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6,5%!
Kein Cent weniger! Alle
in den Streik! Frederik
Haber Drei
Wochen im April haben die politische Landschaft verändert. Hunderttausende
MetallerInnen haben die Arbeit niedergelegt, beteiligten sich an Kundgebungen
und Demos. Fast überall war die Beteiligung besser als in den letzten Jahren
und besser, als die Verantwortlichen erwartet hatten. Anders
als früher wurden die Bezirksleitungen und der Hauptvorstand der IG Metall mit
Resolutionen überschüttet, die ein Festhalten an den 6,5% forderten und die
Bereitschaft zu Urabstimmung und Streik bekundeten. Am
19. April erklärte die Große Tarifkommission der IG Metall in Baden-Württemberg
die Verhandlungen für gescheitert. Sieben Verhandlungen und zuletzt noch ein
Spitzengespräch haben keinen Kompromiss gebracht, den Zwickel und Co. der Basis
hätten zumuten können. Es war Bewegung in der Klasse, die stärker war als die
bürokratischen Apparate. Das
Misstrauen gegenüber der Führung ist höher als bei vergangenen Tarifrunden.
Und es ist berechtigt! Die MetallerInnen haben ihre eigenen Erfahrungen mit
ihrer Gewerkschaftsführung gemacht. Diese hatte in den Neunzigern einen ganzen
Katalog entwickelt, wie Tarifergebnisse geschönt werden können: verlängerte
Laufzeiten, Teile der Lohnerhöhung, die nur in einem Jahr ausgezahlt werden,
Verbesserungen an einer Stelle werden mit Verschlechterungen an anderer bezahlt
... Die
Manöver der Bürokratie - Verhandlungen am Wochenende, Spitzengespräche,
Schlichtungen - liefen immer darauf hinaus, die Mitglieder aus der
innergewerkschaftlichen Willensbildung auszuschließen. Lange
hat sich das steigende Misstrauen in die eigene Führung in Austritten,
Resignation und Rückzug von gewerkschaftlicher und politischer Aktivität
ausgedrückt. Das ändert sich nun offenbar und kann nur einen Grund haben: Das
Selbstbewusstsein und das Vertrauen in die eigene Kraft wächst. Es gibt nicht
mehr nur die Möglichkeit, Mitglied zu sein oder auszutreten; man kann als
Mitglied auch für die eigene Meinung kämpfen! Das ist der Nährboden für die
Formierung einen klassenkämpferischen Basisbewegung, die sich auf aktive
GewerkschafterInnen und Vertrauensleute stützt und gegen die
sozialdemokratische Bürokratie und für eine neue Führung kämpft. Wie kann
eine solche Bewegung geschaffen werden? Mobilisierung
der Basis Gewerkschaften
sind Massenorganisationen, deren Wert sich in der Aktion, in der Praxis und
nicht in erster Linie in Programmatik und Beschlüssen erweist. In der IG Metall
wurde z.B. nie beschlossen, in den Betrieben Comanagement zu betreiben oder sich
der Standortlogik zu unterwerfen. Geschehen ist das aber überall. Eine
neue klassenkämpferische Führung wird die Ablehnung der Standortpolitik nicht
nur politisch-programmatisch vertreten müssen - sie wird sie in der Praxis
beweisen und umsetzten müssen. Über
Jahre sind die MetallerInnen, vor allem die engagierten Vertrauensleute, damit
konfrontiert worden, dass die IG Metall immer weniger leistete, was
Gewerkschaften innerhalb des kapitalistischen Systems mindestens leisten müßten
- die Verkaufsbedingungen der Ware Arbeitskraft so günstig wie möglich zu
gestalten. In
dieser Tarifrunde versucht die Klasse, ihre Organisation wieder dazu zu zwingen.
Ein Wechselspiel beginnt:
Vertrauensleute und aktive GewerkschafterInnen ergreifen die Initiative, sie
erhalten Unterstützung in ihrem Bereich. Die übernommene Verantwortung zwingt
sie, Bedingungen nach oben zu stellen und Kritik weiter zu tragen. Zugleich
müssen sie weiter ihren Bereich mobilisieren, um in ihrer Kritik glaubwürdig
zu bleiben. Und alle merken, dass diese Prozesse überall ablaufen und sich
verstärken, auch über die IG Metall hinaus. Im Februar lehnten zwei Drittel
der Bevölkerung die Forderungen der IG Metall als zu hoch ab. Mitte April
hielten schon 52% einen Streik für berechtigt. Wenn die Klasse in Bewegung
kommt, büßen auch die bürgerlichen Medien, die von Springer und Bertelsmann
veröffentlichte Meinung, an Macht ein. Doch
es geht nicht nur um Meinungsbildung - es geht um Organisierung. In der ersten
Phase der Tarifrunde, bei der Aufstellung der Forderungen, gab es bereits das
Bemühen der Gewerkschaftslinken, auf eine hohe Forderung zu orientieren und sie
zu dokumentieren. Im
April versuchte sie, das Misstrauen zu formulieren und die Mobilisierung zu fördern.
Solche Basis-Informations-Netze müssen unterstützt werden, weil sie der erste
Schritt zur Organisierung sind. Diese Schritte, den Willen der kämpferischen
Basis auszudrücken, zeigten auch Wirkung. Die Forderung wurde höher, die Bürokraten
mussten Vorschläge, “ertragsabhängige Komponenten” in den Tarif
aufzunehmen, wieder in der Schublade verschwinden lassen. Nicht
die Wirtschaftslage in der Branche, sondern dieser organisierte Druck der Basis
hat verhindert, dass der niedrige Chemie-Abschluss übernommen werden konnte. Daher
ist dieser Tarifkampf mehr als eine “normale” Lohnrunde. Das Kräfteverhältnis
zwischen den Klassen und der Spielraum jeder zukünftigen Regierung werden vom
Ausgang des Kampfes geprägt sein. Auch das innergewerkschaftliche Kräfteverhältnis
wird entscheidend davon berührt. Die
Tarifrunde ist eine wichtige Bewährungsprobe für die Gewerkschaftslinke. Sie
ist eng mit der Frage verbunden, welche Opposition wir in den Gewerkschaften
wollen. Einen linken Diskussionsverein, einen linksreformistischen Beraterclub
der Führung, die Zwickel und Co. mit wohlmeinenden Tipps zur Seite steht und
diese ansonsten gegen die Basis verteidigt? Oder
wollen wir eine klassenkämpferische Basisopposition, die dafür eintritt, dass
die IG Metall und alle anderen DGB-Gewerkschaften zu Kampfinstrumenten der
Mitglieder werden, die mit dem Reformismus der Bürokraten brechen, der
letztlich alles immer wieder den Bedürfnissen des deutschen Kapitals
unterordnet. Die
Tarifpolitik der letzten Jahre war ja nicht deshalb so schlecht, weil die
Gewerkschaftsspitze unfähig war. Im Gegenteil: Ihre Politik hat dem deutschen
Kapital Extraprofite gesichert und geholfen, seine Stellung auf dem Weltmarkt,
z.B. bei der Automobilproduktion, auszubauen - auf Kosten der Beschäftigten. Mit
dieser Politik müssen wir brechen, wenn die ArbeiterInnen nicht weiter
gegeneinander ausgespielt werden sollen. Das heißt auch, dass wir den
Tarifkampf nicht der Bürokratie überlassen dürfen. Wir müssen vielmehr zu
allen Fragen, auf allen Ebenen eigene Vorschläge machen und, wo immer möglich,
diese auch umsetzen. Wie
kämpfen? Die
Forderungen sind klar: Mobilisierung der vollen Kampfkraft! Volle Durchsetzung
der Forderung von 6,5%! Alle
Warnstreiks, Demonstrationen und Kundgebungen müssen das Ziel haben, einen
Streik aller Metaller vorzubereiten! Wir
wenden uns dagegen, dass Aktionen zum Dampfablassen inszeniert werden. Sie müssen
dazu dienen, den Gegner zu schlagen. Die Strategie der IGM sieht derzeit vor,
zwei Bezirke zum Kampfgebiet zu erklären. Um zu vermeiden, dass der Streik zu
lieferbedingten Betriebsstilllegungen führt, sollen entweder Endhersteller in
den Streik gerufen werden oder in anderen Unternehmen lediglich “rollende”
Streiks von ein oder zwei Tagen stattfinden. Wenn
wir ernsthaft für 6,5% kämpfen und die Unternehmer in die Knie zwingen wollen,
wird dieses Vorgehen nicht ausreichen! Wir treten daher dafür ein, die
Kampfkraft landesweit möglichst rasch zu entfalten. Alle in den Streik! Das ist
unsere Losung. Damit wird den Kapitalisten deutlich gemacht, dass es uns ernst
ist und wir zum Kampf bereit sind! Gleichzeitig wird es der Bürokratie
erschwert, den Streik von oben zu kontrollieren und
nach Gutdünken auf- oder abzudrehen. Daher
muss die Urabstimmung in allen Tarifbezirken eingeleitet werden! Daher muss klar
sein, dass wir kalte Aussperrungen durch Streikausweitung und
Betriebsbesetzungen beantworten - nicht dadurch, dass wir das Kampfmittel Streik
selbst abstumpfen. Die
Gewerkschafter und die Belegschaften müssen die Kontrolle über die Kampfführung
und den Vertragsabschluss haben! Wir schlagen vor, überall Streikkomitees zu wählen.
Ohne Votum der Mitglieder darf es keinen Abschluss geben! Die MetallerInnen müssen
über die Betriebe und Regionen hinaus Verbindungen knüpfen, um zu verhindern,
dass sie wie 2000 von der Gewerkschaftsbürokratie gegeneinander ausgespielt
werden. Es
geht darum, wer die Kontrolle über den Kampf hat. Wenn wir sie der Bürokratie
überlassen, wird sie das dazu ausnutzen, die Mobilisierung zu drosseln und
einen faulen Kompromiss mit den Kapitalisten auszuhandeln. Streikkomitees
sind der streikenden Belegschaft direkt verantwortlich und niemandem sonst! Sie
sind zugleich ein Mittel, die bisherigen betrieblichen Führer zu testen. Wie
verhalten sie sich, wenn es frontal gegen den Klassengegner geht? Perspektiven
Die
MetallerInnen sind die Speerspitze und der kampfstärkste Teil der Klasse gegen
Reallohnverlust und neue Angriffe auf den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung.
Die Beschäftigten aller Branchen müssen sich hinter den MetallerInnen sammeln.
Wir treten für gemeinsame Protest-
und Kampfaktionen von Beschäftigten aller Branchen ein. Dafür müssen in den
Städten Aktionskomitees gebildet werden! In
vielen Branchen beginnen jetzt die Tarifrunden. Viele Aktionen können gemeinsam
durchgeführt werden. Wer jetzt den MetallerInnen hilft, stärkt sich selbst.
Gleichzeitig unterstützt der gemeinsame Kampf die Durchsetzungsfähigkeit der
MetallerInnen. Der
Tarifkampf soll zum Ausgangspunkt einer Mobilisierung der gesamten Klasse gegen
alle Angriffe auf sozialpolitischem Gebiet (Arbeitslosenhilfe,
Gesundheits"reform"...), auf demokratische Rechte und gegen die
Militarisierung werden! Die
großartige Bewegung, die begonnen hat, wäre verschenkt, wenn sie nach einem
Tarifabschluss versanden würde. Neue Angriffe stehen bevor. Gestützt auf die
jetzige Mobilisierung können diese zurück geschlagen werden. Wir
rufen zur Solidarisierung mit den MetallerInnen auf: Alle Gewerkschaften, alle
Arbeitslosen-Initiativen, die antikapitalistische Jugend, alle Sozialverbände
hinter die MetallerInnen! Alle Mitglieder von SPD und PDS, vor allem
GewerkschafterInnen in diesen Parteien, sollen von ihrer Partei verlangen, die
MetallerInnen zu unterstützen. Das heißt vor allem auch, eine Initiative gegen
den Anti-Streik-Paragraf 146 SGB (früher 116 AFG) zu ergreifen. Es
gilt, sich mit Flugblättern, Infotischen und Kundgebungen an die Bevölkerung
zu wenden. Die Unternehmer und die Medien versuchen, die MetallerInnen gegen die
Arbeitslosen auszuspielen - geben wir ihnen eine gebührende Antwort! Der
von Kohl und Blüm verbrochene Anti-Streik-Paragraf führt dazu, dass diejenigen
KollegInnen ohne Geld dastehen, die wegen Lieferschwierigkeiten "kalt"
ausgesperrt sind. Die Rot/Grüne Koalition hatte versprochen, ihn zu ändern.
Was würden die Herren und Damen BundestagskandidatInnen der SPD sagen, wenn die
Kaltausgesperrten vor dem Reichstag aufmarschierten? Was würde Schröder sagen,
wenn während des Streik hundertausende MetallerInnen in Berlin vorm Kanzleramt
stünden? Dieser
Streik kann der ganzen Arbeiterklasse mehr Selbstbewusstsein, mehr Kraft und
neue Dynamik geben. Er kann sie gegenüber dem Kapital stärken, aber auch gegenüber
den reformistischen Bürokraten in der Gewerkschaft, in SPD und PDS. Wir
rufen Euch alle dazu auf, dafür zu kämpfen! Kontakt-Email an: |
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