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Frankreich

Stoppt Sarkozys Angriffe!

Marc Lassalle, Neue Internationale 123, September 2007

Am 31. Juli gingen tausende von französischen ArbeiterInnen auf die Straße, um gegen ein neues Gesetz der Regierung Sarkozy zu protestieren. Dieses Gesetz schränkt das Streikrecht im Verkehrswesen beträchtlich ein. Streikende müssen einen Streik demnach 48 Stunden vorher anmelden, und nach 8 Tagen soll eine geheime Abstimmung über die Fortführung des Streiks stattfinden.

Sarkozys Ziel ist die Schwächung der Arbeiterschaft durch Beschneidung des Streikrechts. Nicht zufällig richtet sich der Angriff gegen die Metro- und EisenbahnarbeiterInnen. Sie sind der kampfkräftigste Teil der Klasse und standen in den vergangenen Jahren in vorderster Reihe gegen die neoliberalen Attacken.

Gegenwärtig können Streiks noch zu jedem beliebigen Zeitpunkt beginnen. Auf Vollversammlungen am Tag vor einem Streik  oder in Streikpostenketten können die am meisten radikalisierten ArbeiterInnen die Mehrheit ihrer KollegInnen überzeugen, sich gegen die Bosse und die Regierungsangriffe zu wehren.

Der Beschluss, den Streik fortzusetzen, wird normalerweise auf Vollversammlungen gefasst, wo die ArbeiterInnen nach offener Debatte durch Handzeichen abstimmen. Trotz ihres nur scheinbar demokratischen Charakters ist die geheime Urnenabstimmung dazu bestimmt, die Bewegung zu spalten und die Beschäftigten bei ihrer Beschlussfassung zu vereinzeln. Hier können nämlich Streikende und Nichtstreikende, Arbeiter und Vorgesetze gleichermaßen ihre Stimme abgeben. Der Druck der Geschäftsführung, der bürgerlichen Medien und von Seiten des Staates ist ungeheuer. Nach dieser Rechnung würde eine Minderheit, die den Streik fortsetzen will, isoliert und demoralisiert sein und könnte leichter geschlagen werden.

Obwohl von der Regierung bestritten, hat sie ganz offensichtlich die Absicht, das Gesetz schon bald auf den gesamten Öffentlichen Dienst und darüber hinaus auszuweiten. Dann wäre für die Regierung die Bahn frei zu einer hemmungslosen Durchsetzung ihres neoliberalen Projekts, womit die Renten, das Gesundheitswesen, die Schulen und Arbeitsrechte ausgehebelt werden könnten.

Sarkozys Präsidentschaft

Nach seiner Wahl hat es Sarkozy verstanden, die linken Parteien zu lähmen und die Gewerkschaften in Verhandlungen einzubinden, bei denen sie letztlich ihre Unterschrift unter das Unternehmerprogramm gesetzt haben. Er hat dies geschickt hinter einer demokratischen Fassade verborgen und einige Führer der Sozialistischen Partei in sein Kabinett gelockt. Sein größter Fang, Bernard Kouchner, ist mit dem Außenministerium belohnt worden. Dominique Strauss-Kahn wiederum hat die Weihen eines französischen Kandidaten für den IWF erhalten.

Trotz sozialer Rhetorik erwies die Sarkozy-Regierung mit ihren ersten Amtshandlungen klar ihre Dankbarkeit gegenüber der Bourgeoisie.  Das gerade geschnürte Steuerpaket zeigt das. Es sieht vor:

 eine neue Steuerbemessungsgrenze von 50% auf die Gesamtsteuerlast von Einzelpersonen, was die 93.000 reichsten Familien betrifft und ihnen erhebliche Steuerentlastungen gewährt;

die praktische Abschaffung der Erbschaftssteuer;

UnternemerInnen werden von Sozial-Abgaben auf Überstunden befreit.

Diese Maßnahmen kommen einer winzigen Minderheit wohlhabender Familien zu Gute, sind aber mit 13 Milliarden Euro wahnsinnig teuer. Womit will Sarkozy den Haushalt ausgleichen? Durch die Anzapfung einer neuen Quelle für Gesundheitsausgaben. Jedes Jahr werden von den Einzahlungen 50 Euro nicht rückerstattet, was besonders die gering verdienenden Familien trifft.

In Anlehnung an die Vorbilder Reagan und Thatcher ist die französische Fassung eines schärferen Strafgesetzes verabschiedet worden. Nach drei kleineren Vergehen ist eine Mindeststrafe von drei Jahren nun fast unvermeidlich. Gleichzeitig werden Jugendliche über 16 vor Gericht nun als voll strafmündig behandelt.

Sarkozy ist mit den größten UnternehmerInnen gut bekannt und hat ihre Unterstützung in Form von Ferien mit einem Privatflugzeug, Segeljachten, Wohnungen usw. genossen und sein Präsidentengehalt damit aufgebessert. „Willst du auch reich werden? Dann musst du nur härter arbeiten!“ lautet Sarkozys Philosophie. „Härter arbeiten für höheren Lohn“ war sein Wahlslogan. Konkret heißt das: Überstunden, weniger Rechte und keine Sicherheit am Arbeitsplatz. Wenn sich dann der soziale Aufstieg trotzdem nicht einstellt, empfiehlt uns Sarkozy, die Schuld dafür bei der Jugendkriminalität, bei den Einwanderern, bei den Gewerkschaften und die ArbeiterInnen im Öffentlichen Dienst zu suchen.

Deshalb steht eine nächste Runde von Angriffen bevor. Nach dem Willen der Bosse plant Sarkozy einen (nichttariflichen) Einzelarbeitsvertrag für alle. Das schließt einen neuen Anlauf zur Durchsetzung des unrühmlichen CPE-Gesetzes ein, das den Kündigungsschutz für Berufsanfänger schlechter stellt. Unternehmer könnten dann ArbeiterInnen ohne Angabe von Gründen sofort feuern. Das soll in Zukunft für alle ArbeiterInnen, also auch für ältere, gelten. Die Beschränkung des Streikrechts ist da ein wesentlicher erster Schritt, um diese reaktionäre Agenda durchzudrücken.

Die Linke

Warum ist die Linke trotz dieser Häufung von Angriffen erstaunlich reglos geblieben? Weder Gewerkschaften noch reformistische oder zentristische Parteien haben eine größere Demonstration oder Kampagne gegen Sarkozy unternommen.

Die reformistischen Parteien an der Vorgänger-Regierung von Sarkozy sind daran gescheitert, die Bedingungen für die Arbeiterklasse zu verbessern. Sie haben nicht die Arbeitslosigkeit verringert, nicht die Löhne erhöht oder das Bildungs- und Gesundheitswesen menschenwürdiger gestaltet.

Im Gegenteil! Die Regierung unter Lionel Jospin hat 1997-2002 die öffentlichen Einrichtungen privatisiert, das Arbeitsrecht dereguliert und flexibilisiert. Im Großen und Ganzen hat sie eine neoliberale Politik verfolgt und auf EU-Ebene die Verträge von Nizza und Lissabon unterzeichnet. Kein Wunder, dass Jospin außerstande war, die Massen für sein Programm zu gewinnen und 2002 eine empfindliche Wahlschlappe einstecken musste.

Traurig aber wahr ist, dass die reformistische Hauptkraft, die Partie Socialiste (PS) angesichts dieses Fehlschlags weiter auf ihrem rechten neoliberalen Kurs wandelte auf der Suche nach einem unwahrscheinlichen französischen Erfolgsweg a la Blair oder Zapatero (Spanien).

Die Wahlkampagne von Segolène Royal (PS) ruhte auf denselben Eckpfeilern wie Sarkozys Programm: „Arbeit, Recht und Ordnung, Nation.“ Sie bestand auf der „Aussöhnung des Volkes“ mit den Unternehmen, schlug Militärlager für junge Strafgefangene vor, riet jeder Familie, sich eine Tricolore anzuschaffen und die verachtete Marseillaise zu singen.

Nach der Niederlage für Royal ist die PS am Boden. Das liegt teils an der lähmenden Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Strömungen und Hauptdarstellern der Parteiführung, zum Teil auch an Sarkozys erfolgreichem Schachzug des „Einkaufs“ von PS-Ministern für sein Kabinett. Die Schlüsselfrage aber ist die: Wie kann den Massen ein geschlossenes politisches Projekt dargelegt und nahe gebracht werden? In dieser Hinsicht sind alle PS-FührerInnen ratlos. Sie erwiesen sich sogar als unfähig, Sarkozy wegen seiner reaktionären Sozialvorhaben zu entlarven, weil sie selbst an der Regierung die gleiche Politik nur anders verpackt durchsetzen würden.

Die französische Partie Communiste (KPF) kann ebenfalls keine starke Kraft im Widerstand bilden. Mit ihrem kümmerlichen Wahlergebnis von 2% ist sie an einem Tiefpunkt in ihrer Geschichte angelangt. Die KPF zahlt einen hohen Preis für ihre fürchterlich sektiererischen Manöver bei der Diskussion um einen Einheitskandidaten der Linken für die Präsidentschaftswahlen, als sie mit undemokratischen Mitteln ihren eigenen Vertreter mit dem Etikett Einheitskandidat schmücken wollte.

Sie zahlt auch für den Jahrzehnte währenden stalinistischen Betrug, links zu reden und zugleich den bürgerlichen Staat und seine Regierungen offen zu unterstützen. Dieses Verhalten zieht sich durch die revolutionären Krisen von 1936, 1945 und 1968, den blutigen Krieg gegen die algerische Unabhängigkeit bis hin zur Stützung der PS-Regime in den 80er und 90er Jahren.

Geschwächt in ihrer Beziehung zu den reformistischen Verbündeten passen sich die Gewerkschaftsführer einfach der Sarkozy-Verwaltung an und hoffen, ihren Platz in dem neuen System zu finden. Selbst CGT-Führer Bernard Thibaut wartet ungeduldig auf eine Zusammenkunft mit Sarkozy in der nächsten Diskussionsrunde mit der Regierung. In derselben Art bekundet die CGT ihre versöhnlerische Position gegenüber Sarkozy und betont, dass sie weder in Gegnerschaft noch im Widerstand gegen die neue Regierung stünde.

Die Ligue Communiste Revolutionaire (LCR)

Heute trägt die LCR eine große politische Verantwortung und könnte in den Mittelpunkt des Widerstands gegen Sarkozy rücken. Sie stand auch schon an der Spitze der jüngsten Kämpfe. Ihre Mitglieder waren in den sozialen Bewegungen, den Gewerkschaften, den Schülerausschüssen und in der Kampagne gegen die Abschiebungen äußerst aktiv.

Die LCR beharrte darauf, dass sich ein Einheitskandidat klar gegen jegliche Unterstützung für neoliberale Politik und eine Koalition mit der PS aussprechen müsse. Sie schlug ein Programm vor, das viele notwendige und fortschrittliche Maßnahmen gegen Ausbeutung und staatliche Unterdrückung enthielt. Noch bedeutsamer aber nach Sarkozys Wahl ist ihr korrekter Aufruf zu einer landesweiten Bewegung gegen ihn und seine Regierung.

Darüber hinaus hat die LCR den Vorschlag zur Gründung einer neuen antikapitalistischen Partei unterbreitet und all jene anzusprechen versucht, „die ein antikapitalistisches Programm im Kampf und bei Wahlen verteidigen wollen, politisch unabhängig von der PS, und damit nicht die Institutionen des Staates managen wollen.“

Die ersten Schritte dazu sind zahlreiche Treffen im September in den Kommunen, Schulen, Universitäten und an den Arbeitsplätzen, wo die Formen und Methoden zur Gegenwehr gegen die Regierung besprochen werden sollen. Nach dem LCR-Kongress ist ein zweiter Abschnitt vorgesehen mit allgemeinen Versammlungen in jedem Bezirk als Vorbereitung für einen Landeskongress zur Gründung einer neuen Partei.

Die Mitglieder der Liga für die Fünfte Internationale (L5I) in Frankreich begrüßen diesen Prozess als einen Schritt nach vorn und werden sich daran beteiligen. Wir werden dabei für eine Partei eintreten, die sich auf den Klassenkampf beruft, der GewerkschaftlerInnen, Arbeiterinnen, SchülerInnen, die Menschen ohne behördliche Aufenthaltserlaubnis und Arbeitsverträge (Sans-Papiers) usw. vereinigt. Die Grundlage dieser Partei sollte ein Aktionsprogramm mit klaren Übergangsforderungen sein, die die Bedürfnisse der Massen aufgreift und den Kampf gegen den Motor des kapitalistischen Systems, das Privateigentum, und den bürgerlichen Staat zu führen vermag.

Die LCR befürwortet die Teilnahme der neuen Partei an den Kommunalwahlen 2008 als Schritt zum Aufbau der Partei. Zwar könnte die Teilnahme an Wahlen als gutes Mittel zur Bekanntmachung mit dem Parteiprogramm genutzt werden, sollte aber keine unbedingte Vordringlichkeit genießen, wie das die LCR sieht. Die Partei sollte vielmehr in dem gesellschaftlichen Widerstand gegen Sarkozys Angriffe gründen; die Ortsgruppen sollten greifbare Maßnahmen und Bewegungen formen gegen die neoliberalen Attacken und die verschiedene Teilkämpfe zu einem umfassenden Widerstand vereinen, um das ganze kapitalistische System abzuschaffen.

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Nr. 123, September 2007
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*  Frankreich: Stoppt Sarkozys Angriffe!