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Tarifrunde öffentlicher Dienst

Forderungen mit Anti-Rassismus verbinden!

Helga Müller, Neue Internationale 208, April 2016

Ver.di fordert in dieser Tarifrunde im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen für die Beschäftigten 6 Prozent und für Auszubildende 100 Euro mehr. Zudem soll der Missbrauch von grundlos befristeten Arbeitsverträgen abgeschafft werden. Die Begründung von ver.di-Chef Bsirske: „Wir wollen den privaten Konsum stärken und einen attraktiven sowie konkurrenzfähigen öffentlichen Dienst (…) Den bekommt man nur, wenn die steigenden Steuereinnahmen eben auch in die Beschäftigten investiert werden“.

Eine erste Tarifverhandlung zwischen ver.di und den öffentlichen „Arbeitgebern” hat bereits stattgefunden: Die Reaktion des öffentlichen „Arbeitgebers” verwundert nicht: argumentiert er doch mit knappen Kassen und möchte zumindest einen Eingriff in die betriebliche Altersversorgung, sprich eine Absenkung des Rentenniveaus.

In einem Informationsflugblatt an die KollegInnen argumentiert ver.di zwar, dass genügend Geld für die Durchsetzung der Forderungen vorhanden sein könne, z.B. durch die Einführung einer nennenswerten Erbschaftssteuer, und dass die finanzielle Ausblutung der Kommunen an der Steuerumverteilungspolitik der Bundesregierung liege. Aber kein Wort zur Flüchtlingsfrage: Gerade die finanziell knappe Ausstattung der Kommunen, die in der Tat auch auf die Steuerpolitik der Bundesregierung zurückzuführen ist, hat ja zu einer sozialen Spaltung zwischen der Bevölkerung hier und den zu integrierenden Flüchtlingen geführt mit dem Ziel der Spaltung der Klasse und um von den wirklich Verantwortlichen für die soziale Misere abzulenken: den Regierungen und dem Kapital.

Es ist natürlich ein Thema, das in dieser Tarifrunde eine große Rolle spielt und spielen wird.

Auf dieses muss ver.di auch eine politische Antwort geben, damit hier eine klare Front gegen die Regierungen und den öffentlichen „Arbeitgeber“, die für diese Situation verantwortlich sind, gezogen werden kann und damit den KollegInnen ein Weg aufgezeigt wird, wie sie zusammen für ihre Forderungen gegen den gemeinsamen Gegner kämpfen können.

Deswegen ist es in dieser Tarifrunde mehr denn je nötig, neben den klassischen tariflichen auch klare politische Forderungen aufzustellen wie die nach Wiedereinführung der Vermögenssteuer und Erhöhung der Kapitalsteuern und aufzuzeigen, dass es das Kapital und seine Regierung mit ihrer „Schuldenbremse“ - einem Spardiktat für die öffentlichen Kassen - sind, die für die soziale Misere der Kommunen verantwortlich sind, die sowohl die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die arbeitende Bevölkerung insgesamt und die Flüchtlinge gleichermaßen trifft.

Kampf vorbereiten

Vor diesem Hintergrund ist jetzt schon ganz klar, dass die öffentlichen „Arbeitgeber“ hart bleiben werden. Von daher ist es auch jetzt schon dringend nötig, die KollegInnen auf eine harte und längere Tarifauseinandersetzung einzustimmen und sie darauf vorzubereiten. Dies setzt voraus, dass sich die GewerkschaftsfunktionärInnen von ver.di auf Voll- und Durchsetzungsstreiks vorbereiten. Dass ver.di - im Gegenteil - mal wieder von einer normalen Tarifrunde ausgeht, zeigt, dass es keinen Aufruf an die KollegInnen im öffentlichen Dienst gibt, sich darauf auszurichten, dass diese Tarifrunde schwer werden wird und dass sie sich auf einen längeren und harten Tarifkampf einstellen müssen. Stattdessen setzt Bsirske mal wieder darauf, die Regierung mit mehr oder weniger guten volkswirtschaftlichen Argumenten davon überzeugen zu können, dass doch eine Ankurbelung der Binnennachfrage durch die Erhöhung der Gehälter auch die Wirtschaft ankurbeln würde - diese Taktik hat schon in den vergangenen Tarifrunden nie gezündet.

Die KollegInnen müssen sich darüber im Klaren sein, dass es in dieser Tarifrunde nicht ausreichen wird, sich auf die Verhandlungsführung von ver.di zu verlassen - wie auch schon die letzte Tarifauseinandersetzung der ErzieherInnen gezeigt hat. Um die Kontrolle über ihren Kampf zu haben, wird es notwendig sein, dass sich die KollegInnen in betrieblichen, lokalen und bundesweiten Streikkomitees zusammentun, um über Streiks und Vollstreiks zu diskutieren und zu beschließen, damit ihre Forderungen nicht auf der Strecke bleiben und die ver.di-Tarifkommission keinen faulen Kompromiss schließt. Dass dies möglich ist, haben die ErzieherInnen in der letzten Tarifrunde aufgezeigt, indem sie für ihre Forderungen gestreikt haben und den ersten faulen Kompromissversuch von ver.di mit einer großen Mehrheit abgelehnt hatten.

Gleichzeitig ist es aber auch notwendig, dass die politisch bewussteren Teile der Belegschaften zusammen mit den politischen Organisationen, die sich auf die Interessen der ArbeiterInnenklasse berufen, und dem bundesweiten Netzwerk der Gewerkschaftslinken in ver.di die Diskussion beginnen, dass es gerade in dieser Tarifrunde notwendiger denn je ist, politische Forderungen aufzustellen und die wirklich Verantwortlichen für die soziale Misere in den Kommunen und auch im Bund aufzuzeigen. Wenn dies nicht geschieht, ist die Gefahr groß, dass die soziale Frage und die Frage nach mehr Geld für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Regierung und Kapital dazu benutzt werden, die Interessen der Beschäftigten gegen die Interessen der Flüchtlinge, die hier auch leben und arbeiten wollen, auszuspielen.Am Ende wären sowohl die Beschäftigten als auch die Flüchtlinge die VerliererInnen.

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Nr. 208, April 2016

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