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Gewerkschaften

Für eine revolutionäre Fraktion!

Susanne Kühn, Neue Internationale 83, September 2003

Trotz Peters Sieg: In den Gewerkschaften sind die Rechten im Vormarsch. Nichts könnte das besser symbolisieren als die vereinbarte Übergabe des IGM-Vorsitzes an Huber nach Ablauf von Peters Vorsitzendenperiode.

Der auf Schröder und die Neue Mitte ausgerichtete Flügel des gewerkschaftlichen und betriebsrätlichen Apparats hat eine "realistisch" anmutende Strategie: Fast zu allem JA sagen, um den Kernbestand der eigenen Pfründe und einige Positionen der Arbeiteraristokratie zu retten.

Dieser Flügel ist bereit, eine nachhaltige Schwächung der gewerkschaftlichen Kampfkraft und damit eine Schwächung der Arbeiterklasse im gesellschaftlichen Kräfteverhältnis freiwillig hinzunehmen. Es geht ihm darum, die eigene Schwächung "mitzugestalten". So wie im betrieblichen Co-Management bestenfalls notdürftig an den Kapitalvorhaben herumgedoktert wird, sollen das künftig auch die Gewerkschaften insgesamt freudig tun.

Es ist daher kein Wunder, dass der Flügel um Peters, die "Traditionalisten", (noch) eine Mehrheit der Mitglieder, v.a. der aktiveren hinter sich hat. Dieser Teil der Bürokratie will den errungenen "Bestand" gewerkschaftlicher Macht wahren. Sein Ziel ist jedoch utopisch: zurück zum "guten" sozialpartnerschaftlichen Klassenkompromiss vergangener Jahrzehnte. Zurück zu einer Mischung aus tariflichem Kräftespiel mit kontrollierter Mobilisierung und abschließender "fairer" Einigung.

Dumm ist nur, dass der globale Kapitalismus und erst recht die Weltmachtambitionen des deutschen Imperialismus diese Rückkehr zu den guten alten Zeiten des "rheinischen Kapitalismus" unmöglich machen. Da hilft auch der Verweis darauf nicht weiter, dass die Kapitalisten einst mit diesem Modell gut gefahren sind.

Gewerkschaftslinke

Kurzum: so notwendig es für die Linke in den Gewerkschaften auch ist, nach der Streikniederlage im Osten die "Traditionalisten" gegen die Rechte zu verteidigen, um so auch ihren eigenen Handlungsspielraum zu sichern, so wenig kann von beiden Flügeln eine Lösung der "Krise der Gewerkschaften" erwartet werden.

Die Gewerkschaftslinke hat sich in den letzten Jahren in Opposition zum "Modernisiererflügel", teilweise zu jenem der Traditionalisten, teilweise aber auch als "linkerer" Ausdruck ebendieser entwickelt.

Das spiegelt die Zusammensetzung und Basis ebendieser Gewerkschaftslinken wieder: Sie reicht von linken VertreterInnen des Apparats und Intellektuelle, über VertreterInnen oppositioneller Betriebsgruppen hin zu sozialistischen, syndikalistischen linken Gruppierungen, die teils auch einen revolutionären Anspruch haben.

Insgesamt ist die Gewerkschaftslinke also eher ein Block verschiedener politischer Strömungen links von der SPD denn eine in der Arbeiterbasis (sei es in den Betrieben oder unter den Arbeitslosen) verankerte Kraft. Nur wenige Teile verfügen über wirkliche Verankerung in den Lohnabhängigen.

In ihren besten Zeiten konnte die Gewerkschaftslinke (genauer die AG Tarifpolitik) immerhin in das gewerkschaftliche Kräfteverhältnis eingreifen und bewirken, dass die Höhe der Lohnforderung in der letzten IGM-Tarifrunde relativ hoch ausfiel (6,5%).

Auch die lokalen Aktionskonferenzen gegen die Agenda gingen oft von der Gewerkschaftslinken aus oder wurden von ihr mitgetragen, während der Apparat selbst passiv blieb. Ausnahmen wie IG Metall Schweinfurt oder ver.di Stuttgart bestätigen nur die Regel.

Wir, die GenossInnen und SympathisantInnen der Gruppe Arbeitermacht, haben von Beginn in der Gewerkschaftslinken mitgearbeitet und zu deren Aufbau beigetragen. Wir tun dies, weil sie bei allen Schwächen ein politischer Ansatzpunkt war und ist, um bundesweit eine aktionsfähige Alternative zum Apparat aufzubauen.

Dazu ist aber nicht nur der Wille, sondern auch eine programmatische und politische Vorstellung notwendig, wozu die Gewerkschaftslinke werden soll, woran sie gemessen werden kann.

Unser Ziel ist, eine klassenkämpferische Basisbewegung aufzubauen, die sich auf die ArbeiterInnen in den Betrieben und die Arbeitslosen stützt. Sie muss über den engen Horizont der arbeiteraristokratischen Facharbeiterschaft, der "Kernschichten" der Klasse, hinaus auch die LeiharbeiterInnen, die prekär Beschäftigen, ungelernte, ImmigrantInnen, "illegal" Beschäftigte usw. organisieren.

Ihre Methode muss jene der direkten Mobilisierung der Basis in Arbeitsniederlegungen, Demos, Blockaden, bei Boykottaktionen usw. sein. Sie muss eng mit der anti-kapitalistischen Bewegung zusammenarbeiten.

Heute muss sie sich auf einen politischen Schwerpunkt konzentrieren: den Abwehrkampf gegen die politischen und ökonomischen Angriffe von Kapital und Staat - gegen den Krieg nach innen und nach außen.

Vor allem aber muss eine klassenkämpferische Basisbewegung aktionsfähig werden und gemeinsam koordiniert handeln, um im Falle des Boykotts durch den Apparat trotzdem ArbeiterInnen in den Kampf führen zu können. So wichtig es ist, die Führungen z.B. zur Mobilisierung gegen die Agenda für die bundesweite Demonstration am 1. November aufzufordern, so wenig muss man Prophet sein, um zu wissen, dass sie nichts tun oder bestenfalls papierene Resolutionen verabschieden wird.

Basisbewegung

Daher müssen die örtlichen Aktionskonferenzen gemeinsam mit Anti-Hartz-Bündnissen, Sozialforen, Erwerbsloseninitiativen usw. zu Mobilisierungsorganen des Widerstandes werden - in und vor den Betrieben, an den Schulen und Unis, vor den Arbeits- und Sozialämtern.

Um aus der Sackgasse, in welche die Gewerkschaftsbürokratie die Gewerkschaften geführt hat, herauszukommen, muss sich eine Basisbewegung aber - anders als die aktuelle Gewerkschaftslinke - das Ziel setzen, die Führung der sozialdemokratische Gewerkschaften durch eine klassenkämpferische Alternative zu ersetzen. Sie muss dazu den Kampf um die Demokratisierung der Organisation auf allen Ebenen aufnehmen.

In der Stunde der Bedrängnis durch Zwickel und Co. hat Peters von "verschiedenen Strömungen" in den Gewerkschaften gesprochen - und damit vor allem seine und die Modernisierer gemeint. Die Basisbewegung muss zu einer "Dritten Kraft" werden, die in den Betrieben, auf Gewerkschaftsversammlungen volle Propaganda- und Agitationsfreiheit einfordert.

Zeitungen und Publikationen von Grundstrukturen der Gewerkschaft wie von Vertrauensleuten und Betriebsgruppen müssen zu Organen der Diskussion und Mobilisierung werden. Dem Apparat darf kein Veto gegen ihre Herausgabe zugestanden werden! Ebenso muss die Basisbewegung für die direkte Wahl und jederzeitige Abwählbarkeit der Funktionäre eintreten. Sie muss insbesondere dafür kämpfen, dass die gewerkschaftlich organisierten Betriebsräte real den gewerkschaftlichen Organen im Betrieb, den Vertrauensleuten, untergeordnet werden (und nicht wie heute vielerorts die Vertrauensleute praktisch Erfüllungsgehilfen des Betriebsrats sind).

Aufgabe der RevolutionärInnen

RevolutionärInnen müssen in der Basisbewegung für ein revolutionäres Programm eintreten, ohne es jedoch zur Bedingung zu machen.

Wie jede Strömung in den Gewerkschaften braucht natürlich auch eine Basisbewegung ein politisches Programm. Die reformistische Gewerkschaftspolitik muss durch eine klassenkämpferische, eine revolutionäre anti-kapitalistische Politik ersetzt werden. Es geht also überhaupt nicht darum, dass sich eine solche Bewegung "von der Politik absetzt" - es geht vielmehr darum, dass sie die Gewerkschaften politisiert.

Hier sind wir aber auch bei einer Grenze der Basisbewegung als solcher angelangt. Wie kann sie für eine revolutionäre, kommunistische Politik gewonnen werden? Sicher nicht, indem wir darauf warten, dass sich eine solche "spontan" aus den Aktionen, aus den Lohnkämpfen, aus Protesten gegen die Erwerbslosigkeit ergibt.

Die Geschichte hat hinlänglich bewiesen, dass ein revolutionäres Programm nur von außen, von einer kommunistischen politischen Organisation in die Klasse getragen werden kann. Daher müssen sich RevolutionärInnen, die in den Gewerkschaften, in den Betrieben, in der Gewerkschaftslinken, in einer entstehenden Basisbewegung wirken, eigenständig organisieren. Nicht, weil sie damit eine "Gegenstruktur" zu den Gewerkschafter oder einer Basisbewegung aufbauen wollen - sondern weil eine solche Bewegung nur ihren Zweck erfüllen kann, wenn sie von revolutionärer Theorie und Programmatik geleitet wird. Kurzum: die revolutionäre Gewerkschaftsfraktion muss auf Grundlage eines Programms entstehen, das zwar die Mobilisierung in den Betrieben und den Kampf zur Eroberungen der Gewerkschaften ins Zentrum stellt, diesen aber mit dem Kampf um die Zerschlagung des bürgerlichen Staats, den Sturz der Kapitalismus und der Machtergreifung der Arbeiterklasse verbindet.

Die revolutionäre Gewerkschaftsfraktion ist ein zentrales Mittel der kommunistischen Organisation, ihre Mitglieder und alle, die mit ihrem Aktionsprogramm für die Gewerkschaften übereinstimmen, in den gewerkschaftlichen und betrieblichen Auseinandersetzungen zu führen und um revolutionäre Politik in die Klasse zu tragen.

Ohne kommunistische Führung würde früher oder später auch die kämpferischste Basisbewegung das Schicksal des reformistischen Mainstreams - und sei es in Form eines unschuldigeren, weil unbeholfeneren "Reformismus von unten" - teilen müssen.

Wie Marx schon sagte:

"Die Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstandes gegen die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck zum Teil, sobald sie von ihrer Macht einen unsachgemäßen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, d.h. zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems." (Marx: Lohn, Preis, Profit)

Wenn dieser Satz nicht nur eine schöne Erbauung im ansonsten trüben Gewerkschafterleben sein soll, so müssen daraus auch eine politische und organisatorische Schlussfolgerung gezogen werden: eine revolutionäre Gewerkschaftsfraktion aufzubauen.

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Nr. 83, September 2003

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