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Pakistan

ArbeiterInnen zwingen Regierung zum Rückzug bei Privatisierungen

Martin Suchanek, Infomail 867, 3. März 2016

Nach acht Tagen unbefristeter Massenstreikaktionen, bei denen zwei ArbeiterInnen getötet wurden, ein weiterer um sein Leben kämpft und Dutzende schwer verletzt wurden, haben die ArbeiterInnen von Pakistan International Airlines (PIA) die Regierung dazu gezwungen, ihre Privatisierungspläne der Fluglinie auf Eis zu legen.

Am Dienstag, den 9. Februar, verkündete der Vorsitzende des „Vereinigten Aktionskomitees“ (Joint Action Committee - JAC) der PIA-ArbeiterInnen das Ende der Streikaktion und die Wiederaufnahme der Arbeit. Dies stellt jedoch unter keinen Umständen das Ende des Kampfes dar. Die Regierung verschob ihre Pläne nur um 6 - 12 Monate. Ihr Rückzug stellt somit einen – wenn auch sehr wichtigen – Teilerfolg der PIA-ArbeiterInnen dar.

Trotz der brutalen Unterdrückung des Streikes und des Einsatzes von Einheiten der paramilitärischen Flughafensicherheitskräfte führten die ArbeiterInnen ihre Streikaktion mit voller Entschlossenheit. PIA war dazu gezwungen, alle internationalen wie nationalen Flüge zu streichen. Diese Auseinandersetzung zeigt deutlich, dass die ArbeiterInnen gewinnen können, auch angesichts eines Feindes, der bereit ist, für seinen Profit zu töten. Nach dem Teilerfolg stehen nun aber auch rund 150 ArbeiterInnen vor der Gefahr von Bestrafungen. Fünfzehn von ihnen wurden die Verträge gekündigt und sogar FührerInnen der Gewerkschaft wurde von Seiten der Geschäftsleitung mit Kündigung gedroht.

Ein taktisches Manöver

Die massiven Repressionen gingen politisch für die Regierung und die Geschäftsleitung nach hinten los. Über das gesamte Land hinweg solidarisierten sich ArbeiterInnen mit ihren PIA-KollegInnen. Eine Anzahl Gewerkschaften drohten gar mit der Durchführung von Solidaritätsaktionen. Die Unterstützung der Gewerkschaften und der ArbeiterInnenklasse war so weitreichend, dass alle oppositionellen Parteien – ob islamistisch oder liberal-bürgerlich – es für notwendig erachteten, ihre Sorgen über die streikenden ArbeiterInnen zu äußern.

Jamaat-e-Islami, die PPP und die PTI organisierten „Antiprivatisierungs“-Konferenzen und/oder -Aufrufe. Natürlich stellen diese Festspiele der Scheinheiligkeit dar, waren oder sind doch all diese Kräfte selbst eingebunden in Privatisierungen sowie in der Durchsetzung von gewerkschaftsfeindlichen Gesetzen. Die PTI zum Beispiel setzt derzeit ein Streikverbot gegen ÄrztInnen in der Khyber Pakhtunkhwa-Provinz durch, die sie regiert.

Das alles führte zu einem zunehmenden Druck auf die PML-N-Regierung, den Kampf abzuschwächen, um eine sich vertiefende politische Krise zu vermeiden. Das sind die Hintergründe, weswegen die Aussetzung der Privatisierung verkündet wurde. Es stellt ein Maß ihrer Angst vor einer wachsenden Opposition dar, welche sich in einen effektiven, landesweiten Kampf gegen Privatisierungen und andere IWF-inspirierte Pläne verwandeln könnte, dass sie nicht nur den Verkauf der PIA aufhielten, sondern auch die Privatisierungspläne der Energiefirma WAPDA stoppte.

Auf der anderen Seite werfen der Streik sowie die gesamte Kampagne gegen Privatisierung andere Aspekte auf und offenbaren Schwächen, welche überwunden werden müssen, wollen die kommenden unvermeidlichen Kämpfe gewonnen werden. Obwohl zum Beispiel viele Solidaritätserklärungen von Seiten der Gewerkschaften und ArbeiterInnenorganisationen eingingen, blieben diese meist symbolisch. Doch um Privatisierungen komplett zu verhindern, ist die vereinigte Kraft vonnöten, welche durch koordinierte Streikaktionen über Sektorengrenzen hinweg geschaffen werden kann. Ähnlich verhielt sich die pakistanische Linke. Während sie Solidaritätserklärungen aussprach, gab es von niemandem konkrete Vorschläge, nicht zu sprechen von Aktivitäten, um lokale Komitees aufzubauen, welche für praktische Solidarität hätten mobilisieren können.

Strategie

Wie der Tod der zwei Streikenden allzu deutlich zeigt, schreckt die Regierung nicht vor tödlicher Gewalt zurück, um ihre Pläne durchzusetzen. Dies wird sich auch wieder zeigen, wenn sie zurück in die Offensive gelangt. Um dieser Gefahr entgegenzutreten, ist es notwendig, über eine „nur-gewerkschaftliche“ Auseinandersetzung hinauszugehen. Die Konfrontation mit der Regierung muss politisiert werden, die Notwendigkeit der Selbstverteidigung von Streikposten und Demonstrationen aufgeworfen und vor allem die Vorbereitung eines politischen Massenstreiks in Angriff genommen werden.

Die grundsätzliche Strategie der StreikführerInnen der JAC ist ebenfalls, mit Hinblick auf die Ziele der Regierung, unzureichend. Ihr hauptsächlicher Schwachpunkt ist die Entschlossenheit, die Auseinandersetzung im Rahmen der puren „ökonomisch-gewerkschaftlichen“ Verhandlungen zu halten. Die FührerInnen wollen nicht, dass sich eine Bewegung entwickelt, welche sich über ihre Kontrolle hinausbewegt. Ihr Ziel ist es, die Auseinandersetzung lieber am Verhandlungstisch mit der Regierung zu lösen als durch einen kompromisslosen Kampf gegen sie. Dies ist auch der Grund, warum sie gewillt waren, die Zugeständnisse der Regierung dafür zu nutzen, die Streikaktion zu beenden. Darum nutzten sie die von der Regierung gewährten Zugeständnisse, um den Streik abzublasen, anstatt ihn dahingehend fortzuführen, eine bedingungslose Einstellung der Privatisierungspläne zu erzwingen.

Die Selbstverpflichtung zur Beilegung durch ein „Abkommen“ führt unweigerlich zu Vorschlägen  für einen Kompromiss mit der Regierung. Dies wird deutlich an den Hauptforderungen, welche das JAC aufgestellt hat. Es möchte mitbestimmen dürfen, wie die PIA ein ökonomisch tragfähiger Staatsbetrieb im kommenden Jahr werden kann. So die Aussage des JAC-Vorsitzenden Baloch: „Wir können die Fluglinie erneuern, wir benötigen nur Unterstützung und Beistand.“.

Mit diesen Vorsätzen  im Hinterkopf traf sich der JAC-Vorsitzende mit dem Ministerpräsidenten von Punjab, Shahbaz Sharif, in der Hoffnung auf ein „befriedigendes und nützliches“ Treffen sowohl „für die Regierung wie für die Angestellten der PIA“. Das Treffen kam zu nichts, außer dass Shahbaz Sharif sich dazu bereit erklärte, die Forderungen der ArbeiterInnen an den Premierminister – seinen Bruder – weiterzuleiten.

Diese kooperative Strategie ist schlimmer als eine, die ins Niemandsland führt. Die pakistanische Regierung ist nicht an irgendeinem „Co-Managementexperiment“ in einem ihrer Staatsbetriebe interessiert. Sie möchte sie an private Investoren verkaufen, nur zuvor soll er „rationalisiert“ werden, um ihn als profitables Unternehmen anzubieten. Die Verhandlungsstrategie des JAC ignoriert nicht nur diese Realität, sie spielt der Regierung sogar noch in die Hände.

Die Hauptstoßrichtung der Regierungsstrategie ist klar und deutlich, ausgehend von der Entscheidung, die Privatisierung zu vertagen. Sie wird die Zeit dahingehend nutzen, eine Tochtergesellschaft der PIA zu gründen. Diese soll rund die Hälfte der Arbeitskräfte sowie ca. 50 Flugzeuge übernehmen. Vor allem wird sie als ein neues Unternehmen „leere Bilanzen“ vorweisen können. Gleichzeitig wird die jetzige PIA alle Verluste tragen. Es ist nicht schwierig nachzuvollziehen, dass die Tochtergesellschaft für den „Markt“ fit gemacht werden soll als eine attraktive Investition für profitsuchendes Kapital. Die „eigentliche“ PIA würde früher oder später bankrott gehen.

Die Tatsache, dass die Regierung jedoch dazu gezwungen wurde, die Privatisierung von PIA – wie auch anderer Sektoren des Staatsbesitzes – zu verschieben, macht deutlich, dass die ArbeiterInnen augenblicklich sehr wohl die Situation verändern und die Attacken von Seiten der Regierung aufhalten können, wenn sie ihre Kräfte über Sektoren hinweg vereinigen. Eine Strategie dagegen, welche darauf abzielt, dass die ArbeiterInnen die Verwaltung (teilweise) übernehmen und versprechen, das Unternehmen „fit“ zu machen, kann nur am Verhandlungstisch und mit faulen Kompromissen enden.

Beachten wir aber auch die anhaltende Entschlossenheit der Regierung, ganze Industrien zu privatisieren, wirkt diese Strategie noch schlimmer, läuft sie doch Gefahr, den Schwung, welchen die Militanz der ArbeiterInnenklasse entwickelt hatte, verpuffen zu lassen und die ArbeiterInnen zu demoralisieren.

Einheitsfront

RevolutionärInnen und militante ArbeiterInnen müssen daher für eine komplett andere Strategie kämpfen. Sie müssen sich nicht nur gegen die oder andere Attacke organisieren, sondern auch für einen landesweiten Zusammenschluss solcher Kämpfe, für koordinierte Aktionen der Gewerkschaften, aller ArbeiterInnen gegen, Privatisierungen und „Antistreik“-Gesetze.

Sie sollten die Bildung einer Einheitsfront aus allen ArbeiterInnenorganisationen und progressiven Organisationen ausrufen, welche Gewerkschaften, linke Parteien wie die AWP, Bauern-/BäuerInnenorganisationen, Frauenorganisationen sowie Jugendorganisationen vereint.

Solch eine Einheitsfront sollte nicht nur eine Vereinbarung zwischen den FührerInnen der einzelnen Organisationen darstellen. Sie braucht einen gemeinsamen demokratischen Aktionsplan, Kampforgane in Betrieben und Gemeinden sowie demokratisch kontrollierte Aktionskomitees, um Kämpfe durch- und anzuführen.

Natürlich wird all dies nicht spontan geschehen. Alle ArbeiterInnen, welche die Notwendigkeit einer solchen Strategie ebenfalls anerkennen, müssen ihre politischen Kräfte in einer ArbeiterInnenpartei vereinigen, welche sich auf ein revolutionäres Aktionsprogramm stellt.

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