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Klassenjustiz in Indien

Lebenslänglich für 13 Gewerkschaftsführer

Hassan Raza, Infomail 936, 28. März 2017

In einer ungeheuerlichen Attacke auf die Gewerkschaftsbewegung hat ein Gericht in Indien 13 Arbeiter, 12 davon Mitglieder des Exekutivausschusses der Gewerkschaft der Beschäftigten bei den Fahrzeugwerken Maruti Suzuki India Ltd., zu lebenslanger Gefängnisstrafe verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte sogar die Todesstrafe gefordert!

Das beweist, wie rücksichtslos der Anschlag von Seiten der Geschäftsleitung geführt wurde, obwohl die vorgelegten Beweise für Straftaten so unglaubwürdig waren, dass 117 weitere ArbeiterInnen, die ebenfalls verfolgt worden sind, vor Gericht entlastet werden mussten.

Der Fall datiert aus dem Jahr 2012, als während einer betrieblichen Auseinandersetzung auf dem Werksgelände ein Feuer ausbrach, in dem der Personalchef umkam. Die Firma entließ daraufhin 546 fest angestellte ArbeiterInnen und 1800 Zeitarbeitskräfte. Dann fertigte sie eine Liste von „Verdächtigen“ an, die sie verschiedener Verbrechen beschuldigte, darunter Unruhestiftung und schuldhafter Tötung von Personen.

Im Verlauf der Gerichtsverhandlung war keiner der von der Anklage beigebrachten Zeugen in der Lage, irgendjemanden der Beklagten wiederzuerkennen, gegen den sich ihre Aussagen richteten. Die Verteidigung konnte auch zeigen, dass die Beweise konstruiert worden waren, z. B. war die Streichholzschachtel, die angeblich zur vorsätzlichen Brandstiftung gedient hatte, unversehrt aufgefunden worden – von einem Feuer, das einen ganzen Raum vernichtet hatte!

Gleichermaßen konnten die von mehreren Zeugen angeführten Beweise als einfach unglaubwürdig entkräftet werden: Vier Subunternehmen nannten eine Liste von Leuten, die am Vorfall beteiligt gewesen sein sollten. Der erste listete 25 ArbeiterInnen auf, deren Vornamen mit den Buchstaben A-G anfingen, der zweite benannte 25 Personen, deren Vornamen zufällig im Alphabet von G-P zu finden waren, der dritte legte eine Liste mit 26 Arbeitern vor, deren Vornamen mit P-S begannen. Der vierte identifizierte nur 13 Arbeiter, deren Vornamen der Abteilung S-Z angehörten. Es liegt auf der Hand, dass ihnen eine alphabetische Namensliste von der Firma gegeben worden war. All dies hinderte das Gericht nicht daran, ihre Urteile über die ArbeiterInnen zu fällen, die die Firma als „RädelsführerInnen“ ausgemacht hatte.

Einschüchterung

Der Fall ist in ganz Indien mit dem eindeutigen Hintergrund eingestuft worden, ArbeiterInnen einzuschüchtern und von der Bildung bzw. dem Eintritt in Gewerkschaften abzuhalten. Dies ist Teil der Strategie des indischen Staates unter der rechten nationalistischen Hindu-Partei BJP, angeführt von Premier Narendra Modi. Ziel ist es, Investitionen für den „Delhi-Mumbai-Investitions-Korridor“ durch das Lockmittel billiger und „flexibler“ Arbeitskräfte anzuziehen. Das drückt sich auch in der Begründung des Obersten Gerichtshofs aus, mit der er die Zahlung von Kautionen für Angeklagte verweigerte, die aktuell bereits über ein Jahr gefangengehalten werden: „Dies ist eines der unglücklichen Vorkommnisse, die Indiens Ruf in der Welt herabgewürdigt haben. Ausländische Direktinvestitionen werden wahrscheinlich aus Furcht vor wachsenden Arbeitsunruhen nicht getätigt.“

Aber Indiens ArbeiterInnenschaft ist nicht so leicht einzuschüchtern. Als das Gericht seine Urteile verkündete, gab es Demonstrationen im ganzen Land, und ArbeiterInnen veranstalteten Protestkundgebungen in nahezu 50 Fabriken der Region um Gurugram (bis 2016: Gurgaon; im Bundesstaat Haryana), wo der Prozess stattfand. Darunter befanden sich auch Produktionsstätten großer transnationaler Unternehmen wie Honda, Bajaj Auto und Daikin India (Klimaanlagenbauer). Der vorläufige Arbeitsausschuss der Maruti Suzuki-ArbeiterInnengewerkschaft ist entschlossen, den Kampf für Bildung und freien Zugang zu Gewerkschaften fortzuführen und hat zu Unterstützungs- und Solidaritätsaktionen „gegen den Anschlag von Kapitalisten und Regierung und zum Zusammenstehen mit der ArbeiterInnenbewegung in dieser wichtigen und entscheidenden Situation“ aufgerufen. Dem sollten GewerkschafterInnen und Linke weltweit folgen!

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