In den letzten Jahren hat sich in der BRD eine
heterogene, zahlenmäßig durchaus beachtliche Gewerkschaftslinke
herausgebildet. Die darin vereinten Strömungen gehen bis in die 1970er
Jahre zurück und haben ihre Wurzeln in der Umgruppierung und
Neuformierung der Linken in den späten 1960er und 1970er Jahren.
Allerdings handelt es sich dabei nicht nur um
"Überlebende", politische Fossile, Zom bies der 68er-Bewegung,
deren Marsch durch die Institutionen nicht in der Rot-Grünen-Koalition,
sondern in Gewerk schafts büros oder im Betriebsrat endete. Wie die
letzten Jahre zeigten, wurde diese Opposition gegen die beiden
vorherrschenden politischen Strömungen des Apparates auch immer wieder in
entscheidenden Situationen des Klassenkampfes sichtbar.
Kristallisationspunkte einer Opposition
1. Der Kampf gegen die Streichung der
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall 1996
Hier spielten die Beschäftigten der großen
Automobilkonzerne eine Schlüssel rolle, indem sie gegenüber den
ursprünglichen, zaghaften und halbherzigen Ansätzen der IG Metall Spitze
vorpreschten und die Arbeit niederlegten. Neben der Wut und
Entschlossenheit der Arbeiterschaft in diesen Betrieben war die Stärke
gewerkschaftsoppositioneller Betriebsratsgruppierungen wie bei Daimler
Mettingen oder im Bremer Mercedes Werk wichtig, um diese Kampfbereitschaft
zur Aktion zu bündeln und zu führen.
Wie sich auch in den Streiks bei Opel aufgrund der
unsicheren Auswirkungen der Fiat-Übernahme durch GM zeigte, spielen
Oppositionsgruppen eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung (in diesem
Fall die Gruppe Oppositioneller Gewerkschafter).
2. Der Protest gegen die Änderung des
DGB-Grundsatzprogramms
1997 hatte die Programmkommission vorgeschlagen, die
"soziale Marktwirtschaft" als jene Gesellschaftsform
festzuschreiben, innerhalb derer die Gewerkschaften ihre Ziele am besten
verfolgen könnten. So viel Apologetik war dann auch den linken
Apparatleuten zu viel, so dass diese Passus aus dem Programmentwurf
gestrichen werden musste.
Auch wenn es sich dabei um einen eher symbolischen
Streit innerhalb der Gewerkschaftsbewegung handelte, so war es ein
wichtiger Markierungspunkt, der Rechtsentwicklung der schweren Bataillone
der Gewerkschaftsbürokratie in allen großen Ein zelgewerkschaften einen
gewissen Einhalt zu gebieten.
3. Die gebrochenen Versprechen der SPD an der
Regierung und die Nibelungentreue der Gewerkschaftsbürokratie
Nach dem Regierungswechsel, in den viele
Gewerkschaftsmitglieder die Hoffnung gelegt hatten, zumindest eine
Atempause nach den Angriffen der Kohl-Regierung zu erhalten, fuhren
SPD/Grüne mit einem Programm fort, dass sich wenig von jenem der
konservativ-liberalen Koalition unterschied. Hinzu kam, dass die
keynesianischen Elemente um Lafontaine und das Finanzministerium rasch aus
der Regierung gesäubert wurden, wodurch auch die Gewerk
schaftsbürokratie ihren wichtigsten Verbündeten im Kabinett verlor.
Das führte zwar zu einigem Murren und Drohgebärden
von Seiten der "Traditionalisten" in den Gewerkschaftsapparaten,
allen voran der IG Metall. In der Praxis wurde "unserer"
Regierung jedoch die Mauer gemacht und alle entscheidenden Fragen wur den
in das Bündnis für Arbeit, Wettbewerbsfähigkeit und Ausbildung"
verlagert. Darin bestand und besteht auch der zentrale Unterschied
zwischen der Regierung Kohl und der Regierung Schröder. Die
Gewerkschaftsbürokratie wird wieder angehört und verstärkt eingebunden.
Dafür ist sie auch bereit, der Regierung und den Kapitalisten
Zugeständnisse zu machen, die unter Kohl schwer vorstellbar gewesen
wären.
Der Protest gegen das Bündnis für Arbeit und die
Forderung nach dem Austritt der Gewerkschaften wurde zurecht zum zentralen
Bezugspunkt hunderter Appelle und Beschlüsse von Oppositionellen. Die
"Ini tiative zur Vernetzung der Gewerkschafts linken" (IVG)
wurde auf Grundlage der Ablehnung des Bündnisses oder zumindest der
Politik der Gewerkschaftsspitzen im Rahmen des Bündnisses ins Leben
gerufen.
4. Der Kriegseinsatz gegen Jugoslawien
Wie so oft in der Geschichte des Imperialismus war der
Krieg die Nagelprobe für die nationale Standfestigkeit der
Arbeiterbürokratie. Und sie stand zu Deutsch land. Der DGB-Vorsitzende
Schulte erklärte seine Solidarität mit der Regierung und dem Angriff der
NATO. Auch wenn etliche Spitzenbürokraten die Haltung Schultes nicht
teilten, so hüllten sie sich in ganz und gar nicht nobles Schweigen. Alle
SPD-Gewerkschafter und Betriebsräte im Parlament stimmten für den Krieg.
In den Betrieben kam es gleichzeitig zu heftigen Konflikten zwischen
serbischen und albanischen oder kroatischen Arbeitern und Arbeiterinnen,
was von der Bürokratie als zusätzliches "Argument" genommen
wurde, nichts gegen den Krieg zu unternehmen.
Der Krieg war auch eine wichtige Bewährungsprobe für
die Gewerkschaftslinke, die zwar tausende Unterschriften gegen den
Kriegseinsatz sammeln konnte, aber unfähig war, ein
internationalistisches Programm zur Lösung des Konflikts zu entwickeln.
Vielmehr herrschten Pazifismus und linker Sozialchauvinismus vor, was sich
vor allem im Ruf nach Einschreiten der UNO an Stelle der NATO zeigte.
5. Die Tarifrunde 2000 und die Rentenreform
Die Tarifrunde 2000 war von der Unterordnung der
Gewerkschaftsbürokraten unter die Vorgaben des Bündnis für Arbeit
geprägt. Das übliche Tarifrundenritual wurde auf Sparflamme
durchgezogen, um in allen großen Industrien und im öffentlichen Dienst
zu mindestens zweijährigen Laufzeiten zu kommen, knapp an der oder unter
der zu erwartenden Inflationsrate abzuschließen und auch sonst einige
Zugeständnisse an die Kapitalen zu überreichen.
Dabei war, wie sich sowohl in der Metaller-Tarifrunde,
in den Aktionen der hbv (Gewerkschaft Handel, Banken, Versiche rungen),
vor allem aber in der Streikbereitschaft der ötv-Mitglieder (ötv =
Gewerk schaft Öffentlicher Dienst, Transport und Verkehr) zeigte, der
Wille zu einem entschiedenen Tarifkampf an der Basis vorhanden. Die
Arbeiter und Arbeiterinnen wussten sehr wohl, dass die Unternehmer nach
der CDU-Krise politisch geschwächt waren. Sie waren außerdem von den
vollmundigen Reden mancher Gewerkschaftsführer, dass das "Ende der
Bescheidenheit" (Zwickel) nun gekommen sei, ermutigt.
Gekommen zu sein scheint die Bescheidenheit ohne Ende,
wie sich im "Kampf gegen die Rentenreform" zeigte. Die Büro
kratie aller großen Gewerkschaften trat zwar gegen die Riester-Reform auf
und konnte einige Korrekturen anbringen. Insgesamt blieb es jedoch bei
einer Absenkung des Rentenniveaus und beim Einstieg in die Privatisierung
der Rentenversicherung – mit Zustimmung der Gewerkschaftsbürokratie.
In beiden Fällen gibt es wiederum wichtige Ansätze
oppositionellen Vorgehens und der Mobilisierung. Dass die Bürokratie im
Dezember 2000 überhaupt zu betrieblichen Aktionen und Demonstrationen
aufrief, war weniger den Zumutungen der Regierung als dem Druck der Basis
geschuldet. Hier zeigten sich sowohl das Potential einer Bewegung gegen
die Bürokratie wie auch umgekehrt das Fehlen einer bundesweiten,
vereinten Koordination und Kampagne der "Gewerkschaftlinken".
6. Die Organisationsreform in den Gewerkschaften
Nachdem von Kapital und Kabinett jede Schweinerei als
"Modernisierung" bezeichnet wird, gebraucht auch die
Gewerkschafts bürokratie diesen Etikettenschwindel. Unter diesem und
ähnlichen Schlagwörtern sollen die Gewerkschaften in der BRD noch mehr
zu "Serviceunternehmen" für die Mitglieder werden.
Die Gewerkschaftsbürokratie hat sich damit abgefunden,
dass ihre relativ starke Stellung als Vermittler zwischen Kapital und
Arbeit, wie sie in der Phase des langen Booms etabliert wurde, so nicht
mehr zu halten ist. Daher wird jede kämpferische reformistische oder
syndikalistische Regung, jeder Bezug darauf, wenigstens als
"konsequenter" Gewerkschafter Gegenmacht gegen das Kapital im
Rahmen des Kapitalismus zu sein, politisch attackiert und als "altes
Denken" und "unzeitgemäß" madig ge macht.
Die Gewerkschaftsbürokratie bedient sich dabei
verschiedener organisatorischer Modelle - der Fusion zu "Megagewerk
schaf ten" a la ver.di oder der "Übernahme" kleiner Ver
bände (wie der GHK durch die IG Metall). Gleichzeitig wird unter den
Schlag worten "Betriebsnähe" zunehmend der Öffnung von
Tarifverträgen zugestimmt. "Me dien politik" (d.h. die
Bekanntmachung von Positionen durch Gewerkschaftsvorsitzende ohne
vorherige Diskussion und Beschluss fas sung) wird dabei mit Formen
plebiszitärer Demokratie kombiniert.
Weder die Gewerkschaftsaktivisten und -aktivistinnen
werden gestärkt, noch werden mehr Mitglieder aktiviert. Die Bürokratie
versucht vielmehr über Umfragen unter Nicht-Gewerkschaftern und passiven
Mitgliedern, den "Willen" der Belegschaften zu ergründen, um so
ihre Absichten und ihren Kurs gegenüber oppositionellen und
kämpferischen Mitgliedern zu rechtfertigen. Dieser Kurs geht einher mit
einer bewussten Beschneidung der Diskussion und des demokratischen
Entscheidungsprozesses in der Organisation.
Die Gewerkschaftsbürokratie versucht sich bei alle
diesen Unternehmungen auf die passiveren und politisch wenig bis nicht
bewussten Schichten der Mitglieder bzw. der gesamten Arbeiterklasse gegen
die Gewerk schaftsaktivisten in den Betrieben zu stützen.
Allerdings formiert sich dagegen auch Widerstand. Die
Schwierigkeiten bei der Schaffung von ver.di sind ein Beleg dafür.
Natürlich war und ist die Auflehnung dagegen auch von bornierten Motiven
getragen, wenn z.B. Bürokraten fürchten, im Zuge von Fusionen ihre
Pfründe zu verlieren. Alles in allem spiegeln diese Schwierigkeiten der
Apparate auch wachsenden, wenn auch oft diffusen Unmut wider.
7. Die Anti-Globalisierungsbewegung
In den letzten Jahren ist es selbst der deutschen
Gewerkschaftsbürokratie mehr und mehr zu Bewusstsein gekommen, dass sich
ein rein nationalstaatlich ausgerichteter reformistischer Kurs Tod
gelaufen hat. Viele sozialdemokratisch ausgerichtete Reformisten - seien
sie nun SPD oder PDS-nahe - haben in Lafontaines Vorstellung eines
europäischen Keynesianismus ein Zukunftsmodell gesehen, um den
sozialstaatlichen Klassenkompromiss zumindest ansatzweise auf EU-Ebene
wieder zu beleben.
Heute sind von dieser Perspektive eine servile
Unterordnung unter die Europapolitik von Kapital und Regierung und die
wage Hoffnung übrig geblieben, dereinst mit Mit bestimmungsrechten auf
europäischer Ebene entschädigt zu werden. In der Praxis ist von einer
internationalen Politik der Gewerkschaften wenig zu spüren. Gerade im
nach eigenem Selbstverständnis ureigensten Betätigungsfeld - der
Tarifpolitik - haben sich die deutschen Gewerkschaften als bornierte
Standortpolitiker entpuppt und Vereinbarungen über die Mindesthöhe von
Tarifab schlüs sen mit den anderen EU-Gewerkschaften unterlaufen.
Gleichzeitig hat in der Gewerkschafts linken eine
Diskussion über die Entstehung "neuer" Formen der
Gewerkschaftspolitik, z.B. den social movement unionism, der Verbindung
von Gewerkschaftsarbeit und anderen Tätigkeitsfeldern, von ökonomischen
und politischen Kampf bis hin zum Kampf gegen das kapitalistische System
begonnen. Auch wenn die Diskussion oft zaghaft geführt wird und mehr an
einen linken Debattierklub, denn eine Kampfor gani sa tion erinnert, auch
wenn viel "Neues" die Neuauflage alter, historisch überholter
Konzepte ist (Syndikalismus, Frühsozialis mus), so ist diese Debatte
notwendig und - verglichen mit den stalinistischen und
links-sozialdemokratischen "Reformansätzen", die die 80er Jahre
dominierten - geradezu herzerfrischend.
Es handelt sich hierbei jedoch nicht einfach um eine
Wiederholung der Diskus sionen der späten 60er und frühen 70er Jahre.
Auch wenn manche Wortführer und -führerinnen in der Debatte altgediente
Linke sind, so ist diese Diskussion notwendig zur Klärung grundlegender
Fragen und zum Vorantreiben der Gewerkschaftslinken und ihrer Verbindung
mit einem neuen internationalen Anti-Kapitalismus. Der ermutigendste
Aspekt dieser Diskussion besteht gerade darin, dass sie auch auf das
Interesse jener Aktivisten stößt, die in den Kämpfen der letzten Jahre
politisiert wurden.
Die Diskussion in der Gewerkschafts linken sind
inhaltlich mit den Diskussionen in der Anti-Globalisierungsbewegung, unter
anti-kapitalistischen Aktivistinnen und Akti visten außerhalb der
Arbeiterbewegung ähnlich, ja vielfach identisch. Das liegt nicht nur
daran, dass viele linke Gewerkschafter aus der politischen Linken kommen,
organisiert sind oder waren.
Es liegt auch nicht nur daran, dass in den letzten
Jahren mehr praktische Verbindung und Zusammenarbeit zwischen einer
Schicht linker Gewerkschafter und von Nicht-Ge werk schafterinnen
(Schüler, Studenten, Anti-Faschisten usw.) entwickelt wurde. Es liegt vor
allem daran, dass eine spezifisch gewerkschaftliche anti-kapitalistische
Theoriedis kus sion samt ihrer programmatischen und taktischen
Konsequenzen ein ökonomistischer Mythos war, ist und immer bleiben wird.
Das zeigt sich auch darin, dass alle Strömungen der
Gewerkschaftslinken entweder theoretische und programmatische
Diskussionszusammenhänge entwickeln, in denen Gewerkschafter als
Arbeiterintellek tuel len im Verbund mit anderen Mitgliedern als
"Organisation" fungieren, oder gezwungen sind, sich auf
intellektuelle Mentoren (z.B. "linke" Professoren) zu stützen,
die die politische Programmatik, ihren Standpunkt, ihre Taktik entwickeln.
Die dringend notwendige strategische Diskussion in der
Gewerkschaftslinken und die Entwicklung einer revolutionären Pro
grammatik kann eben nicht aus dem gewerkschaftlichen Kampf selbst
abgeleitet werden - sie kann nur entwickelt werden, wenn sich die Bewegung
mit dem wissenschaftlichen Sozialismus verbindet.
Die politischen Strömungen in der Opposition
Daher ist es notwendig, einen Blick auf die politischen
Hauptströmungen in der Opposition und ihre Basis zu werfen.
Linksreformismus
Eine prägende Erscheinung in der Oppositionsszene ist
die Strömung, die sich um die Zeitschrift "Sozialismus"
gruppiert. Sie entstand aus einer positiven Bezugnahme auf den
Eurokommunismus und ist politisch als linksreformistisch zu
charakterisieren. Auch wenn sie keine Partei darstellt oder aufbauen will,
so fungiert die Zeitschrift Sozia lismus als Sprachrohr einer zahlen
mäßig beachtlichen Strömung in den Ge werk schaften, die sich vor allem
auf den linken Apparat und seine Parteigänger stützt.
Nach dem Kollaps des Stalinismus Ende der 1980er Jahre
hat sie außerdem vielfach die Rolle der DKP in der Gewerkschaftslinken
übernommen. Sozialismus war eine maßgebliche Kraft, um die IVG ins Leben
zu rufen. Sie dominierte mit ihren Aufrufen die Anti-Kriegs-Stimmung in
den Gewerkschaf ten. Ihr Ziel ist jedoch keineswegs der Aufbau einer
schlagkräftigen, handlungsfähigen Opposition, geschweige denn einer
Basisbewegung in den Gewerkschaften, die gegen die Politik der Bürokratie
und für ihre Beseitigung und Ersetzung kämpft.
Die Sozialismus-Gruppierung will die Opposition vor
allem als Beratergremium, Diskussionsforum und Fußtruppe für ihre
Anhänger im Gewerkschaftsapparat (was teilweise in ziemlich hohe
Positionen reicht). Sie will politisch daher auch keinen Bruch mit der
tradierten Gewerkschaftspolitik, sondern vielmehr die Wiederbelebung des
Linksreformismus. Daher sind ihre weitest gehenden Parolen auch die nach
Herstellung der "sozialen Gerechtigkeit" und "Umver teilung
von oben nach unten".
Das Vehikel der gesellschaftlichen Umgestaltung ist
für "Sozialismus" die Herstel lung der "gesellschaftlichen
Hegemonie", über die der bürgerliche Staat zur Umsetzung sozialer
und politischer Reformen genutzt werden könnte. Von einer proletarischen
Revolution, der Zerschlagung der bürgerlichen Staatsmaschinerie und der
Errichtung der Räterepublik wollen diese Reformisten natürlich nichts
wissen.
Diese Strategie hat jedoch unmittelbar auch
Auswirkungen für die Politik von "Sozialismus". Wenn der Staat
zur Reform in Besitz genommen werden soll, wenn die Sozialreform nicht
Abfallproduktion, sondern Endzweck des Kampfes ist, so ist Herstellung der
Hegemonie nicht Revolutionierung des Proletariats, sondern die Schaffung
eines strategischen Blocks mit PDS, linken Grünen und linker SPD,
Gewerkschaftsapparat, Kirchen, wohl wollenden Bourgeois.
Die Bündnispolitik von "Sozialismus" hat
daher auch nichts mit der Politik der proletarischen Einheitsfront gegen
das Kapital zu tun, sondern ist vielmehr eine Form der politischen
Unterordnung unter die anvisierten Bündnispartner.
In der Gewerkschaftsopposition heißt das, dass die
"Sozialismus"-Strömung bremsend wirken wird müssen, da die
Entstehung einer organisierten Opposition, die, wenn nötig, auch ohne und
gegen die Bürokratie mobilisieren kann, der politischen Zielrichtung von
"Sozialismus" in jeder Hinsicht entgegenläuft. Ihr
"hegemonialer Block" würde dadurch gefährdet, weil die
Arbeiter klasse dann in der Aktion leichter über die Bündnispartner
hinausgehen könnte und so dann ganzen Block sprengen würde. Die
Positionen in den Gewerkschaften wären in Gefahr, weil die zahlreichen
Apparatfreunde von "Sozialismus" so unter den direkten Druck
oppositioneller Basisaktivisten und -aktivistinnen geraten würde und
daher im Apparat nicht mehr nach Belieben prinzipienlos manövrieren
könnten.
Neben "Sozialismus" gibt es noch eine Reihe
anderer links-reformistischer Strömun gen, die sich um Zeitungsprojekte
gruppieren (isw) oder prominente oppositionelle Apparat-Leute wie den
Bayrischen ÖTV-Vorsitzenden Wendl oder den IG Metall-Vorständer
Schmitthenner hofieren. Die Oppositionsprominenz spielt vor allem eine
Rolle: die Opposition in Zaum zu halten und an den linken Apparat zu
binden. Wenn wir beispielsweise die Rolle von Wendl in der Tarifrunde
betrachten, so hat er keineswegs alles getan, um einen Streik zu
organisieren. Er verbreitete vielmehr - ähnlichen den rechten Bürokraten
- noch vor der Urabstimmung defaitistische Stimmung in der Presse, wo er
über Erfolgs- und Misserfolgsaussichten spekulierte, statt gegen den Kurs
des Vorstandes aufzutreten. Genau an diesen Punkten müssen sich aber
oppositionelle Funktionäre beweisen, hier heißt es in der
gewerkschaftlichen Auseinandersetzung Farbe zu bekennen.
Was für die Zeitschrift "Sozialismus" gilt,
gilt freilich für die gesamte reformistische Opposition. Sie stützt sich
vor allem auf Teile des Apparates, der weiterhin von der
gewerkschaftlichen Basis unabhängig bleiben soll. Politisch orientiert
sie sich aktuell an der PDS und an linken Intellektuellen (wie z.B. den
Verfassern der "Erfurter Erklärung"), die einen Brückenkopf
zur linken SPD und zu den linken Grünen bilden sollen.
Links-Syndikalismus
Eine weitere Strömung bildet der linke Syndikalismus.
Ähnlich den Reformisten ist auch er um eine Zeitschrift - Express -
gruppiert. Express war ursprünglich die Gewerk schaftszeitung des
"Sozialistischen Büros", einer rechts-zentristischen
Gruppierungen in den 70er Jahren, die stark "luxemburgistisch"
(d.h. vor allem anti-leninistisch) ge prägt war und einem
"Selbstverwaltungs-Sozialismus" anhing, dessen Spuren sie in
Jugoslawien zu entdecken wähnte.
Darüber hinaus haben sich zentrale Autoren von Express
einen Namen als Organisatoren von TIE (Transnational Information Exchange)
gemacht. TIE ist eine jährlich stattfindende Tagung, an der Aktivisten
und Aktivistinnen aus der ganzen Welt teilnehmen, über neue Entwicklungen
des Kapitalismus und in den Gewerkschaften diskutieren und ihre
Erfahrungen austauschen.
Ohne Zweifel ist die Organisierung und Durchführung
solcher Treffen verdienstvoll. Das Problem an TIE ist jedoch heute, dass
es beim Austausch, der "Vernetzung" stecken bleibt. Es ist kein
Forum, das zur Orga nisierung von Kampagnen, zum Verein barung gemeinsamer
und koordinierte internationale Aktion und schon gar nicht zur Schaffung
fester internationaler Verbindun gen auf Basis eines Forderungsprogramms
dient. Ein Teil des Problems ist sicher die rechtliche Form vom TIE als
Nicht-Regierungsorganisation und die finanziellen Abhängigkeiten des
Projekts. Viel wichtiger ist jedoch, dass eine solche vorwärtstreibende,
initiative Rolle der zugrundliegenden Konzeption der Strömung um Express
widerspricht.
Wie alle Spontaneisten geht Express davon aus, dass die
Arbeiter, sobald sie in Bewegung gekommen sind, ihre Ko ordinierung, ihre
Organisierung usw. schon "selbständig" schaffen werden. Alles
andere wäre eine autoritäre Unterjochung der Klasse unter durch eine
"selbst ernannte" Avant garde oder Stellvertreter.
Das äußert sich auch in der IVG, wo etliche Vertreter
von Express gegen die Bildung bundesweiter Strukturen und die Initiierung
und Durchführung gemeinsamer Aktionen und Kampagnen mit der bezeichnenden
Gegenposition "Diskussionsklub - ja bitte!" auftraten.
Auch wenn die Sozialismus-Leute und die Vertreter von
Express in der gewerkschaftsoppositionellen Diskussion oft als Antipoden
auftreten, so teilen sie in der Praxis ihre Ablehnung jeder wirklichen
Organisierung um politische Forderungen und gemeinsame Aktion. Es ist auch
kein Wun der, dass die spät Geborenen des Früh sozialismus um Robert
Kurz (Krisis-Gruppe) bei Express und anderen Syndikalisten politisch
Stiche machen.
Während die reformistische Strömung oppositionelle
Gewerkschafter an die bürgerliche Politik des linken Apparates, der PDS
usw. bindet, so sehen die Syndikalisten in der Parteipolitik an sich das
Problem. Daher verfängt auch die Kritik der Krisis-Gruppe, die dem
Marxismus "Politizismus" vorwirft, unter vielen dieser
Oppositionellen.
Ebenso dient die berechtigte Kritik an der Huldigung
der entfremdeten Arbeit durch die reformistische Arbeiterbewegung - Arbeit
ist der Gott unserer Zeit, hieß es bei den rechten Gewerkschaftern und
SPD-Vertretern schon im 19 Jahrhundert - als Mittel, um unter dem
Schlagwort "Kampf dem Arbeitsfetisch" allerlei utopische
frühsozialistische Konzepte wieder aufzuwärmen. Die Arbeiterklasse solle
sich demnach durch die Erringung immer größere selbstbestimmter
Lebensräume, der Organisierung nicht-monetärer Sphären der Gesellschaft
usw. ihrer eigenen Befreiung näher bringen. Ähnlich wie im
sozialdemokratischen Reformismus ist auch hier die Bewegung alles, das
Ziel nichts.
Der politische Kampf und die Organi sierung von
Parteien seien nicht notwendig, sondern eine Ablenkung von der
"eigentlichen" ökonomischen Befreiung der Ar beitenden, die
sich gemäß der "anti-politischen" Vorstellung auch ganz ohne
Kampf um die Staatsmacht vollzieht. Die scheinbar radikale Kritik am
Reformismus entpuppt sich als Gradualismus, der sich die Hände in den
Niederungen reformistischer Politik im Parlament oder an der Regierung
nicht schmutzig machen will.
Natürlich gilt auch hier die Binsenwahrheit des
revolutionären Marxismus, dass die noch so wortradikal begründete
Enthaltsamkeit von der Politik oder einer Sphäre des politischen Kampfes
nur bedeutet, das Feld kampflos bürgerlichen Parteien zu überlassen.
Das drückt sich auch ganz praktisch aus, wenn es um
die Kritik der Gewerkschafts bürokratie, den Kampf gegen die Führung
geht. Dass dem bürokratischen Apparat die Macht und Kontrolle über die
Gewerk schaf ten entrissen werden müsse, dass dazu die politische
Organisierung in den Gewerkschaf en und die Führung einer Basisbewe gung
durch eine revolutionäre Partei notwendig sei, stößt bei Vertretern von
Express und anderen Syndikalisten auf eine Mischung aus Ablehnung,
Verachtung und Verbitterung.
Das sei doch "soooooo verkürzt". Viele
Funktionäre seien doch linker oder fort schritt licher als die Basis,
heißt es. Das mag schon vorkommen. Nach schweren Niederla gen der Klasse
kann das sogar eine vorherrschende Bewusstseinslage sein. Es geht uns also
überhaupt nicht um die unsinnige Argumentation, dass "die"
Arbeiter immer linker sein müssten als ...
Gerade als Leninisten gehen wir davon aus, dass die
Klasse nicht nur in sich differenziert ist, sondern auch nicht in der Lage
sein kann, spontan revolutionäres Klassenbe wusstsein zu entwickeln. Das
ist die Aufgabe von Kommunisten und Kommunistinnen, das ist die Aufgabe
einer revolutionären Partei. Es ist daher ganz unsinnig, der
Arbeiterklasse zum Vorwurf zu machen, dass sie nicht "von
selbst" die Aufgaben löst, die nur durch eine Befruchtung der
Arbeiterbe wegung "von außen" gelöst werden können.
Tatsächlich ist die Arbeiterklasse oft bereit und in der Lage spontan
voranzuschreiten. Auch die Schaffung mancher Organisationen des new
movement unionism zeugen von der "instinktiven" Tendenz des
Proletariats, sich gegen die herrschende Klasse zu organisieren.
Aber der Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie wird
notwendig, weil die Bürokratie als privilegierte Kaste die Ar
beiterbewegung dominiert und ein besonderes Interesse als Mittler zwischen
Lohnarbeit und Kapital verfolgt (ganz unabhängig davon ob ein einzelner
Bürokrat das will oder nicht). Als Kaste verteidigt sie den Fortbestand
der bürgerlichen Gesellschaft, verteidigt sie den Kapitalismus. Deshalb
muss sie in allen entscheidenden Klassen kampfsituation, immer wenn die
Arbeiter klasse spontan eigenständig und revolutionär agiert, gegen die
Interessen des Proletariats auftreten. Dass die Bürokratie dabei
erfolgreich sein kann, hat seine Wurzeln in der Verankerung bürgerlichen
Bewusstseins in den Arbeitern selbst, die auch in der Form der
gewerkschaftlichen Organisierung zu nächst ja nur ihr Interesse als
Warenbesitzer (der Ware Arbeitskraft) organisieren.
Der Kampf um die Revolutionierung dieses Bewusstseins
muss unausweichlich auch den organisierten Ausdruck dieses bürgerlichen
Bewusstseins im Proletariat angreifen, und zwar auf allen Ebenen:
politisch, ideologisch und organisatorisch. Indem der Syndikalismus das
Problem nicht in den sozialen Wurzeln der Bürokratie, sondern in bestim
mten falschen (hierarchischen,...) Organisations-"Gedanken"
sieht, hofft er letztlich passiv auf die "sanfte Macht der
Vernunft" neuer, bisher "ungeahnter"
Organisierungs-"Gedanken", die spontan den bisherigen
"falschen" Weg überwinden werden, statt aktiv den Kampf gegen
die bestehenden Machtverhältnisse in den Gewerkschaften aufzunehmen
(siehe auch den Artikel "Syndikalismus oder Kommunismus?" in
diesem RM).
Die Funktion für die Kapitalistenklasse kann die
Bürokratie nur erfüllen, wenn sie eine Bindung an die organisierte
Arbeiter klasse hat und z.B. die Gewerkschaften (oder Arbeiterparteien)
kontrolliert. In dieser Hin sicht unterscheidet sich der Kampf gegen die
Gewerkschaftsbürokratie vom Kampf gegen die Kapitalistenverbünde, den
bürgerlichen Staat oder bürgerliche Parteien, da die Bürokratie als
bürgerliche Agentur in der Arbeiterbewegung agiert. Doch der Unter schied
in den Kampfmitteln macht den Kampf nicht minder unumgänglich.
Die syndikalistische Ideologie steht diesem Kampf
entgegen, unabhängig von den ehrlichen Absichten vieler ihrer Anhänger.
In der Tat sind Versatzstücke syndikalistischer Ideologie in der
bundesdeutschen Gewerk schafts opposition heute auch bei vielen Aktivisten
und Aktivistinnen im Vormarsch, weil sie als fortschrittliche Alternative
nicht nur zur sozialdemokratischen Bürokratie, zu SPD und PDS, sondern
auch zu den linksreformistischen Apparatleuten und ihren bürokratischen
Sandkastenspielchen im Vorhof der eigentlichen Bürokratie betrachtet
werden.
Wie weiter?
Neben dem Linksreformismus und dem Syndikalismus gibt
es noch eine Reihe weiterer Gruppierungen und Strömungen, die sich gerade
in den letzten Jahren stärker den Gewerkschaften zuwandten, vor allem
Grup pierungen des trotzkistischen Zentrismus.
Zum anderen ist es wichtig zu verstehen, dass
Linksreformismus und Syndikalismus keine fest umrissen Lager, sondern mehr
oder minder lose Gruppierungen darstellen. Der Einfluss dieser Ideologien
und Pro gramme reicht aber sehr viel weiter als nur zu den bewussten
Vertretern.
Er reicht auch tief in die betriebliche und
gewerkschaftliche Basis der Opposition, die auf etliche 10.000 Anhänger
und Anhän ge rinnen veranschlagt werden kann. Wäre sie um Forderungen,
Aktionen, Strukturen organisiert, könnte sie in Verbindung mit
Anti-Kapitalisten außerhalb der Gewerkschaften eine wirkliche politische
Kraft in der Arbeiterbewegung in Deutschland darstellen. Aber sie ist es
nicht. Der Hauptgrund dafür ist hausgemacht. Er liegt zum einen an den
vorherrschenden politischen Strömungen in der Gewerkschaftsopposition,
die gegenwärtig deren Führung stellen (so sehr sie das auch abstreiten
mögen) und die daher auch die politische Hauptverantwortung für deren
Zurückbleiben hinter ihren Möglichkeiten trifft.
Doch es kommt ein weiteres Problem hinzu: viele, die
links von diesen Strömun gen positioniert sind, verfügen selbst über
keine politische Strategie, ja wiederholen selbst etliche der Fehler des
Linksre formismus und Syndikalismus.
Das betrifft vor allem das Verhältnis von
Gewerkschaften und revolutionärer Partei. Wenn die Gewerkschaften zu
einem Instrument des revolutionären Klassenkamp fes werden sollen,
müssen sie offenkundig revolutioniert werden, ihre Führung muss durch
eine revolutionäre ersetzt werden, die Strukturen müssen demokratisiert,
die Aktion der Gewerkschaften muss Teil des Kampfes gegen die
kapitalistische Ordnung werden.
Natürlich sind wir uns der Tatsache bewusst, dass
Revolutionäre erst in vor-revolutionären oder revolutionären Krisen die
Mehrheit der Gewerkschaften erobern können. Sie können und müssen
jedoch die Eroberung der Gewerkschaften und ihre Transformation zu
revolutionären Instru men ten schon heute vorbereiten. Sie können und
müssen auch in nicht-revolutionären Perioden Positionen in den Betrieben
in der Gewerkschafter erringen, als organisierte Strömung wirken und in
einzelnen Kämpfen die führende Rolle übernehmen.
Für diese Tätigkeit wie die Revolutionierung der
Gewerkschaften selbst ist daher die Schaffung einer revolutionären
Arbeiterpartei, einer politischen Organisation der Avantgarde der Klasse,
eine unabdingbare Voraussetzung. Natürlich stellen wir diese Aufgabe der
Arbeit in den Gewerkschaften und im Betrieb nicht entgegen - diese ist
vielmehr selbst Mittel zum Aufbau der Partei.
Aber es bedeutet Folgendes: Die revolutionäre
Organisation muss bewusst und organisiert in den Gewerkschaften und
Betrieben intervenieren, sie muss eigene Organisa tions struk turen der
kommunistischen Gewerk schafter und Gewerkschafterinnen und ihrer
Sympathisanten schaffen.
Dazu bedarf sie einer programmatischen Grundlage, eines
Aktionsprogramms, das sich nicht auf den gewerkschaftlichen Horizont
beschränkt, sondern revolutionären Charakter hat. Das heißt es muss den
Kampf um aktuelle gewerkschaftliche und gewerkschaftspolitische
Forderungen wie den Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie und für die
Demokratisierung der Gewerk schaft zum Ausgangspunkt nehmen und mit der
Frage der Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse
verbinden.
Diese Sichtweise unterscheidet uns von den
verschiedenen zentristischen Strömun gen, die den gewerkschaftlichen
Kampf vom politischen trennen, die Partei- und Gewerk schaftsarbeit als
zwei verschiedene Dinge auffassen. In Wirklichkeit ist für einen Kom
munisten oder eine Kommunistin Gewerk schafts- oder Betriebsarbeit nur ein
spezifischer Ort seiner oder ihrer Parteitätigkeit.
Unser Ziel kann es daher nicht sein, "konsequente
Gewerkschafter" zu werden, wie revolutionäre Politik nie von einem
gewerkschaftlichen Standpunkt ausgehen kann. Es gilt vielmehr die Probleme
und Fragestellungen gewerkschaftlicher Politik vom Standpunkt des
Gesamtinteresses der Klasse, also von dem eines Kommunisten zu betrachten.
Das hat nichts mit der Vernach lässigung ökonomischer Forderungen oder
anderer gewerkschaftlicher Fragen zu tun - es bedeutet aber, diese in
einen größeren politischen Zusammenhang einzuordnen.
Diese Notwendigkeit drängt sich heute vielen
Gewerkschaftern auch "spontan" auf als Resultat der
Veränderungen der kapitalistischen Weltwirtschaft. Wer z.B. verstehen
will, was "Globalisierung" bedeutet, warum profitable Standorte
geschlossen werden usw., wird mit einem rein gewerkschaftlichen Herangehen
an diese Fragen nicht auskommen. Schon gar nicht werden sich daraus
schlüssige Strategien für die Verteidigung der Interessen der gesamten
Arbeiterklasse ableiten lassen. In diesem Zusammenhang drängt sich
ebenfalls fast automatisch die Notwendigkeit der Schaffung einer
internationalen Verbindung zwischen den betrieblichen und
gewerkschaftlichen Aktivisten auf. Doch wenn das für diese Ebene gilt,
warum gilt es nicht auch für die Ebene der Politik? Drängt nicht die
gesamte Entwicklung dazu, dass wir eine neue Masseninternationale schaffen
müssen? Drängt sich nicht die Frage auf, wie kommen wir dahin und welche
politische Grundlage braucht eine solche Internationale?
Vor diesen Fragestellungen scheuen die meisten
Gewerkschaftsoppositionellen zu rück. Aber sie werden deshalb nicht
weniger brennend. Unsere Einschätzung ist klar: Wir brauchen eine neue
Arbeiterinternationale. Wir haben in der gegenwärtigen Situation die
Chance, dass dies eine Masseninternationale wird, die die linken
Strömungen in den Gewerkschaften mit dem anti-kapitalistischen Flügel
der Anti-Globalisierungsbe wegung vereint. Wir sind der Auffassung, dass
eine solche Internationale ein revolutionäres Programm zum Sturz des
Kapita lismus international, zur Errichtung der Diktatur des Proletariats
und zum Übergang zum Sozialismus, zur Errichtung der klassenlosen
Gesellschaft braucht.
All diese Fragen sind nicht einfach Frag en der
"Politik", sondern auch Fragen, die sich all jenen
Gewerkschaftsaktivisten und Aktivistinnen stellen, die nicht nur gegen die
Symptome des kapitalistischen Systems sondern gegen das System selbst
kämpfen wollen.
Eine wirkliche "Gewerkschaftsoppositon" kann
sich daher nicht wie die IVG heute auf einige "rein
gewerkschaftliche" Kritikpunkte an mangelnder gewerkschaftlicher
Demokratie oder ungenügender "ge werkschaftlicher Gegenmacht"
beschränken. Genauso wenig reicht es aus, unverbunden mit solch
immanenter Kritik in der Gewerk schaftsopposition dann auch noch
Diskussionsforen über "Alternativen zum kapitalistischen
System" zu organisieren.
Eine oppositionelle Basisbewegung in den Gewerkschaften
muss eine systemüberwindende, anti-kapitalistische Orientierung mit einem
aktiven, entschlossenen Ein greifen in konkrete Klassenkämpfe verbinden.
In diesem Rahmen ist der Kampf gegen die Aktion und
Bewusstseinsentwicklung des Proletariats hemmende bürokratische
Gewerkschaftsführungen und –Strukturen unerlässlich.
Nur wenn die IVG einen entschiedenen Klärungsprozess
in Bezug auf Aktions orientierung, Orientierung auf den organisierten
Kampf um die Gewerkschaftsführung und um die politische Zielrichtung auf
ein revolutionäres Aktionsprogramm einleitet, kann aus ihr eine
tatsächliche, antibürokratische Gewerkschaftsopposition werden.
Dies ist aber, wie schon gesagt, nicht denkbar, ohne
dass sich nicht zugleich eine revolutionäre, kommunistische Partei in der
BRD bildet, die in diesem Prozess die wesentlich vorantreibende Kraft
spielen muss. Solange dies nicht der Fall ist, kann die IVG nur als (mehr
oder weniger zeitlich begrenzte) Vorform für die Herausbildung einer
Gewerkschaftsopposition gesehen werden, die besonders nach ihrer
Mobilisierungsfähigkeit für konkrete Klassenkämpfe und der
Auseinandersetzung mit der Gewerkschaftsführung darin beurteilt werden
muss.
Um die IVG weiter zu entwickeln, schlagen wir daher
folgende Schritt vor:
1. Wir treten in der Gewerkschaftslinken für
selbständige Kampagne gegen die Angriffe der Regierung ein: aktuell
speziell gegen die Rentenreform. Diese massive Umverteilung zugunsten des
Finanzkapitals wird von der Gewerkschaftsführung letztlich über ihre
Beteiligung am Bündnis für Arbeit gedeckt. Die Kampagne gegen die Renten
reform ist daher ein wesentliches Mittel zum Kampf für den Bruch der
Gewerkschaften mit dem Bündnis für Arbeit und mit der Unterordnung unter
die SPD-geführte Regierung insgesamt. Genauso wesentlich ist es, für
eine selbständige Kampagne der Gewerkschaften gegen Rassismus und
Faschismus einzutreten: Gegen die Volks front politik im Kampf gegen
Faschismus und Rassismus, gegen die politische Unter ordnung der Kampagne
unter die Standortinte ressen der Konzerne (Ansehen im Aus land) und der
Repressionsinteressen des Staates (Verbotslosungen)! Für die Arbeiter ein
heitsfront zur Zerschlagung des Faschis mus und im Kampf gegen den
Rassismus!
2. Wir treten dafür ein, dass örtlich
handlungsfähige Strukturen der Gewerkschafts linken geschaffen werden,
die allen Gewerkschaftsaktivisten offen sind und zur Umsetzung von
Kampagnenschwerpunkten wie zur politischen Diskussion usw. dienen. Allen
politischen Gruppierungen und Orga nisationen, die den Aufbau einer
Vernetzung unterstützen, muss das uneingeschränkte Recht auf
Propagierung ihrer Ansichten zugestanden werden. Arbeitslosen Gewerk
schaftern muss das volle Recht auf Teilnahme und das gleiche
Entscheidungsrecht von Beginn an zugestanden werden. Wir erachten das für
notwendig, damit die Gewerkschaftslinke aufhört, bloß ein Bündnis oder
Diskussionsverein von Linken in den Gewerkschaften zu sein, sondern zu
einer wirklichen Basisbewegung mit Verankerung und stetigem Rückfluss zu
betrieblichen Aktivisten wird. So kann am besten gewährleistet werden,
dass eine breite und offene Diskussion über gegensätzliche Standpunkte
und Programme stattfindet und zwar vor und in Beziehung der Basis.
3. Wir treten für die Demokratisierung der
Gewerkschaften ein. Das ist ein unabdingbares Kampfmittel gegen die
Bürokratie. Gleichzeitig agieren wir in dem klaren Bewusstsein, dass eine
wirkliche Demokra tisierung erst möglich sein wird nach Entmachtung der
Bürokratie selbst. Ebenso ist ein entschlossener Kampf gegen alle Formen
von Rassismus, Frauenunterdrückung und Benachteiligung von
Nicht-"Normalbeschäftigten" (bzw. Arbeitslosen) in den
bestehenden Strukturen der Gewerkschaften notwendig, wenn die bornierte,
arbeiteraristokratische soziale Basis der Bürokratie ernsthaft
erschüttert werden soll.
4. Wir treten vom Beginn an für den Aufbau einer
internationalen Verbindung zwischen den Gewerkschaften respektive den
Gewerkschaftsoppositionellen ein. Dazu sollen internationale
Aktionskonferenzen von Vertretern aus verschiedenen Branchen einberufen
und Kampagnen beschlossen werden (z.B. für eine internationale Auto
mobilarbeiterkonferenz). Wir treten konkret dafür ein, dass der erste Mai
2001 zu einem internationalen Aktionstag der Gewerk schaften wie der
gesamten anti-kapitalistischen Bewegung wird. In allen Ländern, wo der 1.
Mai kein Feiertag, ist treten wir für Massenstreiks ein, um ihn zu einem
Aktionstag zu machen. In der BRD und Öster reich muss der 1. Mai wieder
zum Kampftag der Arbeiterklasse werden!
5. Wir brauchen eine offene und uneingeschränkte
Diskussion über die zukünftigen Strukturen und das politische Programm
einer gewerkschaftlichen Opposition in der BRD wie international. Sie muss
allen politischen Gruppierungen, die das Ziel der Schaffung einer
gewerkschaftlichen und betrieblichen Basisbewegung gegen die Bürokratie
verfolgen, offen stehen. Foren zur Auseinandersetzung müssen geschaffen
oder erweitert werden und müssen allen Teil nehmern für Beiträge und
Entwürfe geöffnet werden (z.B. das labournet).
In einem solchen Rahmen werden wir ein revolutionäres
Aktionsprogramm für die Gewerkschaften vorlegen, für das wir in der
Gewerkschaftslinken wie in den Gewerkschaften überhaupt eintreten.