Frauen, an die Waffen!

Gleichschritt = Gleichberechtigung?

Die seit Jahren gährende Debatte über die Umstrukturierung der Bundeswehr hat durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, dass das Grundgesetz gegen das EU-Recht zur beruflichen Gleichstellung von Frau und Mann verstoße, neue Nahrung bekommen. Laut Grundgesetz ist Frauen der Dienst an der Waffe verboten. Die Elektronikerin Tanja Kreil hatte mit ihrer Klage (EU-)Recht bekommen und damit eine politische Debatte losgetreten, die von "Einmischung der EU in nationale Belange" bis zur "Abschaffung der Wehrpflicht" ein interessantes Meinungsspektrum auffächert, in dem keine einzige Partei eine einheitliche Schattierung wahrt. Nur der Bundeswehrverband unterstützt die Forderung Tanja Kreils!

Ungeachtet der ungeordneten politischen Debatte will die Bundeswehr bereits im nächsten Jahr Frauen für den Waffendienst in Kampfverbände aufnehmen. Die Bundeswehr erscheint somit wie ein der politischen Debatte in Sachen Frauenpolitik vorangehender Haufen. Darüber mögen Feministen aus der Schwarzer-Schule in Jubel ausbrechen, wer jedoch um einen proletarischen Klassenstandpunkt bemüht ist, sollte sich von dem Fokus auf den Gleichstellungsaspekt lösen und wird schnell merken, daß er selbst in dieser Frage hinters Licht geführt wird.

Die bürgerliche Armee in jedweder Form, egal ob Miliz, Wehrpflichtigen- oder Freiwilligenarmee, ist eine bewaffnete Formation des bürgerlichen Staates, die der militärischen Verteidigung der Interessen und der Sicherung der Existenzgrundlage (des Privateigentums) der herrschenden Klasse dienen soll. Im Inneren erledigt das die Polizei, nach außen hin das Militär (wobei nicht ausgeschlossen ist, daß das Militär auch nach innen z.B. zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt wird, bzw. die Polizei nach außen hin z.B. zur Absicherung diverser Grenzabkommen).

Das bürgerliche Recht operiert dabei mit Formulierungen, die den Anschein der Gleichheit der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft wahren soll, indem es z.B. sagt, es ginge nur darum, jedem den Schutz seiner Rechte, seiner Person und seines Eigentums zu garantieren. Real führt die Prämisse des Schutzes des privaten Eigentums zur Aufrechterhaltung und Verschärfung von Ungleichheiten, die sich aus den Produktionsverhältnissen ergeben.

Ebenso bemäntelt sich das Bedürfnis nach übernationaler Sicherung von Kapitalinteressen einer den Anschein der Gleichheit der Nationen wahrenden Phraseologie, die als "Schutz der Menschenrechte", "Achtung der Souveränität der bestehenden Grenzen" oder "Nichteinmischung in innere Angelegenheiten" daherkommt und beliebig austauschbar ist, je nachdem, wie es die dominierenden, ihr auswärtiges Interesse wahrnehmenden Kapitalfraktionen gerade brauchen.

Im übrigen ist auch die Unterdrückung der Frauen eine Existenzgrundlage der kapitalistischen Gesellschaft, insofern, als dass ihnen im Ergebnis der Entstehung von Privateigentum und der Herausbildung von Klassen die volle soziale, ökonomische und politische Gleichstellung mit den Männern verwehrt wurde, was in den Gentilgesellschaften noch nicht der Fall war. Erst die Entwicklung der Produktivkräfte und das sich ändernde Verhältnis der Reproduktion zu ihnen, nicht die Tatsache der Reproduktion an sich, verwandelte die Arbeitsteilung in eine unterdrückerische. Als die Familie zur dauerhaften Grundstruktur des Haushalts und zur vorherrschenden Form sozialer Organisation wurde, wurden Gesetze und Kodizes eingeführt, welche die Unterordnung der Frau erzwangen und zum Verlust jeglicher gleicher Rechte auf Eigentum oder auf politisches oder soziales Leben führten. Der Zusammenstoß zwischen den Verwandtschaftsgruppen (Gentilgesellschaften) und der Familie spiegelte den Zusammenstoß zwischen Gemein- und Privateigentum wider. Er schuf die objektive Notwendigkeit für eine öffentliche Macht, die als Schiedsrichter fungieren konnte, womit die materielle Grundlage für den Staat gelegt war. Der patriarchalischen Charakter der Familie und der Erbfolge wurde durch den Staat verstärkt.

Frauen und Männer der Arbeiterklasse, die in der Polizei oder der bürgerlichen Armee dienen, sollten sich also bewußt werden, dass sie dem Kapital helfen, sein Interesse gegen die Angehörigen ihrer eigenen Klasse nach innen und nach außen durchzusetzen und die bestehenden Unterdrückungsverhältnisse aufrechtzuerhalten. Daß dieses Verständnis nicht so selbstverständlich ist, und die bürgerliche Phraseologie eher verfängt - zumal die reformistischen Organisationen sich derselben Rhetorik bedienen, um die Arbeiterklasse an das bürgerliche System zu fesseln -, zeigt eine junge Rekrutin, die sagt, sie wolle nur helfen in der Bundeswehr, am liebsten in Bosnien. (TAZ-Reportage, Nr. 5118, Seite 11)

Heißt das, dass wir dagegen sind, dass Frauen in der Bundeswehr dienen, z.B. mit der Begründung, sie würden ja dann auch helfen, die fortgesetzte Unterdrückung ihrer Geschlechtsgenossinnen zu zementieren? - Ja und nein.

Zunächst einmal gehen wir davon aus, dass die Arbeiterklasse ein dringendes Interesse daran hat, die bürgerlichen Streitkräfte zu zerstören. Je geschwächter, desolater, desorientierter der bewaffnete Arm des Klassengegners, desto besser für den Erfolg des Kampfes der Arbeiterklasse. Deshalb sagen wir: Keinen Groschen, keine Person für dieses System! Daraus folgt auch, dass wir gegen die Einberufung junger Arbeiterinnen und Arbeiter in das Heer und gegen die Wehrpflicht an sich sind. Wir kämpfen für die Abschaffung des Militärbudgets und fordern die Offenlegung der Geschäftsbücher der Rüstungsindustrie. Die Militärprofite müssen beschlagnahmt, die Rüstungsindustrie enteignet und unter Arbeiterkontrolle gestellt werden. Statt Rüstungsindustrie fordern wir ein Programm nützlicher öffentlicher Arbeiten. All diese Forderungen müssen Losungen der kämpfenden Arbeiterbewegung werden.

Wir erkennen aber ganz klar, daß sich die Bourgeoisie bei der Druchsetzung ihrer Interessen gegen die Arbeiterklasse immer die militärische Option offenhalten wird. Deshalb ist der Aufbau bewaffneter Formationen der Arbeiterklasse dringend notwendig. Dies kann von Training und Ausbildung junger Kämpferinnen und Kämpfer in "friedlichen" Perioden des Klassenkampfes, über die Verteidigung von Streikpostenketten bis zur Aufstellung einer Arbeitermiliz reichen.

Jedoch hat die Erfahrung geschichtlicher Klassenkämpfe und Revolutionen gezeigt, daß die Arbeitermiliz alleine die Macht des bürgerlichen Staates nicht zerschlagen kann. Die bürgerlichen Streitkräfte der herrschenden Klasse müssen sowohl von innen als auch von außen zersetzt werden. Die geschichtliche Erfahrung offenbart, daß in entscheidenen Auseinandersetzungen mit der Arbeiterklasse Teile der Streitkräfte ins Schwanken geraten und mit ihrem bürgerlichen Kommando brechen.

Schon jetzt ist es erforderlich, am Klasseninteresse der jungen Rekruten anzuknüpfen und mit einer Reihe von Taktiken den Gehorsam innerhalb der Truppe zu untergraben. Um diese Arbeit anzuleiten, sind wir bemüht, kommunistische Zellen in den Streitkräften aufzubauen. Diese sollten nach Möglichkeit an die einfachen Soldaten gerichtete Informationsblätter herausgeben, in welchen für die Organisierung der niederrangigen Soldaten und Unteroffiziere gegen die Privilegien und die Korruption der Offizierskaste argumentiert wird. Die Unzufriedenheit der einfachen Soldatinnen und Soldaten ist zu unterstützen und darauf auszurichten, sich mit den Kämpfen der Arbeiterklasse zu solidarisieren. Wir fordern für die einfachen Soldatinnen und Soldaten das Recht, Gewerkschaften und politische Organisationen zu gründen, politische Literatur zu lesen, zu diskutieren und in Umlauf zu bringen und zu streiken. Solange die Streitkräfte noch unter dem ungebrochenen Kommando des bürgerlichen Staates stehen, können die Gewerkschaften oder politischen Organisationen der einfachen Soldaten freilich nicht Zutritt in die Reihen der Arbeiterbewegung erhalten. Dennoch sind solche Organisationen ein wichtiger Kristallisationspunkt, um die Unzufriedenheit und den Zorn der jungen Rekruten in organisierte, kämpfende Formen zu lenken.

Wo der Kampf der niederen Ränge für bessere Bedingungen oder höhere Löhne in einen fortschrittlichen Konflikt mit dem bürgerlichen Staat gerät, unterstützen wir diesen und kämpfen für die Aufhebung des Kasernierungssystems, die Wahl der Offiziere und das Recht der unteren Ränge, Tribunale zu bilden, um Offiziere vor Gericht zu stellen, die sich durch Brutalität, Korruption, Verschwörung und reaktionäres Vorgehen deren berechtigten Haß zugezogen haben.

Bei all diesen Taktiken können Frauen durch ihre besondere Unterdrückung, die sie in der Gesellschaft und in der Armee erfahren, eine besondere Rolle spielen, indem sie eben diese Unterdrückung als ein Teil des Systems erkennen und entlarven, das durch das bürgerliche Kommando geschützt und aufrechterhalten wird. In diesem Sinne und nur in diesem sagen wir: Frauen, an die Waffen!

(Die Frauen müssen für ihr Recht auf gesonderte Soldatinnentreffen innerhalb der Armee kämpfen. Sie sollten sich keine Illusionen in die Gleichstellungspolitik der Heeresleitung machen. Das Verteidigungsministerium sagt ganz deutlich, worum es geht, wenn die Bundeswehr auch für Frauen geöffnet werden soll: "Wir brauchen sie (die Frauen), denn wir haben zuwenig Bewerber." Scharping will Frauen daher ausgerechnet zu einem der unbeliebtesten und am niedrigsten bewerteten Dienste in der Truppe heranziehen: dem Wachdienst.

Auch in jenen westlichen Ländern, die ihre Armeen bereits seit längerem für Frauen geöffnet haben, sind diese gegenüber männlichen Soldaten schlechter gestellt. Der größte Frauenanteil (gleichzeitig die weitreichendste Kampferfahrung) hat die US-amerikanische Armee. Dort beklagt die Hälfte der weiblichen Soldaten sexuelle Übergriffe und Mißbrauch. Frauen bleiben in allen Armeen wie auch in der Wirtschaft weitgehend von hochrangigen Führungspositionen ausgeschlossen. Es ist eben nicht so, wie manche Feministen und auch Reformisten meinen, daß "die Teilnahme an diesem Beruf, der wie kein anderer mit Männlichkeit und vermeintlich ausschließlich 'männlichen' Eigenschaften in Verbindung gebracht wird, die Geschlechtsrollenstereotype nachhaltig ins Wanken bringt" (Christina Schenk, PDS). Das wäre auch verwunderlich, da die ideologische Indoktrinierung durch das Kommando auf die Vermittlung der bürgerlichen Ideologie zielt. ) Die letzten beiden Absätze weglassen.

Widersprüchliches von allen Seiten zum Thema "Frauen und Bundeswehr":

Bundesverteidigungsminister Scharping (SPD) ließ am 13.7.1999 verlautbaren, daß es Pläne gebe, Soldatinnen auch im Wachdienst - also auch mit der Waffe - einzusetzen. Diese Pläne liefen unabhängig davon, daß das Grundgesetz den Dienst von Frauen an der Waffe verbiete. (FR vom 14.7.99) Die Abschaffung der Wehrpflicht und den Einsatz von Frauen in Kampftruppen schloß er jedoch aus.

Gerhard Schröder sprach sich schon 1996 für den Einsatz von Frauen in der Bundeswehr an Waffen und in Kampfverbänden aus.

Angelika Beer, verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen, unterstreicht die Forderung ihrer Partei nach einer Freiwilligen-Armee, zu der dann auch Frauen gleichberechtigten Zugang haben sollen.

Michael Behrendt und Ralf Siemens, grüne Mitarbeiter der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär sind immer noch der Auffassung, daß das langfristige Ziel der Grünen die Entmilitarisierung der Politik bis hin zur Abschaffung der Armeen sei.

Die FDP fordert den gleichberechtigten Zugang von Frauen auf freiwilliger Basis zu den Streitkräften, will jedoch die Abschaffung der Wehrpflicht nicht damit verknüpfen.

Volker Rühe findet Frauen in Kampfpanzern widerlich. Er sei für eine weitere Öffnung der Bundeswehr für Frauen, jedoch nicht an der Waffe.

Die Frauengruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärte, eine Öffnung des bewaffneten Dienstes für Frauen in der Bundeswehr sei ein Schritt in die richtige Richtung. Eine Wehrpflicht für Frauen lehnen sie jedoch ab.

Edmund Stoiber (CSU) kritisierte die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. Einfaches europäisches Recht könne nicht höher bewertet werden als das Grundgesetz. Die Bundeswehr-Öffnung sei eine "zutiefst nationale Frage".

Die frauenpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion, Petra Bläss, sprach sich in ihrer Rede vor dem Bundestag am 11.11.99 gegen den Einsatz von Frauen in der Bundeswehr aus. Statt dessen setze sie sich für den Aufbau ziviler Kräfte ein, die zur Konfliktregulierung eingesetzt werden können.

Christina Schenk, familienpolitische Sprecherin der PDS, befürwortete in einem SoZ-Artikel (Nr. 23) vom 11.11.99 die Öffnung der Bundeswehr für Frauen auch in Kampfeinheiten.

 

Frauen in westlichen Armeen

In den meisten NATO-Staaten sind Soldatinnen seit Jahren mit steigender Tendenz selbstverständlich. Ihr Anteil reicht von 1% (Türkei) bis über 14% (USA). Die Staaten setzen auf den freiwilligen Zugang von Frauen zu den Streitkräften (lediglich in Israel gibt es eine Wehrpflicht für Frauen). Als vorläufig letztes Land in Europa hat Österreich 1998 Frauen den uneingeschränkten Zugang zum Militär ermöglicht

Belgien (Anteil von Frauen 7,2%) Alle Dienstposten zugänglich, außer U-Boote

Dänemark (5,1%) Alle Dienstposten zugänglich, außer Kommandotruppen und Kampfschwimmer

Deutschland (1,1%) Sanitäts- und Militärmusikdienst

Frankreich (7,5%) Alle Dienstposten, auch Kampfunterstützungstruppe, zugänglich, außer Kampftruppe

Griechenland (3,75%) Alle Dienstposten, auch Kampfunterstützungstruppe, zugänglich, außer Kampftruppe

Großbritannien (7,5%) Alle Dienstposten zugänglich, außer Kampftruppe mit direktem Einsatz gegen Bodentruppen, sowie U-Boote

Italien Derzeit (Stand Juni 1998) noch keine Frauen in den Streitkräften, politische Entscheidung und Umsetzung voraussichtlich 1999

Kanada (10,8%) Alle Dienstposten zugänglich, außer U-Boote

Niederlande (7,2%) Alle Dienstposten zugänglich, außer U-Boote und Marine-Korps

Norwegen (5,1%) Alle Dienstposten zugänglich

Portugal (1,1%) Alle Dienstposten, auch Kampfunterstützungstruppe, zugänglich, außer Kampftruppe

Spanien (2,3%) Alle Dienstposten zugänglich

Türkei (1%) Alle Dienstposten, auch Kampfunterstützungstruppe, zugänglich, außer Kampftruppe

USA (14,4%) Alle Dienstposten zugänglich, außer Kampftruppe mit direktem Einsatz gegen Bodentruppen, sowie U-Boote

12 Nationen haben bereits die Kampfunterstützungstruppen geöffnet, 7 Nationen darüber hinaus die Kampftruppe - diese jedoch zumeist mit Einschränkungen. Die Staaten mit der größten Erfahrungen in Einsätzen ("Kampferfahrung") wie USA, GB und F haben deutliche Restriktionen bei der Öffnung der Streitkräfte für Frauen, besonders in der Kampftruppe. Nur Norwegen hat die Öffnung komplett vollzogen. So gibt es dort seit 1994 eine Kommandeurin eines Infanteriebataillons und seit 1995 eine U-Boot-Kommandantin.

(Quelle: BMVg, Stand: Juni 1998/Hintergrundmaterialien der PDS-Bundestagsfraktion)