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70 Jahre Revolution in Spanien, Teil IV

Die Rolle der POUM

Hannes Hohn, Neue Internationale 112, Juli/August 2006

Die POUM (Partido Obrero de Unification Marxista, Arbeiterpartei der marxistischen Vereinigung) wurde oft als trotzkistisch bezeichnet. Der Grund dafür war, dass sich die POUM positiv auf die russische Revolution, die Politik der Bolschewiki und Trotzkis Strategie der Permanenten Revolution bezog - also einen revolutionär-kommunistischen Anspruch hatte.

Während die stalinistische KP als treuer politischer Vasall Moskaus die POUM denunzierte, um ihren Terror gegen sie zu begründen, erwiesen die praktische Politik der POUM und die ernsten Differenzen mit Trotzki und der IV. Internationale jedoch, dass die POUM eine zentristische Formation war, also zwischen Revolution und Reformismus, zwischen revolutionärem Anspruch und der Anpassung an nichtrevolutionäre Kräfte schwankte. Doch eine Revolution verzeiht kein Schwanken und keine Halbheiten.

Eintritt in die Volksfront

Schon vor 1936 kam es zum Bruch zwischen Trotzki und Andres Nin, dem Führer der POUM. Ein Teil der POUM kam aus dem „Arbeiter- und Bauernblock“ Maurins, der die klassenübergreifende Volksfront-Strategie Stalins nachahmte. Diesen methodischen Fehler der Anpassung an nichtrevolutionäre Kräfte überwand die POUM nie.

Im Gegenteil: Im Februar 1936 untersützte sie - wie auch die CNT - die Volksfront bei den Wahlen. Im September trat die POUM in die Katalanische Regierung ein. Nin wurde Justizminister.

Später haben die POUM und ihre Unterstützer diese Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung verniedlicht, indem sie auf den "episodischen" Charakter hinwiesen, da Nin und die POUM schon im Dezember 1936 wieder aus dem Kabinett ausgeschlossen wurden.

Das ist jedoch eine Ausrede. 1936 markiert eine entscheidende Periode in der Geschichte der Spanischen Revolution. Dass die POUM und die Anarchisten in die Volksfrontregierung geholt wurden, hängt damit zusammen, dass sich die Reformisten, die Stalinisten und die katalanischen Nationalisten, ihrer Macht schon nicht mehr sicher waren.

Mit der Einbindung der linkesten Kräfte, deren AnhängerInnen die soziale Revolution vorantreiben wollten, wurde den ArbeiterInnen und Bauern eine Interessensgleichheit zwischen den revolutionären Kräften und den Verteidigern der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse vorgespielt, die die Arbeiterklasse und v.a. deren Avantgarde lähmten und den GegnerInnen der sozialistischen Revolution in die Hände spielten.

Trotzki hat in zahlreichen Artikeln die Politik der POUM kritisiert und die Differenzen zwischen Nin und der IV. Internationale aufgezeigt.

Die POUM verfügte nie über eine solche Massenbasis wie die linken Sozialisten oder die KP, geschweige denn wie die Anarchisten. Trotzdem hatte sie in einer - in den Monaten der Revolution noch wachsenden - Minderheit der spanischen Arbeiterklasse eine Verankerung und verfügte über eigene Arbeiterkomitees und Milizen. Die POUM spielte eine wichtige Rolle bei den Land- und Fabrikbesetzungen, im Kampf gegen Franco wie in den revolutionären Aufständen.

Von zuerst nur 8.000 Mitgliedern vervierfachte sich deren Zahl schon in den ersten Monaten der Revolution, in den POUM-Milizen kämpften etwa 10.000. Diese Entwicklung zeigt, welche politischen Möglichkeiten die POUM bei einer korrekten und konsequent-revolutionären Politik gehabt hätte. Im Grunde war die Ausgangsposition der POUM nicht schlechter als jene der Bolschewiki Anfang 1917.

Im Unterschied zur CNT orientierte die POUM sehr wohl auf die Schaffung von Sowjets (Räten), also Kampf- und Machtorganen der Arbeiterklasse bzw. der Dorfarmut. Doch das Vorgehen der POUM war dabei durch ein Schwanken zwischen linkem Sektierertum und opportunistischer Anpassung geprägt und kollidierte zudem mit den realen Bedingungen.

Kampf um die Macht - aber wie?

Im Frühjahr 1937 kam es in Katalonien und in Barcelona zu militanten Massendemonstrationen gegen die katalanische (bürgerliche) Volksfrontregierung. Nin wurde aus der Regierung ausgeschlossen. Wie reagierte er darauf? Statt auf den Sturz der von den Stalinisten dominierten Regierung zu orientieren, veröffentlichte die POUM-Führung einen Aufruf zur Bildung einer „Revolutionären Regierung“ und forderte die Stalinisten (PSUC) auf, sich daran zu beteiligen.

Die kleine Gruppe der Trotzkisten in Spanien, die seinerzeit in der POUM arbeiteten, schlugen ihr am 15. April die sofortige Schaffung von Sowjets vor. Daraufhin - und angesichts der massiven Unterstützung in der Basis der POUM für diesen Vorschlag - verbot Nin die Bildung von Fraktionen (unterband also damit die Arbeit der Trotzkisten); jene Mitglieder, die den Sowjet-Vorschlag unterstützten, wurden aus der POUM ausgeschlossen.

Dass die Schaffung von Sowjets tatsächlich möglich war, ist allein schon daraus ersichtlich, dass bereits im Februar 1937 die POUM-Jugend (JCI) und die anarchistische „Libertäre Katalanische Jugend“ 14.000 KämpferInnen zusammenbrachten und gemeinsam die „Revolutionäre Jugendfront“ bildeten. Sogar Teile der stalinistischen Jugend schlossen sich ihr an.

Diese Radikalisierung und Linkswendung verweist darauf, dass die Massen zum Kampf gegen die Volksfrontregierung und zur Übernahme der ganzen Macht breit waren. Doch während die Bolschewiki in derselben Situation 1919 die Losung „Alle Macht den Sowjets“ ausgaben, wandte sich Nin gerade dagegen!

Die Situation in Barcelona spitzte sich zu. Die Stalinisten versuchten, den Aufstand in Barcelona niederzuschlagen. Das vereitelten die ArbeiterInnen Barcelonas jedoch - die Stadt war ganz in ihrer Hand.

Auf einer gemeinsamen Versammlung von POUM und CNT-FAI argumentierte die POUM: „Entweder wir stellen uns an die Spitze der Bewegung, um den Feind im Inneren zu vernichten, oder die Bewegung versagt - und das wird unser Ende sein.“

Doch die anarchistische Führung wies diesen Kurs und die offene Konfrontation mit der bürgerlich-stalinistischen Koalition zurück. Obwohl parallel dazu die Regierung von den aufständischen ArbeiterInnen überall geschlagen wurde und die Massen die Macht quasi schon in Händen hielten, forderte die CNT-Führung sie auf, die Waffen niederzulegen, um Verhandlungen zu ermöglichen.

Was tat die POUM? Sie überließ der CNT die Führung - und damit die Demobilisierung - der Bewegung, anstatt die Massen zum Bruch mit der CNT-Führung und zur Übernahme der ganzen Macht durch Kampforgane der Massen, durch Räte aufzurufen. Als die CNT ihre AnhängerInnen aufrief, die Barrikaden zu verlassen, schloss sich die POUM-Führung dem an.

Anstatt sich an die Spitze der Revolution zu stellen und die Massen zu führen, stellte sich die POUM hinter die CNT-Führung und trottete den revolutionären Massen hinterher - ja hielt sie von der Eroberung der Staatsmacht ab!

Wer sich der Waffenruhe nicht anschloss, war die Konterrevolution, sie konnte aufgrund des Zögerns und Schwankens von CNT und POUM das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen. Das Ergebnis war genau das, was die POUM selbst voraus gesehen hatte: der Aufstand wurde niedergeschlagen, über 2.000 KämpferInnen fielen oder wurden verwundet. Diesen Sieg nutzend, rollte eine blutige Säuberungs- und Repressionswelle über Spanien, der die besten Teile der spanischen Arbeiterklasse zum Opfer fielen.

Dieselbe zentristische Nachtrabpolitik der POUM, die das Beispiel Barcelona zeigt, kennzeichnet auch die Politik der POUM gegenüber der Staatsmacht im Allgemeinen. Trotz aller positiven Bezüge der POUM auf die Politik der Bolschewiki, die bekanntlich den Eintritt in die Kerenski-Regierung abgelehnt hatten und auf deren Sturz orientierten, sah die Politik der POUM ganz anders aus.

Im Sog der CNT, die in anarchistischer Manier anfänglich jede Beteiligung an der Staatsmacht ablehnte, um recht bald aber alle hehren Vorsätze über Bord zu werfen und doch in die Volksfront einzutreten, trat auch Nin der katalanischen Regionalregierung bei. Allein dieser Schritt untergrub jede Politik, die auf Klassenunabhängigkeit und Vollendung der Revolution zielte. Die Politik der POUM war nicht durch ein energisches Voranschreiten gekennzeichnet, sondern durch einen Spagat. Statt den Massen voran zu gehen, schwankten sie zwischen den revolutionären, nach links drängenden Massen und jenen Kräften, die der Ausweitung, die dem Sieg der Revolution entgegenstanden - der Volksfront - bzw. denen, die sich der Volksfront anpassten: der CNT.

Bilanz

Anfang Januar 1938 veröffentlichte die IKD (die Trotzkisten in Deutschland) in „Unser Wort“ Thesen zum Bürgerkrieg in Spanien. Darin heißt es:

„Um diese Bewegung zum Siege zu führen, bedurfte es nichts als einer revolutionären Partei, die sich in scharfer Opposition zu allen kleinbürgerlichen und revisionistischen Strömungen die Eroberung der gesamten politischen Macht durch das Proletariat (…) zum Ziel setzte. Doch eben eine solche Partei existierte nicht in Spanien. (…) CNT, FAI und die zentristische POUM nahmen zwar in abstrakter Weise für den Sozialismus Stellung, stellten jedoch nicht die Frage der politischen Macht, sondern überließen diese den bürgerlichen Republikanern (…) und den reformistischen und stalinistischen Verrätern an der Revolution (…) bzw. teilten sich die Macht mit diesen.“

Und weiter:

„Die (…) POUM war der Aufgabe, das spanische Proletariat zum Siege zu führen, keineswegs gewachsen. Trat sie in der abstrakten Agitation für (…) die Diktatur des Proletariats ein, so marschierte sie in der konkreten Politik im Schlepptau der verräterischen Volksfront. Statt die Elemente der Doppelherrschaft (Zentralkomitee der Milizen, Komitees) entschlossen zu verteidigen und auszubauen, die Massen über den Verrat der Stalinisten, der Reformisten und der CNT aufzuklären, (…) verzichtete die POUM auf die ´Hegemonie´, die selbständige Führerrolle, forderte für sich nur die Existenzberechtigung als eine der Tendenzen des antifaschistischen Proletariats; beteiligte sich selbst aktiv an der Auflösung der Komitees, nahm (…) an der reaktionären Regierung Companys-Terradellas teil, beteiligte sich also am Verrat der Massen statt die Massen über diesen aufzuklären. (…)

Die POUM sah nicht voraus, dass die Politik des Anarchoministerialismus einen Abgrund zwischen den proletarischen Massen und der CNT-Führerschaft öffnete und zwangsläufig zu einem Zusammenstoss zwischen den Arbeitermassen und der wiedererrichteten bürgerlich-republikanischen Repressionsgewalt führen musste. So wurde auch die POUM von den Maiereignissen (in Barcelona, d.A.) völlig überrascht und nahm zu ihnen eine schwankende Haltung ein. Auf diese Weise erleichterte die POUM der stalinistischen Reaktion ihr blutiges konterrevolutionäres Handwerk und bereitete ihren eigenen  Untergang vor.“

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Nr. 112, Juli/August 2006

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