Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Feminismus

21. Der Begriff "Feminismus" beschreibt die Ideen und die Praxis sowohl der modernen Frauenbefreiungsbewegung (der 1960er und 1970er Jahre) als auch der liberalen Frauenrechtlerinnen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Grundlegend für die Anhängerinnen dieser Bewegungen ist die Idee, dass der Kampf um die Rechte der Frauen vom Kampf gegen andere Ungleichheiten, gegen Ausbeutung und Unterdrückung unterschieden werden kann. Das heißt, dass es eine getrennte Frauenfrage gibt, die alle Frauen ohne Ansehen ihrer Klasse gleich betrifft und die von allen Frauen gelöst werden kann, indem sie gemeinsam, ohne Ansehen ihrer Klasse, handeln. Diese Auffassung einer besonderen Frauenfrage, getrennt vom Klassenkampf, ist der vereinigende Wesenszug aller Spielarten des Feminismus.

MarxistInnen glauben jedoch, dass die Ursprünge, die Fortdauer und die genauen Formen der Frauenunterdrückung untrennbar mit der Klassengesellschaft verbunden sind. Da Klassengesellschaft und Frauenunterdrückung wechselseitig voneinander abhängen, kann es keine gesonderte "Frauenfrage" und daher auch keine verschiedene Ebene des Kampfes geben.

Das Wesen des Feminismus, wenn er auch aufgrund von konkurrierenden Theorien und seiner Praxis von Spaltungen zerrissen sein mag, besteht darin, dass diejenigen Themen, die sich auf Frauen beziehen, auf eine gesonderte Ebene gehoben werden. Das bedeutet nicht, dass alle Feministinnen die Themen, die Klassenausbeutung und imperialistische Unterdrückung betreffen, zurückweisen, aber ihre Theorien - und noch wesentlicher, ihr Befreiungsprogramm - verbinden nicht die verschiedenen Kämpfe in einer zusammenhängenden Weise. Der Feminismus ist daher unfähig, eine revolutionäre Herausforderung gegenüber der Frauenunterdrückung zu bilden. Bei dem Versuch, eine Strategie für die Gleichheit oder Befreiung der Frauen ohne eine Strategie für die ArbeiterInnenmacht zu liefern, verbleibt der Feminismus eine utopische Ideologie.

 

22. Die bürgerlich-demokratischen Revolutionen riefen bei Teilen der liberalen Bourgeoisie und der Intellektuellen Erwartungen auf eine wirkliche Gleichheit hervor. Dies wurde auf die Rechte der Frauen erweitert und bildete den Antrieb für die bürgerliche Frauenbewegung. Das erste beeindruckende Beispiel lieferten die ersten Frauenrechtlerinnen unter Olympe de Gouges, die auf dem Höhepunkt der französischen Revolution die völlige juridische und politische Gleichstellung aller Frauen forderte und deswegen von der JakobinerInnendiktatur aufs Schafott geschickt wurde.

In den 1930er und 1940er Jahren des vorigen Jahrhunderts verband sich diese unterdrückte Tradition einer radikal-demokratischen Frauenbewegung mit dem utopischen Sozialismus der entstehenden ArbeiterInnenbewegung, wie im Falle von Flora Tristan mit ihren saint-simonistischen Mitkämpferinnen. Die bürgerliche Frauenbewegung erreichte in den 1980er und 1990er Jahren v.a. in Britannien, den USA, Australien und Neuseeland Masseneinfluss, um das Wahlrecht durchzusetzen. Trotz der von den Suffragetten bewiesenen Hartnäckigkeit und Militanz, die eine starke Repression des bürgerlichen Staates hervorrief, und trotz Schrittweiser Verbesserungen und Wahlrechtsreformen um die Jahrhundertwende, versagte die bürgerliche Frauenbewegung aufgrund ihrer bürgerlich-demokratischen Beschränkungen. Obwohl ein historisch progressiver Forderungskatalog, gab es einen Widerspruch zwischen den Klasseninteressen dieser Frauen und ihren Aspirationen nach Geschlechtergleichheit, die im Kapitalismus nicht vollständig ereicht werden konnte. Für einfache Forderungen nach gleichen Rechten - Frauenwahlrecht, Zugang zu Bildung und Beruf, Besitz- und Scheidungsrechte - wurde oft militant gefochten, aber solange sie von bürgerlichen Frauen vorgebracht wurden, konnten sie niemals über ein Reformprogramm hinausgehen.

Ein derartiges Programm griff unvermeidlich darin zu kurz, die wirklichen Wurzeln der gesellschaftlichen Unterdrückung der Frauen, nämlich die kapitalistische Gesellschaft selbst, zu erfassen. Insofern war es in keiner Weise ein Programm für die Emanzipation der Frauen. Ihr beschworenes Ziel erweiterter Rechte für alle Frauen würde das kapitalistische System, aus dem sie ihre Klassenprivilegien gewannen, destabilisieren, auch wenn diese Vorteile geringer waren als die ihrer männlichen Gegenspieler. Dieser Widerspruch führte dazu, dass die bürgerliche Frauenbewegung sich an zentralen Punkten spaltete.

So wurden zum Beispiel bei Ausbruch des ersten Weltkrieges einige wenige Frauen, wie Sylvia Pankhurst, für die Seite der ArbeiterInnenklasse gewonnen, während andere, einschließlich Emmilene und Christabel Pankhurst, zeigten, dass ihre Klasseninteressen überwogen und sie zur Unterstützung ihres "Vaterlandes" brachten, indem sie ihre feministischen Forderungen zugunsten der Fortdauer des imperialistischen Krieges fallen ließen. Sie waren bereit, das Wahlrecht für die Masse der Frauen im Austausch für Almosen seitens der KapitalistInnen zu opfern, die den kleinbürgerlichen und bürgerlichen Frauen politische Rechte auf der Grundlage von Besitz- und Eigentumsgrößen gewährten.

Die Gefahr des bürgerlichen Feminismus für die ArbeiterInnenklasse bestand in seinem Versuch, alle Frauen in seine Reihen beim Kampf um gleiche Rechte einzugliedern. Bei Wahlrechtsgesellschaften bedeutete diese oft, dass Arbeiterinnen als Unterstützerinnen für die Wahlrechtskampagnen für Frauen mit Eigentum benutzt wurden. Diese Verbindung von Arbeiterinnen mit der bürgerlichen Frauenbewegung ist eine Form der Klassenkollaboration, die die Unabhängigkeit der Arbeiterinnen, die für ihre eigenen Rechte kämpften, untergräbt. Sozialistische Frauenbewegungen standen immer in scharfer Opposition zu den Versuchen bürgerlicher Frauen, ihre proletarischen "Schwestern" für deren eigene Ziele zu gebrauchen.

Zusätzlich zu den Gefahren der Klassenkollaboration wurden Forderungen der bürgerlichen Feministinnen in einigen Fällen dazu benutzt, um die ArbeiterInnenklasse anzugreifen. Insbesondere in den USA wurde die Forderung nach gleichem Wahlrecht für weiße Frauen von den führenden Feministinnen auf der Basis begründet, dass schwarze Männer kein Stimmrecht haben sollten, wenn die weißen Töchter der Bourgeoisie auch über keines verfügten. Ihr Rassismus und die Unterstützung, die viele Führerinnen der Fortdauer der Sklaverei gegeben hatten, machten sie zu klaren Feinden der ArbeiterInnenklasse.

Mehr noch, in historisch entscheidenden Situationen spaltete sich die bürgerliche Frauenbewegung oder ging insgesamt, wie im Fall der deutschen Frauenbewegung, zur Vaterlandsverteidigung über. Schlimmer noch, der bürgerlichen Frauenbewegung war von Anfang an der Charakterzug eigen, dass sie selbst eine feministische Form der Klassenkollaboration darstellte, was führende Frauenrechtlerinnen dazu brachte, zwar das Wahlrecht für Frauen der besitzenden Klassen, aber nicht das allgemeine und gleiche Wahlrecht für alle zu fordern. Dem bourgeoisen Paternalismus einzelner UnternehmerInnen wurde ein feministisches Programm von Sozialreform und Bevormundung der Frauen der 'armen und ungebildeten' Klassen entgegengesetzt. Mit der Erreichung des Frauenwahlrechtes und sonstiger rechtlicher Angleichung der Stellung der Frau in den imperialistischen Ländern verschwand die bürgerliche Frauenbewegung von der politischen Szenerie, wobei der rechteste Flügel in Deutschland im Nationalsozialismus aufging.

 

23. Die zweite Hauptphase des Feminismus tauchte in den späten 1960er Jahren auf und bildete die Frauenbefreiungsbewegungen in den USA und in Westeuropa, die bis in die 1970er Jahre andauerten. Die Bewegungen traten als Ergebnis der dramatischen Veränderungen der materiellen Bedingungen der Frauen, die seit dem zweiten Weltkrieg stattgefunden hatten, auf. Die Ausweitung der Ausbildung und steigende Berufsmöglichkeiten für Frauen in dem langen Nachkriegsboom brachten eine große Anzahl von Frauen zu höherer Bildung und Angestellten- oder BeamtInnenberufen. Verbesserte Verhütungsmethoden und Abtreibungsmöglichkeiten neben dieser Ausweitung der Berufschancen führten zu gestiegenen Erwartungen vieler dieser Frauen nach gleichen Rechten. Die klare Diskriminierung von Frauen in Ausbildung und Beruf und die soziale Isolation, auf die sie trafen, wenn sie den Beruf aufgaben, um sich um die junge Familie zu kümmern, waren ein Ansporn, um ihre Unterdrückung zu bekämpfen.

Die Kampfbereitschaft der ArbeiterInnenklasse, besonders im Mai '68, und die Radikalisierung der StudentInnen und Jugendlichen während der Bürgerrechtskampagnen und der Anti-Kriegs-Bewegung in den USA, die Vietnam-Solidaritätskampagnen in den Vereinigten Staaten und in Westeuropa wirkten als Ansporn für die Mobilisierungen der Frauen. Arbeiterinnen griffen ihre eigenen Forderungen für gleichen Lohn und verbesserte Arbeitsbedingungen, gewerkschaftliche Rechte etc. auf, und die Frauen in den radikalen Bewegungen und innerhalb der Organisationen der alten und neuen Linken rebellierten zuerst gegen den Sexismus ihrer männlichen "Genossen" und griffen später ihre eigenen Forderungen nach Gleichheit und Befreiung auf. Die Frauenbefreiungsbewegung, die in dieser Periode wuchs, war, ungleich der ersten Phase des Feminismus, in politischer Hinsicht ihrem Charakter nach kleinbürgerlich. Dies resultiert aus seiner Massenbasis unter den Frauen der Intelligenz, der oberen Sektionen des Proletariats und der StudentInnen.

Gebrochen widerspiegelte die Zusammensetzung der Bewegungen die politische Tradition und die aktuelle Stärke der ArbeiterInnenbewegung des jeweiligen Landes ebenso, wie die Intensität der Klassenkämpfe Richtung und Inhalte ihrer Entwicklung beeinflusste. In den USA, wo die Frauenbefreiungsbewegung zuerst heranwuchs, gab es ein starkes bürgerliches Element um die "National Organisation of Women" (NOW), die in Zusammensetzung, Zielen und Methoden den frühen bürgerlichen Feministinnen ähnlich war. In den Teilen Europas, wo es stärker organisierte ArbeiterInnenbewegungen gab, identifizierten sich wichtige Teile der Frauenbefreiungsbewegung mit der Bewegung der ArbeiterInnenklasse.

Den größten Einfluss auf die frühe Frauenbefreiungsbewegung hatten radikale Feministinnen in den USA, wie die "Red Stockings" (Rotstrümpfe) in New York. Diese Gruppen - in den USA und in Westeuropa - waren radikal und militant und machten auf die Medien und die ArbeiterInnenbewegung, die für eine so lange Zeit die Frage der Frauenunterdrückung ignoriert hatten, einen bedeutenden Eindruck. Zusammen mit dem Druck organisierter Arbeiterinnen für gleichen Lohn, Kinderbetreuung etc. kann es keinen Zweifel geben, dass die frühe Frauenbefreiungsbewegung einen wichtigen Beitrag dazu leistete, die Frage der Frauenbefreiung aufs Tapet zu bringen. Gerade angesichts des vorherrschenden Sexismus in der ArbeiterInnenbewegung bedeutete die Organisierung und Mobilisierung der Frauen einen begrenzten Fortschritt. Jedoch so, wie sie auf einer falschen Ideologie, dem Feminismus, basierten, waren sie unfähig, grundsätzliche Veränderungen in der Gesellschaft zu erzielen.

Da die Fähigkeit der UnternehmerInnen, den Frauen begrenzte Reformen zuzugestehen, von den Wirtschaftsgewinnen abhing, zwang das Ende des Nachkriegsbooms und der Beginn der Rezession die fortschrittlichsten Teile der Frauenbewegung zu der Erkenntnis, dass sie nicht einfach Vorurteile bekämpfen müssten, sondern das gesamte Wesen der kapitalistischen Gesellschaft. Versuche, eine Theorie und ein Programm zu entwickeln, um mit derartig grundlegenden Fragen fertig zu werden, führten zu größeren Brüchen und Spaltungen innerhalb der Bewegung.

Der Feminismus in dem 1980er Jahren hat seine Ursprünge in diesen frühen Spaltungen, vor allem von radikalem und sozialistischem Feminismus, aber zunehmend tauchte auch eine Tendenz des liberalen Feminismus auf.

24. Der Radikalfeminismus tauchte als eine eigene und einflussreiche Kraft auf, als die Frauenbefreiungsbewegung selbst an die Grenzen ihres eigenen Programms und ihrer Organisation stieß. Er fußte auf den Versuchen einer theoretischen Definition der Frauen als eine eigene unterdrückte und ausgebeutete Kaste oder Klasse, die sich getrennt in Opposition zu ihrem Klassenfeind - den Männern - organisieren sollte. Dies ist eine bewusst antimarxistische Herangehensweise, die männliche Arbeiter als Feinde und bürgerliche Frauen als Verbündete im Kampf für die Frauenbefreiung identifiziert. Es gibt verschiedene theoretische Stränge des Radikalfeminismus, sie sind jedoch durch ein Konzept des Patriarchats als das zugrundeliegende System der Unterdrückung, noch grundlegender als die Klassenbeziehungen, vereint.

Die Männermacht steht im Ursprung der Frauenunterdrückung, und sie wird gegen die Frauen durch den Staat, die Familie und durch individuelle Beziehungen zwischen Männern und Frauen ausgeübt. Die Gewalt der Männer gegen Frauen ist die Methode, mittels der die Männer die Frauen unterdrückt halten und daher eine zentrale Angelegenheit, was die Gruppen dazu gebracht hat, sich auf Kampagnen gegen Vergewaltigung und Gewalttätigkeit auszurichten. In den 1980er Jahren wurde diese Konzentration auf individuelle Männergewalt durch eine Ausdehnung auf militärische Ziele aufgehoben. Atomwaffen werden als die extremsten Beispiele der Männermacht angesehen; radikale Feministinnen haben Friedenslager errichtet usw.

Der Radikalfeminismus ist im wesentlichen eine kleinbürgerliche Ideologie, die zu bestimmten Fragen zutiefst reaktionäre Positionen einnimmt. Zuerst behauptet er, dass die Männer Feinde seien, und argumentiert daher gegen jegliche ArbeiterInneneinheit gegenüber den UnternehmerInnen. Dies führt zum Ausschluss der Männer von allen Veranstaltungen der Frauenbefreiungsbewegung und bei einigen Gruppen zum Ausschluss der heterosexuellen Frauen, die der Zusammenarbeit mit dem Feind bezichtigt werden. In einigen Gruppen führte dies zur Weigerung, z.B. männliche Kinder in ihren Kindergärten zuzulassen.

Zweitens führte ihre Konzentration auf Männermacht, Gewalt und Sexualität sie dazu, sich auf die Seite rechter pressure-groups bei Kampagnen gegen Pornographie, Sexshops etc. zu schlagen. Sie wurden Teil einer repressiven Lobby, die den Staat ermutigt, Filme und Bücher zu verbieten und Leute, mit deren Sexualität sie nicht übereinstimmen, zu schikanieren. Es erübrigt sich zu sagen, dass lesbische und schwule Publikationen sich als eines der Hauptziele der Antipornographie- Gesetzgebung in Großbritannien und in den USA erweisen sollten. Drittens argumentieren sie, dass den Frauen für die Hausarbeit Löhne bezahlt werden sollten, da sie die Familie als den Platz ansehen, wo die Männer die Frauenarbeit ausbeuten. Dies ist eine rückständige Losung, die nicht zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Frauen durch ihre Einbeziehung in die gesellschaftliche Produktion führt, sondern zu einer Bekräftigung des Zuhauses als besonderem Bereich der Frauen.

 

25. Der sozialistische Feminismus tauchte als spezifische Strömung innerhalb der westlichen Frauenbewegung während der 1970er Jahre als Antwort auf den Radikalfeminismus auf. Er war in den USA eine kleine Tendenz, wobei er die Schwäche der organisierten ArbeiterInnenbewegung widerspiegelte, jedoch einflussreicher in Britannien, Italien, Holland und Frankreich. Viele Frauen in der Frauenbefreiungsbewegung waren vom Aufschwung der Aktivität unter den Arbeiterinnen in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren beeinflusst und hatten daran teilgenommen. Dies traf besonders auf Großbritannien zu. Frauen insbesondere aus linken Gruppen traten der Frauenbefreiungsbewegung entweder als Individuen oder als organisierte Tendenzen bei.

Sie fanden sich der radikalen Opposition gegen jegliche Orientierung auf die 'männlich beherrschte' ArbeiterInnenbewegung gegenüber und waren unfähig, die radikalfeministischen Anschuldigungen, dass der Marxismus die Unterdrückung der Frauen nicht erklären könne und dass die existierenden linken Organisationen von Sozialdemokratie und Stalinismus bis zum Zentrismus bezüglich der Frauenfrage eine erschütternde Vergangenheit aufwiesen, zu beantworten. Tatsächlich war es nicht überraschend, dass die Geschichte der Linken so schlimm war. Die revolutionär-kommunistische Position zur Frauenfrage und zur Arbeit unter den Frauen war von den marxistischen KlassikerInnen und der gesunden Komintern bis 1923 erst in entscheidenden Ansätzen entwickelt worden. Aber der Aufstieg des Stalinismus und die Vorherrschaft des Stalinismus und der Sozialdemokratie seit Mitte der 1920er Jahre über die ArbeiterInnenbewegung garantierten, dass diese Position begraben wurde.

Nach dem Krieg waren die Gruppen, die sich als trotzkistisch bezeichneten, nicht erfolgreich gewesen, das theoretische Verständnis und ein Programm für die Frauenfrage wiederzuerstellen, ganz zu schweigen davon, es für die Nachkriegsperiode zu verfeinern und zu entwickeln. Die Tradition des "Internationalen Komitees der Vierten Internationale" - und in Großbritannien die Cliffsche Tradition - hatten anfänglich eine rein ökonomistische Antwort auf das durch den Aufstieg der Frauenbefreiungsbewegung für RevolutionärInnen gestellte Problem. Sie spielten die Frauenfrage alle zusammen herunter, indem sie die Angelegenheit der Frauen in ausschließlich gewerkschaftlichen Begriffen darstellten. Die Frauenbefreiungsbewegung, nachdem sie als kleinbürgerlich charakterisiert worden war (eine korrekte Klasseneinschätzung, aber schwerlich das letzte Wort zum Thema, insbesondere nachdem alle anderen kleinbürgerlichen Bewegungen, besonders die nationalistischen, von den gleichen Gruppen in den Himmel gehoben wurden), wurde einfach abgetan. Der sozialistische Feminismus tauchte in diesem Klima auf. Das Ergebnis war, dass bestimmte Teile der zentristische Linken, insbesondere das "Vereinigte Sekretariat der Vierten Internationale", das eine andere neue Avantgarde im Werden witterte, bewusst ihre Politik an die sozialistisch-feministische Bewegung anzupassen begannen.

Die sozialistischen Feministinnen haben eine Reihe von theoretischen Positionen entwickelt, die ein marxistisches Verständnis von Geschichte und Klasse mit dem, was sie als ein feministisches Verständnis der Frauenunterdrückung ansehen, zu verbinden versucht. Diese Theorien scheiterten aus einer Vielzahl von Gründen. Zuerst einmal stimmen sie alle darin überein, dass Marx' politische Ökonomie "geschlechtsblind" sei und das wirtschaftliche Verhältnis der Frauen zu Produktion und Reproduktion nicht erklären könne. Die Tatsache, dass Marx dieses Verhältnis in seinen Schriften niemals explizit erforschte, bedeutet nicht, dass seine Kategorien und Methoden in dieser Angelegenheit nutzlos wären.

Marx' historischer Materialismus gibt uns die Werkzeuge, wie er es auch für Engels getan hatte, um die Frauenunterdrückung im Zusammenhang des Klassenkampfes zu verstehen, indem er die gesellschaftlichen Verhältnisse, innerhalb derer Frauen hinsichtlich ihrer Beziehung zur Produktionsweise unterdrückt sind, erklärt.

Sozialistisch-feministische Theorien haben versucht, auf Marx andere Kategorien, wie die von "Reproduktionsweisen", die relativ autonom von der Produktionsweise seien, aufzupfropfen. Diese Theorien, die sich stark in ihrer Verfeinerung und ihrem Verständnis von Marx unterscheiden, führen alle zum Schluss, dass es irgendetwas Besonderes an der Dynamik der Frauenunterdrückung gäbe; eine Dynamik, die tiefer liege als die fundamentalen Klassengegensätze, die Marx darstellte. Und gerade diese Schlussfolgerung ist falsch. Sie führt die sozialistischen Feministinnen dazu, ihre Praxis, die die "Frauenfrage" auf eine besondere Sphäre absondert, theoretisch zu rechtfertigen.

Zweitens, und damit verwandt, teilen die meisten sozialistischen Feministinnen mit dem Radikalfeminismus den Begriff des Patriarchats-Strukturen und Ideen, die unabhängig von der einzelnen Klassengesellschaft die männliche Vorherrschaft reproduzieren - als irgendetwas von den Beziehungen der herrschenden Klasse und ihrem Staat Getrenntes. Im Zentrum davon steht die Idee, dass die Familie die gesellschaftliche Einheit sei, in der die Frauen direkt von ihren Vätern, Ehemännern oder anderen männlichen Verwandten unterdrückt würden, mit der Implikation, dass diese über die Frauen eine Klassenüberlegenheit genießen würden. Dies ist grundsätzlich falsch. Wie der Radikalfeminismus endet es damit, die Männer, gleich welcher Klasse, als Feinde anzugreifen. Wir argumentieren, dass die Familie ein für den Kapitalismus notwendiges Verhältnis ist und dass es nur die KapitalistInnen sind, die von der Aufrechterhaltung der Familien substantiellen Nutzen ziehen. Aus diesem Grund weisen wir die Idee zurück, dass das "Patriarchat" als ein gesellschaftliches Verhältnis innerhalb jeder Familie existiere und der tiefste Grund der Frauenunterdrückung sei. Wir weisen jedoch den Begriff des Patriarchats nicht gänzlich zurück.

Die Familienstruktur mit einem männlichen Oberhaupt, das Frauen und Kinder beherrscht, ist patriarchalisch und verleiht den Männern innerhalb der Familie und der Gesellschaft Prestige. In früheren Klassengesellschaften gründete sich die Familienstruktur auf ein tatsächliches wirtschaftliches Verhältnis, wo die männlichen Familienoberhäupter das Arbeitsprodukt der Frauen und Kinder kontrollierten. Für die Massen der Leibeigenen, der Bauern/Bäuerinnen ergab diese Kontrolle für die Männer keine besonders großen Vorteile, da jegliches Mehrprodukt von den herrschenden Adeligen und GrundbesitzerInnen angeeignet wurde. Aber innerhalb der Familie verlieh es den Männern die Macht, die Arbeit der Frauen und Kinder zu regeln - und damit die gesellschaftliche Vorherrschaft.

Viele sozialistisch-feministische Theorien schaffen es nicht, die ArbeiterInnenfamilie im Kapitalismus zu verstehen, da sie nicht die Umwandlung der Rolle dieser Familie gesehen haben. Ihr Begriff des Patriarchats innerhalb der Familie ist unhistorisch, da sie dieses als konstante Struktur der Unterdrückung neben der historischen Entwicklung der Klassengesellschaften betrachten und die sich verändernde soziale Funktion von Familie und männlicher Vorherrschaft in der ArbeiterInnenklasse ignorieren.

Der sozialistische Feminismus stellt damit keinen qualitativen Bruch mit den Irrtümern des Radikalfeminismus dar und behält das utopische und letztlich reformistische Programm bei. Da der sozialistische Feminismus die radikalfeministische Vorstellung einer besonderen Dynamik, die der Frage der Frauenunterdrückung anhaftet, teilt, wird auch das Gebiet, worauf er seine Forderungen und Kämpfe konzentriert, ebenso geteilt. Er war zu Fragen in Verbindung mit Männergewalt, Sexualität und Fruchtbarkeit am aktivsten. Innerhalb der ArbeiterInnenbewegung haben die sozialistischen Feministinnen Themen des Sexismus aufgeworfen, Aktionsprogramme für Frauen in den Gewerkschaften und am Arbeitsplatz entwickelt und Kampagnen, dass die Männer mehr Verantwortung für die Hausarbeit und Kinderbetreuung übernehmen sollten, geführt.

Obwohl all dies Fragen sind, die auch RevolutionärInnen ernsthaft aufgreifen müssen, umgehen die sozialistischen Feministinnen doch das grundlegende Problem, dem sich Frauen gegenübersehen: den Kapitalismus. Sie weisen ebenso die Idee zurück, dass die Arbeiterinnen in der Avantgarde eines Kampfes für Frauenbefreiung sein müssten, indem sie es vorziehen, ihr Bündnis mit den Radikalfeministinnen und kleinbürgerlichen oder bürgerlichen Verbündeten in einer klassenübergreifenden Frauenbewegung zu bewahren. Die sozialistischen Feministinnen haben argumentiert, dass männliche Arbeiter kein natürlicher Verbündeter der Arbeiterinnen wären, dass sie - obwohl sie die Frauen unterdrücken - der größere Teil einer Klasse seien, die das Potential zur Schaffung der ökonomischen Vorbedingungen für die Frauenbefreiung, d.h. für den Sozialismus, besitze. Sie argumentieren daher, dass die Arbeiter zeitweilige Verbündete bei einigen Kämpfen seien, dass sie aber letztlich zu einer Kraft würden, gegen die sich die Frauen organisieren müssten.

Das "Vereinigten Sekretariat der Vierten Internationale", an vorderster Front im Kampf, eher den Feminismus in die sozialistische Bewegung zu bringen als eine revolutionäre Politik in die Frauenbewegung, argumentierte in den 1970er Jahren, dass die Frauen ein natürlicher Verbündeter der ArbeiterInnenklasse wären. Damit meinten sie ALLE Frauen. Dies ist ein unkorrekter und irreführender Begriff, der von dem Problem klar widersprüchlicher Klasseninteressen zwischen bürgerlichen und proletarischen Frauen ablenkt. Es sind die Arbeiter, nicht feindliche, bürgerliche "Schwestern", die die 'natürlichen' Verbündeten der Arbeiterinnen sind, und zwar in dem Sinn, dass sie ein objektives Interesse teilen und dies subjektiv wahrnehmen können im Verlauf des Kampfes.

 

26. Ebenso wie die bürgerliche Revolution und der Beginn des Industriekapitalismus die Frauen in der westlichen Welt zu Kampagnen für die weibliche Emanzipation trieb, so trieb die Auswirkung des Imperialismus in Asien, Afrika und Lateinamerika und das Wachstum der nationalistischen Bewegungen in diesen Kontinenten die Frauen in eine Schlacht gegen Reaktion, Obskurantismus und gesellschaftliche Unterdrückung.

Modernisierung - Industrialisierung und die Entwicklung von Infrastruktur und Landwirtschaft - wurde ein zentraler Angelpunkt der Programme verschiedener bürgerlich-nationalistischer Bewegungen und vieler nationaler Bourgeoisien in den Halbkolonien. Die Ausweitung von Erziehung, bürgerlich-demokratischen Rechten und als Teil davon mehr Rechte für Frauen waren ein notwendiger Teil des bürgerlich- nationalistischen Programms für Modernisierung. Wenn die neuen herrschenden Klassen ihre eigene nächste Generation erziehen sollten, benötigten sie gebildete Frauen und Familien, die auf der westlichen Monogamie basierten. Es war auch der Fall, dass religiöse und kulturelle Traditionen den Fortschritt auf dem Land zurückhalten konnten und die Freisetzung weiblicher Arbeitskraft dort, wo die entwickelten Industrien sie benötigten, verhinderten.

Fortschrittliche Frauenorganisationen in so verschiedenen Ländern wie Ägypten, Korea und Südafrika wuchsen als Teil der modernen nationalistischen Bewegungen. Einige nationalistische Regierungen, wie die von Atatürk in der Türkei oder Sun Yat Sen in China, standen an der Spitze eines Zuges gegen besonders empörende Unterwerfung der Frauen, die ein Wesenszug im Leben z.B. des Osmanischen Reiches gewesen war. Frühe feministische Bewegungen in den Kolonien und Halbkolonien fanden daher vergleichsweise mehr Unterstützung von Teilen der nationalistischen Bourgeoisie, als ihre Schwestern im Westen von den herrschenden imperialistischen Klassen gefunden hatten.

Aber diese Unterstützung hatte festgelegte Grenzen. Zuerst einmal gab es Zeiten und Orte, wo der Nationalismus Hand in Hand mit einer tiefen Reaktion bezüglich der Frauenfrage einherging. (Der Islamische Fundamentalismus im Iran und anderen Teilen der Nahen/Mittleren Ostens ist das jüngste Beispiel, aber die NationalistInnen in den 1920er Jahren waren gleichfalls fähig, die Frauenrechte anzugreifen, so wie sie jede Errungenschaft, die von den Massen im antiimperialistischen Kampf gemacht wurde, angriffen.) Zweitens genügte für die neuen herrschenden Klassen der Halbkolonien eine begrenzte Emanzipation und die Einrichtung der Monogamie nach westlichem Stil für ihre Zwecke. Eine freie und unabhängige Frauenschaft würde eine Drohung für die etablierte Ordnung, der sie jetzt vorstanden, und für die Institution der Familie gewesen sein. In diesen Fällen starben die feministischen Bewegungen entweder nach Erlangung der Unabhängigkeit ab oder behaupteten eine kümmerliche Existenz, bis eine neue Generation von Frauen fähig war, die ungelösten Fragen aufzugreifen.

Der bürgerliche Feminismus in den Kolonien und Halbkolonien hat den westlichen Feminismus größtenteils darin widergespiegelt, dass er den Bedürfnissen der großen Massen der Frauen der ArbeiterInnenklasse, der städtischen Armen oder der Bauernschaft wenig Aufmerksamkeit schenkte. Wo ihnen Aufmerksamkeit zuteil wurde, wurden ihre unabhängigen Interessen in das allgemeine bürgerliche Reformprogramm eingebunden. Die Komintern in den frühen 1920er Jahren unternahm einen entschlossenen Versuch, durch den Aufbau der kommunistischen Fraueninternationale die ArbeiterInnenklasse und die kommunistische Führung mit den fortschrittlichen Frauenorganisationen des Ostens zusammenzubringen und Arbeiterinnen und Bäuerinnen unabhängig von der Bourgeoisie zu mobilisieren. Mit der Degeneration der Komintern ab Mitte der 1920er Jahre jedoch hörten diese Anstrengungen auf, und viele der Errungenschaften gingen verloren.

Nichtsdestotrotz führten die spezifischen Interessen der Arbeiterinnen und Bäuerinnen und ihre Erkenntnis, dass die imperialistische Herrschaft ihnen immer größere Lasten aufbürdete, zur Teilnahme einer wesentlichen Anzahl dieser Frauen in antiimperialistischen Bewegungen, die sich während und nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten - einschließlich des bewaffneten Kampfes, so z.B. in China, Vietnam und Zimbabwe. Gleichzeitig griffen diese Frauen ihre traditionell untergeordneten Rollen an oder versuchten, ihre Unabhängigkeit zu bewahren oder auszuweiten, sobald das Kapital die bäuerliche Familie entwurzelte und immer schwerere Lasten auf ihre Schultern legte. Die Ausbreitung von sozialistischen und antiimperialistischen Ideen innerhalb dieser antiimperialistischen Bewegungen ermutigte die Forderung nach Gleichheit und nach der Organisation der Frauen, aber die Hegemonie des Stalinismus und das Programm des kleinbürgerlichen Nationalismus haben dazu geführt, dass diese Bewegungen entweder den neuen herrschenden Bürokratien oder den neuen bürgerlichen Regierungen wie in Zimbabwe verbunden bleiben.

Heute existieren Frauenorganisationen mit kulturellem, politischem und/ oder sozialem Charakter in jedem Land der Erde. Frauen spielen eine entscheidende Rolle im Leben und in der Führung der ArbeiterInnenklasse in den Barrios, Slums und auf den Arbeitsplätzen der imperialisierten Welt. Der westliche Feminismus wird oft mit Argwohn betrachtet. Seine Beschäftigung mit der Lebensweise scheint Lichtjahre entfernt vom täglichen Existenzkampf, dem sich die Mehrheit der Frauen der Welt gegenübersieht. Aber dies bedeutet nicht, dass der Feminismus nicht vorhanden oder nicht einflussreich wäre. Arbeiterinnen und Bäuerinnen nehmen nicht nur den Kampf gegen Armut und Ausbeutung auf, sondern auch die Schlacht gegen den Machismus, die Witwenverbrennung, die Aneignung von Land, das Frauen gehörte, gegen sexuelle Brutalität. Wo der Feminismus mit seiner Theorie eines gesonderten oder parallelen Kampfes gegen das Patriarchat und mit seiner Strategie einer Frauenbewegung mehrerer Klassen die Antwort auf diese Probleme scheinbar bereithält, wird er so lange weiterhin wachsen, bis eine kommunistische Führung eine Alternative zu ihm bereitstellt.

Leserbrief schreiben   zur Startseite




  Keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus, kein Sozialismus ohne Befreiung der Frauen. Thesen zum Charakter der Frauenunterdrückung
  Die Ursprünge und der sich ändernde Charakter der Frauenunterdrückung
  Die systematische Unterdrückung der Frauen im Kapitalismus
  Imperialismus und Frauenunterdrückung
  Stalinismus und Frauenunterdrückung
  Frauenbefreiung und Sozialismus
  Feminismus
  Feminismus in den 80er Jahren
  ArbeiterInnenbewegung und revolutionäre Partei

A4 Heft, 36 Seiten, € 2,-
Zu bestellen über unsere Kontaktadressen



  Vorwort
  Arbeiterklasse und Revolution. Thesen zum marxistischen Klassenbegriff
  Marxismus und Gewerkschaften
  Thesen zur Einheitsfronttaktik
  Keine Befreiung der Frau ohne Sozialismus, kein Sozialismus ohne Frauenbefreiung

A5 Buch, 228 Seiten, € 9
Zu bestellen über unsere Kontaktadressen und im guten Fachhandel