Reaktionäres Kuchma-Regime schränkt
demokratische Freiheiten ein
In
den letzten Wochen hat das bürgerliche Kuchma-Regime alles daran gesetzt,
seine bonapartistische Herrschaft vor dem Hintergrund breiter Proteste zu
festigen.
Hintergrund
der politischen Krise in der Ukraine – der schwerste seit der Staatsgründung
– ist die Spaltung innerhalb der herrschenden Klasse, wo sich ein Teil
der Oligarchen (wie die Großkapitalisten in der Ukraine genannt werden)
auf eine Annäherung an die westlichen imperialistischen Großmächte
orientieren, während ein anderer Teil sich mehr an Russland anlehnen möchte.
Verbunden mit der katastrophalen sozialen Krise in dem Land und der tiefen
Entfremdung zwischen der Regierung und der Bevölkerung versucht das
Kuchma-Regime, seine Macht mit offen repressiven Maßnahmen zu festigen.
Das Fass zum Überlaufen brachte die Ermordung des kritischen Journalisten
Gongadze und die bekannt gewordenen Tonbänder, die die Involvierung des
Präsidenten in diese Affäre (sowie einer Reihe weiterer politischer
Skandale) belegen. Als Resultat dieser Entwicklung entstand die Bewegung
“Ukraine ohne Kuchma”.
Doch
Kuchma konnte einige wichtige Siege in den letzten Wochen verbuchen.
Nachdem er eine der führenden Figuren der Opposition, die Vizeministerpräsidentin
Julia Timoschenko, ihres Amtes enthob, warf er sie bald darauf ins Gefängnis.
Protestzeltlager im Stadtzentrum – die v.a. von oppositionellen
Studenten organisiert werden – wurden zweimal von der Polizei mit Gewalt
geräumt. Schließlich gelang es ihm, den Ministerpräsidenten Yushchenko,
der zuvor als Verbündeter oder gar als heimlicher Anführer der
Opposition galt, auf seine Seite zu ziehen und mit ihm gemeinsame Erklärungen
gegen die Opposition herauszugeben, die auch kaum verhüllte Drohungen mit
Notstandsmaßnahmen enthielten. Vorläufiger Höhepunkt waren die
Zusammenstöße bei der Großdemonstration am 9.3., bei denen die Polizei
nicht nur dutzende Demonstranten verletzte, sondern hunderte verhaftete,
von denen noch heute ein Teil einsitzt.
Kuchmas
autoritärer Kurs wird in Wirklichkeit durch das Vorgehen der
oppositionellen Kräfte begünstigt. Die offizielle Führung der
“Ukraine ohne Kuchma”-Bewegung wird von der
rechts-sozialdemokratischen Sozialistischen Partei von Moroz sowie einigen
kleineren, offen bürgerlichen Parteien gestellt. Diese sind weder willens
noch in der Lage die Masse der Bevölkerung – insbesondere das
Millionenheer der ukrainischen Arbeiterklasse – zu mobilisieren, da sie
in Wirklichkeit mit ihrer neoliberalen Politik deren sozialen Interessen
nicht ansprechen. So bleiben die Proteste weitgehend auf Studenten,
Mittelschichten und besser gestellte Arbeiter beschränkt und gehen nicht
über 10.000 Teilnehmer hinaus.
Ein
besonders alarmierender Aspekt ist die Teilnahme von (halb)faschistischen
Kräften an diesen Protesten (v.a. der SNPU und der UNA-UNSO). Auch wenn
schätzungsweise 90% der Demonstrationsteilnehmer bürgerlich-demokratisch
gesinnt sind, so verkörpern diese faschistischen Kräfte eine besondere
Gefahr. Diese versuchen auch die Intervention von Linken bei diesen
Demonstrationen zu verhindern (bislang allerdings ohne Erfolg). Teilweise
erweisen sich diese Kräfte auch als Provokateure, wie z.B. bei der
Demonstration am 9.3., wo UNA-UNSO-Ordner Zusammenstöße mit der Polizei
offensiv anstrebten.
Die
stärkste Partei der Arbeiterbewegung, die Kommunistische Partei (KPU),
spielt eine besonders beschämende Rolle. Sie mobilisierte in dieser
monatelangen Krise kaum. Ihre Mitgliedschaft und überlässt so den bürgerlichen
Kräften das Feld für Proteste zur Verteidigung demokratischer
Freiheiten. Mehr noch, sie nahm hinter den Kulissen Verhandlungen mit
Kuchma auf und hofft, für ihr Stillhalten mit der Einbeziehung in eine
Regierungskoalition belohnt zu werden.
Ein
Lichtblick ist die linke Aktionseinheit “Ukraine ohne Bourgeoisie und
Faschisten” an der neben unseren Genossen der “Arbeitermacht – Junge
Revolutionäre Marxisten” (RV-MRM; sympathisierende Sektion der LRKI in
der Ukraine) auch der linke Flügel der KPU (VCR), Teile der Komsomol (der
KPU-Jugendorganisation) sowie einige kleinere linke Gruppen teilnehmen.
Neben einzelnen Schwächen der Plattform liegt der Hauptmangel dieser
Einheitsfront in ihrer Passivität und Neutralität gegenüber den
Angriffen des Kuchma-Regimes auf die bürgerliche Opposition. Nach dem
Motto “beides sind bürgerliche Kräfte, also sollen sie sich ruhig
bekriegen, wir werden der lachende Dritte sein” weigern sie sich, das
Demonstrationsrecht und andere demokratische Rechte zu verteidigen.
RV-MRM
nimmt aktiv an den Protesten teil. Sie waren eine der treibenden Kräfte
bei der Formierung der linken Aktionseinheit. Unsere Genossen lehnen eine
Unterstützung der bürgerlichen Opposition grundsätzlich ab und treten für
einen aktiven Kampf zur Vertreibung der faschistischen Kräfte ein. Bei
einer linken Demonstration kam es auch zu Zusammenstößen mit
Kuchma-loyalen Faschisten, bei denen einige Teilnehmer – darunter auch
ein RV-MRM-Genosse – verletzt wurden.
Unsere
Genossen halten es für entscheidend, dass die Arbeiterbewegung in der
gegenwärtigen Situation nicht neutral bleibt, sondern eigenständig auf
der Straße mobilisiert mit der Perspektive des Sturzes des Kuchma-Regimes
und ihrer Ersetzung durch eine Arbeiter- und Bauernregierung. Dafür ist
jedoch auch die Verteidigung demokratischer Freiheiten und die
Verhinderung einer Konsolidierung des Kuchma-Regimes wichtig. Deswegen
verteidigt RV-MRM das Recht der bürgerlichen Opposition auf
Demonstrationsfreiheit und tritt gleichzeitig für eine gewaltsame
Beseitigung der faschistischen Kräfte ein.
Abschließend
sei noch eine weitere interessante Initiative einiger Komsomol-Mitglieder
erwähnt, die nun einen offenen Brief an die Leitung richten und einen öffentlichen
Bruch von Komsomol mit der KPU und die Orientierung auf eine neue,
revolutionäre Arbeiterpartei fordern.
RV-MRM
nimmt als aktive Kraft an den Protesten teil und verteilte in den letzten
Monaten Zeitungen und Flugblätter. Diese Arbeit ist zwar sehr erfolgreich
und führte zu einem Wachstum und einer größeren Bekanntheit unserer
Schwesterorganisation, doch kosten diese Tätigkeiten verhältnismäßig
viel Geld. Deswegen appellieren wir an alle Linken, diese entscheidende
Arbeit für eine sozialistische Perspektive auch durch Spenden zu unterstützen.
(Interessierte können einige Veröffentlichungen unserer Genossen auf
unserer englisch-sprachigen Website www.workerspower.com
lesen.)
-
· Nieder mit dem
Kuchma-Regime!
-
· Kein Vertrauen in Moroz und
Timoshenko! Die Arbeiterbewegung und die Linke müssen jetzt mobilisieren!
-
· Für Massendemonstrationen
und Streiks bis hin zum
Generalstreik! Für den Aufbau von Aktionskomitees
in allen Städten und Dörfern!
-
· Schmeißt die Faschisten
raus!
-
· Für eine Arbeiter- und
Bauernregierung!