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60 Jahre Bundeswehr

Alter Zopf und neuer Zoff

Hannes Hohn, Neue Internationale 204, November 2015

Der Zapfenstreich wurde als offizielle Zeremonie 1813 von Friedrich Wilhelm III. eingeführt. Schon immer hat sich der deutsche Imperialismus auf preußische Traditionen und „Tugenden“ berufen und sie gepflegt. Das war und ist nicht nur Ausdruck eines der zentralen Elemente bürgerlicher Ideologie und Politik - des Nationalismus -, es ist auch Ausdruck der Ästhetisierung,  der Verschleierung und „Verschönerung“ von Politik.

Anlass für den am 11. November in Berlin stattfindenden Großen Zapfenstreich ist der 60. Jahrestag der Gründung der Bundeswehr sowie das 25. Jubiläum der „Armee der Einheit“, der Auflösung der Nationalen Volksarmee der DDR und ihrer Übernahme in die BRD-Streitmächte. Neben dem zentralen Event in der Hauptstadt gibt es bundesweit viele weitere Veranstaltungen zur „Würdigung“ der Armee.

Deutscher Imperialismus macht mobil

Die Bundeswehr hat im Vergleich zu ihren Vorgängern, v.a. der Wehrmacht, ein eher „friedliches“ und „demokratisches“ Image. Kein Wunder, war doch der deutsche Imperialismus nach 1945 nicht  genötigt oder lange auch nicht fähig, in „heißen“ Kriegen aktiv einzugreifen. Doch schon als NATO-Mitglied war Deutschland ein wichtiger Part der militärischen Präsenz des Imperialismus unter Führung der USA.

Mit der Wiedervereinigung und der bedeutenderen Rolle, die Deutschland nun in der Welt spielte, offenbarte sich sofort, dass die Bundeswehr keinesfalls nur eine Heilsarmee der besonderen Art ist, die nur in der Kaserne hockt. Die verstärkten imperialen Gelüste Deutschlands, die sich verbal in Formulierungen wie „Wir müssen mehr Verantwortung übernehmen“ oder „deutsche Interessen  werden auch am Hindukusch verteidigt“ ausdrücken, hatten auch ganz praktische Konsequenzen. Die Bundeswehr übernimmt einen wichtigen Part bei imperialistischen Besatzungsregimen, etwa in Afghanistan oder im Kosovo. Dazu wird sie seit Jahren reformiert, um den Anforderungen von Auslandseinsätzen und den vermehrten Konflikten in und mit halbkolonialen Ländern der „Dritten Welt“ und damit verbundenen Bürgerkriegssituationen und des Freischärlerkriegs gerecht zu werden. Wie schwierig dieser Prozess mitunter ist, wird u.a. daran deutlich, dass man mit „Schleudersitz“ weniger den Sitz im Kampfjet meint als den Stuhl des Verteidigungsministers.

Alle aktuellen Interventionen werden mit Schlagworten wie „humanitärer Einsatz“, „Friedenssicherung“ oder „Aufbauhilfe“ legitimiert. Obwohl die imperialistische Präsenz in Afghanistan, im Kosovo oder am Horn von Afrika weit davon entfernt ist, irgendeinen Aufbau, Sicherheit oder Frieden zu bringen, sondern das Dilemma eher noch vertieft, hat diese Art von humanitärer Bemäntelung immerhin erreicht, dass ein relevanter Teil der antiimperialistischen und Antikriegsbewegung in Deutschland davon verwirrt wurde und  deutlich an Schlagkraft (so sie diese jemals hatte) verloren hat. Hier zeigt sich auch, wie leicht der Pazifismus auf solche Parolen hereinfällt. Diese Mobilmachung im Interesse der globalen Macht- und Profitambitionen Deutschlands drückt sich auch darin aus, dass die deutschen Rüstungsexporte trotz aller politischen Beteuerungen immer größere Ausmaße annehmen.

Es gibt allerdings einen historischen Unterschied in der Strategie, mit der der aktuelle deutsche Imperialismus seine Ziele durchzusetzen versucht. Nach zwei gescheiterten Versuchen 1914 und 1939, Europa unter die deutsche Fuchtel zu bringen, setzt man diesmal auf „Kooperation“. Deutschland will seine Ziele nun mittels eines europäischen imperialistischen Blocks unter seiner Führung, der EU, lösen. Das ist umso mehr nötig, als die Rolle und die Perspektive Deutschlands davon abhängen, inwieweit bzw. ob es sich gegen die imperialistischen Konkurrenten USA, Japan und China behaupten oder seine Position ausbauen kann. Da ist es zwar schön, wenn man Exportweltmeister ist, doch wenn man nicht auch militärisch den Zugriff auf Ressourcen und Märkte sichern und Konkurrenten verdrängen oder ausschalten kann, reicht das auf Dauer nicht aus.

Traditionen

Wenn am 11. November mit Glanz und Gloria militaristische Tradition zelebriert wird, können wir uns, so absurd das anmutet, sogar an eine andere preußische „Tradition“ erinnern. Der alte Fritz war ein kriegerischer, aber „weltoffener“ Herrscher, der (wenn auch v.a. aus ökonomischen Gründen) immerhin viele tausende Wirtschaftsflüchtlinge und religiös Verfolgte, v.a. Juden und Hugenotten, in Preußen aufnahm - und sogar mit Privilegien ausstattete. Das alles kam der sozialen und kulturellen Entwicklung Deutschlands sehr zugute. Doch die Zeiten (und die Meinungen) haben sich geändert.

Es ist erst drei Jahre her, als die EU den Friedensnobelpreis erhalten hat. Inzwischen ist die Spaltung, ist die soziale Kluft in Europa tiefer als je seit 1945. Nicht zuletzt die Flüchtlingspolitik spaltet die EU, allerdings nicht in dem Sinne, dass manche Regierungen für Einwanderung und Integration und andere dagegen wären. Nein, es geht darum, wie man die lästigen Flüchtlinge fernhalten und die Probleme möglichst anderen aufhalsen kann.

Bleiben sollen allenfalls jene, die mit großer Wahrscheinlichkeit auch als Arbeitskräfte „gebraucht“ werden können. Seit Jahren ersaufen im Mittelmeer jährlich Tausende. Regelmäßige sichere Fährverbindungen für Flüchtlinge gibt es nicht - stattdessen aber Kriegsschiffe: der humanitäre Imperialismus am Werk, auch der deutsche.

Imperialismus und Barbarei

Ein Blick auf den Zustand der Welt zeigt: fast im Monatstakt stürzt ein Land ins Chaos von Krieg und Bürgerkrieg, der Strom von Flüchtlingen wird immer größer. All das findet nicht nur trotz der „humanitären“ Bemühungen des Imperialismus statt; es ist oft genug gerade Folge seines Eingreifens. Rosa Luxemburgs Mahnung „Sozialismus oder Barbarei“ ist immer noch brandaktuell. Daher muss jeder Kampf für Humanität, Frieden, Fortschritt, Demokratie, Frauenbefreiung usw. auch ein Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus sein. Statt Vertrauen in eine vermeintlich „neue Rolle Deutschlands“ zu hegen, müssen wir verstehen, dass es nur der alte Imperialismus in neuer Verkleidung und mit neuen Methoden ist.

Keine Person, keinen Cent für den Militarismus!

Für die Zerschlagung der Bundeswehr!

Austritt aus der NATO!

Gegen alle imperialistischen Aggressionen und Auslandseinsätze der Bundeswehr!

Für das Recht auf und die Unterstützung der Selbstverteidigung aller Unterdrückten und jedes anti-imperialistischen Kampfes!

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Nr. 204, November 2015
*  Einheit und Perspektive: Für eine anti-rassistische Massenbewegung
*  Verschärfung des Asylrechts: Refugees welcome, aber nicht in Europa
*  Massendemonstration gegen TTIP: Wie weiter gegen die Wirtschafts-NATO?
*  Konferenz zu Streikrecht und Union-Busting: Was tun gegen neue Angriffe?
*  VW-Skandal: Grenzwerte und Systemgrenzen
*  Syrien: Der Krieg, seine regionalen und globalen Auswirkungen
*  Neuwahlen in der Türkei: AKP bombt sich zurück zur Alleinregierung
*  Vorwahlen zur US-Präsidentschaft: Bernie Sanders for President?
*  60 Jahre Bundeswehr: Alter Zopf und neuer Zoff
*  Veranstaltungsreihe: Griechenland nach den Wahlen
*  Marxistisches Forum in Berlin: Ideen unter Feuer
*  Politische Perspektive: Krise der EU - Krise der Linken?!