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NRW-Wahlen

Schröder am Ende?

Peter Lenz, Neue Internationale 99, April 2005

Nach dem Debakel für Rot-Grün in den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein wird der Urnengang in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai zu einem wichtigen Datum für die Regierung in Berlin. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit sind die Umfragewerte der SPD in den letzten Wochen wieder unter die 30%-Marke gerutscht. Gehen die Wahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland für verloren, wird es eng für Schröder.

Der Generalangriff auf die Arbeiterklasse hat dazu geführt, dass der Einfluss der SPD geschwächt wurde wie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr. Massenaustritte, Stimmenverluste dramatischen Ausmaßes und eine Erschütterung der Vormachtstellung der SPD in den Gewerkschaften sind unverkennbare Zeichen dafür.

Auch wenn es Anfang 2005 schien, als habe sich die SPD von ihren dramatischen Einbrüchen aufgrund der inneren Konflikte im Unions-Lager und der Schwäche der Alternativen links von ihr leicht erholen können, so zeigt der Trend aktuell wieder nach unten, was sich zuletzt auch im Ergebnis der Wahlen in Schleswig-Holstein ausdrückt.

Der Generalangriff des Kapitals und die Konjunkturlage erlauben auch 2005 keine "Reformpause". Die Tiefe der Krise erfordert von der SPD-Regierung Maßnahmen, die ihre eigene Existenz als politische Massenpartei gefährden.

"Wir wollen Gerechtigkeit, um allen Menschen die Chancen für Freiheit zu sichern, damit sie über die Mittel für ein selbstbestimmtes Leben verfügen. Gerecht ist die Sicherung der gleichen Würde aller Menschen, unabhängig von ihren Leistungen, aber ebenso die Anerkennung ihrer unterschiedlichen Leistungen für die Gemeinschaft. Ungerecht ist es, wenn diejenigen, die durch Vermögen und Einkommen Vorteile genießen, keinen angemessenen Beitrag zum Wohle aller leisten." So äußerte sich zuletzt SPD-Ministerpräsident Steinbrück.

Steinbrücks Programm

Hinter diesen Allgemeinplätzen, die im SPD-Wahlprogramm zuhauf zu finden sind, verbirgt sich eine politische Praxis, die kaum von der des CDUlers Roland Koch in Hessen zu unterscheiden ist. Doch es ist nicht neu, dass sich Sozialdemokraten zu etwas linkeren Aussagen hinreißen lassen, wenn sie ihr Weiterregieren sichern wollen.

Wenn sich die SPD trotz ihrer Politik noch bei etwa 30 Prozent Wählerstimmen hält, hat sie das vor allem der Gewerkschafts- und Betriebsratsbürokratie zu verdanken, die noch immer beachtliche Teile der Arbeiteraristokratie hinter der SPD hält. Die Angriffe der Unternehmerverbände, von FPD und CDU auf Tarifautonomie, Kündigungsschutz und Mitbestimmungsrechte dienen der Gewerkschaftsbürokratie als Argument, den "Schulterschluss" mit der SPD wieder zu rechtfertigen.

Einige SozialdemokratInnen allerdings wollen mit der Perspektive einer Großen Koalition ihren Platz am Kabinettstisch sichern - eine realistische Option, wie auch die Vorgänge in Kiel zeigen.

Sollte die CDU in NRW gewinnen, hätte das erhebliche Folgen. Erstens hätte die Union im Bundesrat eine solche Mehrheit, dass sie fast jedes wichtige Gesetz von Rot/Grün kippen und so die Regierung weitgehend blockieren könnte. Zweitens würde der Druck auf Schröder in Richtung Große Koalition deutlich steigen.

Die WASG

Auch die WASG (Wahlalternative), die in NRW etwa 1300 Mitglieder hat (etwa so viel wie die NRW-PDS) kandidiert zur Wahl. Für die im Januar gegründete WASG ist der Ausgang der Wahlen ein Test, inwieweit sie mit ihrer Programmatik und ihrer Politik in der Lage ist, sich zumindest der Vorhut der Arbeiterklasse als wählbare Alternative zur SPD zu präsentieren. Wird das Abschneiden zum Desaster, wird das nicht ohne gravierende Auswirkungen auf die Organisation bleiben.

Die Chancen für eine Partei, die eine klassenkämpferische Perspektive mit konkreten Aktionen gegen den Sozialabbau, die Militarisierung der EU und gegen die Neonazis verbindet, stünden nicht schlecht. Angesichts der prekären Lage suchen viele nach klaren Antworten und einer radikalen Alternative links von der SPD.

Die WASG aber tritt mit einem illusorischen Programm der Reparatur des Kapitalismus an. Sie führt die Probleme nicht auf die kapitalistische Krise, sondern nur auf "falsche" neoliberale Politik zurück. So behauptet das WASG-Wahlprogramm für NRW: "Wir stecken nicht in einer Wirtschafts-, sondern in einer Verteilungskrise."

"Öffentliche Investitions- und Beschäftigungsprogramme sind kurzfristig durchzuführen. Sie schaffen Nachfrage für die Binnenwirtschaft, für kleine und mittlere Unternehmen" verheißt das WASG-Wahlprogramm weiter. Nicht die Lohnabhängigen sollen zum Kampf gegen Massenentlassungen, Privatisierung und Lohnraub mobilisiert werden, sondern den "kleinen und mittleren" Kapitalisten soll ein Investitionsprogramm schmackhaft gemacht werden.

Abgesehen davon, dass offenbar auch die WASG glaubt, durch Förderung von Teilen des Kapitals Arbeitsplätze zu schaffen, stellt sich doch zumindest die Frage, wie man Beschäftigungsprogramme bezahlen will, wer sie kontrollieren soll, damit sie nicht zu Tummelplätzen für Ein-Euro-Jobber werden usw.? Auf diese so wichtigen wie nahe liegenden Fragen schweigt sich die WASG aus. Wie immer hört die reformistische Weisheit dort auf, wo das Problem eigentlich anfängt.

Angesichts dieser programmatischen Schmalbrüstigkeit und der in den letzten Monaten auffälligen Unfähigkeit der WASG-Führung, sich politisch klar zu positionieren und die Organisation zu praktischen Kampagnen zu befähigen, ist ein erfolgreiches Abscheiden der WASG sehr fraglich. Auch die Nichtaufnahme von Streik-AktivistInnen von Opel Bochum - das bekanntlich in NRW liegt! - in die WASG spricht nicht gerade dafür, dass die WASG die kämpferischsten Teile der Klasse erreichen will. Gerade das wäre aber von entscheidender Bedeutung, wenn die WASG einen realen Schritt vorwärts darstellen soll.

Chance vertan?!

Noch wichtiger als die eigentliche Wahlkampagne wäre es für die WASG, in konkrete Kämpfe und Proteste aktiv einzugreifen. Das bedeutet aber, nicht nur mitzumachen, sondern eine klare Kampfperspektive Richtung Massenstreiks zu weisen und entsprechende organisierende Losungen aufzustellen. Davon ist bisher nichts zu spüren.

Vielmehr droht der Parteitag der WASG kurz vor den NRW-Wahlen zu einer reformistischen Inszenierung zu werden, bei der die bisherige rein reformistische programmatische Linie per Akklamation bestätigt werden soll. Sollte es keinen relevanten klassenkämpferischen Flügel geben, so hat die WASG mit ihrem ersten Parteitag wohl auch schon ihr Potential verspielt. Denn davon, dass sich kämpferische Schichten der Arbeiterklasse auf die WASG orientieren und Erwartungen an sie knüpfen, kann im Moment ebenfalls nicht gesprochen werden.

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Nr. 99, April 2005

*  Arbeitslosigkeit: Schwarze Bilanz von Rot/Grün
*  Erster Mai: Klassenkämpferische Opposition sichtbar machen!
*  Tarifabschluss Öffentlicher Dienst: Zahnloser Tiger Ver.di
*  Heile Welt
*  Wahlalternative: Aktiv - gegen Linke
*  NRW-Wahlen: Schröder am Ende?
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*  Arbeitskämpfe in Frankreich: Eine neue Einheit