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Naziaufmarsch am 8. Mai

NPD-Niederlage - wessen Sieg?

Infomail 210, 14. Mai 2005

3000 Faschisten aus NPD, ihrer Jugendorganisation JN (Junge Nationaldemokraten) und von freien Kameradschaften mussten ihre reaktionäre, revanchistische Demonstration abblasen.

Stundenlang mussten die Nazis am Alexanderplatz stehen und nach unverrichteter Untat wieder in die Löcher zurückfahren, aus denen sie gekrochen waren. Da half auch die "Stimmungsmache" von NPD-Chef Apel und anderen Naziführern nicht weiter. So weit, so gut.

Dass die NPD ihren provokativen Marsch durch das Berliner Zentrum nicht durchführen konnte, stellt für die Rechten sicherlich eine Niederlage dar.

Anders als noch eine Woche zuvor am 1. Mai in Leipzig wurden die Nazis in Berlin jedoch von einer kämpferischen Gegenmobilisierung von Tausenden gestoppt, so dass die Rechten trotz massiven Bulleneinsatzes gerade 400 Meter weit kamen.

Viele Sieger?

Als Sieger präsentieren sich: Polizei, Innensenator, Bundesregierung usw. Stellvertretend fasst das die Süddeutsche Zeitung am 10. Mai zusammen.

"Besser hätte der 8.Mai in Berlin nicht ablaufen können. Eine eindrucksvolle Demonstration der Demokraten hat den provokanten Marsch von Rechtsradikalen durch die deutsche Hauptstadt verhindert. Nicht ein paar autonome Steinewerfer übernahmen den Protest gegen die NPD, sondern Zehntausende Bürger. Sie blockierten friedlich den Weg der NPD. Die Polizei war nicht gezwungen, den Rechtsradikalen eine Gasse freizumachen – zu stark war die Übermacht der Demokraten."

Als Sieger präsentieren auch die WASG, die PDS, die Gewerkschaften – alle freuen sich über so viel Einheit von den Bullen bis zur Linken.

Bei so viel gemeinsamer Freude mag sich auch die Antifa nicht lumpen lassen. Auch sie reklamiert den "riesigen Erfolg" für sich. Ein ALB-Sprecher äußert sich in der taz auf die Frage, ob "das Zusammenspiel zwischen Ihnen (Antifa) und Polizei Modellcharakter haben" könne, folgendermaßen: "Natürlich wäre es ideal, wenn alle Anti-Nazi-Proteste so verlaufen wie am Sonntag."

Konzept von Regierung und Bundestag

Die Verhinderung des Nazi-Aufmarsches und die Entwicklung am 8. Mai kann nicht losgelöst von den Interessen und Zielen der Gedenkveranstaltung von Regierung, Präsidenten, Senat, Parlamentsparteien, Kirchen, Gewerkschaften usw. betrachtet werden.

Schon sehr früh hatten sie begonnen, den 8. Mai und die Empörung über den drohenden NPD-Aufmarsch durch Berlin für sich zu nutzen.

In unserem Flugblatt "Nazi-Aufmarsch stoppen! Nein zur 'demokratischen' Heuchelei!" schrieben wir dazu:

"Es geht für die eigentlichen Träger der Gedenkfeier – Regierung, Parlaments, Regierungs- und Oppositionsparteien, Unternehmervereinigungen und Gewerkschaften – darum, den deutschen Imperialismus zu feiern, wenn auch in seiner 'demokratischen' Form.

Der deutsche Imperialismus, der heutige deutsche Staat, wird als 'antifaschistische', 'humanitäre', kosmopolitische Institution hingestellt, der 'aus der Geschichte gelernt' hätte und 'zur Übernahme von Verantwortung' bereit sei.

Die Wirklichkeit dieser Demokratie demaskiert sich täglich am alltäglichen Rassismus, der ArbeitsmigrantInnen illegalisiert oder an den europäischen Außengrenzen zum Tod verurteilt, am 'normalen' Sexismus, der Frauen nach wie vor gleichen Lohn und gleiche Chancen verwehrt, an einer verschärften Klassenspaltung, die immer mehr Lohnabhängige in prekäre Arbeitsverhältnisse zwingt und sie durch die Hartz-Gesetze einer zunehmenden Verelendung unterwirft.

Die Gedenkfeier und das sie tragende Bündnis sind reaktionär. Sie dienen nicht nur dazu, den deutschen Imperialismus nach außen, in der 'Weltöffentlichkeit' reinzuwaschen und störende Naziansammlungen vom Brandenburger Tor oder dem Holocaust-Mahnmal fernzuhalten.

Sie dienen vor allem auch dazu, eine nationale Einheit aller Klassen, aller Schichten der Bevölkerung, wenn auch unter dem Deckmantel von Antifaschismus, Demokratie und Toleranz, herzustellen.

Sie dienen dazu, 'echten' Patriotismus der 'guten' Deutschen zu demonstrieren, die für 'ihren' Standort keinen Imageschaden wollen."

Allein eine Betrachtung der Rede des Bundespräsidenten Köhler, die in der deutschen Presse vollständig oder in Auszügen veröffentlicht wurde, verdeutlicht das.

Der Großteil der deutschen Linken sieht von diesem wesentlichen Zusammenhang geflissentlich ab. Manche trösten sich darüber hinweg mit dem Verweis, dass auch viele Menschen von der Gedenkkundgebung sich direkt gegen die Nazis wandten. Das stimmt und ist sicher besser, als wenn sie untätig am Brandenburger Tor verblieben wären. Doch solche individuellen Entscheidungen bestimmen nicht den politischen Charakter eines solchen Tages; sie ändern nichts daran, dass das Konzept von Regierung und Kapital aufging. Die Nazis konnten zwar nicht marschieren – die Selbst-Inszenierung des deutschen Imperialismus als "antifaschistisch" wurde aber auch nicht durchkreuzt, ja sie gelang geradezu planmäßig.

Wenn der Berliner Innensenator Körting oder die FAZ die "Demokraten" auf der Straße loben, so tun sie das, weil ihr Konzept aufging.

Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass sich die reformistischen Parteien und die Gewerkschaften voll dieser nationalen, klassenübergreifenden "Feier" anschlossen. Keiner von ihnen griff die heuchlerische Inszenierung an.

Das Problem dabei ist, dass die Masse der Bevölkerung, v.a. die Lohnabhängigen im Kampf gegen den laufenden politischen und ökonomischen Generalangriff entwaffnet werden, dass ihre Illusionen in einen "demokratischen" Imperialismus gestärkt werden. Der Kampf gegen die Nazis erscheint als eine vom Klassenkampf losgelöste Aufgabe. Es ist jedoch ein Utopie, dass es einfach möglich wäre, heute mit Köhler und Schröder das "geläuterte" Deutschland zu feiern und morgen gegen dieselbe Regierung und ihren Angriff auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Massen zu mobilisieren.

Parteien wie PDS und WASG bilden hier nur den linken Flügel dieses klassenübergreifenden und versöhnlerischen Blocks – eines Blocks, bei dem die kleinbürgerlich-radikale Antifa – siehe oben - am liebsten auch mitmachen will

Die Alternative dazu kann nur der Kampf für den politischen Bruch mit solchen staatstragenden Bündnissen sein. Dafür müssen wir agitieren, dafür müssen wir in den Gewerkschaften und in den sozialen Bewegungen kämpfen.

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