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Iran

Imperialismus verstärkt Drohungen

Roman Birke / Rex Rotmann, Neue Internationale 131, Juli/August 2008

In letzter Zeit mehren sich die Anzeichen dafür, dass ein Angriff auf den Iran noch vor den US-Präsidentschaftswahlen im November erfolgen könnte.

Auch Barak Obama, der Kandidat der US-Demokraten, führt Bushs radikale Rhetorik gegenüber Teheran weiter. „Es gibt keine größere Bedrohung für Israel - oder den Frieden und die Stabilität der Region - als den Iran,“ meinte er vor dem einflussreichen American Israel Public Affairs Committee (AIPAC). Obwohl Obama Bush beschuldigt, Fehler bei der Intervention im Irak gemacht zu haben, so teilt auch er die strategische Perspektive der US-Bourgeoisie.

Schon ab Mitte Mai kursieren vermehrt Berichte, die einen Militärschlag als realistisch einstufen. Laut zwei US-Senatoren gibt es konkrete Pläne für einen Luftschlag.

Auch Israel greift zu härterer Rhetorik. Transportminister Mofaz sckockte mit seinen Aussagen, dass Israel „angreifen werde,“ sollte der „Iran sein Programm zur Entwicklung von Atomwaffen fortsetzen“. Zwar distanzierte sich Israels Premier Olmert davon, zugleich betonte er jedoch, dass eine „dringende Notwendigkeit zur Aktion“ bestehe und das „Fenster der Gelegenheit“, um den Iran vor einer Aufrüstung mit Atomwaffen zu stoppen, nicht mehr lange offen stehen würde.

Diese Aussage konterkariert allerdings selbst der Bereicht der US-Geheimdienste, dass seit 2003 keine Versuche mehr gemacht wurden, Nuklearwaffen herzustellen. Gleichzeitig forderte Olmert die Freigabe der Lieferungen von F-22 Kampfjets, die vor allem auch für Luftschläge gegen unterirdische Ziele (also u.a. iranische unterirdische Atomanreicherungsanlagen wie in Natanz) geeignet wären. Die USA reagierten positiv und argumentierten, dass dies ein wichtiger Schritt sein könnte, um die Drohungen gegenüber dem Iran zu verstärken.

Bush selbst hat während eines Treffens mit Kanzlerin Merkel erneut bekräftigt, dass „alle Optionen auf dem Tisch“ liegen würden. Die EU - die sich als imperialistischer Block ebenfalls im Nahen Osten etablieren möchte - hat ihrerseits damit gedroht, iranische Konten einzufrieren.

Der Iran besitzt die zweitgrößten Erdgas-Reserven weltweit und ca. 150 Mrd. Barrel an Erdölvorräten. Mit dem Unsicherheitsfaktor Iran, der die Straße von Hormus, über die 30 Prozent aller Öllieferungen gehen, blockieren und somit die Erdölversorgung unterbrechen könnte, ist eine vollkommene Kontrolle der Region unmöglich.

Iran im Visier

Aus diesen Gründen hat der Iran schon immer eine wichtige Rolle für die USA gespielt. 1953 haben die USA zusammen mit Britannien das nationalistische Regime von Mohammad Mosaddeq gestürzt und durch die Diktatur des Shah Reza Pahlavi ersetzt. Nach dem Pahlavi von der iranischen Revolution gestürzt worden war, entschlossen sich die USA, den Iran zu destabilisieren. Ihr folgte die Ermunterung an Saddam Hussein, den Iran anzugreifen.

Mit dem „Krieg gegen den Terror“ wurde der Iran offiziell zur „Achse des Bösen“ gezählt und somit eine weitere Front in diesem Krieg. Vor allem das neokonservative Lager forderte schon lange eine härtere Gangart gegenüber dem Iran. Diese äußerte sich unter Bush v.a. in der verstärkten Beobachtung des iranischen Atomprogramms durch die Internationale Atomenergiebehöre (IAEO). Zusätzlich wurden ab Ende 2006 schärfere Maßnahmen getroffen, die auf eine ökonomische Isolation des Iran abzielen.

Diese Sanktionen wurden im März 2007 durch die UN-Resolution 1747 verschärft. Mit dieser Resolution wurden die wirtschaftlichen Sanktionen also auch auf zivile Bereiche der Produktion ausgedehnt. Die Betonung der Resolution, dass keine humanitären Güter sanktioniert werden sollen, wird damit zur Farce, denn die wirtschaftliche Isolierung führt auch zu einer massiven Schwächung der Wirtschaft und somit zu einer strukturellen Schmälerung der Lebensgrundlage der Bevölkerung.

Zwei Monate nach Annahme dieser Resolution verschärfte sich die Situation wieder, nachdem zwei US-Flugzeugträger u.a. Kriegsschiffe die größte Trainingsmission nach Beginn des Irak-Kriegs vor der Küste des Iran absolviert hatten. Der Konfrontations-Kurs setzte sich bis März 2008 fort, als mit der UN-Resolution 1803 weitgehende Sanktionen gegen iranische Einzelpersonen und Unternehmen verhängt wurden.

Es wäre naiv zu glauben, Sanktionen wären im Gegensatz zu militärischen Interventionen eine friedliche Lösung des Konflikts. In Wirklichkeit dienen sie dazu, die Macht der imperialistischen Staaten gegenüber dem Iran zu stärken und den Iran zu Zugeständnissen zu zwingen. Es sei daran erinnert, dass die Sanktionen der USA gegen den Irak über 10 Jahre über eine Million Todesopfer gefordert haben. Doch auch wenn es keine zivilen Opfer geben würde, dienen Sanktionen der Sicherung imperialistischer Vormachstellung ab und schwächen die Massen der halbkolonialen Welt und die internationale Arbeiterklasse.

Zwei Strategien der US-Bourgeoisie

Es sind vor allem die neokonservativen Think-Tanks, die auf einen Militärschlag drängen. So z.B. Vizepremier Dick Cheney, dessen Strategen den Vorschlag eingebracht haben, dass man Israel den Iran angreifen lassen sollte, um dann nach einem möglichen Rückschlag durch Teheran eine breitere Legitimationsgrundlage zu haben, um selbst in den Krieg zu ziehen.

Auch der republikanische Präsidentschaftskandidat McCain ist für militärische Lösungen offen, auch wenn er derzeit eher den diplomatischen Weg betont. „Wir sollten die Sanktionen gegen den Iran privatisieren, indem wir eine weltweite Kampagne um das Abziehen von Investitionen führen. Je mehr Menschen, Unternehmen, Pensions-Fonds und finanzielle Institutionen auf der ganzen Welt sich von Unternehmen finanziell zurückziehen, die Geschäfte mit dem Iran machen, je unpopulärer wird auch die ohnehin schon unpopuläre radikale Elite, die das Land kontrolliert“, sagte er vor dem AIPAC. McCain hat jedoch hinzugefügt, dass er im Gegensatz zu Obama nicht mit dem Iran verhandeln, sondern stattdessen den Druck erhöhen wird.

Langfristig werden die USA, wenn sie ihre hegemoniale Stellung im Nahen Osten behalten möchten, auf eine aggressivere Politik setzen müssen, um mehr Gebiete unter ihren direkten Einfluss zu zwingen oder Regime einzusetzen, die den westlichen imperialistischen Interessen nützliche Vasallen-Dienste erweisen.

Auch wenn sich die Drohungen gegenüber dem Iran verstärkt haben und Analysten meinen, dass ein Militärschlag noch vor dem Ende der Amtsperiode von Bush wahrscheinlich ist, gibt es Faktoren, die dagegen sprechen.

Das wichtigste Argument ist wohl, dass selbst ein einmaliger Militärschlag sehr schnell kollaterale Reaktionen nach sich ziehen würde. Ein Militärschlag „würde den Nahen Osten in einen Feuerball verwandeln,“ warnte IAEO-Chef El Baradei. Er könnte antiimperialistische Kämpfe auslösen, die - wie auch die Schlappe Israels im Aggressionskrieg gegen den Libanon 2006 zeigte - dem Imperialismus bittere Niederlagen zufügen könnten. Nicht zuletzt hat auch der Iran selbst klar gemacht, dass er militärisch zurückschlagen würde, falls ein Angriff erfolgen sollte.

Es ist also kaum möglich, einen Militärschlag gegen den Iran nur auf Luftangriffe zu beschränken. Wahrscheinlicher ist, dass eine solche Intervention Monate des Krieges nach sich ziehen wird, für den heute keine militärische Ressourcen (v.a. Bodentruppen) der USA zur Verfügung stehen.

Auch für die Besatzer im Irak hätte dies fatale Auswirkungen. Der US-Oberbefehlshaber im Irak, General Patraeus, hat - obwohl er der iranischen Regierung die Unterstützung von irakischen WiderstandskämpferInnen vorwirft - betont, dass er eine diplomatische Lösung bevorzugt. Diese Herangehensweise ist aus Sicht des US-Militärs durchaus verständlich. Denn vor allem die südlichen Gebiete des Irak, die schiitisch dominiert sind, werden hier eine qualitative Steigerung des Kampfes gegen die US-Besatzung erfahren.

Doch auch die ideelle Legitimation eines Angriffs wurde durch den Bericht der US-Geheimdienste konterkariert. Der besagt nämlich, dass der Iran 2003 aufgehört hat, nukleare Waffen zu entwickeln bzw. die Geheimdienste keine genauen Informationen darüber besitzen, in welchem Status sich die Entwicklung des Atomprogramms befindet. Die Parallelen zum Irak-Krieg sind offensichtlich. Auch damals wurde argumentiert, Saddam Hussein wäre in Besitz von Massenvernichtungswaffen - doch gefunden wurden nie welche.

Nachdem die Antikriegsstimmung während des Irakkrieges angewachsen ist, würde das Argument, den Iran wegen der Entwicklung von Nuklearwaffen anzugreifen, deren Existenz selbst von den US-Geheimdiensten angezweifelt wird, wohl zu massiven Protesten führen, die das Potential haben, durch Streiks und andere Maßnahmen die ökonomische Krise des US-Kapitalismus weiter zu verschärfen.

Ein wichtiger Faktor, der gegen die Möglichkeit der USA, einen neuerlichen Krieg zu riskieren, spricht, ist die derzeitige ökonomische Schwäche der USA. Die massive Krise der US-Wirtschaft, die im Platzen der Immobilien-Blase ihren ersten Ausdruck gefunden hat, ist inzwischen auch von einer steigenden Inflation gebeutelt. Gleichzeitig werden diese Tendenzen noch durch ein 150 Mrd. Dollar schweres Konjunkturprogramm verstärkt. Die Finanzierung eines neuerlichen Krieges würde Ressourcen erfordern, die zurzeit nicht vorhanden sind und deshalb die Inflation weiter in die Höhe treiben würden - ein weiterer Grund, warum die Arbeiterklasse in den USA die Erfahrungen der Antikriegsbewegung 2003 verarbeiten muss, um einen effektiven Kampf gegen einen drohenden neuerlichen Krieg zu führen.

Zusätzlich hat der rapide Anstieg des Ölpreises nach den Aussagen von Mofaz demonstriert, wie sich ein Militärschlag gegen den Iran auf die Ölmärkte auswirken könnte. Stellt man sich noch vor, dass der Iran die Straße von Hormus im Falle eines Angriffs blockiert, so wäre das nicht nur ein wirtschaftliches Mega-Problem für die USA, sondern könnte eine Weltwirtschaftskrise einläuten.

Das macht auch verständlich, warum die USA und ihre Verbündeten den Druck auf den Iran erhöhen. Es ist die Rolle Chinas und der der Kampf darum, welche Stellung dieses Land im Rahmen einer zukünftigen Aufteilung der Welt einnehmen wird - halbkoloniales Ausbeutungsgebiet unter imperialistischer Kontrolle oder eigene imperialistische Macht, was allerdings eine grundlegende Neuaufteilung der Welt voraussetzen würde.

China ist besonders von steigenden Rohölpreisen betroffen. Druck auf den Iran bedeutet also Druck auf China, um es in die Knie zu zwingen und die durch den WTO-Betritt Chinas verstärkte Durchdringung des Landes durch imperialistisches Kapital entscheidend zu forcieren.

Dieses strategische Interesse des US-Imperialismus und aller Fraktionen des US-Kapitals kommt in der Haltung beider Präsidentschaftskandidaten, von Obama und McCain, zum Ausdruck.

Diese Szenarien führen uns vor Augen, unter welch enormen Spannungen die Welt heute steht. Daher kennzeichnen wir die heutige politisch-ökonomische Lage als vorrevolutionäre Periode. Die Widersprüche des Imperialismus führen notwendig zu massiven Krisen und die vermeintlichen „Lösungen“ verschärfen sie nur noch. Das System des Kapitalismus ist eine Barriere für die Weiterentwicklung der Menschheit und muss daher durch eine sozialistische Revolution gestürzt werden!

Die Frage der Wahrscheinlichkeit eines Angriffs auf den Iran ist dabei nur sekundär. Es ist nur ein Pulverfass, das im Kampf um die Neuaufteilung der Welt explodieren kann. Die Arbeiterbewegung in allen Ländern muss Schritte unternehmen, um internationale Strukturen zu schaffen, die massiven Widerstand im Fall eines Angriffs auf den Iran organisieren. Die Kriegs-Drohungen müssen - selbst wenn einige Faktoren gegen einen unmittelbaren Angriff sprechen - ernst genommen werden.

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Nr. 131, Juli/Aug. 2008
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