Rentendeform 2000

Jürgen Roth
Die von der rot/grünen Regierung geplante Rentenreform stellt einen erneuten Angriff auf wichtige Errungenschaften der Arbeiterbewegung dar. Es ist kein Zufall, dass die ersten staatlichen Rentenregelungen aus einer Zeit stammen, in der die damals sozialdemokratische Arbeiterbewegung erstarkt und durch die Repressionen des Sozialistengesetzes nicht klein zu kriegen war. Was Bismarck damals mit der Peitsche nicht schaffte, erhoffte er durch das “Zuckerbrot” sozialer Zugeständnisse zu erreichen.
Wie andere Errungenschaften des “Sozialstaats” ist auch die Rentenversicherung Ergebnis von Klassenkämpfen. War es vor Jahren noch die Sozialdemokratie, die soziale Reformen als angeblich einzigen Zweck des Klassenkampfes rühmte, so ist es heute die SPD selbst, die die Unhaltbarkeit des bisherigen Rentensystems verkündet und zum Sturm auf das bisherige System bläst.
Dabei führt die Regierung verschiedene Argumente an, um ihren Angriff als Sachzwang darzustellen. Aus der höheren Lebenserwartung und der damit verbundenen “Überalterung” der Gesellschaft entstünde eine Situation, in der immer weniger Beschäftigte immer mehr Rentner finanzieren müssten. Eine moderne Gesellschaft müsse durch weniger staatliche Versorgungsmentalität und mehr Eigenverantwortung geprägt sein usw. usf.
Was ist von solchen Argumenten – die im Übrigen auch von anderen bürgerlichen Parteien, dem Kapital und den Medien geteilt werden – zu halten?
Überalterung?
Dass Menschen immer älter werden ist eine Tendenz, die bereits seit der Menschwerdung wirkt. Sicher ist durch bessere soziale Bedingungen (selbst Resultat des Klassenkampfes) die Lebenserwartung seit dem Einsetzen des Nachkriegsbooms deutlich gestiegen, eine neue Erkenntnis ist dies aber nicht. Gleichzeitig ist es ein charakteristisches Merkmal der kapitalistischen Ökonomie seit Anfang der 1970er Jahre, dass Massenarbeitslosigkeit zur Dauererscheinung auch in der “Hochkonjunktur” wurde.
Das führt dazu, dass relativ gesehen tatsächlich immer weniger Erwerbstätige immer mehr Nicht(mehr)erwerbstätigen gegenüberstehen. Im Kapitalismus würde das bei gleichbleibendem Rentenniveau zweierlei bedeuten: Entweder müssen die Lohnabhängigen mehr Anteile ihres Lohnes für Rentenzahlungen abgeben oder aber der Unternehmer muss einen größeren Teil seines Profits dafür abgeben.
Das Eine wie das Andere trifft aber auf den Widerstand der betroffenen Klasse. Um es vorwegzunehmen: die Regierung kürzt natürlich nicht das Einkommen der Unternehmer. Was jedoch in all den seriösen Rentenmodellvorschlägen nicht erwähnt wird, ist das eigentlich Entscheidende – das Verhältnis zwischen dem Rentenniveau und dem von den Lohnabhängigen geschaffenen Mehrprodukt der Gesellschaft oder mit anderen Worten der Arbeitsproduktivität.
Ein Blick auf die Statistik genügt jedoch, um festzustellen, dass die Arbeitsproduktivität auch in Deutschland in den letzten Jahren schneller gestiegen ist, als der Umfang der Rentenleistungen (ein gleichbleibender Rentendurchschnitt vorausgesetzt). Was sich daraus ergibt, ist nicht eine Überalterung der Gesellschaft oder eine Unfinanzierbarkeit der Renten, sondern eine gewaltige Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zugunsten der Kapitalisten.
Die geringen Lohnsteigerungen der letzten Jahre oder sogar deren teilweise Stagnation bei gleichzeitiger Absenkung der Steuern und Abgaben der Unternehmen machen diese Umverteilung deutlich. Schauen wir uns den jüngsten Einnahmecoup Eichels mit fast 100 Mrd. Mark aus der UMTS-Versteigerung an, so sehen wir, dass auch dieser warme Geldregen nicht etwa für die Renten, sondern für die Tilgung der Staatsschulden an private Banken – also an die Bourgeoisie – verwendet wird.
Natürlich versucht die Regierung Schröder, ihrer Vorgängerin soviel Schuld wie möglich unterzuschieben. So kritisiert sie an der Rentenpolitik der Kohl-Regierung die häufigen Rentensteigerungen unterhalb der Inflationsrate. Diese waren aber kein Produkt Blümscher Anpassungen, sondern Ergebnis entsprechend niedriger Nettolohnsteigerungen. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als die Nettolöhne wieder etwas stärker als die Inflationsrate steigen, werden die Renten von der “rot”-grünen Koalition zum Zwecke der Haushaltssanierung von der Lohnentwicklung abgekoppelt - gerade wegen der “rot”-grünen Rentenpolitik steigen die Renten schwächer als die Preise!

Vor der Wahl versprach Schröder, dass die Renten wieder dem Nettolohnniveau folgen. Wie versprochen, so gebrochen. Zumindest in diesem Jahrzehnt werden die Renten nicht mehr entsprechend der Nettolohnentwicklung erhöht: in den Jahren 2000 und 2001 orientiert sich die Rentenerhöhung an der Preissteigerungsrate des jeweiligen Vorjahres; 2002 bis 2009 bleibt die Erhöhung wegen der anpassungsmindernden Berücksichtigung des Privatvorsorgebeitrags jährlich um 0,5%-Punkte hinter den Nettolöhnen zurück; eine evtl. Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung wird den Rentnern nicht zugute kommen.
Ein wichtiges Argument für die Rentenreform ist die Entlastung der jüngeren Generation. Nach Berechnungen von Riesters Ministerium im Sommer 1999 wäre zur Finanzierung eines gleichbleibenden Nettostandardrentenniveaus von 70% im Jahre 2030 ein Beitragssatz von ca. 26% erforderlich, paritätisch zu 13% aufzubringen. Die Rentendeform 2000 lässt den Gesamtvorsorgebeitrag der “Arbeitnehmer” mehr als 20 Jahre früher noch in diesem Jahrzehnt die 13%-Marke übersteigen!
Gerade die jüngere Generation der Lohnabhängigen käme die Demontage der sozialen Rentenversicherung sehr viel früher sehr viel teurer zu stehen: sie soll im Jahr 2030 sogar 15% zahlen!
Seit April 1998 leistet der Bund einen Zuschuss zur pauschalen Abdeckung nicht beitragsgedeckter Leistungen - noch in der Ära Kohl mit Zustimmung von SPD und GRÜNEN beschlossen. Über die seither von 15% auf 16% erhöhte Mehrwertsteuer wurde der Beitragssatz bei 20,3% stabilisiert. Seit Juni 1999 zahlt der Bund direkte Beiträge für Kindererziehungszeiten. Der Beitragssatz konnte ab April 1999 auf 19,5% absinken. Finanziert wird das durch die 1. Stufe der Ökosteuer, also aus Mitteln, die der Massenkaufkraft entzogen werden. Seit Januar 2000 finanziert der Bundesetat aus den weiteren Stufen der Ökosteuer einen sogen. Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss - der Beitragssatz fiel auf 19,3%.
Was bedeuten diese Maßnahmen? Über die Erhöhung allgemeiner, indirekter Verbrauchssteuern subventioniert die Masse (Lohnabhängige, Rentner, Erwerbslose, Schüler und Studenten etc.) schon heute die Entlastung der Unternehmer bei der Rente um ca. 1,1 bzw. 1,6 (2003) Prozentpunkte!
Rot/Grün = kleineres Übel?
Die Rentner werden für ihre gestiegene Lebenserwartung unter Schröder stärker als gemäß der “Blüm-Reform” bestraft! Berechnungen des Bundesministeriums für Arbeit kommen zu dem Schluss, dass der aktuelle Rentenwert (= monatlicher Bruttorentenanspruch des Durchschnittsverdieners für ein Jahr Beitragszahlung) bei um zwei Jahre hinausgeschobenem Inkrafttreten der “Blüm-Reform” bis 2030 stärker als nach dem “rot”-grünen Konzept steigen würde. Riester bedient sich eines Rechentricks, um das Nettorentenniveau (= Netto-Standardrente geteilt durch durchschnittliches Nettoarbeitsentgelt; heute = 70,9%) bis 2010 “nur” auf 68,3% abzusenken. Dabei zieht er den privaten Vorsorgebeitrag (ca. 250 DM) vom Entgelt ab; ohne das beliefe sich das Niveau auf nur noch 64,0%! Hierbei sind noch nicht die den Rentnern durch die Lappen gehenden evtl. Steuer- und Sozialabgabenerleichterungen der “Arbeitnehmer” berücksichtigt, die das Bild noch verschlechtern würden.
Trotz Aussetzung des Demographie-Faktors liegt die Riester-Rente schon heute genau so niedrig wie die von Schröder “unständig” genannte Blüm-Rente; die Differenz am 1. Juli 2000 betrug 2,58 DM (0,1%). Dafür sorgt die neue Rentenanpassungsformel.

Die Altkoalition hatte mit ihrem Demographie-Faktor eine Senkung des Rentenniveaus auf perspektivisch 64% angepeilt. Nach der “Riester-Methode” wird es langfristig viel dramatischer auf 54% sinken, weil ein sogen. Ausgleichsfaktor die gesetzliche Rente um die Hälfte einer hypothetischen Privatrente kürzt. Privatvorsorge führt bei “Rot”-Grün unmittelbar zu einer Rentenkürzung! Bei einem Nettorentenniveau von 54% (nach ehrlicher Rechnung 50%) erhielte ein heutiger Durchschnittsverdiener nach 45 Beitragsjahren 2050 eine monatliche Nettorente von rd. 1560 DM (bzw. 1440 DM), die einem geringfügig besseren Sozialhilfeniveau entspräche.
Den Rentenzugängen des Jahres 2030 suggeriert die Koalition ein Versorgungsniveau von 74,38%. Der gesetzliche Standard läge dann aber bei nur noch 62% - geschönt (siehe oben)! Beim Standardrentner (West) liegt heute die Gesamtversorgung aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Rente zwischen 75% und 80%. Die vermeintlich zusätzliche Privatvorsorge im neuen Konzept erweist sich also nicht als Ergänzung der Alterssicherung, sondern teurer Ersatz für bislang paritätisch finanzierte und künftig drastisch gekürzte Sozialleistungen.
Das Berliner Koalitionskonzept für die Privatvorsorge beschränkt diese auf die Absicherung des Einkommensrisikos im Alter mit der einzigen Anforderung, dass die eingezahlten Beiträge als Mindestleistung garantiert werden. Im Unterschied zur gesetzlichen RV führen hier Zeiten z.B. der Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Kindererziehung unmittelbar zu Verlusten bei der Anwartschaft wegen Lücken bei der Prämienzahlung. Bei Invalidität oder für Hinterbliebene schmelzen die Leistungen auf ein Minimum zusammen, sofern sie überhaupt erbracht werden. Frauen erhalten bei gleicher Prämienzahlung eine geringere Privatrente als Männer (sogen. “schlechte Risiken”). Von Rehabilitationsschutz (Kuren) und Ausgleich für Zeiten ehrenamtlicher Pflege gar nicht zu reden. Privatvorsorge kennt keine Parität bei der Finanzierung - und keinen Solidarausgleich bei den Leistungen! Die Zusatzbelastungen liegen allein auf den Lohnabhängigen, die Unternehmer kommen ungeschoren davon.
“Wir verhindern verschämte Altersarmut”, tönte Riester noch im November 1999. Doch die Fakten sehen anders aus. Wer nur 75% des Durchschnittsentgelts verdient, muss schon heute 35 Jahre eingezahlt haben, um das Sozialhilfeniveau von knapp 1200 DM zu erreichen; bei einem auf 62% (54%) abgesenkten Rentenniveau wären sogar 40 (46) Jahre nötig.

Riester redet einer steuer- und sozialabgabenfreien Gehaltsumwandlung von 4% des beitragspflichtigen Entgelts (Privatvorsorgebeitrag ab 2008) der “Arbeitnehmer” das Wort. Dies würde die RV derzeit 12 Milliarden DM Beitragsverlust kosten. Der ehemalige 2. Vorsitzende der IG Metall plant also eine stärkere Senkung des Rentenniveaus als Norbert Blüm plus die Kürzung der künftigen Zugangsrenten (Neurenten) um die Hälfte einer fiktiven Privatrente und fordert zudem zur “Entgeltflucht” aus der Sozialversicherung auf. Was trotz aller Anstrengungen die unionsgeführte Regierung nicht fertig brachte, die reformistischen Sozialverräter im Bündnis für Armut - pardon: “Arbeit” - sind drauf und dran, die soziale Rentenversicherung abzutakeln!
Fazit
Die vorgesehene Reform des Rentensystems entpuppt sich nicht als Fortschritt, sondern als sozialer Rückschritt für die Masse der Bevölkerung. Er ist Teil der seit Jahrzehnten laufenden Umverteilung von unten nach oben. Konkret bedeuten Riesters Pläne:

Das Leistungsniveau der Staatlichen Rrentenversicherung (SRV) sinkt für Zugangs- und Bestandsrenten, mit oder ohne Private Rentenversicherung (PRV).PRV kennt keine Unternehmerbeiträge
Die Gesamtbelastung der Lohn- und Gehaltsempfänger liegt höher als unter Beibehaltung des heutigen Leistungsspektrums
Die Zusatzbelastung setzt zeitlich sehr viel früher ein
PRV kennt keine Solidarität
Sicherungslücken im Alter vergrößern sich
BU/EU steht keine adäquate Zusatzsicherung zur Seite
Selbst bei langjähriger Beitragszahlung verkleinert sich der Abstand zwischen gesetzlicher Rente und Sozialhilfe.

Einzige Gewinner: die privaten Finanzdienstleistungskonzerne - ihnen winken blühende Geschäfte - und die “Arbeitgeber” - ihre Beitragsentlastung zahlen wie bei der “Großen” Steuerdeform Arbeiter und Angestellte.
Johannes Steffen zieht den Plänen der gegenwärtigen Bundesregierung die Aufrechterhaltung einer lebensstandardsichernden Rente mit einem paritätisch finanzierten Beitragssatz von rd. 26% im Jahre 2030 vor. In diesem Punkt unterstützen wir ihn - wenn auch kritisch. Er “vergisst” anzugeben, wie und gegen welche Widerstände diese Forderung durchgesetzt werden soll. Zudem hat er eine statische Sichtweise: wie kann er angesichts der Turbulenzen des Kapitalismus davon ausgehen, damit sei 2030 der Lebensstandard gesichert?
Am 23. September haben die Jugendorganisationen von IG Metall, DPG, HBV und IG Medien zu einem bundesweiten Aktionstag und zu einer Demonstration in Berlin unter dem Motto “Her mit dem schönen Leben” aufgerufen. Dem Aktionstag wird am 22./23.9.2000 dort auch eine Halb-Zeit-Konferenz” vorausgehen, zu der neben der Gewerkschaftsjugend verschiedene linke Organisationen aufgerufen haben. Eine Vollmobilisierung von DGB, DGB-Jugend, Vertrauensleutekörpern, Schüler- und Studierendenvertretungen, Arbeitslosen- und Sozialinitiativen sowie linken Parteien und Gruppierungen wäre nicht nur dort, sondern zur gleichen Zeit und in der anschließenden Woche in Prag, wo sich beim Gipfel von IWF und Weltbank die Protagonisten des Sozialabbaus versammeln wollen, angebracht, um einen heißen Herbst zur Verhinderung der Rentenpläne und zur Rücknahme aller Kürzungen unter “Rot”-Grün einzuleiten. Die Demo wird von der Gewerkschaftsführung im Schulterschluss mit ihren Parteifreunden in der Bundesregierung nur als Manöver zum Dampf ablassen betrachtet anstelle als ersten Schritt, dem weitergehende Kampfmaßnahmen zu folgen hätten!

Im Grunde können nur massive politische Streiks die bevorstehende Verabschiedung der Rentenreform verhindern. Wenn es nicht gelingt, massive Aktionen zu organisieren, wird die Arbeiterklasse nicht nur einen erneuten tiefen Einschnitt in das soziale Netz hinnehmen, sondern sich auch erneut kampflos den Angriffen und Manövern ihrer verräterischen Führer aus der SPD im Bunde mit der DGB-Spitze ergeben müssen. Als Antwort auf die Demagogie der Rentenreformer müssen Belegschaftsversammlungen durchgeführt werden, auf denen der Charakter der Angriffe und praktische Mobilisierungen diskutiert werden. Die Gewerkschaftsmitglieder sollten für die Einberufung von Gewerkschafts
versammlungen bis hin zu außerordentlichen Branchenkongressen wirken, die gegen die Rentenpläne protestieren und für Gegenaktionen mobilisieren. Ein erster Schritt zu diesen Maßnahmen kann eine Unterschriftensammlung im Betrieb, in der Gewerkschaft in SPD und PDS gegen die geplante Reform sein.
Eine Mobilisierung der Arbeiterbewegung wäre auch wichtig, um gegen die reformistische Untugend des “Unpolitischseins” der Gewerkschaften anzugehen. So wie die Renten (bisher) an die Löhne gekoppelt sind, so sind die Interessen aller Rentner und (ehemaligen) Lohnabhängigen mit der Arbeiterklasse verbunden.
Unter dem Eindruck einer begreiflichen Wut an der Basis (Beschluss von 300 Betriebsräten auf einer “Aktionskonferenz” in Frankfurt/Main Ende Juni zur Durchführung von “Informations- und Aktionstagen”) suchte IG Metall-Chef Zwickel aus Angst, die Formen des Widerstands gegen Riesters Rentenpläne könnten den Gewerkschaftsspitzen aus dem Ruder laufen, das Spitzengespräch beim Kanzler. Anders als von Zwickel danach behauptet, “ist Riester den Gewerkschaften weniger entgegengekommen, als es zunächst den Anschein hatte.” (FAZ v. 5.7.2000) Die Rentenleistungen wurden gegenüber dem ursprünglichen Entwurf nicht erhöht, sondern nur die Berechnungsgrundlage in Form eines von vornherein geringeren Nettoeinkommens. “Die Untergrenze für Rentner, die 2030 in Rente gingen, liege danach eher bei 61% als bei den zugesagten 64%”. Rechentricks wie gehabt - kein Anlass zur Entwarnung!


Rot/grüne Rentenpläne
Beitragssatz: als Obergrenze für den Beitragssatz zur Rentenversicherung werden 20% (bis 2020) bzw. 22% (bis 2030) festgeschrieben. Droht der Beitragssatz diese Grenzen zu übersteigen, werden die Leistungen weiter gekürzt.
lPrivatvorsorge: ab 2001 sollen alle “Arbeitnehmer” neben den üblichen Beiträgen einen allein von ihnen zu finanzierenden Privatvorsorgebeitrag von 0,5% ihres Bruttoverdienstes aufbringen; dieser Satz steigt jährlich um 0,5%-Punkte auf 4,0% im Jahre 2008. Niedrigverdiener (zu versteuerndes Jahreseinkommen bis 35000 bzw. 70000 DM ledig bzw. verheiratet) sollen bis zu 50% des Privatbeitrags - maximal jedoch 400 DM jährlich - an staatlicher Förderung erhalten.
Ausgleichsfaktor: die Privatvorsorge soll sich jährlich zu durchschnittlich 5,5% verzinsen - darauf gibt es natürlich keine staatliche Garantie. Garantiert ist nur die dauerhafte Kürzung jeder gesetzlichen Neu-Rente um die Hälfte der so errechneten fiktiven Privatrente - unabhängig davon, ob tatsächlich kontinuierliche Privatvorsorge betrieben wurde und die fiktive Verzinsung tatsächlich erreicht wird.
Rentenanpassung: ab 2002 tritt eine neue Rentenanpassungsformel in Kraft. Die Renten folgen dann nicht mehr den Nettolöhnen. Senkungen der Lohn- und Einkommensteuer oder bei den Sozialversicherungsbeiträgen (Ausnahme: Rentenversicherungsbeitrag) werden nicht mehr an die Rentner weitergegeben; der ab 2001 eingeführte (fiktive) Privatvorsorgebeitrag mindert die Rentenanpassung (er wird rechnerisch wie eine Erhöhung des “Arbeitnehmer”anteils zur Sozialversicherung behandelt; das Niveau der Bestandsrenten, aber v.a. künftiger Zugangsrenten wird sinken.
Altersarmut: die versprochene soziale Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit wird es nicht geben; lediglich ein erleichtertes Verfahren bei der Sozialhilfe für über 65-Jährige ist vorgesehen.
Hinterbliebenenrenten: für neu geschlossene sowie für bestehende Ehen (wenn hier beide Partner jünger als 40 Jahre sind) sinkt die Hinterbliebenenrente von heute 60% auf 55% der Rente des Verstorbenen - für Kinder soll es Zuschläge geben. Der Freibetrag für die Einkommensanrechnung wird eingefroren. Erstmals werden sämtliche Einkommensarten angerechnet, also auch aus privater Altersvorsorge und sonstigem Vermögen.
Mütter: Niedrige Entgelte während der sogen. Kinderberücksichtigungszeit bis zum 10. Lebensjahr des Kindes. Sie sollen um 50% auf maximal 100% des Durchschnittsentgelts aufgewertet werden unter Vorbedingung der Wartezeiterfüllung von 35 Jahren.
Berufs-/Erwerbsunfähigkeitsrenten, Schwerbehinderte: die sogen. konkrete Betrachtungsweise (Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage) soll für die Entscheidung über Erwerbsminderungsrenten beibehalten werden. Die Zurechnungszeit wird bis zum 60. Lebensjahr verlängert. Heute 40jährige und Ältere können auch künftig eine BU-Rente erhalten. Sonst bleibt alles so, wie es schon die Altkoalition im RRG 1999 beschlossen hatte: z.B. Anhebung der Altersgrenze für Schwerbehinderte von 60 auf 63 Jahre; Abschläge von 10,8% bei Erwerbsminderung vor vollendetem 60. Lebensjahr; Kürzung einer evtl. Hinterbliebenenrente um 10,8% bei Ableben des Versicherten vor vollendetem 60. Lebensjahr).
Versicherungslücken: z.B. durch Verzögerung der erstmaligen Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit wegen Arbeitslosigkeit oder Krankheit sollen geschlossen werden (Berücksichtigung als beitragsfreie Zeiten).