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Frankreich

Repression und Widerstand

K D Tait, Infomail 884, 29. Mai 2016

Der gallische Hahn kräht wieder. In Frankreich spitzt sich die politische Lage seit Monaten zu, in der letzten Woche hat sie sich aber noch einmal deutlich verschärft. Die Raffinerien des Landes werden bestreikt. Selbst die Beschäftigten in den Atomkraftwerken legten die Arbeit nieder. Die Gewerkschaften, v.a. die CGT, drohen mit einer „Generalisierung” der Kämpfe (wenn auch nicht mit dem Generalstreik), was sowohl eine Ausweitung wie längere Streikaktionen beinhaltet. Darüber hinaus finden sich zahlreiche weiter Sektoren – darunter auch die Beschäftigten in kleineren Betrieben – immer wieder im Ausstand.

Die Regierung Hollande gibt sich derweil unnachgebiebig, hofft auf die Ermattung der Streikenden und setzt zugleich auf Repression. So wurden Depots und Raffinerien polizeilich zeitweilig geräumt. Aufgrund der massiven Sympathie für die Streikenden – rund 70 Prozent lehnen die Gesetzesreformen der Regierung ab – und der Schwäche der Regierung scheut Hollande vor einem entscheidenden Schlag zurück.

Aber früher oder später ist eine weitere Zuspitzung dieser politischen Konfrontation unvermeidlich.

Die Angriffe

Diese geplante Reform ist der schärfste Angriff seit der Rentenreform von 2010, die von der rechten, konservativen Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy durchgesetzt wurde. Es soll nun für die Bosse leichter werden, ArbeiterInnen zu feuern, nationale Tarifverträge zu umgehen und die strikten Regelungen von Überstundenbezahlung zu unterlaufen.

Das  Gesetz hat seit Monaten Streiks und Proteste der Gewerkschaften und der „Nuit Debout”-Bewegung, angeführt von der Jugend und inspiriert von den „Indignados”-Protesten 2011 in Spanien, entfacht.

Das Gesetz wird nun zur Bewilligung weitergeleitet an den Senat, das Oberhaus und die französische Version des Bundesrates. Viele GewerkschafterInnen und AktivistInnen hoffen nun, dass eine Eskalation der Streiks die Situation von 2006 wiederholt, als Massenproteste die Regierung zwangen, das CPE-Gesetz zurückzunehmen, welches die Rechte von jungen ArbeiterInnen angriff.

Am Donnerstag, den 25. Mai, waren 100.000 Menschen in Paris auf der Strasse und es gab große Demonstrationen in anderen regionalen Zentren. Die Streiks weiteten sich aus auf die Bahn, Ölraffinerien und die Post. Den Tankstellen im Westen geht langsam das Benzin aus, seitdem GewerkschafterInnen Blockaden errichten, Streikposten aufstellen und die Schrauber fester anziehen.

Trotz der Entschlossenheit einfacher Gewerkschaftsmitglieder ist es alles andere als deutlich absehbar, dass die Gewerkschaftsführungen bereit sind, das Zepter in die Hand zu nehmen. Noch bevorzugen sie es, die Initiative den lokalen Organisationen zuzuschieben.

Diese Zurückhaltung rührt her von ihrer Angst vor Konsequenzen. Eine Niederlage der Regierung würde Neuwahlen hervorrufen und den Weg für eine Rückkehr der rechten Partei Les Républicains ebnen – und damit eine Präsidentschaftswahl zwischen diesen und Marine Le Pen von der Front National.

Konfrontation

Dass der Ausnahmezustand genutzt wurde, um diese Reformen durchzuboxen, bedeutet, dass die Regierung ihre Zukunft an die Zerschlagung der neuen Bewegung geknüpft hat. Beide Seiten wissen, dass es nur einen Gewinner in diesem Kräftemessen geben kann.

In den härtesten Auseinandersetzungen der letzten Jahre kam es zu mehr als 1.000 Festnahmen. ParlamentarierInnen votierten für die Verlängerung des Ausnahmezustandes, was der Regierung die Autorität verleiht, Demonstrationen zu verbieten. Natürlich zögerte sie nicht, diese Macht auch voll zu nutzen.

Die FührerInnen der Sozialistischen Partei haben damit gedroht, die Polizei zu den Streikposten zu schicken, diese zu brechen und „die Ordnung wieder herzustellen”. Sie verlassen sich auf die Komplizenschaft der Gewerkschaftsführer, um die Ordnung der herrschenden Klasse wiederherzustellen.

Um ihre Position als Regierung zu behalten, hoffen sie darauf, dass die nationalen Gewerkschaftsführungen sich darauf beschränken, Gewalt auf beiden Seiten, also auch die Militanz der ArbeiterInnen, zu denunzieren, aber Verantwortung für die Aktionen ihrer lokalen Verbände abzulehnen. Deswegen sind nicht nur die Schlagstöcke der französischen nationalen Bereitschaftspolizei CRS eine enormen Gefahr für die Bewegung, sondern auch das Zögern der Führung der Bewegung, den Kampf bis zur letzten Konsequenz zu führen.

Ein Anzeichen dafür kommt direkt von der Gewerkschaft CGT, die zur „Einheit der Bevölkerung und der Polizei” aufgerufen hat und damit einer provokanten Demonstration der Polizeigewerkschaften gegen „Anti-Polizei Hass” folgte, die wiederum von der rechtsextremen Front National unterstützt wurde.

Die Bewegung muss sich sowohl gegen die Staatsgewalt als auch die bürokratische Führung in der ArbeiterInnenklasse rüsten. Das betrifft nicht nur die unmittelbaren Streikbrecher in der Führung der regierungsnahen Gewerkschaft CFDT, die mit fadenscheinigen „Argumenten” die Angriffe der Regierung unterstützen. Es betrifft auch die Führungen der Gewerkschaften CGT und FO.

Das bedeutet, es müssen Delegierte für lokale und regionale Koordinierungskommitees gewählt werden, direkt von den Arbeitsplätzen, an Schulen und Universitäten, ebenso aus den Banlieues, den Vorstädten, in denen ein hoher Anteil migrantischer Jugendlicher lebt.

Diese junge Menschen zu vereinen mit der Arbeiterbewegung und den Jugendlichen aus den Oberschulen und Universitäten, wäre gleichzeitig ein Schlag ins Gesicht des antimuslimischen Rassismus sowie gegen die Sackgasse aus religiösem Fundamentalismus und Terrorismus.

Solche Organisationsformen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene können einen umfassenden Generalstreik vorbereiten und starten, um die Rücknahme des Gesetzes zu erzwingen.

Ebenso notwendig ist die Schaffung von Selbstverteidigungseinheiten der Gewerkschaften und der Jugend, um die Bewegung gegen Repressionen der Polizei und Aufstandsbekämpfungseinheiten zu verteidigen.

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