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Guadeloupe

Generalstreik gegen koloniale Ausbeutung

Marc Lassalle, Neue Internationale 137, März 2009

Seit dem 20. Januar ist Guadeloupe, eine Karibik-Insel mit 410.000 Einwohnern, die noch heute von Frankreich besetzt ist, durch einen Massengeneralstreik gelähmt. Ein Bündnis von 49 Gewerkschaften (darunter als stärkste die UGTG), politischen u.a. Gruppen hat den Streik organisiert.

Die Forderungen betreffen v.a. die Löhne: sofortige Steigerung der niedrigsten Löhne um 200 Euro, Steigerung des Mindestlohns, Erhöhung der Pensionen, die Festlegung des Mindestlohns nach realen Preisen, die durch eine Arbeiterkommission berechnet werden sollen. Weitere Forderungen sind die Senkung von Massensteuern z.B. für Benzin und Preissenkungen bei Wasser, Verkehrsmitteln und Kommunikationsmitteln. Auch ein Gesundheitsplan wird gefordert, sowie Entschädigungen für die Opfer der Vergiftung durch Chemikalien, die jahrzehntelang in den Bananenplantagen verwendet wurden, und die ganze Insel verschmutzt haben.

Die Bewegung ist sehr massiv und sehr populär. Regelmäßig finden Versammlungen und Demos statt. Am 24. Januar demonstrierten 25.000 in der Hauptstadt Point-à-Pitre, am 30. Januar schon 65.000, Mitte Februar 100.000, d.h. ein Viertel der Bevölkerung!

Kolonialismus

Seit vier Wochen streiken u.a. Beschäftigte von Schulen, der Post, der Verwaltungen und von Tankstellen. Die Demos haben wiederholt Supermärkte blockiert und kostenloses Einkaufen ermöglicht.

Was diesen Kampf verursachte, sind v.a. die hohen Preise. Der Durchschnittslohn ist ca. 30% niedriger als in Frankreich; die Preise liegen jedoch 40% darüber! Zudem liegt die Arbeitsosigkeit bei offiziellen 28% (7,2% in Frankreich) und betrifft besonders Jugendliche.

Es existiert aber auch massive Wut gegen das Kolonialsystem, das sich u.a. darin äußert, dass sich die Wirtschaft und besonders der Tourismus in den Händen weniger mächtiger weißer Familien, den „Békés“, befindet. Sie sind die Abkömmlinge der ersten Kolonialisten, die die Insel besetzt haben, und stellen nur 1% der Bevölkerung.

Wie in vielen Ländern der halbkolonialen Welt werden fast alle Fertigwaren importiert und sehr teuer verkauft. Die lokale Landwirtschaft besteht nur aus riesigen Bananen- oder Zuckerrohrplantagen für den Export. Die herrschenden Familien haben ihr Vermögen in Jahrhunderten Sklaverei aufgebaut. Auch der Rassismus wie in alten Zeiten die Gesellschaft. Der Chef der größten Supermarktkette, Alain Huyghues-Despointes, sagte in typischer Weise: „In den gemischten Familien haben die Kinder verschiedene Farben, es gibt keine Harmonie. Ich finde das nicht gut. Wir (die Békés) wollen die Rasse aufbewahren. Die Historiker reden nur von den negativen Aspekten der Sklaverei, das ist bedauerlich.“

Kein Wunder, dass z.B. Elie Domota, Gewerkschaftführer der UGTG, dazu meinte: „Seit 400 Jahren leben sie (die Reichen) auf unsere Kosten. Das muss jetzt aufhören.“ Die ArbeiterInnen singen auf den Demos in ihrer kreolischen Muttersprache: „Guadeloupe ist unser, Guadeloupe gehört ihnen nicht, sie dürfen in unserem Land nicht machen, was sie wollen!“

Ausweitung

Die Bewegung hat sich inzwischen auch in anderen französischen Kolonien verbreitet. Im benachbarten Martinique haben Anfang Februar Streiks und Verkehrsblockaden begonnen. Aus Französisch-Guyana kamen Solidaritätsgrüße. Auch auf der Insel Réunion im Indischen Ozean entsteht momentan eine Bewegung, da auch dort - am anderen Ende der Welt - die gleichen Probleme stehen und die gleiche Unterdrückung stattfindet.

Frankreichs Regierung hat zuerst versucht, die Konflikte herunter zu spielen. Zugleich wurden hunderte schwer bewaffnete CRS-Sonderpolizisten entsandt und Verhandlungen angestrebt. Die Regierung fürchtet sich vor einer größeren Verbreitung der Bewegung und versucht jetzt, kleine Zugeständnisse zu machen.

Am 19. Februar empfing Sarkozy „Übersee-Abgeordnete“, um mit ihnen zu verhandeln. Weder Gewerkschafter noch Vertreter sozialer Bewegungen wurden als Verhandlungspartner akzeptiert. Sarkozy versprach ein Hilfspaket von 580 Mill. Euro Paket, das v.a. für die Unterstützung der Ärmsten besteht. Zu allen anderen wesentlichen Fragen wurde nichts Substantielles vorgeschlagen. Sarkozy hat jedoch auch klargemacht, dass er Polizisten und Soldaten nach Guadeloupe schicken würde, um „Ordnung und sozialen Frieden“ zurück zu bringen.

Das könnte bald Realität werden, denn inzwischen gibt es Tag und Nacht Kämpfe und Aufstände, Ladenplünderungen, Barrikaden und Zusammenstöße mit der CRS. In der Nacht zum 18. Februar wurde Jaques Bino, ein Gewerkschaftsaktivist, erschossen. Offiziell heißt es, es wäre ein „Unfall“ gewesen.

Perspektive

Die Bewegung betont, dass Jahrzehnte nach den antikolonialistischen Kämpfen Frankreich immer noch mehrere wichtige Gebiete kontrolliert, die - entgegen allen offiziellen republikanischen Lügen - de facto immer noch Kolonien sind. Wie einst Algerien ein Land war, das Frankreich nicht abgeben wollte, sind heute Guadeloupe u.a. andere kolonial beherrschte Gebiete wichtig für Frankreichs Imperialismus. So besitzt TOM-Kanaky beträchtliche Nickelmienen; Polynesien ist als Atomtestareal militärisch wichtig; von Guyana werden Satelliten gestartet.

Die französischen ArbeiterInnen sollten ihre volle Solidarität mit dem mutigen Streiks in Guadeloupe und Martinique ausdrücken. Auch die bedingungslose Unterstützung des Rechts auf volle nationale Selbstbestimmung dieser Gebiete, für die Enteignung der dortigen Agrokapitalisten und privaten Unternehmen und das Recht der Bevölkerung, ihre Naturmittel selbst zu nutzen, sollten gefordet werden. Frankreichs Polizei- und Militäreinheiten müssen zum sofortigen Rückzug gezwungen werden!

Der Kampf muss nun in einen politischen Generalstreik münden! Die ArbeiterInnen, die Armen, die Jugend und die Bauern müssen eigene Kampforgane wie Preiskontrollkomitees, Streikführungen, Landkomitees und Selbstschutzeinheiten bilden, um ihre Forderungen durchsetzen zu können. Auf diese Organe gestützt muss eine Arbeiter- und Bauernregierung gebildet werden, welche die volle Unabhängigkeit durchsetzt und mit dem Sturz der kapitalistsichen Ordnung beginnt.

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Nr. 137, März 2009
*  Krise und Klassenkampf: Gegen Krise und Kapitalismus!
*  8. März: Wo bleibt die Frauenbewegung?
*  Autoindustrie: Das dicke Ende kommt noch
*  Programm: Wessen Verstaatlichung?
*  NPA in Frankreich: Ein Schritt vorwärts
*  Guadeloupe: Generalstreik gegen koloniale Ausbeutung
*  Kritik am Aufruf zum 28.März: Reformillusionen sind keine Alternative
*  Überfälle auf AntifaschistInnen: Kein Vertrauen in den Staat!
*  60 Jahre NATO: Den Imperialisten die Feier verderben!