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USA

Endspurt im Wahlkampf

Tobi Hansen, Neue Internationale 214, November 2016

Der US-Wahlkampf, welcher über eine Milliarde Dollar gekostet hat, geht in die letzte Runde. Das letzte Fernsehduell ist geschlagen, die letzten Skandale beider KandidatInnen werden noch öffentlich ausgeschlachtet. Der unverhohlene Sexismus eines Donald Trump, der meint, jedes Mädchen/jede Frau der Welt anpacken und missbrauchen zu können, weil er der „Boss“ ist, wurde von ihm als „Locker-Room-Talk“, auf deutsch: Umkleidekabinengespräch, bezeichnet. Dieser Fernsehausschnitt war Mittelpunkt des 2. Fernsehduells. Nach dem dritten und letzten kommt jetzt ein neuer E-mail-Skandal um Hillary Clinton ans Licht. Ob´s wieder 36.000 Mails sind, die zufällig verschwanden, weiß das FBI noch nicht, aber dessen neuer Chef, ein Republikaner, wird bestimmt bis zur Wahl am 8. November etwas dazu veröffentlichen.

Bei solchen Themen ist es schon schwierig, etwas zu den realen Inhalten des Wahlkampfs bzw. denen des bürgerlichen Machtkampfes zu sagen. Zwischen Skandalen und Event-Auftritten oder der Drohung Trumps, eine mögliche Niederlage nicht anzuerkennen, könnte man sich ernsthaft die Frage stellen: Worum geht's hier eigentlich?

Alle Mainstream-Medien gehen inzwischen von einem Wahlsieg Clintons aus. Alle „liberalen“ Medien bezeichnen dies auch als „vernünftig“, schließlich lässt sich viel besser Angst vorm Populisten Trump schüren als vor der Realpolitikerin Clinton. Beide repräsentieren zwar die US-Bourgeoisie, aber auch zwei unterschiedliche Ausrichtungen, wie der US-Imperialismus auch in diesem Jahrhundert die Vorherrschaft behalten soll.

Clintons Realismus vs. Trumps Geschwindigkeit und Risiko?

Beide KandidatInnen mussten schon mal eine Kriegsdrohung aussprechen. Während Trump den „Islamischen Staat“ nuklear vernichten wollte, ein eher unrealistisches Unterfangen, hat Clinton den Iran ins Visier genommen. Damit würde endlich die Cheney-Doktrin aus der Bush-Administration vollendet, nach den Angriffen auf den Irak und Afghanistan.

Clinton wäre in vielen Aspekten eine Weiterführung des Versuchs der Obama-Administration, den US-Imperialismus stabil zu halten nach seiner Schwäche am Ende der „Ära“ Bush. Gewissermaßen könnte Clinton sogar teilweise zur Taktik von Cheney/Bush zurückkehren, Angriffe gegen missliebige Regionalmächte durchführen bzw. den strategischen Raum von Nahem/Mittlerem Osten auf Asien ausdehnen, was ja Ziel der „Pivot-to-Asia“-Strategie war. In den Kriegen gegen Afghanistan und den Irak hatten die USA zwar militärisch gesiegt, politisch erwiesen sie sich jedoch als unfähig, eine stabile Neuordnung des Nahen Ostens zu organisieren.

Krise und Obama-Administration

Die globale kapitalistische Krise verschärfte das Problem. Die Obama-Administration war in den ersten Krisenjahren gefordert, einen massiven Kahlschlag zu organisieren und die Arbeitslosigkeit ansteigen zu lassen wie auch die Stellung als vorherrschende imperialistische Macht zu sichern. Der Friedensnobelpreis zeigte, dass auch die „internationale Gemeinschaft“ mal etwas weniger Krieg vom US-Präsidenten erwartete, und so überließ Obama zumeist den Drohnen das Töten. Das ist zwar völkerrechtlich kein Krieg, aber Hunderttausende sind wahrscheinlich dadurch gestorben, auch gesteuert von deutschen Standorten aus.

In der Hinsicht stellt Clinton vor allem für das US-Großkapital eine verlässliche Hausnummer dar. Sie würde diese Politik fortführen. Aber warum hat Trump die Unterstützung von Teilen des US-Kapitals, das ja noch mehr als die Demokraten von den Republikanern verkörpert wird?

Trump polarisiert und zieht dafür alle Register der Medienarbeit: provozieren, leugnen, lügen. Dadurch übt er eine große Anziehungskraft auf NichtwählerInnen aus. Gleichzeitig beschwört Trump einen neuen Protektionismus für die USA und dieser ist vor allem gegen China gerichtet. Hier legt Trump sein Augenmerk der „make-America-great-again“-Kampagne auf den zentralen Herausforderer in Asien, die aufstrebende imperialistische Macht China.

Trump und das Kapital

Hierbei sucht Trump die Unterstützung der auf den Binnenmarkt konzentrierten Teile des US-Kapitals, welche sich den Schutz vor „ausländischer Konkurrenz“ erhoffen, wie auch der Teile des US-Imperialismus, die sich möglicherweise eine „schnelle“ Lösung durch eine möglichst aggressive Politik in Asien gegenüber China erhoffen. Dies wird untermalt mit Rassismus gegenüber Muslimen, LateinamerikanerInnen und Schwarzen. Dies passt zum populistischen Charakter des Kandidaten, aber ebenso zum Imperialismus in der Krise. Deswegen ist Trump eben auch eine Alternative für die US-Bourgeoisie.

Clinton mag zwar als „sichere Bank“ gelten. Aber es stellt sich die Frage, ob sie den Niedergang der US-Vorherrschaft zu stoppen vermag. Das führt zu inneren Konflikten in der herrschenden Klasse, die sich in der republikanischen Partei niederschlagen, die sich bei einer Niederlage von Trump tatsächlich spalten könnte, wie der Entzug der Wahlunterstützung durch Paul Ryan, den republikanischen Fraktionsführer im Kongress, zeigt. Umgekehrt verweist die Bekanntgabe neuer Ermittlungen wegen Clintons Email-Affaire durch FBI-Direktor James Comey darauf, dass Teile des US-Staatsapparates und Establishments einen Sieg Trumps wollen.

Die ArbeiterInnen der USA haben bei der Präsidentenwahl nichts zu gewinnen. Hier lässt die Bourgeoisie ihre Politikmarionette für die nächste Legislaturperiode aussuchen. Dass viele linke oder auch sozialistische Organisationen zur Wahl der Grünen Jill Stein aufrufen, verdeutlicht das ganze Dilemma der US-ArbeiterInnenklasse - ohne eigene politische Partei ist sie weiterhin zur Ohnmacht, zur Rolle des Statisten verdammt.

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Nr. 214, November 2016

*  Antirassismus: Stellt Euch vor, der Rassismus bereitet sich auf und die Linke verdrückt sich ...
*  Interview: Afghanistan ist nicht sicher!
*  Rassistische Abkommen: Abschiebungen haben System
*  Rot-Rot-Grün: Alternative für nächste Bundesregierung?
*  Solidarität mit Antifaschisten: Gefangene unserer Freund und Genossen Pat
*  Houellebeq: Geister Brandstifter für das Bildungsbürgertum
*  Leiharbeit: Missbrauch legal ausgeweitet
*  Kaschmir: Indien und Pakistan mobilisieren
*  CETA: Mutiges Nein in Wallonien?
*  USA: Endspurt im Wahlkampf
*  Corbyns zweiter Wahlsieg: Ergebnisse und Perspektiven
*  Brasilien nach dem Putsch: Regionalwahlen und neue Klassenkämpfe