Neu Marxistische Theorie Jugend Termine Archiv
Gewerkschaften Internationalismus Frauen Antifaschismus
  •  





  •  

     


                      

    Faulheit oder fauler Trick?

    Peter Lenz

    Anfang April hat Kanzler Schröder den Startschuss zu einer neuen Debatte gegeben, die mit einer Breitseite gegen Arbeitslose begann. Per BILD erklärte er, es gäbe "Kein Recht auf Faulheit". "Drückeberger" müssten unter Druck gesetzt werden, wenn sie sich weigerten, freie Stellen anzunehmen. Die Arbeitsämter übten nicht genug Zwang aus, um die Arbeitsunwilligen zur Arbeitsaufnahme zu bewegen.

    Damit hat Schröder den Startschuss zu einer neuen Hetzjagd auf die Arbeitslosen gegeben. Sogleich stimmten weitere "Sozialexperten" in diesen Chor ein. So fordert der DIHT-Präsident Braun unter dem Slogan "Nur Arbeit schafft Arbeit", mehr unbezahlte Arbeit zu leisten, weil dadurch neue Arbeitsplätze geschaffen würden. Der tatkräftige Unternehmer Braun hat diese Idee in seiner Firma B.Braun Melsungen AG auch sogleich umgesetzt.

    Durch unbezahlte Mehrarbeit werden Arbeitsplätze in Deutschland erhalten. Zugleich aber – und darüber redet Braun nicht – entstehen am Alternativstandort Barcelona genau dieselbe Anzahl Arbeitsplätze nicht. So bringt diese Politik insgesamt keinen einzigen Arbeitsplatz mehr, dafür aber mehr Ebbe im Portemonee und verstärkt nationalistische Einstellungen in der Klasse auf Kosten der internationalen Solidarität. Die Politik Brauns fördert Billigarbeit und unbezahlte Arbeit und erhöht so den Druck auf die Löhne.

    CDU-Vize Wulff intoniert eine ähnliche Melodie. Er schlägt vor, dass Beschäftigte, die schon vor der Arbeitslosigkeit generell auf Beschäftigungsförderungen wie ABM oder Leistungen verzichten, weniger Arbeitslosenversicherungsbeiträge zahlen. Praktischer Nebeneffekt für die Unternehmer ist dabei, dass sie auch weniger "Arbeitgeberanteil" zahlen müssen. So erweist sich wieder einmal ein "realistischer" Vorschlag als Präsent für die Kapitalisten.

    Nach der Rentenreform sollen nun Arbeitslosen- und Krankenversicherung auf den neoliberalen Seziertisch. Hinter der Serie von Interviews und Stellungnahmen steckt System, es wird Stimmung gemacht, gespalten, Alte werden gegen Junge ausgespielt, Gesunde gegen Kranke, "Arbeitsplatzbesitzer" gegen Arbeitslose. Dieses Schauspiel soll indessen nur verschleiern, dass trotz zuletzt guter Konjunktur der von den Sozialdemokraten versprochene Abbau der Arbeitslosigkeit nicht vorangekommen ist.

    Die Arbeitsämter fühlen sich zu unrecht angegriffen. Es werde ja schon alles umgesetzt, was Schröder wolle. Man sperre ja schon genug Gelder und drangsaliere die Arbeitslosen. "Eine Debatte über Drückeberger unter den Arbeitslosen ist beim Arbeitsamt Kassel nicht erforderlich", hieß es am Mittwoch bei der Vorstellung der Bilanz für das Jahr 2000. Die Diskussion um "Drückeberger" ist z.B. beim Arbeitsamt Kassel kein Thema. Aus mehreren Gründen. Erstens "will die Masse arbeiten", sagte deren Pressesprecher Krollpfeiffer. Zweitens reichten die vorhandenen Gesetze aus und würden auch angewendet. Hauptsächlich gehe es dem Arbeitsamt in der vom Bundeskanzler ausgelösten Debatte um die Frage offener Stellen. Die gibt der Markt in diesem Bezirk aber derzeit nicht her: Auf 100 Arbeitslose kommen nach Angaben Krollpfeiffers in Nordhessen nur sechs freie Arbeitsplätze.

    Die Zahl der tatsächlich als "unwillig" ermittelten Personen ist im Kasseler Amtsbezirk gering: 520 Mal sind im Jahr 2000 wegen der Verweigerung von Arbeit oder Bildungsmaßnahmen Sperrzeiten verhängt worden.

    Das sind 2,2 Prozent der Personen, die im vergangenen Jahr Arbeitslosengeld oder -hilfe erhalten haben. Sperrzeit bedeutet beim ersten Mal Arbeitsverweigerung zwölf Wochen kein Geld vom Arbeitsamt, beim zweiten Mal den Verlust des Anspruchs.

    Dass Schröder in dieselbe Kerbe haut wie die CDU oder die Unternehmerverbände, verwundert nicht. Im vorigen Jahr begann die SPD die Diskussion über ein neues SPD-Grundsatzprogramm. Dabei hat der stellvertretende SPD-Chef Wolfgang Clement gefordert, "die Gerechtigkeitsvorstellungen der SPD zu verändern. Auch Ungleichheit müsse in Kauf genommen werden, wenn sie dem Ganzen diene".

    Die neoliberale Politik der Bundesregierung steht im Einklang mit den Zielsetzungen von IWF und Weltbank. So wird im IWF-Länderbericht 2000 der starre Arbeitsmarkt in Deutschland gerügt: Wie schon in mehreren vorangegangenen Länderberichten bemängelte der IWF vor allem die "starren" Arbeitsmärkte als Ursache für fehlende wirtschaftliche Dynamik und den langsamen Rückgang der Arbeitslosigkeit in Deutschland. Vor allem "das großzügige soziale Netz, die hohen Sozialversicherungsbeiträge und die geringe Lohnspreizung" hätten zur Folge, dass Firmen weniger Mitarbeiter einstellten als sie könnten. Außerdem solle der Zeitraum, für den der Staat Arbeitslosen Unterstützung gewährt, verkürzt werden.

    Kritik an der Faulheit...

    Selbst Sozialdemokraten wie Ottmar Schreiner oder die Arbeitsämter kritisieren Schröder für seine Kampagne, weil sie mit der Realität wenig zu tun hat. In den letzten Jahren hat die Zahl ungeregelter, unterbezahlter und Teilzeitarbeitsverhältnisse deutlich zugenommen. Angesicht dieser Entwicklung ist das Gerede von zu geringer Lohnspreizung reiner Hohn. Wenn ein Arbeiter stundenlange Autofahrten (bei den heutigen Spritpreisen!) in Kauf nimmt, um zur Arbeit zu kommen, oder wenn eine Arbeiterin hunderte Mark für einen Kitaplatz berappen muss, um selbst arbeiten gehen zu können, dann ist es doch nicht verwunderlich, wenn manche sich diesen Stress sparen und dafür lieber auf ein paar Mark Einkommen verzichten.

    Die Entfremdung des Lohnarbeiters von seiner Arbeit und deren Produkten, seine Rolle als Anhängsel der Produktion blockieren seine "Lust" auf Arbeit und stoßen ihn quasi mit der Nase darauf, dass Arbeit im Kapitalismus nichts anderes ist als der erzwungene Verkauf seiner Ware Arbeitskraft an den Kapitalisten. Selbst wenn der Lohn einigermaßen ausreicht, um seine Arbeitskraft zu regenerieren, so ist doch schwerlich zu übersehen, dass sein Anteil am gesellschaftlichen Reichtum relativ abnimmt, dass er keinen Einfluss darauf hat, wie was wofür erzeugt wird.

    ...oder am Lohnsystem?

    Die Überwindung von "Faulheit" wie die Überwindung aller Umstände, die eine schöpferische und gesellschaftlich nützliche Arbeit behindern oder unmöglich machen, setzen die Überwindung des Kapitalismus voraus. Sie setzen eine Gesellschaft voraus, in der die Produzenten und Konsumenten gemeinsam mittels eines demokratischen Planes produzieren und verbrauchen – den Kommunismus. Schon für Marx war der Kommunismus u.a. dadurch gekennzeichnet, dass (die wesentlich verkürzte) Arbeit das erste Bedürfnis des Menschen ist.

    Doch Arbeitslosigkeit, Arbeitshetze und andere "Begleiterscheinungen" des Kapitalismus müssen heute bekämpft werden, die Vertröstung auf eine bessere Zukunft reichen da nicht. Was sind die Antworten und Forderungen von Revolutionären dazu?

    Eine Verbesserung von Arbeitsbedingungen und ein Abbau von Arbeitslosigkeit können insgesamt nur gelingen, wenn sie durch Kampfaktionen der Arbeiterklasse erzwungen werden. Die Kontrolle der Produktion und der betrieblichen Abläufe durch die Beschäftigten selbst gegen die bürokratischen Mechanismen der Unternehmer und der von ihnen instrumentalisierten Arbeiterbürokraten sind ein wichtiger Schritt. Die Diskrepanz zwischen den Beschäftigten, die sich kaputt schuften, und den Arbeitslosen, die keinen Job haben, muss überwunden werden, indem die vorhandene Arbeit auf alle gleichmäßig aufgeteilt wird.

    Anstatt sich auf die bürgerliche Kürzungs- und Erpressungslogik gegenüber Arbeitslosen einzulassen, müssen Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie Programme öffentlich sinnvoller Arbeit unter Arbeiterkontrolle aufgestellt werden. Die Finanzierung all dessen muss durch die Progressivbesteuerung von Kapital und Großvermögen erfolgen.

    Im Aktionsprogramm der Gruppe ARBEITERMACHT vom Dezember 1999 machen wir Vorschläge, mit welchen Methoden und um welche Forderungen der Kampf geführt werden muss. Der folgende Auszug daraus soll unsere Politik verdeutlichen.

    Kampf der Arbeitslosigkeit!

    Die Wiedereingliederung der durch die Krise des Kapitals freigesetzten 8 Millionen verdeckt oder offen Arbeitslosen ist eine Schlüsselforderung in der gegenwärtigen Situation. Diese strategisch wichtige Spaltung der Lohnabhängigen muss dringend überwunden werden!

    30-Stunden-Woche und 4-Tage-Woche in Ost und West bei vollem Lohnausgleich!

    Aufteilung der Arbeit auf alle Hände unter Arbeiterkontrolle!

    Europaweit koordinierter Kampf zur Verkürzung der Arbeitszeit!

    Für ein öffentliches Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten, unter Kontrolle der Beschäftigten, der Gewerkschaften und von Komitees der örtlichen Bevölkerung!

    Solange nicht alle Arbeitslosen in den Arbeitsprozess reintegriert und die vorhandene gesellschaftliche Arbeit unter alle Arbeitenden aufgeteilt worden ist, fordern wir eine Anhebung der Mindestunterstützung für alle Arbeitslosen auf 2000 DM netto/pro Monat, so dass ein menschenwürdiges Leben ermöglicht ist!

    Nein zur Zwangsbeschäftigung von Arbeitslosen und Rücknahme aller gesetzlichen Verschlechterungen!

    Die Unternehmen müssen gezwungen werden, Ausbildungsplätze für alle zu schaffen und die Auszubildenden zu übernehmen! Sofortige Einführung einer Lehrstellenabgabe (Umlagefinanzierung)! Festlegung der Ausbildungsinhalte durch die Gewerkschaften, Arbeiter- und Auszubildendenkomitees!

    Tarifliche und rechtliche Gleichstellung aller Auszubildenden! Ausbildungsvergütung in der Höhe des Mindestlohns.

     

     



     

     

    Zurück zur Homepage

    Kontakt-Email an:
    gam@arcormail.de