „Linken“ jedoch schon Richtung Anpassung und Integration in das bestehende politische System gegangen sind, zeigt sich jedoch daran, dass gerade aus der PDS immer größere Kritik an den „traditionellen“ Elementen der Programmatik kommt, die in einem formellen Gegensatz nicht nur zum Regierungshandeln der PDS, sondern z.B. auch zur Zustimmung zum Verkauf des Wohnungsbestandes in Dresden stehen.

Soziale Basis der neuen Linken

Darin zeigen sich auch unterschiedliche soziale Wurzeln verschiedener Teile der zukünftigen neuen Linken.

Die WASG ging im Wesentlichen aus der Anziehung von AktivistInnen aus der Linken und Protesten gegen Hartz IV sowie aus der Zielsetzung linker sozialdemokratischer Gewerkschaftsfunktionäre hervor.

Für die Linke und für viele Erwerbslose wurde die WASG zu einem Ort, an dem sie isoliert wurden (nicht zuletzt auch als Resultat großer Anpassung durch die Linken selbst).

Die Führung der WASG, deren Initiatoren und Mentoren aus Vorstandsetagen von IG Metall und ver.di sahen die WASG immer als ein Mittel, der Politik der Gewerkschaftsbürokratie nach der Rechtsentwicklung der SPD einen neuen politischen Ausdruck zu geben. Diese bis heute dominierende, ja dominierender gewordene Kraft in der WASG war sich auch klar, dass das früher oder später ein Zusammengehen mit der PDS erfordern würde.

Die PDS wiederum konnte so ihr Problem mangelnder Verankerung im Westen „lösen.“ Zugleich hat sich in der PDS auch ein Flügel entwickelt, der den ostdeutschen Mittelstand, lohnabhängige Mittelschichten, Beamte, Angestellte bis hin zu kleinen Unternehmern vertritt und daher selbst mit reformistischer, also links-bürgerlicher „Arbeiterpolitik“ wenig am Hut hat. Daher auch die Konflikte mit Teilen der ostdeutschen PDS.

Am Grundcharakter der Partei ändern diese im Moment nichts. Als strategisches Ziel wird von der neuen Linken eine „Reformkoalition“, also die Beteiligung an einer Regierung auf Bundesebene angestrebt.

Die Beteuerung, dass eine solche „den Menschen dienen“ solle, kann man getrost vergessen. Schließlich vertritt solche Plattitüden jede Partei. V.a. aber lässt eine Partei, die auch die Tätigkeit des Berliner Senats als Dienst an den Menschen versteht, auch bundesweit einiges zu befürchten.

Die Linke in der LINKEN

Für noch mehr Befürchtungen sorgen die Linken in der fusionierten Partei. Linksruck ging wie schon in den letzten Jahren so weit, die Produktion der eigenen Zeitung für das „große Gemeinsame“ zu liquidieren.

„Über Ostern sind Aktive der Organisation Linksruck in Frankfurt zu einem Organisationsrat zusammengekommen, um über die Zukunft des Linksruck-Netzwerks zu beraten. Das Ergebnis: Der Organisationsrat schlägt vor, Linksruck nach der Parteigründung als eigenständige Organisation aufzulösen und ein politisches Netzwerk innerhalb der neuen Linken neu zu konstituieren. Linksruck fordert seine Unterstützer auf, sich mit ihren politischen Traditionen aktiv in den Aufbau der Partei ‚DIE LINKE' einzubringen und diese im Sinne seiner politischen Ideen mit aufzubauen und zu prägen. Um die klassenkämpferischen Positionen innerhalb der Linken zu stärken, empfiehlt Linksruck seinen Unterstützern innerhalb der neuen Partei die Strömung ‚Sozialistische Linke' mit aufzubauen (Linksruck, Mai 2007, Das marxistische Magazin für die Linke kommt).“

Die Sozialistische Linke selbst ist ein keynesianischer Zusammenschluss in der WASG. Er begrüßt nach dem Motto „radikal und realistisch“ die Gründung der LINKEN gar als „historische Chance“.

Solche Schritte und Einschätzungen zeigen v.a., wie tief die „radikale“ Linke schon gesunken ist und wie sie sich selbst gern etwas vormacht.

Das zeigt sich „natürlich“ auch bei der Kommunistischen Plattform (KPF) um Sarah Wagenknecht. Diese erklärt die „neue“ LINKE für ein „offenes Projekt“, über dessen Charakter und Form man schließlich noch nichts Genaues aussagen könne.

Die SAV und andere Gruppierungen wie die isl sehen die Entwicklung durchaus kritischer. Von Feiertagstimmung ist da nicht die Rede. Mitmachen will man trotzdem:

„Die neue Partei macht die Arbeit einer organisierten marxistischen Opposition noch dringender. Ausgerechnet jetzt die eigene ‚Auflösung' zu verkünden, zeugt von grenzenlosem Opportunismus und Unterordnung unter den Lafontaine-Flügel. Der Kampf für eine wirklich sozialistische Massenpartei geht weiter, innerhalb und außerhalb der LINKEN. Je stärker eine marxistische Organisation, desto eher wird dieser erfolgreich sein.“, so die SAV in der Mai-Ausgabe der Solidarität.

Das Problem an der Politik der SAV ist freilich, dass sie zwar nicht dem blanken Opportunismus von Linksruck folgt, dafür aber umso widersprüchlicher ausfällt. Während eine Opposition in der Linken „dringender“ ist, soll der Eintritt in die neue Partei nur dort, also in den westlichen Bundesländern vollzogen werden, wo die LINKE keine Massenmitgliedschaft hat.

Daher wird auch der Aufbau einer bundesweiten politischen Alternative - des Netzwerks Linke Opposition - rundweg abgelehnt.

Die Politik der SAV ist daher auch nur ein bisschen anders als jene von Linksruck, keineswegs jedoch wenn es darum geht, einen offen politischen Bruch zu führen und jene AktivistInnen, die eine Alternative zum Reformismus und zur Anpassung durch die LINKE suchen, zu formieren.

Unserer Meinung nach ist es vielmehr notwendig, den Schwerpunkt auf den Aufbau des NLO zu richten und darauf, dass aus diesem zukünftig eine neue Arbeiterpartei wird, die gegen Kapitalismus und für die sozialistische Revolution kämpft.

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Nr. 121, Juni 2007
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