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USA

Donald Trumps Triumph

Internationales Sekretariat der Liga für die Fünfte Internationale, Infomail 914, 11. November 2016

Nach einem Wahlkampf, der 597 Tage dauerte und 2,6 Milliarden US-Dollar verschlang, ist Donald Trump auf einer Welle von Wut gegen das Establishment zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt worden.

Sein Sieg verblüffte die Meinungsforschungsinstitute und selbsternannten Fachleute, die seine Niederlage vorausgesagt hatten. Sie schoben die Schuld dafür sofort der angeblichen Ignoranz oder puren Dummheit der amerikanischen ArbeiterInnenschaft im sogenannten „Rust Belt“ (ehemalige Zentren der Großindustrie) zu, die durch die Deindustrialisierung ins Hintertreffen geraten ist. Dies verrät mehr über ihre eigenen Vorurteile als über das WählerInnenverhalten.

In Wahrheit hat Trump nämlich die meiste Unterstützung von Leuten erhalten, die über 50000 Dollar im Jahr verdienen – weit entfernt von den Millionen, die von Sozialhilfe und Essenstafeln leben.

Aber hat Trump Stimmen aus der ArbeiterInnenschaft bekommen, die sonst an Hillary Clinton und die Demokratische Partei gegangen wären. Er gewann in den Bundesstaaten Ohio, Iowa, Wisconsin, Pennsylvania und Michigan, die beim letzten Mal für Obama gestimmt hatten.

Was sagt uns das? Wie bei jeder erfolgreichen Kampagne ist die Antwort in Trumps zentralem Slogan „Macht Amerika wieder groß!“ zu suchen. Das hat die Stimmung von Millionen eingefangen, die besonders seit der Krise 2008 erleben mussten, dass sich  ihr Lebensstandard und die Aussichten für ihre Kinder verschlechtert haben.

Für Millionen ArbeiterInnen zählten Trumps Versprechen, Jobs durch Investitionen in die Infrastruktur und die Wiederbelebung von Fertigungsindustrien zu schaffen. Sein Hintergrund als Geschäftsmann schien ihn glaubwürdig zu machen, und seine Unerfahrenheit in der etablierten Politik Washingtons verschaffte ihm eher einen Pluspunkt. Wie in anderen Ländern sind Trumps reaktionäre rassistische und sexistische Haltungen weit verbreitet und waren für viele kein Hinderungsgrund, ihm die Stimme zu geben. Wie andere Rechtspopulisten konnten Rassismus und Sozialchauvinismus mit sozialen Versprechen kombinieren, die Nöte Krisenopfer ernst zu nehmen.

Gegen diese bezeugte Clintons Betonung ‚Amerika IST groß!“ nur ihre Zugehörigkeit zu einer Elite, die sich an der Globalisierung und dem Hineinpumpen von öffentlichen Geldern in Banken und Börsen gut bedient hat. Wie man sagt: „Sie hat’s einfach nicht begriffen“.

Genau das war auch der Punkt in Bernie Sanders’ Wahlkampf um die Kandidatur bei der Demokratischen Partei. Allen Experten und schmutzigen Machenschaften des Parteiestablishments zum Trotz war er gleichfalls imstande, Rückhalt bei den Massen zu erlangen, indem er der Wirklichkeit für die ArbeiterInnenklasse Ausdruck verlieh: Hausenteignung, Arbeitslosigkeit, sinkende Reallöhne und eine düstere Zukunft.

Tragisch jedoch ist, dass Sanders dann kapitulierte und seinen AnhängerInnen die Wahl der Kandidatin genau des Establishments empfahl, gegen das er zu Felde gezogen war.  Wieder einmal hat sich die Strategie der Wahl des „kleineren Übels“ als unbrauchbar erwiesen. Sanders mag wohl geglaubt haben, er könne Clinton nach links schubsen und ihre Chancen erhöhen, aber in Wahrheit hat er Trump einen Trumpf in die Hand gegeben.

Er hätte seinen AnhängerInnen treu bleiben müssen und sich als unabhängiger Kandidat zur Wahl stellen sollen. Ungeachtet dessen, dass der milliardenschwere Immobilienspekulant oder die Vertreterin des Establishments die Präsidentenwahl  gewonnen hätten, hätte er die Grundlagen für eine neue politische ArbeiterInnenbewegung legen können, auch wenn dies zunächst unter reformistischer Führung vonstatten gegangen wäre.

Nun jedoch müssen sich die, die seinen Rat befolgt haben, geschlagen geben, und die auf Trump gesetzt haben, identifizieren sich mit dem Erfolg auf Basis einer zutiefst reaktionären populistischen Bewegung.

„Macht Amerika wieder groß!“ hat sich zwar als erfolgreicher Slogan erwiesen, doch als Regierungsprogramm ist er völlig inhaltsleer. Die US-Konzerne beziehen Waren aus China aus sehr gutem Grund. Wenn Trump ihnen Einfuhrstrafzölle auferlegen will, wird ihm der Gegenwind schon ins Gesicht wehen. Die Infrastruktur der USA, die vielfach noch aus den 1950er, manchmal sogar aus den 1930er Jahren stammt, verlangt sicherlich nach Investitionen, doch die kosten Geld. Woher nehmen?

International sorgt Trumps Sieg für eine Destabilisierung. Die USA sind zwar nicht mehr so vollständig beherrschend wie ehedem, aber nach wie vor die größte Wirtschaft und die mächtigste Militärmacht. Jede Wende zum Protektionismus, was in Trumps Programm zumindest angelegt ist, würde sehr ernste Rückwirkungen auf den Welthandel und die wirtschaftliche Stabilität anderer Länder , v. a. auf China, haben. Ebenso könnte seine Neigung zum Rückzug aus Konfliktregionen das internationale Kräfteverhältnis ändern und sowohl Verbündete wie Rivalen destabilisieren.

An der Regierung wird Trump früher oder später seine UnterstützerInnen aus der ArbeiterInnenschaft enttäuschen. Die große Gefahr ist, dass Kräfte, die noch weiter rechts angesiedelt sind, daraus Kapital schlagen könnten, indem sie eine besser organisierte Bewegung aufbauen, die zu direkter Aktion übergehen und die zu Sündenböcken stempeln willl, die angeblich verhindern, dass Amerika wieder groß wird: MexikanerInnen, Moslime, emanzipierte Frauen, GewerkschafterInnen oder sonst wer.

All dies ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Innerhalb weniger Stunden nach Trumps Sieg fanden Protestdemonstrationen in etlichen Städten im ganzen Land statt. Die Kräfte, die durch die Occupy-Bewegung, „Black lives matter (Schwarze Leben zählen)“, „Kampf für 15 US-Dollar Stundenlohn“ und die Sanders-AktivistInnen radikalisiert wurden, sind noch lebendig. Obwohl sie von Trumps bevorstehendem Einzug ins Weiße Haus und die Kontrolle der Republikanischen Partei über Kongress und Senat und damit deren Herrschaft über den Obersten Gerichtshof schockiert sind, wollen sie nicht einfach weichen.

In ihren Reihen und im Allgemeinen müssen SozialistInnen die Lehren nicht nur aus der Wahlkampagne, sondern auch aus anderen Kämpfen in den vergangenen Jahren ziehen. Insbesondere muss klar sein, dass innerhalb der Demokratischen Partei kein Fortschritt möglich ist, genauso wenig wie unstrukturierte unpolitische Bewegungen und Netzwerke Trump aufhalten können.

Die Gewerkschaften, angefangen bei jenen, die Sanders’ Kandidatur unterstützt haben, müssen endgültig und unwiderruflich mit der Demokratischen Partei, dem zweiten parteipolitischen Standbein der herrschenden Klasse der USA, brechen. Sie müssen in der ArbeiterInnenklasse eine Kampagne starten für einen völlig neuen Parteityp. Auch die linken Organisationen, deren zwei größten, die International Socialists und die Socialist Alternative, den schweren Fehler begingen, Jill Stein und die Grünen zu unterstützen, eine nichtproletarische Partei, die nicht als Sammelpunkt für die Arbeiterklasse dienen kann, sollen dafür eintreten.

Die Sanders-Kampagne gab einen Hinweis darauf, was möglich ist, schreckte aber vor der entscheidenden Frage zurück, nämlich dem Aufbau einer ArbeiterInnenpartei, die in den Gewerkschaften verankert ist und AktivistInnen aus den verschiedenen Bewegungen einbezieht. Eine solche Partei muss sich an die Spitze aller Kämpfe gegen Trumps reaktionäre Politik stellen, muss sich dafür einsetzen, die Kräfte um ein Programm zu vereinigen, das wirklich die Probleme für die große Mehrheit in den USA auf Kosten der Minderheit lösen kann, deren Kontrolle über die Wirtschaft nicht nur die eigene Zukunft, sondern die der ganzen Welt gefährdet.

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Nr. 214, November 2016

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