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Bundesweite Demo am 1. November

Heißer Herbst für Schröder!

Markus Lehner, Neue Internationale 84, Oktober 2003

Am 16. August tagte die bundesweite Aktionskonferenz gegen die Agenda und die Sozialabbau-Gesetze in Frankfurt/Main. Dieses Treffen kam auf Initiative verschiedener Kräfte zustande:

Einzelner aktiver gewerkschaftlicher Gliederungen; z.B. ver.di Stuttgart, die für den Aufruf "Für eine bundesweite Demonstration des DGB und seiner Einzelgewerkschaften gegen Sozialraub in Berlin" inzwischen zehntausende Unterschriften gesammelt hat;
der bundesweiten Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken und labournet;
den zahlreichen "Anti-Hartz"-Bündnissen und den darin versammelten Arbeitslosen-Initiativen und anderen Gruppierungen, die seit Jahren Protest und Selbsthilfe gegen die konkreten Auswirkungen neoliberaler Kahlschlagpolitik leisten;
Teilen der antikapitalistischen und globalisierungskritischen Bewegung, den Sozialforen, aus attac.
verschiedener linker Gruppen.

Auf diesem Treffen waren trotz Ferienzeit mehr als 150 AktivistInnen gekommen, so dass der Veranstaltungsraum völlig überfüllt war. Die abgebrochenen Gewerkschaftsproteste ("Sommerpause") und der Verrat der IG-Metallführung an der Streikbewegung im Osten haben nicht zur Resignation geführt, sondern viele AktivistInnen um so mehr davon überzeugt, dass die Initiative zum Protest von der Basis her zu ergreifen ist.

Zusätzlich zählte die Überzeugung, dass die Betroffenheit bei den ArbeiterInnen, Arbeitslosen, SozialhilfeemfängerInnen etc. durch die konkrete Umsetzung der Gesetzesvorhaben im Herbst eine weitaus protestbereitere Mobilisierungsbasis ergeben wird.

Um ein erstes markantes Zeichen zu setzen, wurde mit überwältigender Mehrheit (95%) die Durchführung einer bundesweiten Demo in Berlin mit dem Ziel Kanzleramt beschlossen.

Das bundesweite "Bündnis gegen Sozialkahlschlag (www.demo-gegen-sozialabbau.de)" war aus der Taufe gehoben.

Die Demonstration kann natürlich nur zum Erfolg werden, wenn ihre Vorbereitung lokal verankert und mit einer entsprechenden Mobilisierung in den Betrieben verbunden wird. Daher wurde zugleich ein bundesweiter Aktionstag für Montag, den 20.10. (entsprechend der "Agenda 2010") beschlossen, an dem lokale Proteste auf Straßen und in Betrieben organisiert werden sollen. Dies wird ein wesentlicher Test für die Mobilisierung zum 1. 11. sein.

Nach diesem Gründungstreffen kam es in vielen Städten inzwischen zur Bildung von lokalen Vorbereitungskomitees, die zum Teil überraschend großen Zulauf hatten. So kamen in Kassel mehr als 70 TeilnehmerInnen. Ähnlich erfolgreich verliefen die Gründungen in Berlin, Stuttgart, Frankfurt ... (she. die Berichte auf der Bündnis-Homepage).

Der Kreis der Unterstützer ist dabei immer wieder eine Mischung aus GewerkschaftsaktivistInnen, Sozial-Initiativen, attac, Sozialforen und Organisationen (u.a. DKP, MLPD, PDS, Linksruck, SAV, RSB, Arbeitermacht), in machen Fällen auch linken SozialdemokratInnen. Die Bewegung hat inzwischen auch regionale und überregionale Gewerkschaftsgremien und mittlere Funktionäre erreicht (ver.di Stuttgart, Berlin, DGB Kassel, IG-Metall Berlin, viele gewerkschaftliche Arbeitslosengruppen, Frauen- und Immigrantengliederungen etc.).

Der gewerkschaftliche Apparat verhält sich noch abwartend. Nachdem die Führungskrise der IG-Metall nicht zum von den rechten Reformisten und dem Kapital erhofften völligen Schwenk Richtung Co-Management-Gewerkschaft geführt hat, sondern die widersprüchliche Koalition mit den "traditionalistischen" Reformisten fortgeführt wird, kann der Schwenk Richtung "Ende des Protests" nicht oder jedenfalls nicht offen fortgeführt werden. Alles andere würde zur Vertiefung der Führungskrise und zur völligen Diskreditierung gegenüber den übriggebliebenen BasisaktivistInnen führen.

Auf dem Gewerkschaftstag der IG-Metall im August wurde die Bereitschaft zur Fortsetzung des Protestes von vielen Delegierten eindringlich gefordert. Dies reichte bis zur Erklärung, dass für die Verhinderung von Angriffen jenes Ausmaßes, denen wir uns momentan gegenüber sehen, politische Streiks notwendig sind.

Zugeständnisse

Da Jürgen Peters auch gerade durch die Unterstützung solcher Basis-AktivistInnen (oder der FunktionärInnen, die wiederum von ihnen abhängen) überleben konnte, wundert es nicht, dass er zumindest verbal von der Linie Zwickels abgerückt ist und zusammen mit ver.di-Chef Bsirske von der Wiederaufnahme der Proteste gegen Agenda 2010 und Gesundheitsreform spricht.

Gleichzeitig zeigen die Kanzler-Gespräche und die Duldung der offiziellen DGB-Position ("die Gewerkschaften sind keine außerparlamentarische Opposition"), dass auch Peters alles vermeiden wird, was den gerade gefundenen Frieden mit den Co-Managern gefährden könnte. Statt daher eine offene, direkte Mobilisierung gegen die anstehenden Sozial-Raub-Gesetze in Gang zu setzen, wird das Schwergewicht auf eine Kampagne gegen die tarifpolitischen Entwürfe von CDU/CSU und Arbeitgeberverbänden gelegt. Das drückt nicht nur das geringe Vertrauen in die Mobilisierungsbereitschaft der Basis aus. Es drückt zugleich auch die Hoffnung aus, über die Tarifpolitik und das Beschwören traditioneller, nicht-sozialdemokratischer Feindbilder einen bürokratisch gezähmten "Druck der Straße" erzeugen zu können.

Die Angriffe auf den Flächentarifvertrag weisen jedoch in dieselbe Richtung wie das von der Agenda angepeilte Ziel der Ausdehnung von Niedriglohnbereichen, Lohndumping, Leiharbeit und der Ausdehnung "betrieblicher Bündnisse" bzw. von Öffnungsklauseln. Insofern muss diese tarifpolitische Kampagne von uns in eine Mobilisierung gegen die Agenda umgemünzt werden.

Wenn im Oktober im Rahmen der tarifpolitischen Kampagne auch betriebliche Aktionen beginnen werden, so ist dies eine gute Gelegenheit, um auch den Protest gegen Hartz & Co. zum Thema zu machen und mit der Demonstration am 1. November noch größere Dynamik in die Bewegung zu bringen.

In dieser Situation müssen Gewerkschaftslinke und BasisaktivistInnen in den Betrieben eigenständige Mobilisierungen beginnen - wo möglich mit, wo nötig gegen den Apparat. Resolutionen mit netten Unterstützungserklärungen und formelle Beschlüsse reichen hier absolut nicht aus!
Es geht darum, die KollegInnen in Versammlungen, vor den Werktoren, auf den Straßen direkt zu erreichen. Die fatalen Auswirkungen der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, der Renten- und Gesundheitsreform, der Angriffe auf die Tarifverträge und Arbeitszeitgesetze müssen in ihrem ganzen Umfang klar gemacht werden.

Wenn die KollegInnen "nicht schon wieder einen Samstag für eine Demo opfern wollen", dann werden sie bald viele Samstage für das Kapital opfern müssen! Wir müssen klar machen, dass Widerstand gegen diese Politik nicht aussichtslos ist, sondern dass ein breiter werdender Protest von Gewerkschaften, Arbeitslosen, Sozialinitiativen, Jugendlichen die Regierung in die Knie zwingen und den Angriff des Kapitals stoppen kann.

Allein die Wahlniederlagen, Massenaustritte und der schwindende Rückhalt in den Gewerkschaften zeigen, dass die SPD-geführte Regierung keineswegs ein unüberwindbarer Gegner ist und sehr wohl "Opfer" ihrer eigenen Politik zu werden droht - und das, obwohl sie noch keinen Massenstreiks und Großdemos ausgesetzt war.

Damit stellt sich auch die Frage einer politischen Alternative zur SPD (und PDS) jenseits der großen Koalition des Neo-Liberalismus: einer neuen revolutionären Arbeiterpartei.

Der Aufruf für die Demonstration, wie er vom Vorbereitungstreffen am 30. August beschlossen wurde, bringt eine solche weitergehende Perspektive nur sehr beschränkt zum Ausdruck. Er ist angesichts der Breite des Bündnisses nur ein Minimalkonsens, in dem es viele "gegen" (in Bezug auf die bekannten Gesetzesvorhaben) gibt, und ein "für" ("Wir fordern umfassende Heranziehung der Unternehmensgewinne und hohen Vermögen zur Finanzierung menschenwürdiger Lebensverhältnisse").

Doch nicht einmal dieser Minimalkonsens konnte von allen Gruppen getragen werden.

Einige sektiererische Gruppen meinten den Aufruf nicht unterstützen zu können, da er keine Kritik an "den Gewerkschaften" enthalten würde. So berechtigt diese Kritik - allerdings an der reformistischen Führung - und hinsichtlich weitergehender Forderungen auch ist, so ist für den ersten Schritt, der Mobilisierung für eine gemeinsame Demo, der erreichte Minimalkonsens akzeptabel, da er die Weiterentwicklung des Protestes ermöglicht.

Das zentrale Problem am Aufruf ist jedoch, dass er keine über den 1. November hinaus gehende Handlungsperspektive enthält. Es ist sicher korrekt, sich heute zur Abwehr der Agenda zusammenzuschließen. Aber es ist auch notwendig, sich über die Mittel zu einigen, wie sie abgewehrt werden kann.

Massenstreiks gegen die Agenda!

Demonstrationen wie am 1. November sind wichtig zur Mobilisierung und Sammlung des Widerstandes. Doch sie reichen nicht. Wir brauchen politische Massenstreiks, bis die Agenda 2010 fällt!

Diese Forderung muss auch an die Gewerkschaftsführungen gestellt werden. Aber wir wissen, dass die "Widerstandskraft" der BürokratInnen vor allem im Widerstand gegen den Druck der eigenen Basis besteht.

Zur Erzwingung, Vorbereitung und Durchführung politischer Streiks sind eigene Kampfstrukturen - Aktions- und Streikkomitees in den Betrieben, die sich auf aktive Vertrauensleute, Betriebsräte und Gewerkschaftsgruppen stützen - unabdingbar. Wir brauchen Abteilungs- und Belegschaftsversammlungen, um die Dimension der Angriffe klar zu machen und Kampfmaßnahmen dagegen festzulegen.

Wir fordern von den Gewerkschaften die Einberufung regionaler und bundesweiter Vertrauensleutekonferenzen, um konkrete Kampfmaßnahmen zu beschließen.

In jedem Fall gilt: Die Gewerkschaftsopposition, die Linke, die Basisinitiativen und Gruppen müssen ihre Zersplitterung und Isolation überwinden. Der Apparat hat einen großen Vorteil: Er kontrolliert den Laden, er ist landesweit koordiniert. Die kampfwilligen ArbeiterInnen und die Linken sind es nicht!

Daher ist der Zusammenschluss von aktiven GewerkschafterInnen in einer landesweiten, klassenkämpferischen Basisbewegung im DGB und in den Einzelgewerkschaften notwendig. Deren Aufgabe muss sein, den Kampf gegen die Agenda 2010 voranzutreiben, die Gewerkschaften zum Kampf zu zwingen und - wenn nötig auch ohne und gegen die Bürokratenspitze - Streiks, Besetzungen und Blockaden durchzuführen.

Da die Agenda 2010 gleichermaßen Beschäftigte, Erwerbslose, Jugendliche wie RentnerInnen trifft, müssen Bündnisse wie Anti-Hartz-Initiativen und die entstehenden Sozialforen in die Bewegung gezogen werden. Der Kampf kann und muss deshalb in den Betrieben und in den Stadtteilen geführt werden!

 

1. November, 13 Uhr, Berlin, Alexanderplatz

Bundesweite Demo gegen Agenda 2010

 

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Nr. 84, Oktober 2003

*  Demo am 1. November: Heißer Herbst für Schröder!
*  Gewerkschaften: Kampf oder Friedenspflicht?
*  Heile Welt
*  München: Braune Terroristen, blinder Staat
*  Brasilien: Lulas Weg nach Rechts
*  Volksfront in Brasilien: Vierte Internationale regiert mit
*  30. Jahrestag des Pinochet-Putsches: Vom Traum zum Trauma
*  Palästina: Verteidigt die Intifada-AktivistInnen!
*  27. September: Aktionstag ohne Action
*  Die SAV und der Antikapitalismus: Global daneben
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