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BRITANNIEN
EIN RUCK NACH LINKS IN DEN GEWERKSCHAFTEN


Die Anzahl der Streiks in Britannien hat sich erhöht, ebenso die Zustimmung
für Streikaktionen. Insgesamt gibt es offenbar eine kämpferische
Einstellung. Dies spiegelt sich in einem Drift nach links auch an der
Gewerkschaftsführung wider.
Jahrelang gab es in der Vorstandsebene der größeren Gewerkschaften keine
"Linke". Sie war während der gewerkschaftsfeindlichen Thatcher-Regierung und
durch die Niederlagen der Bergleute, Werftarbeiter und Drucker zermürbt und
zerschlagen worden.
Der neue Realismus, die kapitalfreundliche und eilfertige
Gewerkschaftspolitik hielten den Verband in einer besonderen Ordnung ,
sodass er Fragen der Solidarität nicht einmal mehr erörterte. Diese feige
Preisgabe von grundlegenden gewerkschaftlichen Prinzipien wurde verkörpert
von hartgesottenen rechten  Gewerkschaftsführern wie Sir Ken "no strike
(kein Streik)" Jackson in der AEEU (nun verschmolzen mit der MSF in Amicus)
sowie durch den Gewerkschaftsführer und Karrierebürokraten John Monks, der
eifrig Blairs Argumente nachplapperte, wonach es keine Rückkehr zu den
'schlimmen alten Zeiten' der Streiks geben durfte.
Aber die Bürokratie stand vor einem Dilemma: Je braver sie wurde, desto
einflussloser wurden ihre Organisationen. Im Gegenzug gefährdete dies das
einzige, was für diese Pöstchenjäger zählt, nämlich ihre Riesengehälter samt
Nebeneinkünften und ihren allgemeinen Einfluss in der Gesellschaft. Sie
hatten den Niedergang des britischen Gewerkschaftswesens zu verantworten und
sollten es gleichzeitig wiederbeleben ohne den Weg mit "veralteten
 Praktiken wie solidarische Verteidigung der Mitglieder zu beschreiten.
Dazu wollten sie Konferenzen und Wettbewerbe veranstalten. Sie beauftragten
Reklameagenturen, um ihr Image aufzupolieren, und traten als Sponsoren von
Fußballvereinen auf, um zu beweisen, wie verantwortungsbewusst sie wären.
Die Labour Party bedankte sich dafür in Form einer äußerst lauen
gesetzlichen Absicherung für die Anerkennung von Gewerkschaften.
Das half ihnen insofern, dass die Anerkennungsvereinbarungen mit den Firmen
im letzten Jahr deutlich zunahmen, was aber beileibe nicht ausreichte. Die
Gewerkschaftsführung ging weder tatkräftig auf die große Masse der
unorganisierten ArbeiterInnen zu noch zeigte sie ihrer verbliebenen
Mitgliedschaft, dass ihre Organisationen genug für ihren Schutz sorgte.
Als Ergebnis haben in den meisten jüngsten Streikabstimmungen die Vertreter
des linken Gewerkschaftsflügels deutlich die Oberhand gewonnen. Billy Hayes
und Mark Serwotka (aus CWU bzw. PCS) waren schon als hoffnungslos
abgeschrieben. Doch beide gewannen die Wahlen mit beträchtlichem Vorsprung.
Bob Crow aus der RMT als frischester Sieger wurde trotz massiver
Stimmungsmache in der Presse und selbst aus Gewerkschaftskreisen klar zum
Gewerkschaftssekretär gekürt.
Die britischen Medien hetzen gegen diesen Aufstieg der "finsteren Mächte" in
den Gewerkschaften. Warum stimmen die Gewerkschaftsmitglieder so
überwältigend für Leute, die sich als Sozialisten und Gegner von
Privatisierung und Bossen zu erkennen geben?
Von den geifernden Zeilen des Express und der Mail (zwei Boulevardzeitungen;
Anmerkung der Redaktion) bis zu den scheinbar seriöseren Betrachtungen des
Observer wird die Presse nicht müde, die "Machtübernahme" der Gewerkschaften
durch "Betonköpfe der Linken" zu denunzieren. Jeder Hetzartikel wird
garniert mit den unvorteilhaftesten Fotos, welche die Redakteure von diesen
Gewerkschaftsführern nur finden konnten.
Die jüngsten Wahlresultate zeigen, dass die engagierten Mitglieder die
Gewerkschaften als Kampfinstrumente gegen die Labour-Regierung und die
besonders gewerkschaftsfeindlichen Unternehmer, wie die
Eisenbahngesellschaften und Consignia (Post) einsetzen wollen. Diese Führer
haben den Anstieg von Streiks nicht verursacht, aber ihre Wahl
versinnbildlicht den Zorn der Basis, der sich in diesen Streiks Bahn bricht.
Bevor die kämpferischen Elemente sich von dem Glauben fortreissen lassen,
dass jetzt alles nur noch vorwärts geht, müssen sie erkennen, dass die
gegenwärtige Streikwelle auch vor großen Problemen steht. Die Aktionen der
PostarbeiterInnen haben sich bereits verzögert. Die von den LehrerInnen
geplante Aktion soll nur für einen Tag gelten - was danach kommt, ist
ungewiss. In den Wohlfahrtsämtern wird der sich hinziehende Streit bereits
von den rechten Fraktionen benutzt, um die Sache herunterzukochen und
Serwotka dabei zu isolieren.
Trotz des Führungsantritts von Crow in der RMT könnte er bei der SWT eine
Niederlage erleiden, da Streikgegner in den Gewerkschaften auf Orts- und
Landesebene darauf dringen, die Auseinandersetzung abzublasen.
Anders ausgedrückt läuft der spontane Zorn der Gewerkschaftsbasis Gefahr, zu
verrauchen und durch einen noch mächtigen und verwurzelten rechten Apparat
innerhalb der Gewerkschaftsbewegung gedeckelt zu werden, wobei die linken
Führer entweder unfähig oder nichts willens sind, dieser Sabotagepolitik
Einhalt zu gebieten.
Wie kann eine neue Runde von Niederlagen und Integrationen der neuen linken
Führer in den bürokratischen Apparat, der alles daran setzt, den
Kampfeswillen der GewerkschafterInnen zu brechen, vermieden werden?
Der Schlüssel liegt bei der Zusammenfassung von Basismitgliedern in
dauerhaft kämpfenden Organisationen. Diese würden ihre Führer zur
Rechenschaft ziehen und selbst die linkesten ersetzen, falls sie die Rechten
nicht am Ausverkauf hindern oder ihn gar selber betreiben, und sie würden
die Gewerkschaften umformen in wirkungsvolle, kämpferische und demokratische
Organisationen unter Kontrolle der Mitglieder selber.
Wir brauchen eine Basisbewegung, die innerhalb der Gewerkschaft und quer
durch die Einzelorganisationen operiert. Die nächstliegende Aufgabe einer
solchen Bewegung ist der Wiederaufbau des tätigen Solidarität, die in den
Folgejahren der Niederlage verloren gegangen ist. Sie muss auch
Streikkomitees aufbauen, welche die Aktionen kontrollieren und verhindern,
dass sie von den Bürokraten untergraben werden.
Sie muss das Recht auf die Abhaltung regelmäßiger Wahlen und die
Abberufbarkeit von gewählten Führungen sowie die Bezahlung von Funktionären
nach dem Durchschnittslohn eines Facharbeiters durchsetzen, um die
Gewerkschaften der Kontrolle der Bürokratie zu entwinden.
Sie muss den Gewerkschaften neues Leben einhauchen durch die Umwandlung
ihrer Strukturen in demokratische lebendige Formen, die ihre Mitglieder
mitzureißen und zu mobilisieren vermögen. Darüber hinaus muss sie die
Gewerkschaften dazu bringen, sich zu öffnen und die Unorganisierten zu
organisieren.
Die Aufgaben einer Basisbewegung von heute sprengen aber diesen rein
gewerkschaftlichen Rahmen. In den Gewerkschaften schwelt eine
unterschwellige Stimmung, die Labour-Regierung für ihre Politik der
Privatisierung, der Beibehaltung, ja Planung einer Ausweitung von
gewerkschaftsfeindlichen Gesetzen und für ihre kapitalfreundlichen
Prioritäten abzustrafen. B.Hayes von der Automobilarbeitergewerkschaft droht
mit dem Einzug von Labour Party -Geldern, John Edmonds hat bereits Spenden
an die Partei gekürzt. Die Feuerwehrgewerkschaft FBU hat im vergangenen Jahr
beschlossen, Spenden auch für andere Arbeiterorganisationen als die Labour
Party zu verwenden.
Dieser Prozess wird noch in diesem Monat Gegenstand von Erörterungen auf der
Gewerkschaftskonferenz von Socialist Alliance  sein. Aber bei der  Kampagne
erhebt sich eine dringliche Frage für jede Basisbewegung: was soll an die
Stelle von Labour treten? Wir sind gegen ein unpolitisches
Nurgewerkschaftlertum und für die Demokratisierung der politischen
Finanzfonds. Aber wenn wir den Kampf für die Demokratisierung gewinnen,
stellt sich die Frage, was die Alternative zu Labour ist?
Der FBU-Führer Andy Gilchrist versucht die letztjährige Entscheidung seiner
Gewerkschaft rückgängig zu machen und stellt genau diese Frage in einem
Papier zur Gewerkschaftspolitik und einem Artikel im Guardian als
Druckmittel, um seine Mitglieder wieder in die Arme von Labour
zurückzutreiben.
Jede Basisbewegung muss sich diese Frage stellen und muss eine klare Antwort
finden, die nur lauten kann: Aufbau einer neuen Partei, einer Alternative
der Arbeiterklasse zu Labour. Für uns heißt das nicht, die Geschichte der
Labour Party von vorn zu beginnen - 100 Jahre Reformversuch an einem System,
das den Profit über menschliche Bedürfnisse stellt - sondern diese Partei
muss völlig anders sein, eine revolutionäre Partei, welche die
Arbeiterklasse für die Zerschlagung des kapitalistischen Systems und des
Staats organisiert, dessen Hauptaufgabe es ist, dieses System zu schützen.
Möglicherweise wird diese Anschauung im Augenblick nur von einer Minderheit
geteilt, aber wenn eine Basisbewegung sich mit Politik im weitesten Sinn
befassen will, muss sie sich anschicken, internationale Solidarität mit
ArbeiterInnen in Ländern wie Argentinien zu organisieren, wo die
Arbeiterklasse keine andere Wahl hat, als sich gegen das System zu erheben.
Und die Bewegung muss an der Seite der militanten antikapitalistischen
Jugend kämpfen, wenn sie mutig den Polizeikräften trotzt und die
Zusammenkünfte der kapitalistischen Regierungen und Bosse stürmt, deren
Politik und Institutionen jeden Aspekt ihres Lebens bestimmt.
Mit anderen Worten: die Basisbewegung, die wir jetzt brauchen, muss von
Anfang an ebenso antikapitalistisch wie antibürokratisch sein. Sie muss
gegen die Labour-Party zu Felde ziehen und die Frage beantworten, welche
alternative Partei wir heute brauchen. Das Potenzial zur Ausbreitung
revolutionären Gedankenguts in einer solchen Bewegung ist deshalb
riesenhaft. Es bedarf nur der Anwesenheit von entschlossenen KommunistInnen
in ihren Reihen, um dieses Potenzial auszuschöpfen. Dafür kämpft Workers
Power und kann dies um so rascher umsetzen, je mehr Gewerkschaftskämpfer
sich uns anschließen.

mehr zur Gewerkschaft in Britannien siehe
http://www.workerspower.com/wpglobal/UKunionbreak.html

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