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NEIN ZUM KRIEG ZWISCHEN INDIEN UND PAKISTAN, JA ZUR SELBSTBESTIMMUNG DES KASCHMIR!

Internationales Sekretariat der Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale, 02.01.2002

Die Vorbereitungen für den Krieg zwischen Indien und Pakistan bestärken auf dramatische Weise unsere Ansicht, dass der Sieg der Vereinigten Staaten über Afghanistan die weltpolitische Situation nicht stabilisiert oder endlich die lang angekündigte neue Weltordnung eingeläutet hat.

Eher im Gegenteil: Die Elemente der Unordnung in den internationalen Beziehungen wurden vermehrt, andere Staaten sind nun ebenfalls versucht, für sich das Recht der “Bekämpfung des Terrorismus” in Anspruch zu nehmen, wo und wann immer es ihnen passt.

Wenn die unilaterale Bombardierung von Terroristentrainingslagern das Recht der Selbstverteidigung der Vereinigten Staaten nach dem Angriff auf die Zwillingstürme darstellt, warum sollte das nicht für Indien gelten, nachdem pakistanisch-stämmige Islamisten Mitglieder des indischen Parlaments zu erschießen versuchten?

Aber die zu Grunde liegenden Ursachen für die steigende Spannung zwischen Indien und Pakistan gehen weit darüber hinaus. Beide Staaten sind mit den Auswirkungen der Globalisierung, die sichere Arbeitsplätze für viele Werktätige zerstört und die Verschuldung kleiner Bauern und des städtischen Kleinbürgertums vorantreibt, konfrontiert. Heute leben 450 Millionen Menschen in Indien unter der Armutsgrenze. Das verschärft die soziale Instabilität im ganzen Land.

Die Globalisierung verstärkte auch die Abhängigkeit dieser beiden halbkolonialen Länder von der Weltwirtschaft hinsichtlich des Handels, der Auslandsinvestitionen und der Auslandsschulden. Die pakistanische Regierung muss die Hälfte ihres Jahresbudgets für die Rückzahlung von Auslandskrediten verwenden.

Dazu kommt das steigende Misstrauen in die politischen Parteien und das gesamte System in der Bevölkerung. Das führte zu einer beachtlichen Unterstützung für Musharafs Militärputsch in Pakistan vor zwei Jahren.

Bushs Aufrufe an Indien und Pakistan, “Zurückhaltung” zu zeigen und “gemeinsam am Frieden zu arbeiten”, sind schamlose Heuchelei. Afghanen, die noch immer durch US-Bomber und Kampfhubschrauber ermordet werden, könnten fragen, welche Zurückhaltung die USA gezeigt haben. Tatsächlich ist Bush nur am Erhalt seiner “Allianz gegen den Terrorismus” interessiert. Diese könnte sich in Luft auflösen, wenn ein Krieg zwischen zwei seiner wichtigsten Alliierten ausbricht.

Der globale Kapitalismus selbst und die USA als alleinige Supermacht sind im Grunde für die wachsenden Spannungen auf dem indischen Subkontinent verantwortlich. Es sind der IWF, die Weltbank und die WTO, die diese Länder zwingen, ihre Binnenmärkte für die US-Gesellschaften zu öffnen und ihre Bevölkerungen zur Bezahlung der Schulden auszupressen.

Es sind diese Multis, die sich die Rosinen aus den Volkswirtschaften picken und auf deren Rücken sich eine neue Elite während der letzten zehn Jahre schamlos bereichert hat. Das Vorrücken des globalen Kapitalismus hat die wirtschaftliche und politische Krise auf dem indischen Subkontinent massiv verschärft.

Die herrschende Klasse Pakistans ist in einer besonders schweren Krise. Nach dem Desaster des letzten Militäreinsatzes um Kargil in Kaschmir 1999, das den Sturz der Regierung Nawaz Sharif auslöste, erlebt Musharaf nun selbst ein ähnliches außenpolitisches Desaster. Erst vor ein paar Monaten hatte das pakistanische Militärregime eine befreundete Regierung im benachbarten Afghanistan – die Taliban. Heute kontrollieren Kräfte, die den strategischen Feinden Indien und Russland nahe stehen, Kabul.

Die herrschende Klasse Pakistans war immer bereit, dem US-Imperialismus als Lakai zu dienen – in den 1980ern durch Finanzierung der reaktionären islamistischen Kräfte gegen die durch die UdSSR unterstützte afghanische Regierung; heute spielt sie die selbe Rolle beim Verrat der Taliban und deren Ausverkauf an ihre Herren in Washington. Aber der Imperialismus hat kein Herz. Er bezahlt nicht einmal für die untertänigste Loyalität länger als es zur Erreichung seiner Ziele notwendig ist.

Angesichts der rumorenden Vulkane des politischen und sozialen Aufruhrs pflegen die herrschenden Klassen Indiens und Pakistans den Chauvinismus. Die Koalitionsregierung in Indien, angeführt von der reaktionären hindu-chauvinistischen Bharatija Janata Partei (BJP), ließ die nationale Unterdrückung der muslimischen Mehrheit im indischen Kaschmir eskalieren.

Sie hat die Gelegenheit, die sich durch die islamistischen Attacken auf das indische Parlament ergab, ergriffen, um den “Krieg gegen den Terrorismus” zu instrumentalisieren, um den regionalen Feind Pakistan entweder in einen desaströsen Krieg oder in einen erniedrigenden Verfall zu zwingen.

Natürlich verurteilen Sozialisten die terroristischen Angriffe auf das indische Parlament. Diese dienten den Interessen der unterdrückten Bewohner Kaschmirs nicht und spielten den BJP-Chauvinisten direkt in die Hände. Gemeinsam mit den Angriffen vom 11. September sind sie ein Beispiel dafür, dass der individuelle Terrorismus nicht nur auf die Täter, sondern auf die Massen zurückfällt.

Wir geben jenen revolutionären und demokratisch-kleinbürgerlichen Kräften, die für die Selbstbestimmung Kaschmirs kämpfen, kritische Unterstützung. Aber wir sagen auch, dass nur die Verknüpfung des nationalen Kampfes Kaschmirs mit den Kämpfen der pakistanischen und indischen Arbeitern und Bauern gegen die herrschenden Klassen beider Länder sowie eine sozialistische Revolution gegen das kapitalistische System ihre Rechte sichern kann.

Musharaf hat sich dem massiven Druck Indiens und des US-Imperialismus gebeugt und geht gegen die militanten islamistischen Organisationen Kaschmirs, besonders Lashkar-e-Taiba und Jaish-e-Mohammad vor. Diese Organisationen sind reaktionäre kleinbürgerliche Kräfte mit Verbindungen zum berüchtigten pakistanischen Geheimdienst (ISI), doch sie haben einige Unterstützung in der Bevölkerung Kaschmirs.

Wir hegen keine wie auch immer geartete politische Sympathie für diese Kräfte, die Feindinnen der wahren Befreiung des Volks von Kaschmir sind, aber wir sind gegen das gegenwärtige Vorgehen durch das pakistanische Regime. Diese staatliche Unterdrückung hilft den Interessen der Arbeiter und Bauern nicht, sondern festigt noch den Zugriff der Herrschenden, was die Unabhängigkeit Kaschmirs verunmöglicht, und unterstützt die Islamisten in ihrer Selbstdarstellung als “wahrhafte Verteidiger des Volks von Kaschmir”.

Doch die nationalen Rechte der Kaschmiri wären nicht das eigentliche Thema in irgendeinem Krieg. Das pakistanische und indische Militär sorgen sich nicht um die Rechte des Volkes von Kaschmir, sondern um die Vergrößerung ihrer jeweiligen Staaten. Jeder Krieg hätte daher – trotz der Kaschmir-Frage als vorgeschobener Ursache – auf beiden Seiten reaktionären Charakter.

Es wäre ein reaktionärer Krieg zwischen zwei gleichermaßen reaktionären herrschenden Klassen. Die Herrscher von Indien und Pakistan sind die direkten Feinden ihrer eigenen Völker. Ein Krieg zwischen ihnen bezweckte weder die Verteidigung des Rechtes auf Selbstbestimmung des Volkes von Kaschmir noch die Verteidigung der indischen bürgerlichen Demokratie gegen eine pakistanische Diktatur.

Es wäre ein Krieg zur Verteidigung der Macht und des Luxus zweier bürgerlicher Klassen. Es wäre ein Krieg zur Ausweitung ihres regionalen Status. Die einzigen wahren Verlierer wären die verarmten Massen auf beiden Seiten, besonders wenn die kriegsgeilen Generale ihre Nuklearwaffen einsetzen, falls die Dinge für sie schlecht laufen. Die Liga für eine Revolutionäre Kommunistische Internationale (LRKI) ruft alle Arbeiter und Bauern in beiden Ländern auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um ihre herrschenden Klassen davon abzuhalten, einen blutigen Krieg anzufangen.

Wir sind für Massendemonstrationen bis hin zu einem Generalstreik, um den bevorstehenden Krieg abzuwenden. Sollte der Krieg ausbrechen, sollten Sozialisten in den Reihen der Armee stehen, um den Willen zur Fortführung des Krieges zu schwächen und gegen die Verwendung von Soldaten als Kanonenfutter für die herrschende Klasse agitieren. Revolutionäre sollten der Basis der Armee zurufen: Ihr habt die Waffen, ihr habt die Macht, den Krieg zu beenden! Verbündet euch mit den Brüdern in den “feindlichen” Reihen und wendet eure Waffen gegen Musharaf und Vajpai!

Arbeiter und Bauern in Pakistan und Indien können die korrupten Blutsauger, kriegsverrückten Generale und politischen Herrscher stoppen. Werft sie raus!

Während revolutionäre Sozialisten die Aktionen der kleinbürgerlichen Friedensbewegung, die sich gegen den Krieg richten, kritisch unterstützen sollten, kann es keine politischen Illusionen in deren Strategie geben. Ihre Aktionen zeigen moralische Courage und die besten Absichten vieler Basisaktivisten, aber ohne Ausrichtung auf den Klassenkampf können ihre PR-Stunts den Krieg nicht stoppen.

Reformisten wie die Kommunistischen Parteien Indiens (CPI und CPI-M) und Zentristen wie die Labour Party von Pakistan (LPP) setzen nun ihre opportunistische Politik, die den Imperialismus schon auf seinem reaktionären Feldzug gegen Afghanistan unterstützt hat, fort. Während des Afghanistan-Krieges vermieden sie es, mit der bürgerlichen Ordnung zu brechen, indem sie es ablehnten, für die Verteidigung Afghanistans und die Niederlage der imperialistischen Kräfte zu mobilisieren.

Ihr neutraler und pazifistischer Standpunkt in dieser wichtigen Konfrontation zwischen der größten imperialistischen Supermacht und der ärmsten Halbkolonie war ein politisches Verbrechen und verhalf islamistischen Kräften dazu, sich als die einzigen Verteidiger des afghanischen Volkes zu präsentieren.

Heute beschränkt sich die LPP auf pazifistische Appelle. Aber die CPI schließt sich dem chauvinistischen Chor “Unsere Märtyrer fielen im Kampf gegen die Eindringlinge” an, wenn sie über indische Soldaten spricht, die in den Zusammenstößen mit pakistanischen Kräften gestorben sind. Die CPI-M dient der rechtslastigen BJP-Regierung als Ratgeber hinsichtlich der Bestrafung der “Terroristen” mit Hilfe der “internationalen Gemeinschaft”.

Während Sozialisten in beiden Ländern gegen den Krieg sein müssen, verdient der Kampf des Volkes von Kaschmir um ihr Recht auf nationale Selbstbestimmung weiterhin volle Unterstützung. Die LRKI fordert daher:

 

* den sofortigen und vollständigen Abzug aller indischen und pakistanischen Kräfte aus Kaschmir

* das Recht auf nationale Selbstbestimmung für das Volk von Kaschmir

* die Wahl einer souveränen verfassunggebenden Versammlung, um über die Zukunft Kaschmirs zu entscheiden

* die Freilassung aller im Zusammenhang mit dem Kaschmir-Konflikt verhafteter politischen Gefangenen

*das Recht auf Heimkehr für alle Kaschmiri, die durch terroristische Angriffe oder Attacken der indischen oder pakistanischen Geheimdienste vertrieben wurden

* für die Macht der Arbeiterklasse in Indien, Pakistan und Kaschmir

* für eine sozialistische Föderation in Südasien

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