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    Tarifrunde 2002:

    Zwickel und andere Eiertänzer

     

    Frederik Haber

     

    Im Jahr 2001 fanden nur in wenigen Branchen Lohn- und Gehaltsrunden statt. Umso heftiger und früher setzte der publizistische Schlagabtausch für die nächste Runde ein. Das hatte seinen Grund. Die Enttäuschung vor allem der Metaller über die miese Erhöhung von 2,1% für 2001. Das lag unterhalb der Inflationsrate, während die Konzerne gerade in der ersten Jahreshälfte mit dicken Gewinnsteigerungen prahlten.

    Diese Enttäuschung sorgte sogar in den abgedichteten Kanälen des Gewerkschafts-Apparates für erhöhten Druck. Zwickel sprach schon im Sommer öfters mal von einer kräftigen Erhöhung, der Bezirksleiter von Bayern, Neugebauer, sprach im August von 14%. Seitdem wird zurückgerudert.

     

    Das deutsche Kapital will nämlich nicht. Das ist entscheidend. Es wäre falsch, markige Worte von Gewerkschaftsführern als Mobilisierungsaufruf an die Massen misszuverstehen. Es sind Appelle an das Kapital, doch auch etwas abzugeben, damit der bürokratische Apparat zumindest seine Kontrolle über die Klasse aufrecht erhalten kann.

     

    Das Kapital will nicht und das aus mindestens drei Gründen. Erstens hat der Reallohnverzicht der letzten Jahre die Offensive des deutschen Kapitals auf dem Weltmarkt ganz gut unterstützt. Die Lohnstückkosten sind gegenüber den wichtigsten Konkurrenten gefallen und die schönen Gewinne konnten eingesetzt werden, und die niedergerungene Konkurrenz gleich aufgekauft. Warum sollte das Kapital etwas ändern wollen?

     

    Zweitens stehen Europa und die USA am Beginn einer Rezession. Der Konkurrenzkampf verschärft sich, einige Kapitalisten werden aufgeben müssen. Also: keinen Euro zuviel ausgeben und die Arbeiterinnen und Arbeiter auf neue Belastungen und Entlassungen vorbereiten! Eine kräftige Lohnerhöhung wäre hier doch wirklich das falsche Signal.

     

    Drittens brechen neue Zeiten an. Schröder hat das Ende der Nachkriegszeit angekündigt. Als Anfang November die IG-Metall-Spitze endlich was Gutes tat und ein Ende der Bombardierung Afghanistans forderte, wies der Kanzler das nicht nur scharf zurück. Er stellte der Gewerkschaft einfach das Recht in Frage, sich überhaupt zu äußern. Sie solle sich um ihre Mitglieder kümmern und die Finger von der Außenpolitik lassen, davon verstehe sie nichts. Das war die Art, wie der Basta-Kanzler sich Demokratie vorstellt. Ein paar Tage zuvor hat er in China gezeigt, wie Außenpolitik geht. Er hat persönlich mehrere neue Werke deutscher Konzerne eingeweiht. Zukünftige Außenpolitik heißt für ihn, neben diese Werke der deutschen Konzerne deutsche Soldaten zu stellen. Es kann nicht länger sein, dass die US-amerikanische Konkurrenz besser geschützt ist. In Zeiten, in denen deutsche Kapitalinteressen in der Welt deutlicher ausgesprochen und durchgesetzt werden sollen, passen kräftige Lohnerhöhungen nicht!

     

    Während der Kanzler schon die nächste Runde des „Bündnis für Arbeit“ vorbereitet, um diese Politik den Gewerkschaftschefs klarzumachen, quälen sich diese unter dem Druck aus zwei Richtungen. Dem der Mitglieder aus den Betrieben steht der Druck des Kanzlers gegenüber, der nicht nur die Interessen der Kapitals vertritt, sondern zugleich verlangt, dass die Gewerkschaftsführer das positiv ihrer Mitgliedschaft vermitteln, so positiv zumindest, dass Schröders Wiederwahl gesichert ist.

     

    Zwickels Geniestreich

    Vor zwei Jahren sah die politische Regie vor, mit einer zweijährigen Runde und niedrigen Abschlüssen den Unternehmen soviel Gewinne zu verschaffen, dass vor der Bundestagswahl eine „kräftige“ Erhöhung möglich ist und eitel Sonnenschein allenthalben dem Kanzler eine neue Mehrheit beschert. Wenn eine Runde in zwei Jahren möglich ist, können es doch auch mal zwei Runden in einem Jahr sein. Die Begründung Zwickels, die wirtschaftliche Entwicklung sei nach dem 11. September nicht vorhersehbar ist reine Demagogie. Mit dem Voraussehen hatte er es beim zweijährigen Abschluss auch nicht so besonders,...vor dem 11. September.

     

    Jeder weiß, dass die IG Metall keine zwei Tarifrunden in einem Jahr ernsthaft durchführen wird. Eine Runde, die für die Beschäftigten einen echten Reallohnzuwachs bringt, wäre schon viel. Zwickels Trick zielt darauf ab, mit der Vertröstung auf eine heiße Runde nach der Wahl, jetzt die Konflikte innerhalb der IG Metall zu entschärfen und eine Eskalation in Richtung Streik unter allen Umständen zu vermeiden. In diesem Sinne denken die sozialdemokratischen Gewerkschaftsbürokraten über eine Einmalzahlung im Frühjahr nach, damit ein Abschluss, der sich auf den Ecklohn auswirkt auf das Jahresende 2002 verschoben werden kann.

     

    Man muss es wirklich als Ausdruck der Ratlosigkeit ansehen, wenn die Spitzen der IG Metall derart dumme Tricks versuchen, die bislang auch niemand als praktikabel ansieht.

     

    Berthold Huber, Bezirksleiter von Baden-Württemberg, hat einen anderen Plan. Er befürwortet die „ertragsabhängige Komponente“. Er glaubt, dass weite Teile der IGM auch mit 2-3 % abgespeist werden können und will denjenigen, die ihn am meisten unter Druck setzen, die Belegschaften aus den Großbetrieben, das mit einer Sonderprämie versüßen: Je nach Ertragslage sollen diese Firmen mehr Lohn bezahlen. Dieses Konzept ist ein Sprengsatz für den Flächentarif. Entsprechend harte Reaktionen kommen aus dem ganzen Land. Pech auch für Huber, dass die IGM-Vertrauensleute bei Porsche und DaimlerChrysler und in fast allen anderen Großbetrieben in Baden-Württemberg dies ablehnen. Nur einige Gesamt-Betriebsratsfürsten stehen hinter Huber. Seine Kalkulation zielt darauf ab, dass es den Belegschaften später egal ist, wie sich ihre Lohnerhöhung zusammensetzt, auch auf Kosten einer Aushöhlung des Flächentarifs. Huber nimmt dabei in Kauf, dass sich der Einfluss der IGM im Betrieb über die Vertrauensleute weiter zersetzt und durch einen Medienpopulismus ersetzt wird: Flächentarifvertrag egal, Huber holt für euch die Kohle.

     

    Aber auch Hubers Rechnung geht nicht auf. In den Betriebsräten gibt es genügend Erfahrungen, dass es völlig unmöglich ist, die Erträge in den Betrieben festzustellen, die in einem weltweiten Konzern verbunden sind. Selbst die Offenlegung aller Bücher der Betriebe innerhalb eines Landes wäre nicht ausreichend. Die Preisgestaltung für Bauteile, die innerhalb eines Konzerns verrechnet werden, müsste nicht nur überwacht, sondern von Arbeiterkommissionen aus allen beteiligten Werken festgelegt werden, nicht von den Finanzjongleuren in der zentralen Holding. Das will Huber natürlich nicht. Und die Finanzjongleure haben manchmal nur Alpträume darüber.

     

    Die AG Tarifpolitik der „Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken“ (IVG) hat sich auf ein aktives Eingreifen zur anstehenden Tarifauseinandersetzung verständigt. Sie will den Rahmen der bisherigen Politik der IVG sprengen. Die passive Kommentierung der aktuellen Themen am Rande der gewerkschaftlichen Organisation soll endlich überwunden werden. Der zentrale Ansatzpunkt der AG Tarifpolitik liegt bei der gewerkschaftlichen Organisation im Betrieb, den Vertrauensleuten. Sie müssen in die Lohnrunde entschlossen eingreifen. Mit Forderungen von 10 %, mindestens 200 Euro, sofortige Angleichung der Löhne und Gehälter im Osten auf Westniveau und gegen alle Öffnungsklauseln versucht die AG die Vertrauensleute zu mobilisieren, den Druck aus den Betrieben gegen Zwickel, Huber und Konsorten zu verstärken. Dies beinhaltet die konsequente Verteidigung des Flächentarifvertrags. Die Arbeiterinnen und Arbeiter aus kleinen und mittleren Unternehmen dürfen nicht benachteiligt werden, einer Spaltung in der Klasse muss energisch entgegengetreten werden. Wir unterstützen diese Orientierung der AG mit allen Kräften. In diesem Sinne werden Kommunisten immer die Interessen der Gesamtarbeiterklasse vertreten.

     

     



     

     

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