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Frauen in Afghanistan

Brigitte Falke

Wie in anderen halb-kolonialen Ländern versuchte nach 1945 eine Schicht von Intellektuellen, Militärs und aufstrebendem Bürgertum eine Modernisierung des Landes, die unter anderem auch die rückständigen patriachalen Strukturen der Frauenunterdrückung abmildern sollte.

In Afghanistan wurde dies nicht von einer Massenbewegung getragen - es wurde eine Modernisierung von oben versucht. Diese Kräfte, wie die Militärdiktatur von Taraki (1978), konnten sich letztlich wiederum nur durch Hilfe von außen, damals durch die Sowjetunion halten.

In den besten Zeiten dieser “Reformregierungen” gelang z.B. eine Alphabetisierung von gerade einmal 5% der Frauen. Dies ist nur ein Indiz für die geringe Tiefe der “Modernisierungsversuche”, die i.w. auf die Städte beschränkt blieben, während der patriarchale Grundbesetzung und vor-kapitalistische Strukturen am Land weiter vorherrschten.

Hinzu kam, dass die Reformen der links-bürgerlichen Kräfte selbst inkonsequent blieben – galt es doch die eigene Klassenherrschaft zu festigen. Dadurch wurden aber die Massen zusätzlich von den progressiven Seiten der Reformen entfremdet.

Die reaktionären Mudjaheddin nutzen die diesen Umstand geschickt, um die ländlichen Massen im Krieg gegen die Sowjetunion vor ihren Karren zu spannen. Wer von “Frauenrechten” sprach, wurde der Kollaboration mit den Besatzern verdächtigt. Dabei verschärfte der Bürgerkrieg die Situation der Frauen. Sie wurden als legitime “Beute” im Krieg angesehen, und Opfer ungeheurer Grausamkeiten.

Durch die massive Unterstützung der Jehadi (der islamistischen Guerilla) durch die USA mussten die Moskauer Bürokraten Ende der 80er-Jahre den Krieg aufgeben und setzten ein Marionetten-Regime unter Nadjibulla ein, das sich überraschend noch bis 1992 an der Macht halten konnte.

Danach brachen die ethnischen Spannungen zwischen den an die Macht gekommenen Jehadis in einem Bürgerkrieg aus. Das Land, das für kurze Zeit aus dem unmittelbaren Interesse imperialistischer Politik geraten war, verfiel in Chaos. 1994-1996 haben sich die Taliban als sog. Befreier und Ordnungsmacht etabliert, indem sie durch ihren Radikal-Islamismus, ihre Unterstützung durch Pakistan und ihre enge Verbindung zu den paschtunischen Großgrundbesitzern und Handelsbourgeois zumindest das paschtunische Gebiet unter eine einheitliche Zentralgewalt bringen konnten. Die Menschen waren von den Kriegen zermürbt, sehnten sich nach Frieden. Die Taliban-Friedhofsruhe blieb übrig. Diese erz-reaktionäre Regierung hatte daher eine teilweise Verankerung in der Bevölkerung.

Frauen unter den Taliban

Die Unterdrückung hat sich unter den Taliban bis zum Extrem der Entmenschlichung der Frauen gesteigert. Nun durften sie weder zur Schule gehen noch einen Beruf ausüben. TV und Kino waren für sie bereits vorher verboten, nun aber auch für die Männer. Sie durften auch nicht von männlichen Ärzten behandelt werden. Frauen durften nicht ohne Begleitung eines  Mannes das Haus verlassen und mussten die Burka tragen, die sie von Kopf bis Fuß einhüllt.

Verstießen sie dagegen, wurden sie von der Religions- und Sittenpolizei misshandelt, wobei nicht wenige zu Tode kamen. Sie durften auch nicht lachen oder mit fremden Männern sprechen.

Entsprechend der Sharia konnte eine Frau, die des “Ehebruchs” beschuldigt wurde, aufgrund der Aussage von zwei männlichen Zeugen zum Tode verurteilt werden. Die Taliban gefielen sich darin, solche Grausamkeiten auch noch weltweit über die Medien zu verbreiten. Diese Formen der Unterdrückung wurden und werden jedoch auch von vielen anderen islamistischen Regimen angewandt – so auch von den US-Verbündeten Pakistan und Saudi-Arabien, wenn auch in “milderer” Weise. Der Islam als Religion dient als Rechtfertigung dieser Frauenunterdrückung.

Seine Wurzeln hat diese extreme Form von Frauenunterdrückung jedoch in der gescheiterten und von Imperialismus und Stalinismus systematisch blockierten Entwicklung Afghanistans. Der reaktionäre Block aus Großgrundbesitzern, Stammesführern und islamischen “Würdenträgern” konnte die Macht - wie zerstritten untereinander auch immer - in den Händen behalten. Diese Machtverhältnisse, die totale Rückständigkeit des Landes und die Verheerungen des Bürgerkriegs sind der Nährboden auch für die Unterdrückung der Frauen. 

Frauenbefreiung in Sicht?

Die Vertreibung der Taliban ist nicht das Ende der Unterdrückung der Afghaninnen. Mitte der 1990er Jahre machten sich die "Befreier" der Nordallianz der Massenvergewaltigung von Frauen schuldig und massakrierten mindestens 30.000 Menschen bei der Einnahme Kabuls. Ihre momentane Zurückhaltung - nicht zuletzt auf Anraten der Imperialisten - soll der Nordallianz einen Schein der Legitimität verleihen, nachdem sie vor wenigen Jahren noch ebenso verhasst wie die Taliban war. Ein deutliches Zeichen ihrer wahren Politik ist das Verbot einer Frauendemonstration in Kabul.

1977 gründeten einige afghanische Intellektuelle die RAWA (Revolutionäre Vereinigung der Frauen Afghanistans). Diese kämpft für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit in Afghanistan und versteht sich als eine unabhängige politische Organisation afghanischer Frauen.

Unter den Taliban war sie gezwungen, im Untergrund zu kämpfen, zumeist von Pakistan aus. Unter der von der Sowjetunion gestützten Reform-Regierung von Taraki in den 70er Jahren wurde den Frauen zunächst die Ergreifung eines Berufes zugestanden und sie durften  öffentliche Ämter bekleiden.

Dies wurde jedoch nach und nach wieder rückgängig gemacht, um die islamistischen Großgrundbesitzer zu besänftigen. Im Unterschied zur absoluten Mehrheit der islamischen fundamentalistischen “Freiheitskämpfer” des antisowjetischen Widerstandskampfes ist RAWA von Anfang an für Demokratie und Säkularismus eingetreten.

Doch RAWA blieb dabei im Reformismus stecken und tastet das kapitalistische System halbkolonialer Prägung nicht an. Obwohl sie erkennt, dass es der USA beim Besiegen der ursprünglich unterstützten Taliban um imperialistische Ziele geht, hängt sie einer Volksfrontpolitik an und erkennt die Arbeiterklasse nicht als historisches Subjekt. Dies äußert sich, indem RAWA den Ex-König auffordert, zusammen mit dem afghanischen Volk den fundamentalistischen Islamismus zu bekämpfen.

Auch wenn sie den Islamismus frauenfeindlicher Prägung bekämpft, ändert dies nichts an der Frauenunterdrückung. Trotzdem ist ein gemeinsamer Kampf mit der RAWA möglich und notwendig. Gerade in den Flüchtlingslagern in Pakistan hat sie eine unabhängige und starke Organisation von selbstbewussten Frauen aufgebaut. Eine wirkliche Umwälzung der reaktionären Verhältnisse in Afghanistan ist ohne eine wirkliche Frauenbefreiung nicht möglich. Insofern muss eine sich neu bildende revolutionär-kommunistische Bewegung in diesem Land von Anfang an für den Aufbau einer starken kommunistischen Frauenorganisation kämpfen, die sicher auch Frauen gewinnen muss, die sich heute in der RAWA organisieren.

Was nun?

Ein weiterer Kampf steht den Afghanen und Afghaninnen jetzt bevor. Während revolutionäre Kommunisten weiter jeden Widerstand gegen die Imperialisten und ihre Verbündeten unterstützen müssen, ist klar, dass die Taliban (oder was von ihnen übrig ist) in keinem Fall die Alternative für irgendeinen erfolgreichen Kampf sein können, um den Imperialismus und seine reaktionären Marionetten zu besiegen.

Der Krieg in Afghanistan hat auch gezeigt, dass religiös-fanatische Bewegungen, nie und nimmer in der Lage sein können, einen effektiven Kampf gegen den Imperialismus zu führen.

Er hat auch gezeigt, dass der brutale, massenhafte Terror gegen die arbeitende Bevölkerung auch in den imperialistischen Ländern nur die Herrschenden stärkt.

In Afghanistan müssen die Unterdrückten, vor allem die Frauen, Ausgebeuteten und veramten Massen die Macht in ihre eigenen Hände nehmen. Sie müssen im Kampf für die revolutionäre Demokratie der Massen, für Gleichheit und Sozialismus vereint werden.

Sie müssen Delegiertenräte der Betriebe, der armen Dorfbevölkerung und der Soldaten wählen!  Sie müssen sich auf eigene bewaffnete Milizen stützen, um so Missbrauch, Ausschreitungen, Plünderungen und Vergewaltigungen durch die Truppen der Kriegsherren zu verhindern und den Kampf gegen die imperialistischen Truppen zu führen. Sie dürfen nicht zulassen, dass die Kommandeure der Nordallianz, die paschtunischen Stammesfürsten und die Mullahs den Frauen Afghanistans wieder den Status von Vieh, von Sklaven aufzwingen.

Für die sofortige Wahl einer konstituierenden Versammlung in ganz Afghanistan!

Bewaffnete Volksmilizen anstelle der Privatarmeen der Kriegsherren und islamistischen Parteien! Freiheit für Gewerkschaften, Parteien, Frauen- und Jugendorganisationen!

Frauen müssen aktives und passives Wahlrecht haben. Das Land muss denen gehören, die es bearbeiten. Die noch vorhandenen Fabriken, Manufakturen und Büros müssen denen gehören, die dort arbeiten. Staat und Schulen müssen von jeder klerikalen Kontrolle frei sein. Frauen müssen das Recht haben, sich nach eigenem Belieben zu kleiden und in allen Bereichen der Wirtschaft zu arbeiten. Frauen müssen in allen gesellschaftlichen Bereichen gleichberechtigt sein, insbesondere bezüglich Heirat und Scheidung. Sie müssen über ihren Körper und ihre Fruchtbarkeit bestimmen können. Von diesen Fesseln befreite Frauen sind ein mächtige Kraft der politischen und gesellschaftlichen Umwandlung des Landes.

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