Stellungnahme der LRKI zur
Solidaritätskampagne für Mario Bango
Selbstverteidigung
ist kein Verbrechen!
Der
Fall Mario Bango hat mittlerweile sowohl in der Slowakei als auch
international Beachtung gefunden. Bekanntlich verteidigte Mario Bango –
ein 18-jähriger Roma in der Slowakei – erfolgreich seinen Bruder Edo,
als dieser von einem Nazi-Skinhead überfallen wurde. Wochen später
verstarb der Nazi an den Folgen der Auseinandersetzung. Seitdem sitzt
Mario im Gefängnis und ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft.
In den slowakischen
Medien läuft eine beispiellose rassistische Kampagne gegen Mario und voll
des Lobes für den Skinheads. Im Parlament wurde sogar eine Trauerminute für
den Nazi eingelegt!
Die Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale (LRKI) hat
vom ersten Augenblick an Mario Bango verteidigt und eine internationale
Solidaritätskampagne initiiert.
Innerhalb jener Kräfte,
die sich mit Mario solidarisieren, entwickelt sich eine Debatte über die
Verwendung einer Waffe, als Mario seinen Bruder verteidigte. War dies
gerechtfertigt oder ein Fehler? Selbstverständlich geht es hier nicht um
juristische Erwägungen bei der Prozessführung von Mario. Es geht darum,
welche grundsätzliche politische Haltung die fortschrittlichen Kräfte,
die heute die Solidaritätskampagne unterstützen, einnehmen und vertreten
sollen.
Für uns als konsequente
Anti-Rassisten und Marxisten ist es eine Selbstverständlichkeit, uns mit
Mario’s Akt der Selbstverteidigung zu solidarisieren. Selbstverteidigung
ist kein Verbrechen!
Es wäre ein schwerer
Fehler und ein Akt der politischen Feigheit, Mario’s berechtigte
Verteidigung als “Fehler” zu bezeichnen. Denn hier geht es um eine
grundsätzliche politische Frage.
In der Regel sind Roma
bzw. Immigranten und Angehörige nationaler Minderheiten, aber auch
Gewerkschafter und Linke, Opfer von faschistischer Gewalt. Mario’s
Verteidigung hingegen ist zu einem Symbol geworden für eine Alternative:
Roma sind nicht mehr bloß Opfer, sondern sie wehren sich! Faschistische
Gewalt darf nicht mit Ducken und passiver Hinnahme beantwortet werden,
sondern mit organisierter und entschlossener Gegenwehr!
Pazifismus ist hier fehl
am Platz; er ist – wie es schon Lenin formulierte – eine Ideologie der
Sklavenhalter für ihre Sklaven. Im Gegensatz zu den Pazifisten und den
halbherzigen Linken anerkennt die LRKI die Notwendigkeit der Gewalt gegen
die faschistische Aggression. Mario’s Tat als “Fehler” zu
bezeichnen, bedeutet das Prinzip des notwendigerweise “gewaltsamen”
Kampfes gegen den Faschismus und Rassismus als “Fehler” zu bezeichnen.
Letztlich bedeutet dies, den Klassenkampf als “Fehler” zu sehen,
kleinbürgerlich-pazifistische Methoden zu propagieren und sich letztlich
auf den (rassistischen) kapitalistischen Staat zu verlassen.
Jene
Linke, die zwar an sich den bewaffneten Widerstand gegen die Faschisten
als notwendig anerkennen, jedoch meinen, aus “taktischen” Gründen müsse
man Mario’s Handlung als “Fehler” bezeichnen, geben marxistischen
Prinzipien im Austausch für die Unterstützung durch liberale Kräfte
preis. Auch wir begrüßen jede Art von Unterstützung durch Pazifisten,
Liberale etc. – sprich von Menschen, die nicht mit Mario’s militanter
Selbstverteidigung übereinstimmen. Aber wir dürfen deswegen nicht ihre
Vorurteile annehmen und verbreiten.
Bei
der Verteidigung von Mario geht es nicht ausschließlich nur um ihn persönlich.
Die LRKI versteht die Solidaritätskampagne auch als eine politische
Aufgabe, um andere und zukünftige Mario’s zu unterstützen. Dies wird
ihnen helfen, sich nicht in derselben Situation wie heute Mario und sein
Bruder wiederzufinden. Es ist ebenso notwendig, den Gedanken der
entschlossenen Selbstverteidigung und der direkten Aktion gegen die
Faschisten zu verbreiten. Die Kampagne soll anderen Mut machen, kollektive
Maßnahmen zur Selbstverteidigung zu ergreifen. Wir wollen auf Mario’s
Courage aufmerksam machen, denn die Roma – und alle anderen Unterdrückten
– brauchen heute zwei, drei, viele Mario’s.
Natürlich
meinen wir nicht, daß es möglich wäre, den Faschismus bloß durch
entschlossene Gegenwehr zu besiegen. Der Faschismus ist letztlich ein
Produkt der miserablen Lebensbedingungen der kapitalistischen
Gesellschaft, wo bestimmte verarmte Schichten den Faschisten nachlaufen,
weil ihnen die offiziellen Parteien der Arbeiterbewegung keine Perspektive
bieten können. Das Übel des Faschismus kann nur durch eine
Arbeiterbewegung erfolgreich bekämpft werden, die die notwendige
physische Konfrontation gegen die Nazi-Banden mit einer Perspektive des
Kampfes für soziale Verbesserungen verbindet. Der Faschismus kann
letztlich nur gemeinsam mit dem Kapitalismus verschwinden.
Es
wäre jedoch eine Karikatur auf den Marxismus, würde man aus dieser
allgemeinen Überlegung ableiten, dass Gewalt gegen Faschisten unnötig
wäre und man bloß auf die sozialistische Umwandlung der Gesellschaft zu
warten bräuchte. Diese Art von “Realismus” hat keinen Platz im realen
Leben, ganz zu schweigen vom marxistischen Programm. Genauso gut könnte
man sagen, dass wir uns Streiks für Lohnerhöhungen ersparen könne, da
sich der Lebensstandard der Arbeiterklasse dauerhaft sowieso nur in der
sozialistischen Gesellschaft verbessern wird.
Nein,
jede erfolgreiche Verteidigung gegen Nazi-Überfälle ist ein kleiner
Schritt vorwärts. Die Nazis müssen durch solche lehrreichen Erfahrungen
daran erinnert werden, dass sie nicht ungestraft Roma und andere überfallen
können. Potentielle Sympathisanten der Rechten können durch solche
Erfolge abgeschreckt werden. Unser Motto lautet: “Bestrafe einen,
erziehe hundert!”
Für
Sozialisten darf die Solidarität mit Mario nicht nur ein humanitäres
Anliegen sein, sondern muss auch einen politischen Charakter besitzen. Die
Grundlage der politischen Solidarität mit Mario muss lauten.
Selbstverteidigung ist kein Verbrechen! Wir erklären unsere
bedingungslose Unterstützung für Mario‘s Selbstverteidigung und
Verteidigung seines Bruders gegen einen Nazi-Überfall. Mario ist –
trotz seines jugendlichen Alters – ein Aktivist der slowakischen
Arbeiterbewegung und Teilnehmer der jüngsten anti-kapitalistischen
Demonstrationen. Er ist ein Aktivist des Klassenkampfes, der heute im Gefängnis
sitzt und der die aktive Unterstützung aller fortschrittlichen Kräfte
weltweit verdient.
11.5.2001
Internationales Sekretariat der LRKI
Der
ArbeiterInnenstandpunkt (ASt) ist die österreichische Sektion der LRKI.
Die Gruppe Arbeitermacht
(GAM) ist die deutsche Sektion der LRKI.
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