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AKL und SAV

Antikapitalismus im Reformhaus?

Hannes Hohn, Neue Internationale 189, Mai 2014

Seit der Entstehung der Linkspartei 2007 aus der Fusion von WASG und PDS bewegen sich auch etliche „radikale“ linke Gruppen in dieser Partei, darunter die „internationalistische sozialistische linke“ (isl), Marx21 (früher Linksruck) und die „Sozialistische Alternative Voran“ (SAV). Sie kamen meist über die WASG in die LINKE.

Die Tatsache, dass diese (trotzkoiden) Organisationen in der LINKEN Entrismus machen (auch wenn sie das nicht so nennen mögen), ist auf eine gewisse Gemeinsamkeit in der politischen Einschätzung der Linkspartei gegründet. So sei der Charakter der LINKEN noch nicht endgültig geklärt, sie könnte zum Attraktionspol für klassenkämpferische Kräfte werden oder aber es gäbe dort ein relevantes links-oppositionelles Milieu, das unterstützt und gestärkt werden könnte.

Illusion

Die Entwicklungen der letzten Jahre haben jedoch eindeutig gezeigt, dass diese Einschätzungen und Erwartungen mit der Realität nichts zu tun haben. Die LINKE ist immer noch das, was sie von Anfang an war: eine reformistische, auf Wahlen und Parlamentarismus orientierte Partei, die in Mobilisierungen oder in konkreten Klassenkämpfen eine schwache, inaktive und in jedem Fall den Klassenkampf nicht vorantreibende Kraft ist. Trotz sozialistischer Phrasen bleibt ihre politische Konzeption im Rahmen des Kapitalismus. So ist es kein Wunder, dass sie auch viele AktivistInnen und WählerInnen abgestoßen hat, v.a. in Berlin, wo sie am „erfolgreichsten“ war, sprich: 10 Jahre mitregiert hat.

Auch das berühmte “linke, antikapitalistische Milieu“ in der LINKEN ist sehr klein, zersplittert und eher inaktiv. Tatsächlich besteht es meist nur aus jenen Kräften, die immer suggerieren, dass es ein breiteres Milieu gäbe. Das größte linke Projekt in der LINKEN ist momentan die Antikapitalistische Linke (AKL), nachdem die „Kommunistische Plattform“ (einst noch mit Sahra Wagenknecht) im politischen Nichts verschwunden ist. Die größte Gruppierung in der AKL ist die SAV.

Im Folgenden wollen wir darstellen, welche Vorschläge die SAV der AKL macht und welche Kritik sie an ihr hat.

In einem Offenen Brief an die AKL vom 10.2.2010 umreißt die SAV, worum es beim Wirken der AKL grundsätzlich ginge: Wird „DIE LINKE zu einem machtvollen politischen Instrument, die Interessen der Lohnabhängigen, Erwerbslosen und Benachteiligten durchzusetzen oder entwickelt sie sich zur fünften Partei in der Bundesrepublik, die auf parlamentarische Verwaltung des Kapitalismus setzt? Wir sind der Meinung, dass die Linken in der LINKE gemeinsam dafür kämpfen müssen, dass letzteres verhindert wird.“ (she. homepage der SAV)

Hier liegt der Hase schon im Pfeffer, denn der Charakter der LINKEN (wie zuvor jener der PDS) ist schon längst entschieden. Es ist ein Unterschied, ob man darauf orientiert, einen zeitlich begrenzten Kampf in der LINKEN zu führen, um ein bestimmtes antikapitalistisches Potential zu stärken und vom Reformismus wegzubrechen, oder aber die Illusion schürt, den Gesamtcharakter der Partei  qualitativ zu ändern.

Aus dieser falschen Grundorientierung - Entrismus als Strategie, nicht als Taktik - folgt auch meist eine politische Anpassung, denn man will es sich ja mit der Partei bzw. dem Apparat nicht ganz „verderben“, weil man ja sonst große Chancen verpassen würde. Das kritisiert auch die SAV richtigerweise an der AKL.

„Die im Januar von Euren Gruppen in NRW, Bayern und dann von Eurem bundesweiten Koordinierungskreis veröffentlichten Erklärungen werden dieser Verantwortung aus unserer Sicht nicht nur nicht gerecht, sie entwaffnen die Linken in der LINKE auch politisch und verzichten angesichts einer zugespitzten programmatischen und strategischen Debatte in der Partei auf eine sozialistische Perspektive und das Eintreten für innerparteiliche Demokratie.“ (ebenda)

Nur: die grundsätzliche Orientierung auf die „Reformierung“ der LINKEN als eine Ursache der politischen Anpassung, teilt eben auch die SAV.

Oscar, der Linke?

Die SAV kritisiert auch richtig eine andere Fehleinschätzung der AKL: „Ihr behauptet, Oskar und DIE LINKE ‚setzen die Eigentumsfrage auf die Tagesordnung' und ‚kämpfen für eine andere Wirtschaftsordnung', die AKL NRW spricht sogar davon, dass Lafontaine ‚die Macht der großen Banken und Konzerne brechen' wolle. Wir fragen uns, ob wir in den letzten zwei Jahren der größten Weltwirtschaftskrise seit 80 Jahren in einer anderen Partei waren.“ (ebenda)

Ja eben! Doch wenn noch nicht einmal der Lafontaine-Flügel (obwohl er sicher in einigen Fragen durchaus linker ist als der Mainstream der Partei und der Apparat) nicht antikapitalistisch und kaum  klassenkämpferisch ist - wie passt das zur Vorstellung, die LINKE zu einer solchen Partei machen zu wollen, zudem selbst die „Linkesten“ in der LINKEN, wie die SAV selbst ja anmerkt, keine konsequent „antikapitalistische“, geschweige denn revolutionäre Politik vertreten?!

Anfang November 2013 legt Lucy Redler von der SAV dar, welche Aufgaben die AKL hätte: „Die zweite wesentliche Aufgabe der AKL ist, innerhalb der Partei für ein Ende der Propagierung eines angeblichen rot-rot-grünen Lagers einzutreten. (…) SAV-Mitglieder haben bereits in der Vergangenheit vor der Taktik der Roten Haltelinien gewarnt. Die AKL als Strömung, die sich der Anbiederung an SPD und Grüne widersetzt, sollte die bisherige taktische Unterstützung der Politik der Roten Haltelinien selbstkritisch hinterfragen, sich deutlicher als bisher für die Ablehnung von Tolerierungsverträgen und Koalitionen mit prokapitalistischen Parteien aussprechen und eine Politik der Einzelfallentscheidung vorschlagen.“ (AKL und DIE LINKE nach den Bundestagswahlen, she. homepage der SAV)

Kritik am Mitregieren

Völlig korrekt wird hier auf die Grundlinie der LINKEN Bezug genommen, die auf das Mitregieren mit der SPD (und den Grünen) ausgelegt ist. Die SAV hat wiederholt diese Regierungsbeteiligungen abgelehnt, doch dabei als Kriterium angeführt, dass diese dann abgelehnt werden müssten, wenn sie mit Sparpolitik, Sozialabbau und Angriffen auf die Massen verbunden sind. Das ist durchaus keine grundsätzliche Ablehnung, denn wenn diese „Nebenwirkungen“ einer bürgerlichen Regierung nicht eintreten würden (allerdings fragt sich, wann das der Fall sein soll?!), könnte man sehr wohl in einer solchen Regierung mitmachen. Genau das meint auch die Formulierung der „Politik der Einzelfallentscheidung“. Völlig außen vor bleibt dabei natürlich auch die Tatsache, dass jede bürgerliche Regierung einen Klassencharakter hat und quasi der „geschäftsführende Ausschuss“ des Kapitals ist - ob mit viel oder wenig Sozialabbau.

Was hier so radikal kritisch daherkommt, entpuppt sich als methodisch nicht weit entfernt von den Argumenten der Mitregierer in der LINKEN, die ja auch behaupten, durch ihr Mitwirken „Schlimmeres“ zu verhindern, was dann allerdings auch nicht funktioniert. Der Artikel schlägt der AKL eine Position vor, die „eine Ablehnung von Koalitions- und Tolerierungsverträgen mit SPD und Grünen“ vorsieht, „ohne dadurch CDU-geführten Regierungen den Weg zu bereiten.“ Das ist allerdings eine Formel, die sich selbst ad absurdum führt, denn wenn SPD, LINKE und Grüne nicht regieren, bleibt natürlich nur eine CDU-geführte Regierung übrig. Das aber bedeutet, eben doch mit der SPD die ungeliebte Regierungsehe einzugehen!

Im selben Artikel schlägt die SAV noch zwei weitere Schwerpunkte für die AKL vor: „ein antikapitalistisches Programm gegen die Europäische Union und für zentrale Forderungen zu einer sozialistischen Lösung der Krise“ zu vertreten und „für eine Schwerpunktsetzung auf Unterstützung und Initiierung von gewerkschaftlichen Kämpfen und außerparlamentarischen Bewegungen statt einer starken parlamentarischen Orientierung.“ einzutreten. „Dadurch kann die Partei in der arbeitenden Bevölkerung verankert, gestärkt und aufgebaut werden.“

Die SAV nimmt dabei positiv Bezug auf schon vorhandene Positionen der AKL.

„Aufhebung aller Troika-Verträge. Nein zu ESM, Fiskalpakt und EU-Wettbewerbspakt. Nein zu Sparpaketen zu Lasten der Bevölkerung und zu Privatisierungen. Banken, Versicherungen und strukturbestimmende Konzerne sollen europaweit in öffentliches Eigentum überführt und demokratisch kontrolliert und verwaltet werden. Die Schulden der von der Krise besonders betroffenen Staaten gegenüber Banken und institutionellen Anlegern sollen gestrichen werden (bei Entschädigung der Kleinanleger). (...)

„Ein Neustart für eine demokratische und an den Interessen der Bevölkerung orientierte europäische Einigung kann nicht auf kapitalistischer Basis erfolgen. Nur durch weitgehende Maßnahmen gegen die Macht des Kapitals - Überführung der Banken und Konzerne in demokratisches öffentliches Eigentum, Einführung von Kapitalverkehrskontrollen, Bildung von Regierungen der Linken - kann die Basis für eine neue Vereinigung Europas von unten erfolgen. Heute ist unsere Aufgabe eine größtmögliche Einheit im sozialen Widerstand herzustellen.“

Diese Positionen zielen in die richtige Richtung. Doch es fehlen auch wichtige Forderungen, u.a. wie der Widerstand organisiert werden kann, welche Rolle die Gewerkschaften spielen usw.

Die Vorstellung, dass die „Bildung von Regierungen der Linken“ schon die „Basis für eine neue Vereinigung Europas von unten“ wäre, ist jedoch falsch.

Wie die SAV und die AKL vertreten wir zwar auch, dass die Bildung von „linken“ Regierungen a la Syriza von diesen Parteien eingefordert werden muss und diese gegen Angriffe z.B. der Troika unterstützt werden müssen. Es handelt sich dabei jedoch noch keinesfalls um Arbeiterregierungen, die schon einen Bruch mit dem Kapitalismus darstellen. Sie können allenfalls einen Schritt und ein Mittel darstellen, die politische Konfrontation weiter zuzuspitzen und den ArbeiterInnen zu ermöglichen, ihre „linken“ Führungen in der Praxis auf die Probe zu stellen. RevolutionärInnen würden für die Verteidigung solcher Regierungen gegen jeden Umsturzversuch von rechts eintreten - aber auch vor der Unzulänglichkeit des Programms dieser Reformisten waren. Sie müssten dabei immer wieder betonen, dass nicht nur die Enteignung des Kapitals unter Arbeiterkontrolle und eine demokratische Planwirtschaft notwendig sind, sondern auch die Zerschlagung des bürgerlichen Staates und seine Ersetzung durch Räte und Milizen. Allein eine Arbeiterregierung, die sich darauf stützt, wäre eine zuverlässige Basis für ein sozialistisches  Europa.

Weiter fordert die SAV, „dass die AKL nicht nur als politische Kommentatorin und Kritikerin auftreten, sondern selbst positive Vorschläge für die Kampagnen und Mobilisierungen der Partei in den nächsten Monaten entwickeln sollte.“ Richtig! Doch gleich danach wieder die falsche, illusorische Prämisse, unter der diese Aktivitäten erfolgen sollen:

„Es kommt darauf an, dass DIE LINKE zum Motor des außerparlamentarischen Widerstands wird.“  Und: „DIE LINKE kann eine wichtige Rolle dabei spielen, verschiedene Kämpfe miteinander zu verbinden und zu politisieren.“

Was die SAV auch hier wieder ausblendet, ist die Tatsache, dass LINKE diese Aufgaben objektiv gar nicht erfüllen kann, z.B. weil sie in den Gewerkschaften jede ernsthafte Opposition gegen deren sozialdemokratischen Kurs ablehnt und auch in den sozialen Bewegungen durchaus keine linkere oder aktivistischere Ausrichtung verfolgt - weil all das eben nicht dem reformistischen Politverständnis der LINKEN entspricht. Jede Politisierung durch die LINKE ist nur eine reformistische Politisierung!

Kooperation

So richtig die Kritik und die Vorschläge der SAV an der AKL in vielen Punkten auch sein mögen: sie sind mit vielen Unzulänglichkeiten verbunden und gehen von einer falschen Einschätzung des Charakters der Linkspartei aus.

Trotzdem ist es einfach ein Erfordernis des Klassenkampfes - v.a angesichts des Andauerns der Krise und des völlig fehlenden breiteren Widerstands der Arbeiterbewegung in Deutschland - dass alle antikapitalistisch und oppositionell eingestellten Kräfte enger als bisher praktisch kooperieren und ernsthafter die verschiedenen politischen Konzepte der Linken diskutieren.

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Nr. 189, Mai 14
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