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Beschäftigungsgesellschaft

Ein kleineres Übel?

Gegenwehr! - Kommunistische Flugschrift für Siemens-KollegInnen
Nr. 1, Mai 2005

Kommt es heute zu Schließungsandrohungen oder Massenentlassungen, wird oft und sehr schnell das Mittel der "Beschäftigungsgesellschaft" oder wie das offizielle Kürzel heute heißt, eine "beE" aus dem Hut gezaubert, als "kleineres Übel" gegenüber "betriebsbedingten Kündigungen nach Sozialplan".

Tausende KollegInnen aus den Berliner Industriebetrieben haben in den letzten Jahren solche Gesellschaften durchlaufen. Während früher eine beE vom Arbeitsamt offiziell für die Umschulung aus "strukturbedingt wegfallenden Beschäftigungen" finanziell unterstütz wurden ("Strukturkurzarbeitsgeld" bis zu 24 Monaten), wird heute von den Arbeitsagenturen mit Steuergeldern damit jeglicher Arbeitsplatzabbau "sozial abgefedert" (daher die neue Hartz-Namensänderung zu "Transferkurzarbeitergeld" und die Verkürzung der Unterstützung auf 12 Monate).

Beispiel Siemens

In den Auseinandersetzungen um Schließungen und Massenentlassungen spielen Forderungen um die Höhe von Abfindungen und die Ausdehnung von Transfergesellschaften über die gesetzlichen 12 Monate hinaus inzwischen eine große Rolle. Einerseits ist dies ein legitimes Mittel (wie jetzt bei BSH), um Tarifforderungen zu stellen, und damit einem Streik gegen Entlassungen eine legale Deckung zu geben (das kapitalfreundliche Streikrecht der BRD verbietet Streiks gegen Entlassungen!). Andererseits ist die Beschränkung auf das Ziel, hier möglichst gute Bedingungen herauszuholen, fatal.

Ein Beispiel ist hier das Siemens-Com-Werk: sicher wurde hier durch den Widerstand der Belegschaft (z.B. die Straßenblockade Anfang Februar) und die Verhandlungen des Gesamtbetriebsrates ein für Siemens-Verhältnisse hohes Ergebnis erzielt (Siemens muss ein zusätzliches beE-Jahr finanzieren, dazu Abfindungen, etlichen Abschlagszahlungen und Vorruhestandsgelder). Angesichts einer sonst drohenden "nackten Entlassung" oder sogar Schließung des Werks erschien daher vielen KollegInnen die Annahme des Angebots durch den Betriebsrat ohne Alternative.

Trotzdem: die Kollegen, die in diese beE wechseln, verzichten damit auf ihren Kündigungsschutz und gehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Es ist eine Art "Arbeitslosigkeit 1.Klasse", die (so alles gut läuft) etwa doppelt so lange vor dem Hartz-IV-Absturz schützt, wie eine nackte Kündigung. Ob dies ausreicht, angesichts der wirtschaftlichen Lage in der Region und der bekannten Arbeitslosenrate, in dieser Zeit einen neuen Job oder eine andere Existenzgrundlage zu finden, ist aber sehr fraglich. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bietet der "Regel"-Arbeitsplatz in einem Großbetrieb einen besonderen Schutz: nicht nur weil er andere "Rechte" bedeutet, wie tariflich und sozialversicherungs-mäßig sehr viel schlechter abgesicherten Arbeitsplätze in Kleinbetrieben oder "ungesicherten" Beschäftigungsverhältnissen. Sondern vor allem, weil er größere Möglichkeiten der gemeinsamen, solidarischen Gegenwehr bedeutet.

Es ist auffällig, dass es gegenwärtig zwei scheinbar widersprüchliche Entwicklungen gibt: Einerseits konzentriert sich immer mehr Kapital in immer weniger Händen, andererseits nimmt die "offizielle" Beschäftigung in Großbetrieben immer mehr ab: Die großen Konzerne versuchen, ihre "teuren" und widerstandsfähigen "Kernbelegschaften" so weit als möglich zu reduzieren, um im Umkreis ihres Kapitals immer mehr Satelliten von outgesourcten Kleinbetrieben, abhängigen Betrieben und Scheinselbständigen (besonders bei verschiedenen "Dienstleistungen"), bzw. um ihre Belegschaften systematisch durch verschiedene Formen von Leiharbeit zu ersetzen.

Vorsicht: Falle!

Beschäftigungsgesellschaften waren in den letzten Jahren (nicht nur) in Berlin ein wichtiger Hebel in dieser Entwicklung: die wenigsten wurden daraus wieder in Großbetriebe vermittelt; ein Großteil landet entweder bei den Satelliten-Betrieben oder in Leiharbeitsverhältnissen. So auch bei der beE bei ex-ICM vor einem Jahr an unserem Standort: die meisten Vermittelten (innerhalb Berlins) arbeiten jetzt als Consultants oder in Consultant-Firmen (oft sogar an ihrem alten Arbeitsplatz).

Die Betriebsrats- und Gewerkschaftsführungen haben dieser Entwicklung in den letzten Jahren wenig entgegen gesetzt. Im Gegenteil: im Bestreben, "den Standort zu sichern" und eine Kernbelegschaft im Tarifvertrag "zu erhalten", wurden ein ums andere Mal Deals über Outsourcing, Ergängzungs-Verträge, Beschäftigungsgesellschaften, etc. abgeschlossen. Diese haben die Tendenz, verschärft zur Untergrabung kollektiv widerstandsfähiger Belegschaften beizutragen, die unter dem Dach eines Betriebes, eines Tarifvertrages, einer rechtlichen Stellung, und einer gemeinsamen gewerkschaftlich/betrieblichen Vertretung zusammen fanden. Die Spirale der Entrechtung und der abnehmenden Widerstandskraft dreht sich so unvermeidlich weiter nach unten.

Nein zur Beschäftigungsgesellschaft!

Gerade deswegen gab es unter den KollegInnen von Opel Bochum eine große Minderheit, die die Lösung des "Standortproblems" durch eine Beschäftigungsgesellschaft (die noch besser ausgestattet ist als bei uns), abgelehnt hat und die für "Weiterkämpfen" gestimmt hat. Auch bei Com wäre angesichts der Rekordgewinne von Siemens ein Weiterkämpfen für den Erhalt aller Arbeitsplätze in Kombination mit der Forderung nach einem zukunftsfähigen Standortkonzept möglich gewesen.

Für die einzelnen Kollegen mag es als "sicherer" erscheinen, so schnell wie möglich einzulenken, bei der Drohung, dass sonst der Standort ganz flöten geht, oder sonst eine Kündigung ohne "goldenen Handschlag" herauskommt - wenn wir jedoch nicht beginnen ernsthaft zu kämpfen, dann geht diese Entwicklung immer weiter Richtung Tagelöhner-Kapitalismus und entrechteter, zutiefst gespaltener Belegschaften. Und wer, wenn nicht die Beschäftigten, die noch in den großen, Gewinn-machenden Konzerne drin sind, können diesen Kampf aufnehmen - nicht nur für sich, sondern für alle abhängig Beschäftigten! Sicher: Wer hier einen ernsthaften Kampf gegen eine grundlegende Politik der großen Konzerne beginnt, kann verlieren - aber wenn wir diesen Kampf nicht aufnehmen, dann haben wir alle schon verloren!

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Nr. 1, Mai 2005

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