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    Chinesischer Kapitalismus

    Wachsender Arbeiterwiderstand

    Mit Neuinvestitionen in Höhe von 1,6 Mrd. EURO über die kommenden fünf Jahre will Volkswagen in China um seine Marktführerschaft kämpfen. Das kündigte VW-Vorstand Robert Büchelhofer am 11.3. in Singapur an. Der Großteil des Geldes fließt in die Markteinführung des Bora in diesem Jahr und des Polo 2002. “Zudem können wir uns vorstellen, die Joint-Venture-Mehrheit bei der Motoren- und Getriebeproduktion in China zu übernehmen”, sagte er im Gespräch mit der FTD. Im Gegensatz zur Autoproduktion selbst, an der der chinesische Partner mindestens 50 Prozent halten muss, ist dort eine Mehrheit möglich. Büchelhofer verspricht sich Kostenvorteile, wenn die VW-Standorte Shanghai und Changchun nach der Umstrukturierung Motoren und Getriebe von einer Fabrik beziehen, statt wie bislang von zwei getrennten.

    “China könne in Zukunft auch Basis für Autoexporte in andere Länder der Region werden. Voraussetzung sei jedoch, dass eine globale Wettbewerbsfähigkeit bei Qualität und Kosten erreicht wird. Noch liegen etwa die Preise von Chinas Zulieferern 30 bis 100 Prozent über dem Weltmaßstab – bei teils minderer Qualität. VW hat bereits angekündigt, die Zahl seiner chinesischen Teilelieferanten auf die qualitativ hochwertigen zurückzuschrauben und die Produktion im Land stärker in den globalen Teilevertrieb zu integrieren. Möglich soll dies der WTO-Beitritt von China machen, der die Zahl lokaler Auflagen senkt und Importe erleichtert.” (FTD, 12.3.)

    VWs Top-Priorität in der Volksrepublik ist laut Büchelhofer die Erneuerung der Produktpalette. Anfang der 80er Jahre als erster ausländischer Autobauer eingestiegen, dominierte VW zwar auch 2000 mit 336000 verkauften Fahrzeugen und einem Marktanteil von 54 Prozent erneut den Sektor. Die bisherigen Erfolgsmodelle Santana und Jetta, die mehr als 80 Prozent des Absatzes ausmachen, sind jedoch technologisch in die Jahre gekommen. Der Einstieg von Konkurrenten wie General Motors, Toyota, Honda und Ford in China übt nun Druck aus. Ebenso die nach dem WTO-Beitritt sukzessive fallenden Zollsätze, die Importwagen attraktiver machen.

    Nach der erfolgreichen Markteinführung des neuen Passat und des Audi A6 im vorigen Jahr sind Bora und Polo die nächsten Schritte von VW zur Neupositionierung. Vom Passat (30000) und A6 (17000) wurde die Gesamtproduktion direkt abgesetzt. GM hingegen hat mit dem Passat-Konkurrenten Buick Absatzprobleme. 2001 sollen 60.000 Passat und mehr als 20.000 A6 vom Band rollen. Büchelhofer bestätigte, dass auch Pläne zur Produktion eines Miniautos für die wachsende Mittelschicht in China in der Schublade liegen.

    “Außerhalb Chinas plant VW in der Region Asien-Pazifik bis 2005 Investitionen von gut 200 Mio. EURO, insbesondere in den Aufbau von Händler- und Servicenetzen in Japan und Australien. Der Gesamtabsatz in der Region konnte im vergangenen Jahr um zehn Prozent auf 430.000 Autos gegenüber fünf Millionen weltweit gesteigert werden, mehr als drei Viertel davon entfallen auf China. Außer kleinen Produktionen in Thailand und Taiwan ist Südostasien, inklusive Australien und Neuseeland, für VW in erster Linie ein Exportmarkt.”

    Die Arbeiterklasse wird in China mit einem Konzern konfrontiert, der gnadenlos über die Interessen der Arbeitenden hinweggeht. Die Ereignisse in Südafrika, wo der Konzern 1.300 Streikende entlassen hat, sollten ein warnendes Beispiel sein. VW wird mit Hilfe des Staates versuchen, jeden Widerstand der Arbeiterklasse zu ersticken, wenn es zu Streiks für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen kommt.

     

    Wachsende Arbeiterproteste

     

    VW und andere imperialistische Konzerne treffen auf einen erwachenden Gegner: die chinesische Arbeiterklasse. In Chinas Wirtschaftsmetropole Shanghai demonstrierten am 6. und 7. März mehrere Tausend Arbeiter der Shanghaier Zhengtai Gummifabrik gegen Entlassungspläne des Unternehmens.

    Sie blockierten die Hauptverkehrsstraße vor dem Betrieb. Mittwochs drängte sie ein Polizeikontingent in die Fabrikgebäude zurück. Nach Verhandlungen mit dem Management wurden die Proteste beendet.

    “Die Fabrik mit 2200 Beschäftigten gehört zu der börsennotierten Shanghai Tyre & Rubber Co, die mit dem französischen Reifenhersteller Michelin über ein Gemeinschaftsunternehmen verhandelt. Michelin wird vermutlich weitere Entlassungen fordern.” (FTD vom 9.3.2001)

    Shanghai Zhengtai ist kein Einzelfall. Der Hintergrund der Aktionen ist oft folgender: Die Staatsbetriebe sollen drastisch sparen, d.h. Beschäftigte entlassen, seit die chinesische Regierung den Beitritt Chinas in die Welthandelsorganisation (WTO) beschlossen hat. Mit dem WTO-Beitritt liefert sie die chinesischen Firmen dem kapitalistischen Weltmarkt aus, die nach Regierungsangaben nicht profitabel genug produzieren.

    In dieselbe Kerbe schlägt die Financial Times. Der zufolge arbeiten “immer noch 25 Prozent der Staatsfirmen chronisch mit Verlust – vor allem, weil sie viel mehr Menschen beschäftigen als für die Produktion notwendig. Bis vor kurzem boten sie ihren Arbeitern sogar verbilligte Lebensmittel, Wohnungen, medizinische Versorgung und Schulen. Anders als vor zehn Jahren springt der Staat aber nicht mehr für die Kosten dieser ‚eisernen Reisschüssel‘ ein.”

    Gegen die Entlassungen in der Folge von “Rationalisierungen” gibt es zunehmend Proteste. Bisher blieben sie jedoch auf ländliche Gegenden und ärmere Regionen begrenzt, Aktionen wie die in Shanghai waren in den Städten die Ausnahme. Das beginnt sich nun zu ändern.

    “Die Stadt dient Peking als Schaufenster für seine Reformen in Richtung Marktwirtschaft. Im November hatten in der Stadt zum ersten Mal Arbeiter demonstriert: Beschäftigte der unrentablen Shanghai Forever Bicycle protestierten, als diese die Löhne nicht mehr zahlte.”

    Die Financial Times sieht durchaus die Probleme der Regierung bei dem Versuch, die Wirtschaft kapitalistisch umzubauen und andererseits “politische Stabilität” zu wahren. Die Kapitalisten bemängeln, dass “Pekings Bemühungen, die Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft umzubauen, immer wieder stocken. Dieses Dilemma bestimmt auch die laufende Sitzung des Nationalen Volkskongresses in Peking. Das Scheinparlament war zwar nie ein Forum für Debatten. In diesem Jahr aber ist die vorsichtige Ausdrucksweise der Politiker auffällig: Hatte Premier Zhu Rongji im Vorjahr eine feurige Rede für mehr und schnelleren Umbau von Staatsunternehmen gehalten, vermeiden er und seine Kabinettskollegen jetzt jeden Anschein von Kritik am immer wieder stockenden Tempo der Reformen.

    Mit Spannung erwarten Beobachter nun die Antrittsrede des Mannes, der die Staatsbetriebe weiter unter Druck setzen könnte: Li Rongrong wurde am vergangenen Mittwoch Vorsitzender der Kommission für Wirtschaft und Handel – angeblich, weil Premier Zhu mit der Reformbilanz seines Vorgängers unzufrieden war. Ob Li mit Pekings Dilemma besser fertig wird, bleibt abzuwarten.”

    Wahrlich, denn es hat den Anschein, dass sich die Arbeiterklasse recht heftig zur Wehr setzt. So die etwa 2000 Bergarbeiter in der nordchinesischen Stadt Datong. Sie haben Straßen blockiert und sich Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Sie protestieren wegen Entlassungen und schlechter Gesundheitsversorgung.

    Die Arbeiter der Baidong-Mine in der Shanxi Provinz sind besorgt, weil sie keine neuen Jobs finden nach der Schließung des Bergwerks. Die 3.500 Beschäftigten erklärten, sie würden etwa 20,000 yuan (2,400 Dollar) pro Kopf Abfindung bekommen, hätten aber berufsbedingte Gesundheitsprobleme und fürchteten, dass sie die Preise für Medikamente nicht zahlen könnten.

    Etwa 2.000 Bergleute blockierten die Straße zwischen Datong und der Mine. Während der Auseinandersetzungen mit der Polizei wurde ein Bergmann geschlagen und auf die örtliche Polizeistation mitgenommen. Die Bergleute umstellten die Polizeistation und forderten die Freilassung ihres verletzten Kollegen.

    Wang Xiaohua, ein Offizieller der von der lokalen Regierung kontrollierten Gewerkschaft, spielte den Protest herunter und sagte, nur etwa 200 hätten das Minenbüro bedrängt und hätten Forderungen vorgebracht, dabei sei ein Bergarbeiter von Wachschutzleuten verletzt worden.

    "Die Bergleute sind sehr empfindlich, sie sind ein bisschen extrem and und unkultiviert", sagte der Offizielle. Ein Polizeisprecher dementierte, dass es zu Protesten gekommen sei, bestätigte sie aber indirekt, als er erklärte, dass 100 Polizeioffiziere abgestellt wurden, um die Ordnung aufrecht zu erhalten.

    China ist der weltgrößte Förderer und Verbraucher von Kohle, will aber die Produktion auf 900 Millionen Tonnen senken, nachdem der Ausstoß in den letzten Jahren auf 1.3 Milliarden Tonnen gestiegen war. Shanxi ist das Zentrum von Chinas Bergbauindustrie. Etwa 500.000 Bergarbeiter sind allein im Datong Gebiet beschäftigt.

    Auch andernorts lassen sich die Leute nicht mehr einschüchtern. In der letzten Woche kam es zu einer Explosion in einer Schule, bei der über 40 Kinder getötet wurden. Die Regierung versuchte dies als die Tat eines verrückten Einzelgängers hinzustellen.

    Aber die wütenden Familien beschuldigen den chinesischen Staat , die Ursachen der Explosion in der Schule zu verdecken, bei der mindestens 42 Menschen gestorben sind. (Andere Berichte sprechen von 54 toten Kindern.)

    Die Dorfbewohner sind wütend auf die ”Autoritäten, die so tun, als hätten sie keine Ahnung gehabt von der illegalen Produktion von Feuerwerkskörpern.” Schüler, die sich weigerten, Zündschnüre in die Feuerwerkskörper zu tun, seien während des Unterrichts oder in der Frühstückspause bestraft worden.

    Sie wurden seit drei Jahren als die kostenlose Arbeitskräfte missbraucht - mit dem Einverständnis des KP-Sekretärs im Dorf. Wiederholte Beschwerden von Eltern an die Schule und die Stadtverwaltung seien ignoriert worden, sagten Eltern und andere Dorfbewohner aus (Informationen nach Meldungen von AFP 9.3.).

    Der chinesische Kapitalismus zeigt, wie alle Formen der ursprünglichen Akkumulation, ein besonders brutales Erscheinungsbild dieser Produktionsweise. Imperialistisches und chinesisches Kapital arbeiten mit der “kommunistischen” (in Wirklichkeit bürgerlichen, prokapitalistischen) Regierung Hand in Hand.

    Ihre Stärke liegt in der Führungskrise und Zersplitterung des Widerstandes wie im Mangel an internationaler Solidarität mit der chinesischen Arbeiterklasse. Doch diese Probleme zeigen auch den Weg vorwärts: die Schaffung landesweiter Kampforganisationen, die Verbindung der Streiks durch Aktions- und Streikkomitees, die Schaffung unabhängiger Gewerkschaften und v.a. einer revolutionären Arbeiterpartei.  

     

     



     

     

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