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BOSCH-SIEMENS nimmt Schließung zurück!

Widerstand lohnt sich!

Gegenwehr No. 3, Flugschrift für Siemens-KollegInnen in Berlin

Ende August hat die Firmenleitung des Bosch/Siemens/Hausgerätewerks (BSH) den Beschluss zur Einstellung der Produktion im Gartenfelder Werk zurückgezogen. Was auch immer der Grund für dieses schmähliche Einknicken des Konzerns war – es zeigt auf jeden Fall, dass die Aufnahme des Kampfes bei BSH auch in der dort scheinbar aussichtslosen Position die richtige Entscheidung war.

Viele "Experten" auch in Gewerkschaftskreisen erklären uns ja immer wieder, dass angesichts von Globalisierung und Standortkonkurrenz nur noch Zugeständnisse und Kapitulationen angesagt wären – entschlossener Kampf gegen die Erpressungsversuche des Kapitals jedoch nur zur Standortschließung führen würde. Das Beispiel BSH zeigt, dass wir gegenüber den scheinbar allmächtigen Konzernlenkern sehr wohl zur Gegenwehr in der Lage sind.

Dabei liegen die Erfolgsfaktoren bei BSH auf der Hand:

(1) die Belegschaft ist kampfbereit und hat gerade in den betroffenen Bereichen während des Konflikts ihre gewerkschaftliche Organisation nochmals erhöht.

(2) die Belegschaft wurde von Anfang an (Verkündung des Schließungsbeschlusses Anfang Mai) über die jeweilige Situation informiert. Die sonst übliche Geheimniskrämerei der Betriebsratsführungen erstickt sonst zumeist den Widerstand, da die "erzielten Kompromisse" dann nur noch in einer Betriebsversammlung mitgeteilt werden. Dagegen wurde bei BSH durch die Information der KollegInnen die Bereitschaft zum Arbeitskampf aufgebaut.

(3) über mehrere Wochen wurde durch wiederholte Arbeitsniederlegungen die Bereitschaft zum Streik gegen die Werksschließung demonstriert.

(4) die Unterstützung der anderen BSH-Standorte war eine Neuerung und hat dem Konzern deutlich gemacht, dass ein Streik bei BSH-Gartenfeld für sie schnell zum Flächenbrand werden kann. Wie viel wäre erst erreichbar, wenn auch noch eine internationale Koordinierung von Protest gelingen würde!

(5) auch die Solidarität über den BSH-Konzern hinaus hat sicher Wirkung gezeigt. Dazu zählen sowohl die Aktionen anderer Berliner Betriebe, als auch die Aktivitäten des Solidaritätskomitees. Nicht zuletzt hat der Faktor "Öffentlichkeit" wahrscheinlich am Ende eine wichtige Bedeutung gehabt: ein heftiger Streik bei BSH mitsamt Solidaritätsaktionen kurz vor der Bundestagswahl war den Konzernstrategen rund um den neuen CDU-Chefberater Heini Pierer wohl doch zu heiß.

Kritische Punkte der Kampfstrategie

Auch wenn mit der Rücknahme des Schließungsbeschlusses jetzt ein erster Erfolg errungen wurde, so bleiben viele Ungewissheiten und kritische Punkte an der Kampfstrategie von Betriebsrats- und Gewerkschaftsführung. Der Rückzieher der Unternehmensleitung kam ja überraschend, nachdem die Betriebsratsführung kurz zuvor den Kampf um alle Arbeitsplätze für nicht mehr realistisch erklärt hatte und auf die Vorbereitung von Sozialplanverhandlungen bzw. ein "Management-buy-out" umgeschwenkt war.

Tatsächlich war ja die offiziell verkündete Strategie immer gewesen: da es in Deutschland kein Streikrecht gegen Werksschließungen bzw. Kündigungen gibt, soll über Tarifforderungen (um die legale Streiks zu führen sind) der Preis für die Schließung so hoch getrieben werden, dass die Konzernleitung die Werkschließung aufgibt. Die legale Arbeitskampflinie um die Transferleistungen sollte das Cover für die politische Arbeitskampflinie "Erhalt aller Arbeitsplätze bei BSH" sein.

Nach der plötzlichen Aufgabe dieses politischen Ziels bleib nur noch die hohe Sozialplanforderung, für die weiterhin mit Streik gedroht wurde. Dieser Drohung hat die Unternehmensleitung nun zwar nachgegeben – aber um den Preis, dass sie nun auf die Angebote für eine Kostenreduktion am Standort Gartenfeld zurückkommen will.

Damit könnte der Erfolg erkauft werden mit erneuten Angriffen auf Arbeitszeit- und Lohnregelungen, also einem weiteren Senken von Tarifstandards. Und dies dann auch noch mit der Ungewissheit darüber, wie lange die nächste Schließungsdrohung auf sich warten lassen wird. Somit ist der Kampf bei BSH-Gartenfeld noch lange nicht vorbei! Noch dazu droht weiterhin ein Ausspielen zwischen den verschiedenen Standorten, insbesondere Nauen (die KollegInnen dort dürfen natürlich nicht zu den Leidtragenden einer "Lösung" in Gartenfeld werden).

Hiermit wird auch die Zweischneidigkeit der Strategie deutlich: wenn doppelgleisig einerseits "legale" Forderungen und Angebote aufgestellt werden, andererseits das eigentliche "nicht-legale" Ziel des Kampfes um alle Arbeitsplätze nur hinter vorgehaltener Hand genannt wird, so ist ein rascher Ausverkauf des Kampfes, ohne dass die Belegschaft viel Möglichkeit zum Nachdenken und Dagegenhalten hat, sehr viel einfacher.

Außerdem wird die Mobilisierung von Öffentlichkeit umso schwieriger, je mehr die eigentlichen Ziele versteckt werden, und es scheinbar nur um die besseren Abfindungen geht. Dabei ist es gerade der Kampf um den Erhalt aller Arbeitsplätze, der für alle anderen Betriebe genauso wie für Erwerbslose, den Kampf in Gartenfeld zur exemplarischen Auseinandersetzung mit dem Kapital macht.

Organisierung der Basis

Gerade in solchen Situationen kommt es darauf an, dass wir als gewerkschaftliche Basis uns selbst organisieren, dass Basiskomitees gebildet werden, die Forderungen aufstellen und alle Verhandlungsschritte begleiten. Kein Verhandlungsergebnis ohne Urabstimmung!

Einen Ausweg aus der doppelzüngigen Arbeitskampfstrategie gibt es nur, wenn wir den entschlossenen Kampf gegen das Verbot von Streiks bei Kündigungen aufnehmen. Keine der parlamentarischen Parteien wird uns dabei voranbringen – die SPD hat entgegen ihren Wahlversprechen nicht mal den Paragrafen zur "kalten Aussperrung" abgeschafft. Das Streikrecht muss von uns erkämpft werden, ob durch Aktionen in den Betrieben oder darüber hinaus: Nehmen wir uns unser Recht!

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